[Anm. d. Scriptorium:
eine detaillierte Karte
der deutschen Kolonien
finden Sie hier.] |
Gewalt vor Recht - geraubt und aufgeteilt
(Teil 5)
[344]
Kolonialer Aufbau mit dem ganzen
Volk!
Adolf Friedrich Herzog zu Mecklenburg
Gouverneur a. D., Präsident des Kolonialkriegerdank
Die Kolonialbewegung hatte in Deutschland in den ersten zwei Jahrzehnten ihres
Bestehens zwar in den oberen Schichten an Breite zugenommen, sie war aber
nicht in die Tiefe zu den arbeitenden Volksmassen vorgedrungen. Ein Wandel trat
erst langsam ein, als nach Niederwerfung des südwestafrikanischen und
ostafrikanischen Aufstandes die abgelösten Truppen nach Deutschland
zurückkehrten. Manch einer war in den Kolonien als Ansiedler verblieben;
die übrigen, fast durchweg altgediente Kapitulanten aus wurzelechtem
Volkstum, von denen viele schon den
China-Feldzug mitgemacht hatten, wurden in ihrer überwiegenden
Mehrheit Mitarbeiter am kolonialen Aufklärungswerke.
In jene Zeit - 1908 - fällt auch die Gründung des
Kolonialkriegerdank als eines Werkes reinster Kameradschaftlichkeit und des
ersten Versuches, neben praktischer Hilfeleistung zugleich volkstümliche
koloniale Propaganda zu treiben. Sie hatten draußen in Übersee,
Offizier und einfacher Soldat, oft fieber- und durstgequält den letzten
Bissen und den letzten Trunk miteinander geteilt und wollten nunmehr auch in der
Heimat einer für den anderen einstehen, in dem oft noch viel
zermürbenderen Kampfe der Unterbringung der stellungslosen, zum
größten Teil auch tropendienstbeschädigten Kämpfer.
Diese kolonialen Frontkämpfer hatten jahrelang im Felde gestanden und
u. a. auch die Fürsorge entbehrt, die die Heeresverwaltung in der
Heimat den altgedienten Soldaten durch Unterrichtserteilung und durch sonstige
Ausbildungsmöglichkeiten gewährte, um ihnen den Übergang
in einen Zivilberuf zu erleichtern. In der kleinen Schar lebte schon das, was wir
später im Weltkriege als wertvollstes Gut der Zusammengehörigkeit
aller kennengelernt haben, der heldische Frontgeist, bei dem es nicht auf das
Kleid, den Rang und das Geld, sondern auf das Herz und den ganzen Mann
ankam! Aber es wurde von vornherein keine reine Unterstützungszahlstelle
ins Leben gerufen, und die Mittel sollten auf die Dauer möglichst nicht mit
dem Klingelbeutel aufgebracht werden. Instinktiv fühlten die
Männer, die sich zur Gründung des Kolonialkriegerdank
zusammenfanden, daß es notwendig sei, neben der Fürsorge
für die Kameraden und die Hinterbliebenen auch noch etwas anderes zu
tun, nämlich Zeugnis abzulegen von dem Erlebnis, das ihnen und uns
allen draußen geworden war. Sie hatten mit eigenen Augen gesehen,
wie groß die Welt ist, in der die anderen Völker sich vorausschauend
weite Räume als Kolonialbesitz gesichert hatten und sie wollten
aufklärend in der Heimat wirken und Anhänger für die stolze
koloniale Idee, die sich viel zu langsam im Volke ausbreitete, werben. Uns allen
ist heute der Begriff der "Propaganda" geläufig. Damals war es ein
ungewisser [345] Anfang, durch
Schaffung von geschäftlichen Unternehmen ("Koloniale
Photo-Zentrale", "Annoncenexpedition", Buchhandlung u. a.) und durch
Herausgabe von Kolonialen Taschenbüchern Wohlfahrt und
koloniale Propaganda miteinander zu verbinden. Aber es glückte! Bereits
1913 wurden dem jungen Unternehmen die Rechte einer "milden Stiftung"
verliehen.
Als der Weltkrieg hereinbrach, begann auch für den Kolonialkriegerdank
ein neues Kapitel seiner Geschichte. Der Heldenkampf der kleinen
Schutz- und Polizeitruppen in Deutsch-Südwest, in Kamerun, in Togo und
in der Südsee, vor allem aber die Lettowschen Siege in
Deutsch-Ostafrika fanden in der Heimat ein begeistertes Echo. Der
Kolonialkriegerdank hatte bereits eine ertragreiche
Soldaten-Liederbuch-Stiftung ins Leben gerufen, durch die den im Felde
stehenden Truppen ein brauchbares Liederbuch als Geschenk gewidmet und der
Stiftung zugunsten der Kolonialkrieger Wohlfahrtsmittel zugeführt wurden.
Unter der Schriftleitung von Dr. Paul Rohrbach schuf er weiterhin den in
vielen Hunderttausenden verbreiteten
Kolonialkriegerdank-Kalender.
Nach Übernahme der Reste der vom Reichskolonialamt noch kurz vor dem
Zusammenbruch 1918 durchgeführten großen Volkssammlung
zugunsten aller Kolonialleute erweiterte sich das Arbeitsgebiet der
Stiftung außerordentlich und umfaßt nunmehr praktisch die
Gesamtheit der Kolonialdeutschen und ihrer Hinterbliebenen neben den alten
Kolonialsoldaten. Eine Namensänderung hat die Stiftung nicht
vollzogen, denn auch die neuen Schützlinge waren fast ausnahmslos
Kolonialkrieger gewesen.
Soweit als irgend möglich waren Mittel in die Gefangenenlager, die sich in
Afrika, in Indien und in vielen anderen Teilen der Welt befanden, gesandt worden,
und in Gemeinschaft mit den anderen kolonialen Organisationen mußte nun
für Bekleidung für die völlig abgerissen Heimkehrenden
gesorgt werden. Das war in dem damaligen Deutschland, das Brot und Fleisch
hatte rationieren und Bezugsscheine für Bekleidung, Wäsche und
Strümpfe einführen müssen, wahrlich keine leichte Aufgabe.
Unvergessen brennt uns das Schandmal in der Erinnerung, als wir erstmalig in den
Winterstürmen 1919 unsere zwangsweise in die Heimat abgeschobenen
Kolonialleute in Empfang nahmen, von denen viele nur noch die leichten
Khakisachen aus den Tropen, die sie auf dem Leibe hatten, ihr ganzes Eigentum
nannten.
Die deutsche Kolonialgeschichte schien für viele damals für alle
Zeiten beendet zu sein. Verzagtheit war in den Kreisen eingerissen, die bis dahin
der kolonialen Sache gedient hatten. Da entschloß sich der
Kolonialkriegerdank Ende 1920 unter Mitarbeit zweier in der Kolonialbewegung
wohlbekannter Persönlichkeiten, der Frau von Bredow vom
Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft und des Gouverneurs
Hahl vom Reichsverband der Kolonialdeutschen, ein neues Sammelbecken
für die kolonialen Kräfte im Volke zu schaffen. Die Stiftung
unternahm das Wagnis, die koloniale Zeitschrift, Der
Kolonialdeutsche (heute: Deutsche
Kolonial-Zeitung) herauszubringen, nachdem sie [346] in dieser
allertrübsten Zeit nicht weniger als 69 Kolonialkriegervereine wieder um
ihre Fahne versammelt hatte.
Mit der Fürsorge für das leibliche Wohl ihrer Schutzbefohlenen
verband die Stiftung im kühnen Vertrauen auf die deutsche koloniale
Zukunft auch die geistige Ertüchtigung. Die geschichtliche Entwicklung hat
ihr recht gegeben.
Ich will die bitteren Jahre des Zusammenbruchs in der Inflation und des
mühseligen Wiederaufbaues übergehen. Mit eisernem Fleiß ist
gearbeitet worden, um aus Trümmern wieder Neues zu schaffen. Uns ist im
Kolonialkriegerdank eine große und verantwortungsvolle Aufgabe gestellt.
Unsere Maßnahmen werden sich nie darin erschöpfen, einer Anzahl
beschädigter Kolonialkrieger oder verarmter und vertriebener Pflanzer aus
den deutschen Schutzgebieten, denen etwa wegen Mietschulden die Ausweisung
droht, beizuspringen. Nein! Wir wollen und müssen viel mehr vollbringen.
Wir betreuen ein Menschengut, dem das Schicksal ein hartes Los auferlegte und
das der vergangene Staat schlecht behandelt hat mit seiner ungeschickten
Regelung der Entschädigung für die zum Teil völlig
entwurzelten Kolonialleute. Diese wertvollen deutschen Männer und
Frauen müssen tunlichst bald gerade im jetzigen allgemeinen Aufbruch der
Nation wieder auf diejenige Scholle zurückgeführt werden, auf die
sie auf Grund ihrer reichen Erfahrungen, ihrer treuen Arbeit und ihrer
unerschütterlichen Liebe zur zweiten Heimat über See nicht nur
einen moralischen, sondern einen unumstößlichen Rechtsanspruch
haben. Und wir müssen weiter die geistige Verbindung mit unseren
deutschen Volksgenossen in den alten Kolonien pflegen, deutsche Sitte und
Art auf umbrandeten Vorposten stärken und die lebendige
Brücke zwischen Kolonie und Mutterland festigen und ausbauen, die
die deutsche, in Afrika geborene Jugend darstellt; diese hoffnungsstarke,
frische Jugend, die in einem unablässigen Kommen und Gehen den Weg
über die Meere in die Heimat ihrer Väter zurücklegt, um hier
einige Jahre lang in deutschen Lehr- und Werkstätten und auf deutschen
Hochschulen Wissen und Bildung und handwerkliche Fertigung sich anzueignen.
Solange es der Reichsregierung nicht tunlich erscheint, Gelder für alle diese
vielgestalteten Zwecke zur Verfügung zu stellen, so lange muß auf
dem Umwege über die private Caritas diese für das Volksganze
notwendige Arbeit geleistet werden. Hilfsbereite Volkstumsarbeit wird
Hüterin einer besseren kolonialen Zukunft!
Hartnäckig erhält sich unter den Eingeborenen Ost- und Westafrikas
das Gerücht, daß die Mandatsherrschaft über die alten
deutschen Kolonien bald zu Ende sei. Sie wird einmal zu Ende gehen
müssen, weil ihre Voraussetzung, die koloniale
Schuldlüge, längst zusammengebrochen ist, und auch um
deswillen, weil die Lösung der Kolonialfrage nunmehr wohl vom ganzen
deutschen Volke gefordert wird, und nicht zuletzt, weil diese Lösung
durchaus auf friedlichem Wege erreicht werden kann.
|