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der deutschen Kolonien
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Von deutscher Pionierarbeit (Teil
1)
[347]
Die deutsche
Kolonialbewegung
Erich Duems
Als Fürst Bismarck
am 24. April des Jahres 1884 jenes bekannte
Telegramm an den deutschen Konsul in Kapstadt richtete, durch das er die ersten
kolonialen Erwerbungen des Bremer Kaufmanns Lüderitz unter
den Schutz des Deutschen Reiches stellte und damit der Traum des deutschen
Volkes nach eigener kolonialer Betätigung in Übersee
Verwirklichung fand, sagte Kaiser Wilhelm I.,
jetzt erst könne er wieder dem
Großen Kurfürsten, dessen Denkmal auf
der Neuen Brücke in Berlin steht, offen ins Auge schauen. Das koloniale
Werk des Großen Kurfürsten mußte zugrunde gehen, weil
hinter diesem Werk nur die machtvolle Persönlichkeit seines
Schöpfers, nicht aber eine starke und ihrer selbst bewußte
Nation stand.
Mit der Errichtung des Reiches durch den Fürsten Bismarck wachte im
deutschen Volke das Verlangen nach kolonialen Neuräumen wieder auf. Es
war nicht wie heute die wirtschaftliche Not, die das deutsche Volk dazu
drängte, sich eigene Kolonien zu erwerben, sondern der Drang, an
großen nationalen Aufgaben die neu erwachten Kräfte zu messen und
die Grundlagen der zukünftigen wirtschaftlichen und nationalen
Entwicklung zu verbreitern. Noch stand die Welt dem deutschen
Arbeitsfleiß offen, und die Eröffnung immer neuer
Absatzmärkte in Übersee ließ vielen die Gewinnung eigener
Absatzräume als zumindest nicht dringlich erscheinen. Das noch nicht
industrialisierte Ausland nahm begierig die hochwertigen deutschen Arbeiter und
Techniker auf, und der Strom der Auswanderer ebbte keineswegs ab, sondern ging
selbst nach Erwerb der deutschen Kolonien in den achtziger und neunziger Jahren
in weitem Maße wie bisher nach den Vereinigten Staaten und den
übrigen von den Deutschen bevorzugten Auswanderungszielen im
Auslande.
So waren es in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts nur wenige
weitblickende deutsche Männer, die den hier und da zutage getretenen
kolonialen Strömungen im deutschen Volke ein breiteres Bett schaffen
wollten, von deren gesammelter mitreißender Bewegung sie die endliche
Verwirklichung des Zieles eigener deutscher Kolonien erhofften. In erster Linie
waren es der Fürst zu Hohenlohe-Langenburg, der spätere
Statthalter in Elsaß-Lothringen, und der Oberbürgermeister
Dr. Miquel in Frankfurt a. M., der spätere
preußische Finanzminister, die den Gedanken der Zusammenfassung aller
kolonialen Kräfte durch die Gründung des Deutschen
Kolonialvereins am 6. Dezember 1882 [348] verwirklichten. Diesem
Verein war die doppelte Aufgabe gesetzt, das Verständnis für die
Notwendigkeit nationaler Kolonisation zu wecken und eine praktische
Lösung der deutschen Kolonialfrage herbeizuführen. Aber erst als
Männer von der Tatkraft eines Dr. Carl Peters in den Kreis
der Kolonialfreunde traten, schritt die koloniale Bewegung von
Erwägungen zur Tat. Dr. Carl Peters gründete im
Jahre 1884 die Gesellschaft für deutsche Kolonisation, die sich sodann im
Jahre 1887 mit dem Deutschen Kolonialverein zur Deutschen
Kolonialgesellschaft vereinigte, die nunmehr nicht nur die Trägerin
der kolonialen Bewegung im Volke, sondern auch die Fördererin der
Entwicklung der neu gewonnenen Schutzgebiete werden sollte. Durch die
Erwerbung des Bremer Kaufmanns Lüderitz in
Südwestafrika, durch die Hissung der deutschen Flagge in Kamerun und
Togo und durch die von Dr. Carl Peters unternommene
Expedition an die Ostküste von Afrika war in überraschend kurzer
Zeit der Grundstein zum Deutschen Kolonialreich gelegt worden.
Nun begann jene Epoche deutscher Kolonialpolitik, in der die bereits bei der
Kolonisation des deutschen Ostens bewährte Eignung des deutschen Volkes
zu kolonialer Pionierarbeit trotz aller Verdächtigungen und Gegnerschaften
in einer Weise bestätigt wurde, daß das Ausland mit Bewunderung
auf die schnellen Fortschritte deutscher Kolonisation hinschaute. Im Gegensatz zu
den früheren Methoden der Kolonialpolitik hat Deutschland die Kolonien
nicht durch Waffengewalt, sondern durch friedliche
Verträge mit den eingeborenen Häuptlingen erworben und die
kolonialen Neuräume nicht lediglich als Ausbeutungsobjekte für die
Bedürfnisse der Heimat betrachtet, sondern als Gebiete, die seiner
Vormundschaft unterstellt waren und für deren eingeborene
Bevölkerung zu sorgen, als erste Pflicht einer Kolonisation erachtet wurde.
Wenn heute der afrikanische Kontinent von der Geißel der Sklaverei befreit
ist, wenn die Fehden unter den eingeborenen Stämmen, die ganze
Völkerschaften ausrotteten oder zu den Sklaven der Siegervölker
machten, ihr Ende fanden, wenn die furchtbaren Tropenseuchen ihre Schrecken
verloren haben und weite, bisher unbewohnbare Gebiete der Siedlung und der
landwirtschaftlichen Erschließung eröffnet wurden, so ist dies
vorwiegend das Verdienst der humanen deutschen Kolonialverwaltung und
der deutschen Tropenwissenschaft. Alle kolonisierenden Staaten der Erde
haben sich den deutschen kolonisatorischen Grundsätzen anschließen
müssen, und es ist eine der größten Lügen der
Weltgeschichte, wenn in der Haßpsychose des Krieges die Behauptung
aufgestellt wurde, das deutsche Volk sei unfähig und unwürdig,
junge Länder zu erschließen und eingeborene Völker zu
erziehen.
Und doch erkannten weder die Nachfolger Bismarcks noch das deutsche Volk in
seiner ganzen Breite die Größe der Aufgabe, die Bismarck ihnen
hinterlassen hatte: Das zunächst von ihm nur provisorisch geschaffene
Werk zu einem geschlossenen, in sich gefestigten, den nationalen
Bedürfnissen entsprechenden Kolonialreich auszubauen. Dem in
innenpolitischen Kämpfen befangenen Volke [349] fehlte die Weite
des Blickes für eine über die Bedürfnisse des Tages
hinausreichende großzügige deutsche Kolonialpolitik. Unter den
größten äußeren Widerständen und Hemmungen
schritt das Werk der Erschließung der Kolonien nur langsam
vorwärts. Immer wieder lenkte die Deutsche Kolonialgesellschaft
den Blick der Regierung und der Parteien auf die Notwendigkeit einer
planmäßigen Erschließungspolitik, damit die in den Kolonien
ruhenden wirtschaftlichen Werte in größtem Umfange und baldigst
der deutschen Volkswirtschaft nutzbar gemacht werden könnten.
Mit umfangreichen Mitteln ausgestattet, entsandte und unterstützte die
Deutsche Kolonialgesellschaft nach dem Rücktritt des Präsidenten
Fürst zu Hohenlohe-Langenburg unter der tatkräftigen
Führung des Herzogs Johann Albrecht zu Mecklenburg zahlreiche
Forschungsexpeditionen. Gemeinsam mit dem Kolonialwirtschaftlichen
Komitee errichtete sie landwirtschaftliche Versuchsstationen zur Aufnahme
neuer zukunftsreicher tropischer Kulturen, sie förderte die
Maßnahmen zur hygienischen Erschließung der Tropen, zum Studium
der Eingeborenenkulturen und wandte ihre Fürsorge insbesondere dem
Ausbau des Verkehrswesens, der Schaffung eines bodenständigen
kolonialen Deutschtums, der Errichtung deutscher Schulen und
Wohlfahrtsanstalten und der Fürsorge für in Not geratene Farmer zu.
Gleichzeitig entfaltete sie in der Heimat eine umfassende
Aufklärungsarbeit über die Bedeutung der kolonialen
Neuräume für die heimische Wirtschaft und die Notwendigkeit, den
Strom der deutschen Auswanderung nach den neuen eigenen
Siedlungsräumen hinzulenken. Als der Krieg der deutschen Kolonialarbeit
ein allzu frühes Ende setzte, stellten die deutschen Kolonien einen
Wertzuwachs an deutschem Nationalvermögen dar, der von
ausländischer Seite auf 60 bis 100 Milliarden Goldmark
geschätzt wurde.
Die uns im Versailler
Diktat abgepreßte Verzichterklärung auf unsere
Kolonien unter dem entehrenden Vorwand, Deutschland sei "nicht fähig
und nicht würdig", Kolonien zu verwalten, stellte die Deutsche
Kolonialgesellschaft vor die Aufgabe, nunmehr den Kampf für die
Wiedergewinnung der deutschen kolonialen Neuräume nach
außen wie nach innen zu führen. Sie hat diesen
Kampf in Gemeinschaft mit den anderen zum Teil erst nach dem Kriege
entstandenen kolonialen Verbänden in Einmütigkeit und
Entschlossenheit, allen Widerständen trotzend, durchgeführt. Vor
dem Kriege hatten bereits der Frauenbund der Deutschen
Kolonialgesellschaft seit 1907 und unter dem Namen "Frauenverein
für Krankenpflege in den Kolonien" der Frauenverein vom Roten
Kreuz für Deutsche über See seit 1888 eine segensreiche
Tätigkeit zum Besten des Deutschtums in den Kolonien entfaltet. Im Jahre
1922 hatten sich die kolonialen Kriegervereine zu einem Deutschen
Kolonialkriegerbund zusammengeschlossen. Neben der Deutschen
Kolonialgesellschaft hat seit 1907 der Deutschnationale Kolonialverein
(später Deutscher Kolonialverein, 1933 vereinigt mit der Deutschen
Kolonialgesellschaft) für die Ausbreitung des kolonialen Gedankens in den
breiten Schich- [350] ten des Volkes
gearbeitet. Das Kolonialwirtschaftliche Komitee, eine Gründung
aus den Kreisen der Deutschen Kolonialgesellschaft im Jahre 1896, diente der
Förderung der kolonialen Wirtschaft, der Kolonialkriegerdank,
eine im Jahre 1909 errichtete milde Stiftung, der Unterstützung in Not
geratener Kolonialkrieger und Kolonialdeutscher. Der Initiative des nach dem
Tode des Herzogs Johann Albrecht im Jahre 1920 berufenen Präsidenten
der Deutschen Kolonialgesellschaft Gouverneur a. D.
Dr. Seitz und des Präsidenten des Deutschen
Kolonialkriegerbundes General Maerker war es zu verdanken, daß
im Jahre 1922 alle diese Verbände und zahlreiche andere den kolonialen
Aufgaben dienende Vereine und Unternehmen in der Kolonialen
Reichsarbeitsgemeinschaft unter der Führung der Deutschen
Kolonialgesellschaft zusammengefaßt wurden. Damit war eine
schlagkräftige Front für den kolonialen Kampf geschaffen.
Dieser Kampf richtete sich einmal nach außen gegen den
Fortbestand der kolonialen Schuldlüge und gegen eine
Verletzung der Mandatsgrundsätze; nach innen gegen die
koloniale Verzichtstimmung und die ausgesprochenen Gegner einer neuen
deutschen Kolonialpolitik. Aber die Tätigkeit der Deutschen
Kolonialgesellschaft und der anderen kolonialen Verbände durfte sich
keineswegs auf diesen Kampf beschränken, sondern sie mußte sich
auch wie vor dem Kriege der praktischen Arbeit in den Kolonien
zuwenden. Auf allen diesen Gebieten konnten seit Versailles Erfolge erzielt
werden, die wesentlich dazu beitrugen, den Boden für eine wirksame
Durchfechtung unserer kolonialen Forderung vorzubereiten.
Die von der kolonialen Bewegung nach dem unwahren Schuldspruch von
Versailles eingeleitete umfassende koloniale Aufklärungsaktion
im Auslande erreichte es, daß namhafte Politiker und Historiker sich
für einen Widerruf der kolonialen Schuldlüge und eine Revision der
kolonialen Bestimmungen des Versailler Diktats einsetzten. Das zähe
Festhalten der kolonialen Verbände an der kolonialen Idee in einer Zeit, in
der mächtige Parteien und wechselnde Regierungen sie ablehnten, lehrte
das Ausland, daß doch einmal eine Zeit kommen werde, in der es sich mit
der kolonialen Forderung des deutschen Volkes werde auseinandersetzen
müssen. Den Bestrebungen einzelner Mandatsmächte, die ihnen
durch das Mandatssystem des Präsidenten Wilson versagte
völlige Annexion der Kolonien durch eine zielbewußte
Wirtschafts- und Kulturpolitik zu erreichen, die den deutschen Einfluß
immer mehr ausschaltet, begegneten die kolonialen Verbände durch eine
planmäßige koloniale Deutschtumspolitik zur Entfaltung
und Stärkung der deutschen Kultur in den unter fremder Verwaltung
stehenden Gebieten. Was die Deutsche Kolonialgesellschaft, der Frauenbund der
[414]
Deutsche Kultur noch heute spürbar. Vielerlei Einrichtungen in
Lüderitzbucht zeugen von deutschem
Kolonialverständnis.
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Deutschen Kolonialgesellschaft, der Frauenverein vom Roten Kreuz für
Deutsche über See in gemeinsamer Arbeit für die
Errichtung, Erhaltung und den Ausbau der deutschen Schulen und
Schülerheime in den Kolonien, für die Schaffung von
Schul- und Volksbüchereien, für das Wohlfahrtswesen und alle
[351] sonstigen kulturellen
deutschen Einrichtungen in den Jahren seit dem Kriege geleistet haben und immer
noch leisten, ist von dem Deutschtum in den Kolonien und auch von den
amtlichen Stellen des Reiches dankbar anerkannt worden.
Besonders schwer war die Aufklärung im deutschen
Volke über die Notwendigkeit der Wiedergewinnung der Kolonien in
einer Zeit, in der sich die Regierungen und die weite Masse des Volkes von
kolonialen Forderungen abgewandt hatten und eine Verständigungspolitik
betrieben, die unser Volk immer mehr in wirtschaftliches Elend und in
Abhängigkeit vom Auslande hineintrieb. Den kolonialen Verbänden
ist es zu verdanken, daß im Zusammenbruch nach 1918 der koloniale
Gedanke nicht ganz im deutschen Volke verlorenging und allmählich
wieder zu einem entschlossenen Willen erwachte. In zahlreichen Schriften und in
einem umfassenden Vortragsdienst haben die kolonialen Verbände seit dem
Tage der Unterzeichnung des Diktats immer wieder dem deutschen Volke vor
Augen geführt, daß nicht nur die Wiederherstellung seiner
Ehre, sondern auch die Wiederherstellung seiner Wirtschaft und die
Sicherung zukünftiger Generationen die Wiedergewinnung der
kolonialen Räume verlange. Mit dem Erwachen der Nation ist auch der
koloniale Wille im Volke so stark geworden, daß keine Macht der Welt ihn
wieder wird beugen können!
[17]
Reichsstatthalter Ritter von Epp,
Reichsleiter des Kolonialpolitischen Amtes der NSDAP.
Bundesführer des Reichskolonialbundes
und des Kolonialkriegerbundes.
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Der Sieg der nationalsozialistischen Erhebung im Jahre 1933 bedeutete eine
Wende auch für die koloniale Bewegung. Während sie bisher abseits
aller Parteien und parteilichen Bindungen aus eigenem nationalem Gewissen
heraus für die Wachhaltung der kolonialen Idee im Volke gekämpft
hatte, fand sie nun Berechtigung und Berufung ihres Kampfes durch den Willen
des Führers und Reichskanzlers Adolf Hitler, der gleich nach der
Machtergreifung sein koloniales Ziel mit den Worten bekanntgab: "Es gibt eine
große Menge Dinge, die Deutschland aus den Kolonien beziehen
muß, und wir brauchen Kolonien genau so nötig wie irgendeine
andere Macht."
Zunächst wurde im Jahre 1933 der Ring, der die kolonialen
Verbände seit 1922 vereinigte, fester geschmiedet, indem sich die
Verbände im Reichskolonialbund unter der Führung der
Deutschen Kolonialgesellschaft und unter dem Präsidium von Gouverneur
i. R. Dr. Schnee enger zusammenschlossen. Im Juni 1936
fand sodann die völlige Verschmelzung der kolonialen
Verbände in einen neuen Reichskolonialbund unter der
Führung von Reichsstatthalter General Ritter von Epp, des Leiters
des Kolonialpolitischen Amtes der Reichsleitung der Nationalsozialistischen
Deutschen Arbeiterpartei, statt.
Der neue Reichskolonialbund ist eine gemeinnützige Vereinigung
deutscher Männer und Frauen zu dem Zweck, die Ziele und Aufgaben zu
fördern, die dem deutschen Volk auf kolonialem Gebiet gesetzt werden.
Seine besonderen Aufgaben sind: Weckung und Vertiefung des
Verständnisses bei allen deutschen Volksgenossen für die kolonialen
Notwendigkeiten; Förderung und Durchführung aller
Maßnahmen, die der Stärkung des Deutschtums in den Kolonien und
der Erhaltung [352] einer engen geistigen
Verbindung zwischen kolonialem Deutschtum und dem Mutterland dienen,
insbesondere auf dem Gebiet der Erziehung, der Krankenpflege und des
Gesundheitswesens in enger Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz,
ferner der Wohlfahrt und der Kameradschaftspflege, sowie der kolonialen
Wissenschaften. Für alle diese Aufgaben ist der
Reichskolonialbund die von der Reichsregierung allein anerkannte
Organisation im deutschen Volke.
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