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Zwanzig Jahre Deutschlands Schild gegen Frankreich

Als der Großherzog Leopold von Toskana, der Bruder Josefs II., nach Wien kam, um nunmehr als Nachfolger des zu früh verstorbenen Kaisers die Regierungsgewalt über die habsburgischen Länder zu übernehmen, fand er ein Reich vor, das bereits jetzt, obwohl es als Großmacht Österreich doch soeben erst geschaffen worden war, deutlich die [179] ersten Spuren des künftigen Zerfalls zeigte. Die Zentralisierungsmaßnahmen des letzten Kaisers hatten das gerade Gegenteil des beabsichtigten Erfolges gezeitigt. Und als Kaiser Josef auf dem Todeskrankenlager noch die einschneidendsten Bestimmungen zurückgenommen hatte, erhoben alle Widersacher eines straffen Staatsaufbaues ihr Haupt. Leopold, der auf Grund seiner fünfundzwanzigjährigen Regierungspraxis in Toskana selbst kein ungeschickter Diplomat war, verstand es jedoch, der Gefahr der Auflösung durch kluge Verhandlungen und geringfügiges Nachgeben zu steuern. Doch kaum hatte er auf diese Weise in seinen eigenen Ländern wieder eine gewisse Beruhigung geschaffen, da brandete ein neuerlicher Sturm, der mit brutaler Gewalt die Fackel des Aufruhrs und der Zerstörung vor sich her trug, gegen die Grenzen Mitteleuropas. Die Revolution war 1789 in Frankreich ausgebrochen. Da war es Kaunitz, der durch eine Denkschrift die europäischen Fürstenhöfe auf die Gefahren, die allen Thronen drohten, aufmerksam machte. Als erstes Ergebnis kam daraufhin eine Abmachung zwischen Preußen und Österreich in Pillnitz zustande, worin zum Ausdruck gebracht wurde, daß die trotz der gemeinsamen Gefahr noch immer argwöhnischen beiden Staaten entschlossen waren, einem französischen Angriff mit Waffengewalt entgegenzutreten. Als Antwort kam die Kriegserklärung der französischen Nationalversammlung. Und nun war es nicht das Schicksal seiner Schwester Maria Antoinette, die Leopold daraufhin zur Eröffnung der Feindseligkeiten veranlaßte. Die Franzosen hatten bereits in die Rechte deutscher Fürsten im Elsaß eingegriffen, und nur die Verpflichtung des Kaisers gegenüber dem Reich ließen ihn die französische Herausforderung mit den Waffen beantworten.

In diesen Tagen, da Preußen und Österreich zum ersten Male wieder Schulter an Schulter zur Verteidigung deutschen Bodens antraten, starb Kaiser Leopold plötzlich.

Sein Nachfolger Franz, als deutscher Kaiser der zweite dieses Namens, als Kaiser von Österreich Franz I., war nicht der Mann, dessen Eigenschaften dazu angetan waren, den deutschen Kaiserthron mit unerschütterlicher Festigkeit vor der schwersten Erniedrigung zu bewahren. Neben diesem Monarchen, dessen Gestalt in der Geschichte für immerwährende Zeiten durch den so viel umstrittenen Namen Metternich überschattet werden sollte, erhob sich jedoch ein andere Habsburger zu einem unvergeßlichen Vorkämpfer deutschen Widerstandwillens, Erzherzog Carl. Jetzt, da sich die kaiserlichen Truppen in Belgien und in den Niederlanden sammelten, ritt er noch als einundzwanzigjähriger Generalmajor mitten zwischen den Kolonnen auf den belgischen Landstraßen. Er sollte nur zu bald den Trugschluß dieser "militärischen Promenade" gegen ein [180] als nicht mehr ebenbürtig bezeichnetes, von Revolutionsideen zerrüttetes, angeblich von unfähigen Generalen der Gasse geführtes Heer kennenlernen und daraus jene Erfahrungen sammeln, die ihn dann später zu einem Feldherrn gemacht haben, dessen hervorragendste Eigenschaft es war, daß er seine Gegner stets richtig eingeschätzt hat.

Der Feldzug der Österreicher nahm unter der Führung Herzogs Albert von Sachsen-Teschen in den Niederlanden zunächst einen vielversprechenden Anfang. Hingegen rückte der Oberbefehlshaber der preußischen Truppen, Herzog Ferdinand von Braunschweig, mit einer befreundlichen Langsamkeit vor. Als sich der französische General Kellermann dem preußischen Heere bei Valmy entgegenstellte, unterließ es Braunschweig, die durch schweres Artilleriefeuer in gefährliche Unordnung geratenen Franzosen anzugreifen. Das Ergebnis war ein plötzlich aufflammendes Selbstvertrauen der über die faule Kriegsführung des Gegners angenehm überraschten Franzosen. Ungestüm gingen sie selber zum Angriff über. Statt nun Widerstand zu leisten, entschloß sich der Braunschweiger zu einem überstürzten Rückzug. Der nahm bald ein Ausmaß an, daß es den Anschein hatte, als wenn nicht die Franzosen, sondern die preußischen Truppen in einer Schlacht besiegt worden wären.

Mit einemmal lag der ganze Mittelrhein schutzlos vor einem französischen Zugriffe. Ehe es möglich war, den immer stürmischer nachdrückenden Revolutionstruppen etliche schlagfertige Korps entgegenzuwerfen, rückte der französische General Custine bereits in Deutschland ein und eroberte Worms. Auch Speyer, Mainz und zuletzt sogar Frankfurt fielen rasch nacheinander in die Hand der Franzosen.

Von der Sorge einer Bedrohung ihrer nördlichen Flanke befreit, warfen sich jetzt die Franzosen mit ihren frei gewordenen Streitkräften auf die in den Niederlanden stehenden Österreicher.

General Dumouriez griff Herzog Albert an, besiegte ihn bei Jemappes und zwang ihn, die Niederlande zu räumen. Die Besetzung Aachens durch die Franzosen schloß im Dezember diesen äußerst ruhmlos zu Ende geführten Heerzug von 1792 ab.

Mit verstärkten Streitkräften wurde der Kampf im Jahre 1793 von neuem begonnen. Dieses Mal war es der Herzog Josias von Coburg, der mit einem österreichisch-preußischen Heere die Niederlande zurückerobern sollte. Die bedeutsamste Schlacht dieses Feldzuges wurde bei Neerwinden geschlagen. Und hier war es dem persönlichen Eingreifen Erzherzog Carls zu danken, daß sich der Kampf in eine schwere Niederlage für die Franzosen verwandelte. Die Folge dieses Sieges zeigte sich sehr bald in einer völligen Auflösung der französischen Truppen. Gänzlich dezimiert fluteten sie über die französische Grenze zurück. Doch nun [181] bewies der Coburger die gleiche Saumseligkeit, die im Vorjahre die Kriegführung des Herzogs von Braunschweig gekennzeichnet hatte. Statt seinen Sieg auszunützen, vertrödelte er seine Zeit mit schleppenden Kriegssitzungen und der Belagerung belangloser Festungen.

Diesen fehlerhaften Dispositionen setzte Carnot als Chef des französischen Verteidigungsausschusses den großartigen Plan eines Volkswiderstandes entgegen. Die "levée en masse" sollte in einer einzigen gewaltigen Front von der Nordsee bis an die Alpen dem Vormarsch der Interventionisten Halt gebieten. Im weitaus durchgreifenderen Maße als bisher wurden in Frankreich alle Waffenfähigen aufgeboten und an die bedrohte Grenze gesandt. An der Spitze dieser aus dem Boden gestampften Armeen standen junge, unternehmungslustige Generale.

Der erste dieser jugendlichen Draufgänger, dessen Angriffsgeist den Herzog von Coburg aus der Fassung bringen sollte, war General Joubert. In kurzer Zeit hatte dieser Neuling die französischen Truppen auf eine derartige Schlagkraft gebracht, daß er mit ihnen ein jedes Unternehmen wagen konnte. Am 15. Oktober 1793 warf er sich bei Wattignies auf Herzog Josias. Nach zweitägigem, erbittertem Ringen blieben die Franzosen Sieger. Der Coburger trat einen geordneten Rückzug an.

Jetzt schienen außerdem Spannungen, die sich über eine Lösung der polnischen Frage immer hartnäckiger in das Bündnisverhältnis der beiden deutschen Staaten hineingefressen hatten, zur völligen Entzweiung zu führen. Ein Abkommen zwischen Rußland und Preußen, das eine weitere Teilung polnischer Gebiete unter dem Ausschluß Österreichs vorsah, war zum Abschluß gekommen und hatte in Wien zu einem Wechsel im Kanzlerschaftsposten geführt. Kobenzl, der als Nachfolger Kaunitz' das Zustandekommen der preußisch-russischen Absichten nicht zu vereiteln gewußt hatte, trat zurück, und sein Nachfolger Thugut, dem der Ruf eines Preußenhassers vorausging, schien nicht gewillt, es bei der Zustimmung Österreichs zu diesem Abkommen bewenden zu lassen. Es war nur die Furcht vor dem Übergreifen der Revolution auf deutsches Gebiet, die beide Staaten in der Front gegen Frankreich jetzt noch zusammenhielt. Aber schon machte sich ein immer stärkeres Interesse Preußens für seine Ausdehnung im Osten bemerkbar.

Diese politischen Gegensätzlichkeiten wirkten sich auch auf die Kriegshandlungen am Rhein aus. Zunächst wurde auch hier erfolgreich gekämpft. Die Preußen eroberten Mainz und siegten bei Pirmasens und Kaiserslautern. Der österreichische General Wurmser erstürmte die Weißenburger Linien. Da übernahm bei der französischen Rheinarmee der General Hoch das Oberkommando. Nach anfänglichen Mißerfol- [182] gen, die aber von der Gegenseite nicht ausgenützt wurden, warf er sich bei Fröschweiler auf Wurmsers Truppen und zwang sie zum Rückzug. Die Hilfe des Herzogs von Braunschweig mit seinen Preußen kam zu spät. Daraufhin zog sich Wurmser auf das rechte Rheinufer zurück, und die Preußen räumten die Pfalz. Wieder einmal hatten Eifersüchteleien und uneinheitliche Kriegführung jeden Erfolg unmöglich gemacht.

Fast war es zu verwundern, daß es im folgenden Frühjahr des Jahres 1794 überhaupt noch zu einem weiteren und sogar mit bedeutend vermehrten Streitkräften durchgeführten Feldzug der beiden verstimmten Verbündeten kam. An Stelle des Braunschweigers übernahm bei den Preußen der General von Möllendorf die Führung. Die Feindseligkeiten wurden in Belgien eröffnet. Nach wechselvollen Kämpfen gelang es Jourdan, den Herzog von Coburg bei Fleurus zu schlagen. Jetzt waren die Franzosen nicht mehr aus den Niederlanden zu vertreiben. Eine Festung nach der anderen fiel. Die "Batavische Republik" wurde als Tochterstaat Frankreichs gegründet. Auf diese Mißerfolge hin trat endlich Josias von Coburg von der Kommandoführung zurück. Sein Nachfolger wurde Clerfayt, ein verdienstvoller General, der jetzt unter den widrigsten Verhältnissen zu kämpfen hatte.

Bald machte sich bei den Preußen ein drückender Geldmangel bemerkbar. Möllendorf, der jede Lust an der Kriegführung verloren hatte, zog sich über den Rhein zurück. Weitere Uneinigkeit der Verbündeten und die wachsende Sorge Preußens, das seine neuerworbenen Gebiete in Polen durch einen Aufstand bedroht sah, vervollständigten den Zusammenbruch der gesamten unrühmlichen Wacht am Rhein. Preußen trat jetzt in Sonderverhandlungen mit Frankreich ein. Im Frieden von Basel am 5. April 1795 verzichtete es auf alle Besitzungen jenseits des Rheins. Es war noch nicht berufen, sich als Vorkämpfer der deutschen Befreiung an Österreichs Seite zu stellen.

Dieses stand nun allein gegen Frankreich und kämpfte unverdrossen weiter.

Bevor jedoch 1795 jener Kampf entbrannte, der von nun ab beinahe ununterbrochen Österreich als den deutschen Gegner Frankreichs bis 1816 unter den Waffen halten sollte, trat zuerst noch eine mehrmonatige Ruhepause ein, die beide Teile dazu verwandten, um sich für den neuen Feldzug zu rüsten. In dem Bewußtsein, daß er von nun ab in der Vertretung der deutschen Sache allein stand, und daß es nicht nur seine Hoheitsgebiete vor dem Einbruch der französischen Revolu- [183] tionswellen zu schützen hatte, sondern daß es das Reich war, das - zwar zerfallen und nun mehr denn je "Phantom eines Ideals", aber doch deutsches Land - vor den sich auch jetzt schon wieder bemerkbar machenden Eroberungswillen der Franzosen geschützt werden mußte, spannte der Habsburgerstaat alle Kräfte an, um sich für Deutschland der französischen Einbruchsflut entgegenzustemmen.

Dennoch währte es beinahe bis zum Herbst, ehe es wieder zu größeren Kampfhandlungen kam. Mit einem kleinen Heere ergriff jetzt der österreichische General Clerfayt, der sich zuerst hinter den Main zurückgezogen hatte, die Offensive und warf sich überraschend auf die Heere Jourdans und Pichegrus. Plötzlich war das gesamte rechte Rheinufer wieder vom Feind befreit. Da der Winter früh und mit ungewöhnlicher Rauhheit hereinbrach, schloß Clerfayt mit dem Gegner einen fünfmonatigen Waffenstillstand ab.

Das Jahr 1795, das eine Reihe zwar verheißungsvoller, aber nicht entscheidender Erfolge in Westdeutschland gebracht hatte, fand in der endlichen Einigung Preußens und Rußlands mit Österreich über die endgültige Aufteilung Rumpfpolens noch weiter einen, die habsburgische Macht- und Prestigepolitik befriedigenden Abschluß. Durch dieses Abkommen wurde der Völkerstaat und weitere Teile Polens, die Woiwodschaften Krakau, Sendomir, Lublin und das Gebiet von Chelen, bereichert; wieder nahm der slawische Bevölkerungsanteil des Kaiserreiches bedeutend zu und schuf damit einen neuen Herd für innerstaatliche Gegensätzlichkeiten und spätere Unruhen, die gerade das während der kommenden Jahrzehnte noch oftmals binden und zu schweren Blutopfern zwingen sollten.

Um vieles schwerwiegender und in seinen Auswirkungen bereits jetzt das Verhängnis der kommende Jahre ankündigend, entwickelten sich aber die Kämpfe in Oberitalien, die dort seit den Herbstmonaten des Jahres 1795 ebenfalls im verstärkten Ausmaß begonnen hatten.

Dem kaiserlichen General Beaulieu, einem zweiundsiebzigjährigen Veteranen, der nach dem Ende des harten Winters den Oberbefehl im Südwesten übernommen hatte, erwuchs hier in dem jungen General Bonaparte ein harter und gefährlicher Gegner. In wenigen Wochen eroberte Bonaparte Piemont, besiegte Beaulieu in verschiedenen Gefechten und zwang ihn durch die schwere Niederlage von Lodi, Mailand zu räumen, wo er am 29. Juni seinen Einzug hielt.

Halt bot in Oberitalien dem französischen Vormarsch nur die starke Feste Mantua. Doch ehe hier der wechselvolle Kampf, der von Österreich zuletzt mit dem letzten Aufgebot aller nur verfügbaren Kräfte geführt werden mußte, seine weitere Darstellung finden soll, muß erst der Feld- [184] zug in Deutschland seine Würdigung finden, der den kaiserlichen Waffen im Gegensatz zu Italien eine Reihe von bedeutungsvollen Siegen einbrachte.

Oberbefehlshaber in Deutschland war seit der am 31. März 1796 erfolgten Aufkündigung des Waffenstillstandes der jugendliche Bruder des Kaisers, Erzherzog Carl.

Als fünftes Kind aus der Ehe des damaligen Großherzogs und späteren Kaisers Leopold mit der Infantin Maria Louise von Spanien am 5. September 1771 geboren, zeigte der Prinz, der anfänglich viel an Krankheiten litt und von einer schwächlichen Körperkonstitution war, schon bald einen beinahe frühreifen, ernsten Charakter. Bereits seit der Kindheit nahm ihn alles, was mit soldatischem Wesen zu tun hatte, gefangen. Treffliche Lehrer, wie General Spannochi und der spätere Bischof von Wien, Hohenwart, schulten vor allem den politischen Blick des Knaben, so daß der junge Erzherzog sehr bald durch seine sichere und auch praktische Beurteilung militärischer, politischer und auch wirtschaftlicher Fragen in einem gewissen Gegensatz zu seinem starrköpfigen Bruder Franz stand. Als er dann 1795 nach Beweisen vielversprechender militärischer Führereigenschaften vom westlichen Kriegsschauplatz nach Wien zurückkam und seine Tage infolge seiner stark angegriffenen Gesundheit in einer wenig willkommenen Muße zubringen mußte, widmete er sich vor allem wieder militärischen Studien. Hier war es General Karl von Lindenau, der als hochangesehener Militärtheoretiker zum verdienten Lehrmeister des Prinzen wurde. Die Grundsätze, die der Erzherzog aus dem umfassenden Studium und engen Verkehr mit Lindenau in seine nun beginnende große militärische Laufbahn mitnahm, setzten in ihrer Verwirklichung durch einen der größten Feldherren Österreichs dem Andenken dieses niemals an starren Theorien klebenden Lehrmeisters Carls ein bleibendes Denkmal.

Mit 25 Jahren trat der Erzherzog nun einen Wirkungskreis an, dessen Bürde für viel ältere Männer von langjähriger Erfahrung zu schwer war.

Er eröffnete den Feldzug in Deutschland mit viel Erfolg und warf die Franzosen über das linke Mainufer zurück. Inzwischen mußte er aber viele Truppen für den italienischen Kriegsschauplatz abgeben und konnte es dadurch nicht verhindern, daß eine französische Armee unter Moreau bei Straßburg über den Rhein setzte, den österreichischen General Latour besiegte, gegen den Schwarzwald vorrückte und an der Donau entlang marschierte. Der Abfall verschiedener Reichsfürsten von der deutschen Sache tat der Stärke der Streitkräfte des Erzherzogs weiter bedenklichen Abbruch. So mußte Carl jedem entscheiden- [185] den Schlag ausweichen, bis er genügend Streitkräfte wieder herangezogen hatte.

Eine zweite französische Armee unter Jourdan hatte ebenfalls den Rhein überschritten und versuchte, sich mit Moreaus Truppen zu vereinigen. Da wich Erzherzog Carl geschickt vor Moreau zurück, stürzte sich auf Jourdan bei Amberg und brachte ihm eine schwere Niederlage bei. Diese Schlacht wurde Erzherzog Carls erster großer Sieg über die Franzosen, der ihn mit einem Schlage zum deutschen Nationalhelden machte. Erst am Main konnte Jourdan, der fast alles Geschütz verloren hatte, wieder haltmachen und versuchte, sich dem nachdrängenden Erzherzog zu stellen. Bei Würzburg wurde er ein zweitesmal geschlagen. Durch die unwegsamen Täler des Spessarts, gehetzt und überfallen von den jetzt plötzlich überall aufstehenden Landbewohnern, wälzten sich die Reste des französischen Heeres gegen den Rhein. Moreau mußte jetzt den Rückzug befehlen, um nicht abgeschnitten zu werden, und eilte in einem wegen seiner großartigen Durchführung in die Kriegsgeschichte eingegangenen Gewaltmarsch vom Lech bis an den Rhein. Bei Emmendingen und Schlingen wurde er von Carl gezwungen, sich zurückzuziehen.

So hatte der Erzherzog das gesamte rechte Rheinufer von den Franzosen gesäubert. 26 Jahre alt, stand er auf der Schwelle eines Soldatenruhmes, der ihn schon damals den Namen eines "beharrlichen Kämpfers um Deutschlands Ehre" eintrug. Mit Stolz sah die Armee und mit ihr alle nationalbewußten deutschen Soldaten auf den jugendlichen Feldherren, dessen Tatkraft und entschlossene Kriegführung sie von jenem Alpdruck einer schleppenden Kommandoführung befreit hatte, die ihr während der letzten Jahre so oft zum Verhängnis geworden war. Da zwang das Mißgeschick der kaiserlichen Waffen in Italien Erzherzog Carl zur Übernahme des Oberbefehls gegen Bonaparte. Mitten aus dem erhebenden Erlebnis der Befreiung Deutschlands und des Siegesjubels wurde er zur ersten schweren Erprobung seines Feldherrnkönnens gegen einen Gegner berufen, der bald zu seinem großen Lehrmeister wurde.

Während aller jener Wochen und Monate, die Erzherzog Carl als erfolgreichen Führer der österreichischen Heere in Deutschland gesehen hatten, war es den kaiserlichen Generalen in Italien nicht gelungen, Bonaparte zu schlagen. Seitdem er vor Mantua haltgemacht und mit der Belagerung dieser Festung begonnen hatte, spielten sich alle Kämpfe, die sich nunmehr entwickelten, als Abwehrschlachten der Belagerungsarmee gegen die zum Entsatz der für die Österreicher über alles wichtigen Festung heranmarschierenden kaiserlichen Heersäulen ab.

Als erster zog General Wurmser zur Entlastung heran, wurde aber nach Anfangserfolgen von Bonaparte bei Castiglione geschlagen. Wurm- [186] sers zweiter Entlastungsversuch endete ebenfalls mit einem Mißerfolg. Nach den Niederlagen von Calliano und Bassano warf er sich selbst mit einem Teil seiner Truppen nach Mantua. Ein neues Heer, mit großen Opfern der Bevölkerung unter dem Oberkommando des Generals Alvinczy aufgestellt, wurde nach einigen unglücklich verlaufenen Gefechten zum Rückzug genötigt.

Nach diesem dritten Entsatzversuch beschloß man in Österreich, noch ein viertes Mal den Einsatz aller Kräfte für die Rettung Wurmsers und der Festung zu wagen. Mit einem Aufgebot an Energie, das dem zur gleichen Zeit in Westdeutschland schwer ringenden Österreich die Bewunderung aller deutschen Patrioten abzwang, stellte man im Innern des Kaiserreiches noch einmal ein Heer auf und rüstete es aus. Und doch wurden alle diese Anstrengungen und Opfer auch jetzt wieder umsonst gebracht. Bei Rivoli wurde der größte Teil des österreichischen Heeres vernichtet. Eine Entsatzkolonne, die Mantua schon erreicht hatte, mußte hier die Waffen strecken. Jetzt erst, nachdem über die Hälfte seiner Truppen getötet oder verwundet und der Rest dem Verhungern nahe war, erklärte sich Wurmser zur Übergabe Mantuas bereit. Am 2. Februar 1797 unterzeichnete er die Kapitulation. Viel zu spät übertrug man jetzt Erzherzog Carl das Oberkommando der in Italien stehenden Streitkräfte. Doch hier war mit den Resten der Alvinczyschen Truppen, denen es am nötigsten mangelte, nicht mehr viel anzufangen. Unaufhaltsam drängte Bonaparte vorwärts. Schon waren Triest und Görz in seine Hände gefallen. Da wurde der französische Vormarsch durch die Tiroler Standschützen unter Wörndle in der Schlacht bei Spinges am 2. April 1797 zum Stehen gebracht. Unter den Schützenhauptleuten zeichnete sich damals zum erstenmal der Hauptmann der Passeierkompanie, Andreas Hofer, Sandwirt aus Sankt Leonhard, aus. Durch diesen Sieg der Tiroler entfachte sich in ganz Österreich der Widerstandswille der Bevölkerung von neuem. Überall trat das Volk zu freiwilligen Kampfverbänden zusammen, kühn stießen die Tiroler jetzt wieder bis nach Verona vor. Fiume fiel wieder in österreichische Hand, und nun war es Bonaparte, der die Kraft eines zum äußersten Widerstand entschlossenen Volkes nicht unterschätzte. Am 17. November 1797 kam in Leoben ein Präliminarfrieden zustande. Im darauffolgenden Frieden von Campoformio trat Österreich Belgien das Breisgau und die Lombardei an Frankreich ab und erhielt dafür Venedig, Istrien und Dalmatien. Mit unsäglichen Opfern, aber auch mit ruhmvollen Waffentaten des österreichischen Heeres schloß der erste große Feldzug Napoleon Bonapartes gegen Österreich ab.

[187] Die eigentliche Ursache des neuen Koalitionskrieges gegen Frankreich, der 1798 neuerdings losbrach, waren weniger die unverfrorenen Rechtsverletzungen der Franzosen in der Schweiz und in Italien, als die Siege Napoleon Bonapartes in Ägypten. England sah sich in der Festsetzung der Franzosen auf ägyptisch-türkischem Boden im fernen Indien bedroht, und so wurde der Seesieg Nelsons bei Abukir ein willkommener Auftakt, der den europäischen Großmächten und den von ihnen abhängigen Verbündeten die Möglichkeit bot, nunmehr mit vereinten Kräften Frankreich anzugreifen, dessen bedeutsamster Feldherr mit den besten französischen Truppen weitab im Nillande focht. Fast alle europäischen Staaten schlossen sich diesmal, mit Ausnahme Preußens, den Kriegsvorbereitungen an. Ein umfassendes Bündnisnetz zwischen Österreich, Rußland, Sardinien, Neapel, dem Papst und, in seltsamer Verbundenheit des Kreuzes und des Halbmondes, auch mit der Pforte kam zustande. Über österreichisches Gebiet rückten 60 000 Russen unter Suwarow heran. Erzherzog Carl stand mit einem neu aufgestellten Heer in Bayern, die Generale von Hotze und Auffenberg deckten Graubünden und Vorarlberg, in Tirol befehligte Graf Bellegarde und in Trentino hatte General Kray eine starke Truppenmacht gesammelt. Außerdem waren in Krain und in Istrien noch zwei Reservedivisionen bereitgestellt worden.

Zunächst errang das deutsche Hauptheer einen großen Erfolg. Erzherzog Carl schlug seinen alten Gegner Jourdan, der bis zum Schwarzwald vorgerückt war, vollständig bei Ostrach und Stockach. Es war ein Verhängnis, daß Erzherzog Carl gerade jetzt erkrankte und gezwungen war, den Oberbefehl zeitweise abzugeben, um sich in Wien einer ernsthaften Operation zu unterziehen. Aus diesen Gründen unterblieb auch die Verfolgung der Franzosen über den Rhein.

Auf dem italienischen Kriegsschauplatz siegte Feldzeugmeister von Kray und trieb die Franzosen über die Adda zurück. Moreau mußte nach der Niederlage bei Cassano bis an die Riviera ausweichen. Suwarow rückte nach, vermochte aber Moreau nicht mehr zu fassen. Ein französisches Entsatzheer versuchte Suwarow in der Flanke zu fassen, wurde aber an der Trebbia blutig zurückgeschlagen. Da dieser Sieg wegen Zwistigkeiten der russisch-österreichischen Führung nicht ausgenutzt werden konnte, hatten die Franzosen Zeit, ihre Armee zu reorganisieren. Joubert ersetzte Moreau und schritt sofort zum Angriff vor. Bei Novi wurde er von Suwarow besiegt und fiel selbst in der Schlacht. Jetzt war es der russische Zar Paul, der die Erfolge der Waffen durch Gegensätzlichkeiten mit dem Wiener Hofe verdarb. Um den Streit auszugleichen, wurde Suwarow der Oberbefehl in der Schweiz übertragen, wo schon ein russisches Korps unter Korsakoff stand.

[188] Erzherzog Carl befehligte indessen wieder in Deutschland, zog mit der Rheinarmee nach der Schweiz, vereinigte sich dort mit Hotze und besetzte Zürich.

Ende August, gerade als Erzherzog Carl mit Hilfe Korsakoffs eine entscheidende Offensive antreten wollte, vollzog sich nun die schon erwähnte Änderung in der Führung der in der Schweiz stehenden russischen Streitkräfte. Suwarow zog heran, und nun sollte Erzherzog Carl mit seiner Armee nicht nur nach Deutschland zurückkehren, sondern erhielt von Wien aus sogar den Befehl, eine englisch-russische Unternehmung gegen die "Batavische Republik", also Holland, zu decken.

Mit äußerstem Mißmut, nicht ohne den schärfsten Hinweis darauf, daß derartige unnötige Verschiebungen der Streitkräfte nur die Schlagkraft der verbündeten Heere an allen Punkten schwächen mußten, gehorchte der Erzherzog den Befehlen aus Wien.

Am 31. August verließ er mit seinen Truppen die Schweiz und marschierte rheinabwärts. Schon am 18. September erstürmte er Mannheim. Doch ehe er in Holland zur Unterstützung des dortigen äußerst kläglich verlaufenden Expeditionsunternehmens eintraf, nahmen die Kämpfe in der Schweiz einen derartig unglücklichen Verlauf, daß es für den Erzherzog zu keinem entscheidenden Eingreifen auf dem nordwestlichen Kriegsschauplatz mehr kam.

Als Suwarow Schweizer Boden betrat, fand er bereits eine völlig veränderte Lage. Unstimmigkeiten zwischen Hotze und Korsakoff hatten den Franzosen unter Massena in die Hände gearbeitet. Korsakoff wurde bei Zürich empfindlich geschlagen. Massena wandte sich dann gegen Hotze und drängte ihn trotz erbitterten Widerstandes über den Rhein zurück. Suwarow, der jetzt nach einem äußerst schwierigen Alpenübergang in der Schweiz ankam, sah sich plötzlich der Hauptmacht Massenas gegenüber. Vergeblich suchte er nach einer Verbindung mit Korsakoff oder Hotze. Um nicht von Massenas Übermacht unerwartet gefaßt zu werden, zog er sich unter unsäglichen Schwierigkeiten und furchtbaren Verlusten nach Graubünden zurück. Als Suwarow endlich in Ilang ankam, hatten die Strapazen und die Unbilden des Gebirges sein Heer derartig zugerichtet, daß er beinahe kampfunfähig war. Im Dezember 1799 erfolgte unerwartet die Abberufung der Russen.

So schloß das Feldzugsjahr 1799 trotz aller in Deutschland, der Schweiz und Italien errungenen Siege mit ungünstigen Vorzeichen für die Weiterführung des Krieges ab. Der schlimmste Schlag, der das österreichische Heer jedoch um die Jahrhundertwende traf, war der Rücktritt Erzherzog Carls vom Armeeoberkommando.

Wohl wurde derselbe mit der erschütterten Gesundheit des Prinzen [18922-190=Illustrationen] [191] begründet, aber es war kein Geheimnis, daß es nicht die Strapazen, sondern vor allem die Bevormundung durch den Hofkriegsrat und unverdiente Kränkungen waren, die den Erzherzog zur Niederlegung der Kommandoführung bewogen hatten. Die Armee erfaßte bei dieser Nachricht tiefste Bestürzung. Als der Abschiedsbefehl des Erzherzogs den Truppen verlautbart wurde, kam es zu leidenschaftlichen Kundgebungen der Treue und Anhänglichkeit für den über alles beliebten Feldherrn bei Offizier und Mann. Das Heer ahnte, daß es mit dem Ausscheiden dieses Befehlshabers einen Führer verlor, den es in der nahen Zukunft mehr denn je nötig haben sollte. War doch ein Mann, herbeigerufen durch die schlimmsten Nachrichten in der Heimat, wieder in Frankreich gelandet, dessen Name allein schon für jeden Soldaten die Forderung nach neuem, schwerem Einsatz in sich trug, Napoleon Bonaparte!

Für Bonaparte, der inzwischen durch einen Staatsstreich die gesamte Regierungsgewalt übernommen hatte, galt es in erster Linie, das Übergewicht der französischen Waffen wiederherzustellen. Am Rheine befehligte bei den Österreichern jetzt Feldzeugmeister Kray. Trotzdem er genügend Truppen zur Verfügung hatte, konnte er sich nicht gegen Moreau halten und verlor nach und nach alle günstigen Positionen, die Erzherzog Carl bisher sich gesichert hatte. Der Waffenstillstand bei Parsdorf schloß den unrühmlichen Feldzug in Deutschland ab.

Bonaparte selbst wandte sich nach Italien, wo die Franzosen durch Melas in ziemliche Bedrängnis geraten waren. Völlig unerwartet stand er von den österreichischen Heeren und drang vor. Melas beging den Fehler, seine Truppen zu zersplittern und mußte am 14. Juli eine Schlacht bei Marengo gegen Bonaparte annehmen. Gegen sechs Uhr abends war die Schlacht vollständig zugunsten der Kaiserlichen entschieden, da erschien zu Bonapartes Unterstützung der General Defaix mit vollständig frischen Truppen und verwandelte die drohende Niederlage in einen glänzenden Sieg. Der Waffenstillstand, den Melas jetzt dem siegreichen Korsen anbot, bestätigte in seiner Formulierung den Frieden von Campo Formio. Mit Ausnahme Mantuas und Toskanas kam fast ganz Italien in die Gewalt der Franzosen.

Ein neuer Subsidienvertrag zwischen England und Österreich vereitelte indessen die nach dem Waffenstillstandsabkommen von Parsdorf und Marengo angebahnten Friedensverhandlungen. Die treibende Kraft des Widerstandes gegen Frankreich war der österreichische Minister Thugut, und obwohl Erzherzog Carl warnte und mit dem Hinweis auf die dringend notwendige Reorganisation des Heeres von jeder Weiter- [192] führung des Krieges abriet, verpflichtete sich Österreich zur Weiterführung des Kampfes.

Um die Weigerung Erzherzog Carls, der durch nichts dazu zu bewegen war, die Führung eines Feldzuges mit einem nicht von Grund aus reformierten Heer zu übernehmen, auszugleichen, ernannte man den jugendlichen, zwar vielseitig gebildeten, auch tatenlustigen, aber in seinen soldatischen Führereigenschaften keineswegs an Erzherzog Carl heranreichenden Erzherzog Johann in Deutschland zum Oberbefehlshaber.

Die Armeen marschierten und trafen auf einen Gegner, der diesmal seines Erfolges so sicher war, daß ihr erster Konsul, Bonaparte, nicht einmal den Oberbefehl übernahm, sondern nur Moreau.

Alle pessimistischen Voraussagen Erzherzog Carls traten ein. Moreau lockte Erzherzog Johann bei Hohenlinden in eine Falle und brachte den Österreichern die entscheidendste Niederlage dieses Krieges bei. Die Reste der Armee fluteten bis nach Salzburg zurück. In Italien verliefen die Kämpfe ebenfalls unglücklich. In höchster Not übernahm jetzt der schwerkranke Erzherzog Carl den Oberbefehl, um zu retten, was noch zu retten war. Doch er konnte den Vormarsch des Feindes nicht mehr aufhalten und schloß bei Steyr mit Moreau einen Waffenstillstand.

Wenige Tage später erfolgte ein zweiter Waffenstillstand zu Treviso in Venetien. Die Bedingungen waren hart. Nicht nur, daß Österreich alle festen Plätze in Deutschland, in Italien verlor, es mußte auch eine Demarkationslinie anerkennen, die Tirol, Oberösterreich, die Steiermark und Illyrien völlig von den habsburgischen Erbländern abtrennte.

Nicht so drückend für Österreich, aber um so verhängnisvoller für das Reich, wurde dann der Frieden von Luneville, der diesen Koalitionskrieg am 9. Februar 1800 endgültig abschloß. Dieser Friede brachte die vom Kaiser bestätigte Preisgabe allen deutschen Landes am rechten Ufer des Rheines. Während Habsburg seine italienischen Besitzungen bis zur Etschlinie verlor, mußte es sich außerdem bereit erklären, die deutschen Fürsten, deren Besitzungen auf der rechten Rheinseite lagen, und auch die italienischen Fürsten, die ihr Land verloren hatten, mit Gebieten im Innern Deutschlands zu entschädigen. Frankreich setzte den Hebel mitten auf deutschem Boden an, mittels dessen es das morsche Römische Reich Deutscher Nation bald darauf völlig zum Auseinanderbrechen brachte. Gegen den Willen des Habsburgers Erzherzog Carl hatte Habsburg sich zur Weiterführung eines Krieges verleiten lassen, dessen unglücklicher Ausgang und die erzwungene Abtretung deutschen Bodens nicht mehr den Kaiser, sondern Frankreich zum Vertreter deutscher Reichsinteressen machte. Die Schlacht bei Hohenlinden hatte das Werk Prinz Eugens nunmehr endgültig zerschlagen.

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Österreichs Blutweg
Ein Vierteljahrtausend Kampf um Großdeutschland
Anton Graf Bossi Fedrigotti