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Eugenio von Savoy

Nicht nur als Bollwerk in der Abwehr des asiatischen Einbruches und des durch diesen Einbruch die Vernichtung Deutschlands betreibenden Frankreich hat die Hauptstadt an der Donau 1683 bestanden. Mit der Stunde, da das endlich erlöste Wien den Reitergeschwadern Markgraf Ludwigs von Baden die Tore öffnete, stieß die Stadt an der Donau auch zum ersten Male dem deutschen Reich, ja überhaupt dem gesamten abendländischen Westen das Tor nach dem Südosten auf. [53] Beginnt doch mit dem Befehle, der die Reiter des Herzogs von Lothringen und Sobieskis Schwadronen aufsitzen und die Verfolgung der Türken aufnehmen heißt, jener Zug aus dem Westen nach dem Südosten nicht abzureißen, der wohl zuerst mit der Gewalt der Waffen einen Panzerring nach dem anderen, den die morgenländische Herrschaft um die Völker und Gebiete des Südostraumes gelegt hat, zerbricht.

Ein Mann trägt den Marschallstab vor sich in der Satteltasche seit den schlachtdurchtosten Tagen vor Wien - der Obrist Eugen oder besser Eugenio von Savoy, wie er sich, seitdem er ein deutsches Regiment befehligt, nunmehr selber benennt.

Arm, durch das Intrigenspiel des französischen Hofes, das seiner Mutter, der Nichte Mazarins und einstigen Geliebten Ludwigs XIV., beinahe das Leben gekostet hätte, zum Gespötte dieses Hofes und seines Königs geworden, war Prinz Eugen während der Sommermonate 1683 als Flüchtling nach Österreich gekommen. Auf Fürsprache seines Vetters, des Markgrafen Ludwig von Baden, verlieh ihm der Kaiser ein Regiment, und weil die Inhaberschaft eines kaiserlichen Regiments damals ein Einkommen mit sich brachte, das den Einkünften eines italienischen Herzogtums gleichkam, vermochte der verarmte Prinz, durch diese Verleihung auch seine neue Stelle mit dem nötigen Glanz auszugestalten. Dem Kaiser hat er aber diese Ernennung wie wohl nur wenige Feldherren der Weltgeschichte gedankt. Schon vor Preßburg focht er mit Auszeichnung, Wien wurde der erste Markstein seiner militärischen Laufbahn, und in den nun folgenden Feldzügen bis zu seiner Ernennung zum General berichtet die Geschichte fast von keiner Schlacht oder keinem Gefecht, die nicht Eugens oder des Dragonerregiments Kuefstein Namen mit Auszeichnung nennt.

Noch am Abend der Schlacht vor Wien hatte der Herzog von Lothringen die sofortige Verfolgung des Gegners gefordert. Doch dieser Vorschlag wurde vom Polenkönig und von den Führern der Reichstruppen verworfen. Man gab vor, die Truppen wären zu übermüdet, auch fürchtete der Polenkönig allen Ernstes, die Türken würden wiederkehren und die Verfolger in eine Falle locken, so daß dem Lothringer nichts übrigblieb, als nur einen Teil seiner österreichischen Reiter hinter dem Seraskier einherzuschicken. Wenige Tage später löste sich das Heer der Verbündeten überhaupt auf. Aus Gründen, die in der ungeschützten Lage ihres Landes und in den ungeklärten finanziellen Erledigungen ihres militärischen Einsatzes durch den Kaiser ihre Ursache hatten, kehrten die Sachsen schon am 15. September in ihre Heimat zurück. Auch die Reichstruppen unter Waldeck schlossen sich ihnen an. Für diese war allerdings die gefährdete Lage des Reiches im Westen der Grund [54] für ihren frühzeitigen Aufbruch gewesen. So nahmen denn am 17. September nur Österreicher, Bayern und Polen die Verfolgung der Türken auf. Schon am 7. Oktober kam es bei Parkany zu einem schweren, siegreichen Gefecht. Auf Grund des Erfolges von Parkany ging ganz Oberungarn den Türken verloren, und als der Herzog von Lothringen noch am 22. Oktober die wichtige Festung Gran erstürmte, blieb das deutsche Heer, während nun auch die Polen heimwärts zogen, zum ersten Male als ausschließlicher Sieger eines ganzen Feldzugsjahres gegen die Türken in den Winterquartieren. Mit dem durch ein starkes Aufgebot ungarischer Edelleute verstärkten Heere zogen der Lothringer, Kurfürst Max Emanuel, die beiden Markgrafen von Baden und der Verteidiger Wiens, Graf Rüdiger von Starhemberg, wieder ins Feld. In drei weiteren schweren Gefechten wurden die Türken von neuem geschlagen.

Zur ersten größeren Schlacht kam es angesichts der Befestigungen von Ofen. Dort wurde eine zum Entsatz des bereits von den deutschen Heeren bedrohten Ofen heranrückende Türkenschar am 22. Juli in einer erneuten Schlacht empfindlich geschlagen, wobei die den fliehenden Türken nachsetzende kaiserliche Kavallerie unter dem Markgrafen Ludwig von Baden und Obrist Prinz von Savoyen dem Gegner beinahe alle Geschütze wegnahm. Die Folge dieses Sieges war der Beschluß, nunmehr auch die Belagerung dieser Festung durchzuführen, eine Absicht, die jedoch infolge der Uneinigkeit zwischen Starhemberg und dem Herzog von Lothringen erst im Jahre 1686 zur endgültigen Ausführung kam.

Dessenungeachtet wurde während der Jahre 1684 und 1685 die Oberhoheit des Kaisers im ganzen nördlichen Ungarn wiederhergestellt. Neuheusel, das die Türken das "Tor des Westens" nannten, wurde durch den kaiserlichen General Rabatter erstürmt und während die Generale Caraffa und Heister, allerdings mit oft schier unmenschlicher Härte, die letzten Anhänger Tökölys im Nordosten Ungarns vernichteten, eroberten im Sommer 1685 die kaiserlichen Generale Schultz und Caprara Eperies und Kaschau, und als sie dann schon zu Anfang des Winters Tökölys letzten Stützpunkt, Munkacz, zu belagern drohten, floh dieser wortbrüchige und wegen seiner unbeständigen Haltung selbst von den Türken verachtete Fürst in das Lager des Paschas von Bosnien, der ihn als Gefangenen nach Adrianopel bringen ließ. Anno 1686 wurde dann endgültig mit der Belagerung von Ofen begonnen. Die Siege der kaiserlichen und bayrischen Heere in Ungarn hatten zu einer neuen großen Allianz eines Teiles der christlichen Mächte, dem sogenannten "Augsburger Bund" geführt. Auch Ludwig XIV. hatte sich zu einem Scheinwaffenstillstand von 20 Jahren mit Kaiser [55] und Reich bequemen müssen. Vor allem aber hatte der Kaiser einen militärisch besonders wichtigen Bundesgenossen gewonnen. Der Kurfürst von Brandenburg schloß mit ihm ein geheimes, zwanzigjähriges Schutzbündnis. Jetzt zogen aus dem Reiche neben 8000 Bayern, 8200 Brandenburgern, 4700 Sachsen, 4000 Schwaben, je 1500 Franken, Rheinbundtruppen und auch Schweden, Freiwillige aus Spanien, England, Venedig, ja selbst auch aus Frankreich heran. Mit den rund 52 000 Kaiserlichen vereinigten sie sich Mitte Juni 1686 auf dem Sammelplatz Parkany und nun wurde unter dem geteilten Oberbefehl des Kurfürsten Emanuel, Lothringens und des Markgrafen Ludwig von Baden mit der Einkreisung Ofens begonnen.

Fünfundfünfzig Tage dauerte die blutige, von erbitterten Nahkämpfen und ununterbrochenen Minensprengungen erfüllte Belagerung. Mit zähem, dem Vorbild ihrer großen Ahnen würdigen Mut verteidigten die Türken unter dem Befehl ihres siebzigjährigen, heldenhaften Paschas Abdurhaman die Stadt. Trotz mehrmaligen Sturmes, bei dem der inzwischen zum Generalfeldwachtmeister ernannte Prinz Eugen seine abgesessenen Dragoner persönlich vorführte und einen Pfeilschuß erhielt, gelang es nicht, die Türken aus ihren Verschanzungen zu werfen.

Inzwischen war ein türkisches Entsatzheer in Stärke von rund 70 000 Mann unter der Führung des Großwesirs Suleiman in bedrohliche Nähe des Belagerungsheeres gekommen. Kaltblütig, die gefährlichen Ausfälle Abdurhamans in seinem Rücken nicht beachtend, warf der Herzog von Lothringen sich erst auf diesen neuen Feind, brachte ihn am 14. August eine erste schwere Niederlage bei, warf ihn noch zweimal, als er neuerdings Verstärkungen in die bedrängte Festung zu werfen suchte, mit dem Verlust von ungefähr 15 000 Mann zurück und setzte trotz seiner Nähe am 2. September zum letzten und entscheidenden Generalsturm auf Ofen an.

Erstürmung von Ofen. Gefangene türkische Agas
werden Herzog Carl von Lothringen vorgeführt.
[86]      Erstürmung von Ofen. Gefangene türkische Agas werden Herzog Carl von Lothringen vorgeführt.
Nach einer Zeichnung von Feodor Dietz. (Österreichische Lichtbildstelle, Wien)

Nach dreimaligem Sturm, bei dem die Kaiserlichen zum ersten Male mit aufgepflanzten Bajonetten vorgebrochen sein sollen, gelang es ihnen mit den Brandenburgern und Schweden, auf der Nordseite von Ofen die Breschen zu ersteigen. Während sich nun auch die Bayern den Eingang in die Stadt von der Südseite her im blutigen Handgemenge erkämpften, fand der greise Abdurhaman, der sich am Wiener Tor mit seinem Gefolge dem Gegner entgegengeworfen hatte, den Heldentod. Nach stundenlangem, fürchterlichem Ringen, in dem sich die Türken und Teile der in die Stadt geflüchteten ungarischen Aufständischen mit todesverachtender Zähigkeit noch immer in den Straßen zur Wehr setzten, erzwangen die Verbündeten und die unter der Führung des kaisertreuen Husarenführers Peterhazy stehenden Ungarn den [56] Besitz der Festung und Stadt. Damit war das bedeutendste Bollwerk des Osmanentums im Südosten gefallen. Wie eine lockende Siegesbeute stieg das letzte Ausfalltor der osmanischen Kriegszüge in dem Donauraum in der Ferne vor den Augen der Sieger auf - Belgrad!

Und in der Tat, kein osmanisches Heer konnte mehr den Siegessturm der deutschen Heere aufhalten, die von Ofen aus weiter nach dem Südosten vorstürmten und nun Platz um Platz, Festung um Festung dem Padischah wegnahmen. Als zwei Heere, eines unter dem Kurfürsten und eines unter Lothringen den Feldzug weiterführten, kam es am 12. August dieses Jahres nahe Mohacz am Berge Nagy-Harsany zu einer denkwürdigen Schlacht, in der Prinz Eugens Dragoner die Verschanzungen am Berge Harsany nahmen. Dieser Sieg öffnete den Kaiserlichen die Tore Peterwardeins und gab ihnen den Weg nach Slavonien frei. Dem Prinzen Eugen aber brachte der Tag den Rang eines Feldmarschalleutnants ein. Als sich dann im Dezember des gleichen Jahres Erlau ergab, brach auch der letzte Widerstand der Türken auf ungarischem Boden zusammen. Noch wehrte sich freilich die heldenhafte Witwe Tökölys, Helena, auf Schloß Munkacz, doch als auch diese letzte Feste der Tökölyaner endlich im Januar 1688 fiel und die tapfere Verteidigerin mit ihren Kindern nach Wien gebracht wurde, flatterten zum ersten Male die kaiserlichen Fahnen als Symbol einer nun Jahrhunderte währenden Herrschaft des Hauses Habsburg über das Land.

Leider vertiefte sich in der Fortführung des Feldzuges die bereits bei der Belagerung von Ofen zutage getretene Mißstimmung zwischen dem Herzog von Lothringen, Kurfürst Emanuel und den beiden Markgrafen von Baden immer mehr. Kurfürst Max Emanuel, der als Schöpfer des neuzeitlichen bayerischen Heeres von dem Drang beseelt war, sich selbst und seinem jungen Heere möglichst viele Siegeslorbeeren zu winden, wies brüsk die Fortführung des Feldzuges unter Lothringens Oberbefehl ab. Und wieder war es dieser feinsinnige, von ritterlicher Selbstbescheidenheit durchdrungene Fürst, der angesichts der Wichtigkeit der bayrischen Unterstützung für den Kaiser nachgab und, indem er eine Krankheit vorschützte, seine Bereitwilligkeit kundtat, den Oberbefehl niederzulegen.

In der Folge führten nun Graf Rüdiger von Starhemberg, Markgraf Ludwig von Baden und der bayrische Kurfürst den Oberbefehl. Abermals war es Prinz Eugen, der sich jetzt in den letzten Kämpfen vor Belgrad und dann am 6. September 1688 trotz mehrfacher Verwundungen auszeichnete und unter des Kurfürsten Max Emanuels Oberbefehl als einer der ersten die Breschen von Belgrad ersteigt und [57] dieses Mal sehr schwer verwundet auf den Bastionen der erstürmten Festung zusammenbricht.

Nach 170 Jahren türkischer Herrschaft war Belgrad gefallen. Das tief ins Serbische zurückgehende türkische Heer wies den Siegern selber den Weg. Markgraf Ludwig von Baden drang immer weiter nach dem Südosten vor, der kaiserliche General Veterani eroberte die Walachei, und am 24. September 1689 flatterten die kaiserlichen Fahnen siegreich bei Batschin und Nitsch.

Da gebot der alte Erbfeind deutscher Machtentwicklung dem weiteren Vordringen der hart an den Toren der Pforte stehenden Heere Halt. Frankreich trat 1688 auf den Plan und erklärte sich durch die Entfeßlung des dritten Raubkrieges unumwunden als Bündnispartner der Türken zu einer Zeit, da diese nach dem Sturze des Sultans Muhamed bereit gewesen wären, mit dem Kaiser endgültig Frieden zu schließen.

Der Vorwand, der Ludwig XIV. den Titel für den Bruch des zwanzigjährigen Waffenstillstandes und den ungeheuerlichen Einfall in das ungeschützte Rheinland, Baden, Württemberg, Franken und Schwaben hergab, war das Aussterben der Simmerschen Linie in der Kurpfalz, die der Sonnenkönig zu neuen Ansprüchen seiner Reunionskammern an das Reich beanspruchte und eine noch ungeheuerlichere Einmischung des Franzosenkönigs in der Kölner Kurfürstenwahl, bei der er statt des vom Kaiser bestellten Prinzen Josef Clemens von Bayern den Reichsverräter Egon Grafen Fürstenberg eingesetzt wissen wollte.

Der wahre Grund, der Frankreich auf den Plan rief, war jedoch der Erfolg der deutschen Waffen im Südosten und die Errichtung des erblichen Königtums der Habsburger in Ungarn, das durch die Krönung des Sohnes Leopolds, Josef I., nach dem Siege bei Nagy-Harsany auf dem Reichstag zu Preßburg Tatsache wurde. Frankreich sah sich in seinen bisherigen Raubbesitzungen deutschen Bodens plötzlich bedroht, es fühlte, daß nach der Beendigung des osmanischen Feldzuges der vom Kaiser nie fallen gelassene Gedanke der endgültigen Abrechnung mit Frankreich wieder aufgegriffen werden würde und die deutliche Sprache, die Waffenerfolge zahlreicher bedeutender Feldherren aus dem Reich und den österreichischen Erblanden im Südosten führten, ließ es für den billigen Besitz Straßburgs, die Erbeutung der 10 elsässischen Reichsstädte durch den Westfälischen Frieden und schließlich um Breisach und Freiburg zittern.

[58] Mitten im Frieden brachen unter der Führung des Dauphins die französischen Generale Boufflers, Feuquiers und Melaç im Reichsgebiet ein. Sengend und brennend besetzten sie die blühende Pfalz, rissen mit Ausnahme von Philippsburg, das sich tapfer zur Wehr setzte, Speyer, Heidelberg, Mannheim, Bonn, Kaiserslautern, Rheinsberg und schließlich auch Mainz an sich, vernichteten in grauenhaftesten Plünderungszügen Schwaben und Franken und standen bereits tief im Reich, ehe auch nur einer der Kurfürsten oder die Reichsstände nur die geringsten militärischen Kräfte zusammenraffen und sie den Raubbrennern in den Weg stellen konnten.

In dieser Stunde höchster Bedrängnis scharten sich die militärisch ausschlaggebenden Kurfürsten und Reichsstände zum ersten Male einig und entschlossen um den Kaiser zusammen. Noch wogte allerdings eine Zeitlang der Streit der Meinungen hin und her, ob mit den Türken Frieden gemacht und die gesamte militärische Macht des Reiches gegen Frankreich eingesetzt werden sollte. Da gab der Einfluß der Kirche auf Kaiser Leopold einen, für den entscheidenden Ausgang dieses Krieges verhängnisvollen Ausschlag. Kaiser Leopold ließ sich bestimmen, eingedenk der päpstlichen Hilfe in der Aufbringung der Geldmittel für die Durchführung des Türkenkrieges, den Krieg gegen die "Ungläubigen" weiterzuführen und damit auch seinen Bündnispflichten gegenüber Polen und dem Vatikan zu genügen. Allerdings trat als Gegenleistung auch der Papst als Verbündeter des Kaisers gegen Frankreich auf den Plan. Die große Allianz der um den Kaiser versammelten Reichsfürsten, wie Brandenburg, Bayern, Sachsen, Hessen-Kassel, Hannover, dem Reiche selbst und Spanien, England, den Niederlanden und später auch Savoyen kam zustande und so wurde am 14. Februar 1689 durch den Reichstag von Regensburg der Reichskrieg erklärt.

Vergeblich hatten sich vor allem die militärischen Führer gegen die Durchführung eines Zweifrontenkrieges gewehrt. Auch der Feldmarschalleutnant Prinz Eugen von Savoyen, der an der bei Belgrad erlittenen Verwundung noch siech in Wien darniederlag, hatte vergeblich gegen einen "Rat, den nur ein Mönch dem Kaiser zur Fortführung des ungarischen Krieges gegeben haben könnte", Verwahrung eingelegt.

Doch die nunmehr angebahnte Entscheidung war nicht mehr aufzuhalten. Ohne die Ansichten derer zu berücksichtigen, die wie Prinz Eugen der Auffassung waren, daß bei der doppelten Bindung der einzig und allein um die Interessen des Reiches kämpfenden Kräfte weder im Westen noch im Osten eine Entscheidung herbeizuführen war, wurde der Krieg im Westen begonnen und auch im Südosten weitergeführt. [59] Den Oberbefehl in Ungarn und Serbien erhielt der Markgraf Ludwig von Baden, wobei ihm der größte Teil des kaiserlichen Heeres verblieb, im Westen hingegen wurden drei Armeen gebildet, von denen die südlichste der Kurfürst von Bayern, die mittlere der Herzog Karl von Lothringen und die nördlichste, an die Niederländer des Prinzen von Oranien anschließend, der Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg führten.

Es waren die Brandenburger, die durch ihre Siege von Neuß und Bonn den Krieg erfolgreich begannen. Auch der Herzog von Lothringen bestürmte erfolgreich Mainz, und als dann noch der Kurfürst von Bayern, dem die ihm anfänglich aufgezwungene hinhaltende Kriegsführung seines Korps nicht behagte, mit seinen Truppen zu dem Lothringer stieß, wurde Mainz September 1689 genommen. Zu dieser Zeit befand sich auch der wieder genesene Prinz Eugen im Mainzer Lager. Da traf das deutsche Heer ein empfindlicher Schlag. Kaum, daß ein Teil des Heeres die Winterquartiere bezogen hatte, starb plötzlich der Herzog von Lothringen. Mit erst 47 Jahren sank dieser begabte und durch seinen ritterlichen Charakter weit über die übrigen Reichsfürsten seiner Zeit hinausragende Feldherr ins Grab. Er hatte sich auf der Reise von Innsbruck nach Wien eine Krankheit zugezogen und erlag am 18. April 1690 in Wels seinem Leiden. Und nun schien es, als sei mit dem Hinscheiden dieses Mannes, der seine Persönlichkeit immer wegen des Dienstes an der großen Sache zurückgestellt hatte, so daß "es den Anschein hatte, als ob er, dessen Lobes die Welt voll war, sich allein seines Ruhmes nicht bewußt gewesen wäre", das Glück von den kaiserlichen Fahnen gewichen. Im fernen Südosten mußten die Truppen trotz heldenhaften Widerstandes zurück. Umsonst schlug der rasch herbeigeeilte Markgraf von Baden die Türken nochmals bei Widdin und Semendria, da ging auch Belgrad wieder verloren, und dann schoben sich die Heere des Padischah seit Jahren zum erstenmal wieder ins Ungarische vor und setzten den alten Widersacher des Kaisers, Tököly, noch einmal in Siebenbürgen ein.

Auch im Westen begann sich das Kriegsglück für die deutschen Heere zu deren Ungunsten zu wenden. Kurfürst Max Emanuel, der allein den Oberbefehl führte, mußte starke Truppenkontingente an die in den Niederlanden stehenden Heere abgeben. So geschwächt, vermochte er nicht einmal das rechte Rheinufer von den Verheerungen der französischen Generale zu schützen. Prinz Georg Friedrich von Waldeck wurde bei Fleurus vom Marschall von Luxemburg geschlagen, und nun brach auch das Verhängnis über die südlichen Niederlande herein, die vor den Brandschatzungen der Franzosen ungeschützt dalagen.

[60] Da gelang es, einen Teil der französischen Kräfte durch die Bedrohung der äußersten rechten Flanke des französischen Reiches im Süden zu binden.

Kaiser Leopold hatte den Prinzen Eugen als Unterhändler zu dessen Vetter, dem Herzog Amadeus von Savoyen, nach Turin geschickt. Noch von Mainz aus war Eugen nach Savoyen gereist und hatte dort in teilweise recht schwierigen Verhandlungen verstanden, den etwas wankelmütigen und nur auf seinen eigenen Vorteil bedachten Herzog auf die Seite der Allianz gegen Frankreich herüberzuziehen. Diese erste staatspolitische Mission, die der jugendliche Eugen, der dazu dieses Mal noch als Privatmann reiste, in so geschickter Weise zuwege brachte, ließen den Wiener Hof erkennen, daß in dem befähigten General nicht nur hervorragende militärische Eigenschaften, sondern auch bedeutende diplomatische und staatspolitische Fähigkeiten steckten. Was jedoch das Ausschlaggebende an dem Erfolge Eugens bedeutete, war die Gefährdung Südfrankreichs, das sich plötzlich von einem Vorstoße savoyisch-spanischer Truppen, die über die Seealpen vorbrechen konnten, bedroht sah. Es beweist auch, wie sehr die damals bedeutendsten militärischen Führer Frankreichs die Gefahr dieses Einbruches für ihre Operationen am Rhein zu würdigen verstanden, daß sie ihrem König zur Entsendung des Marschalls Nicolaus Catinat, eines ihrer Besten, an die bedrohte Flanke rieten. Doch auch der Kaiser hatte einen Catinat ebenbürtigen Feldherrn als dessen Gegner ernannt: dem zum General der Kavallerie beförderten Prinz Eugen von Savoyen. Jetzt begann Eugens eigentliche Feldherrnlaufbahn, indem er zum ersten Male seine Fähigkeiten glänzend unter Beweis stellte, wo er zugleich gegen vielerlei Schwierigkeiten anzukämpfen und dabei doch das letzte Ziel im Auge zu behalten verstand. So zeigte es sich schon bald, daß er nicht allein der Chef der ihm unterstellten Truppen war, sondern daß die ganze Kriegsführung an der Seealpenfront erst durch ihn das Aussehen eines wirklichen Kriegsschauplatzes bekam. Eugen war sofort nach Erhalt der kaiserlichen Order seinen nur langsam durch Graubünden nachziehenden kaiserlichen Regimentern nach Oberitalien vorausgeeilt, und was er dort vorfand, ließ ihn das Schlimmste für die Durchführung des Feldzuges ahnen. Die von Savoyen unter dem Oberbefehl des Grafen Fuensalida, der als Gouverneur von Mailand dem Herzog von Savoyen zur Seite stand, gesandten Truppen befanden sich in einem kläglichen militärischen Zustand. Dazu vertrödelten die Führer kostbare Zeit mit schleppenden Beratungen. Jeder Versuch Eugens, sie zu einem Vorrücken gegen Catinat zu bewegen, scheiterte am passiven Widerstand.

Neben dieser schwerfälligen und unbrauchbaren spanischen Kriegs- [61] maschinerie stand nur der savoyische Herzog als Verbündeter, der auch kein Feldherr, sondern ein ehrgeiziger Fürst war, dessen Heer sich ebenfalls in einem den Franzosen völlig unterlegenen Zustand befand. So wurde es dem kaum eingetroffenen Eugen sofort klar, daß mit den Truppen dieser Bundesgenossen ohne die schlachterprobten kaiserlichen Regimenter nichts anzufangen war. Er riet dem Herzog von Savoyen dringend jedes Manöver, das einen Kampf nach sich ziehen konnte, ab, und wie berechtigt seine Vorstellungen waren, zeigte bald darauf die Schlacht bei Staffarda am 12. August 1690, bei der der unbelehrbare Herzog mit seinen Truppen in eine fürchterliche Falle Catinats ging. Nur dem persönlichen Eingreifen Eugens, der sich an die Spitze der piemontesischen Reiterei setzte, vermochte Herzog Amadeus die Rettung seines Heeres zu danken.

Ebenso wie in Deutschland, wo der Kampf nur eine schleppende Fortsetzung fand, führte auch das Kriegsführen in Italien zu keinem entscheidenden Ergebnis. Wohl kamen auf dringende Vorstellungen Eugens nach dem Eintreffen eines Korps weitere kaiserliche Truppen heran, doch der einzige Vorteil, der dank der unermüdlichen Tatkraft Eugens der Sache der Großen Allianz durch den italienischen Feldzug entstand, war eben die Bindung eines starken französischen Heeres im Süden. Bis Eugen diese Bindung in eine plötzlich schwere Bedrohung des französischen Aufmarschraumes im Norden umzuwandeln versuchte. Tollkühn setzte er, Catinat geschickt umgehend, zu einem Vorstoß nach - Grenoble an. Doch da Herzog Amadeus erkrankte, brach Eugens kühner Plan an der Unzulänglichkeit der ihm zur Verfügung gestellten Kräfte zusammen. Als er nun auch selber noch die Blattern bekam und die Schwierigkeiten, die man ihm neben den Unzulänglichkeiten im spanisch-savoyischen Lager noch von Seiten der eigenen kaiserlichen Generale bisher bereitet hatte, zwar teilweise durch die Ersetzung Caraffas durch den verdienten General Äneas Caprara behoben wurden, beschränkte sich Eugen weiter, seinen Vetter vor aussichtslosen Operationen abzuhalten. Wieder genesen, rettete er das piemontesische Heer in der Schlacht bei Orbassano ein zweites Mal durch seine Tatkraft vor der völligen Vernichtung durch Catinat. Da erfuhr er plötzlich von einer weitaus größeren Gefahr. Sein Vetter, der Verbündete des Reiches, hatte heimlich mit Frankreich verhandelt. Eugen wurde eines Tages gewahr, daß bei dem Herzog, während sich seine Armee gegen die Franzosen schlug, französische Unterhändler, so der Generalleutnant Tessé, der sich in der Pfalz menschlich benommen und Louvois' grauenhafte Befehle nur lässig vollzogen hatte, heimlich aus und ein gingen. Schließlich kam es soweit, daß der Herzog, zugleich Verräter [62] am Kaiser und Spion gegen sich selbst, jede geplante Bewegung, jeden Operationsentschluß Catinat im voraus mitteilen ließ, damit alles mißglückte.

Diese Erkenntnis traf Eugen furchtbarer als jeder militärische Mißerfolg. Er, der von seinem Vetter jahrelang Wohltaten empfangen hatte, sah sich gezwungen, den gleichen Mann, der ihm als jungem vermögenslosem Edelmann oftmals die Mittel für den allernötigsten Lebensunterhalt vorgestreckt hatte, dem Kaiser als Verräter zu melden. Zur Entlastung für Eugen setzte Amadeus wenigstens bald darauf die Tat. Er trat offen auf die Seite Frankreichs und begründete seinen Entschluß mit der notwendigen Vergrößerung seiner Macht. Doch ehe sich Eugen, den der Kaiser endlich zum alleinigen Oberbefehlshaber in Italien und zugleich zum Feldmarschall ernannte, gezwungen sah, den nunmehr verbündeten Savoyern und Franzosen entgegenzutreten, schloß Kaiser Leopold ein Abkommen mit Ludwig XIV. ab, das den italienischen Boden für die Dauer des Krieges als neutrales Gebiet erklärte. So wurden die Feindseligkeiten auf italienischem Boden abgebrochen. Gerade dieser Feldzug mit seinen Hemmnissen hatten den wahren Feldherrn in Eugen zutage gebracht. Und es spricht auch für den richtigen Blick der damals führenden Männer in Wien, daß man die Erfolglosigkeit des italienischen Feldzuges nicht Eugen, sondern der Unfähigkeit der Verbündeten zuschrieb. Für Eugen hatten die Kämpfe trotz der vielen bitteren Erfahrungen allerdings auch einen großen Vorteil gebracht. Er hatte zum erstenmal die Bekanntschaft mit jener italienischen Landschaft als militärischer Führer gemacht, auf der er, Jahre später, zwei seiner siegreichsten Feldzüge durchführen sollte.

Während so Eugen durch den Feldzug in Italien die erste Erhärtung seiner Feldherrngabe in der Begegnung mit den mannigfachen Widerwärtigkeiten einer erfolglosen Kriegsführung erfuhr, hatte der Markgraf Ludwig von Baden im Südosten die berühmte Schlacht bei Szlankamen geschlagen.

Dieser Erfolg veranlaßte den Kaiser, dem Markgrafen das Schicksal der deutschen Heere im Westen anzuvertrauen.

Doch Ludwig war nicht mehr der Mann, der einmal bei Wien nur hohe soldatische Eigenschaften an den Tag gelegt hatte. So wie er während der folgenden Jahre durch einen wachsenden Ehrgeiz im Wettbewerb mit dem Kurfürsten Max Emanuel dem Herzog von Lothringen so manche bittere Zurücksetzung bereitet hatte, knüpfte er jetzt als der [63] Sieger von Szlankamen an die Übernahme des Oberbefehls die Bedingung, daß kein im Range höher stehender deutscher Fürst beim Heere verweilen dürfe. Diese Überheblichkeit trug bereits den Keim der Erfolglosigkeit für den weiteren Feldzug in sich. Zwar gelang es dem Markgrafen, die französischen Generale de Lorges und Choiseul über den Rein zu werfen, ja, als sein Heer endlich auf 70 000 Mann verstärkt war, schlug er sogar das Heer des Dauphin bei Heilbronn, vermochte auch dessen Nachhut bei Wiesloch zu zertreuen, aber trotz der errungenen Vorteile vermochte er sich doch nur auf der sogenannten Heilbronner Linie zu halten und brachte dadurch den Krieg zu keiner Entscheidung.

Um so meisterhafter gelang es indessen der Diplomatie Ludwigs XIV., die Verbündeten durch geschickt eingefädelte Verhandlungen zu trennen. Plötzlich fielen nach Savoyen auch England, Spanien und Holland von der Sache des Kaisers ab. Und da nun die Ereignisse in Ungarn nach dem Abgang des Markgrafen Ludwig von Baden zu einem neuerlichen entscheidenden Einsatz der Kräfte drängten, gab auch Kaiser Leopold, von allen Verbündeten verlassen, nach und ließ sich zu dem Frieden von Ryswyk bewegen, der dem Reich zwar Breisach und Freiburg, auch Kehl und Philippsburg zurückerstattete, aber Straßburg nach wie vor in den Händen des Franzosenkönigs beließ.

Es war treffend genug, daß im Volke dieser Frieden das Abkommen von "Reißweg" als Nachfolger des Friedens von "Nimweg" genannt wurde. Das Heer der Ostmark allerdings hatte auch in diesem Dreifrontenkrieg die übernommene Aufgabe mit allen zur Verfügung stehenden Kräften zu erfüllen getrachtet. Daß es diese nicht zu meistern vermochte, hatte seine Ursache nicht in der mangelnden Tapferkeit und Tüchtigkeit der kaiserlichen und vieler Reichsgenerale, sondern sie war in jener gefährlichen Zersplitterung zu suchen, vor der Prinz Eugen so sehr gewarnt hatte. Verteilt auf drei große Kriegsschauplätze, bei denen die schlachterprobten kaiserlichen Regimenter stets das Rückgrat und den Kern der operierenden Streitkräfte zu bilden hatten, erfuhren hier die deutschen Soldaten der Ostmark zum ersten Male, welche Aufgabe ihnen auch in den kommenden Jahrhunderten zugedacht war. Und weil auch in diesem Kriege die Bereitstellung der Mittel für das Heer nach dem erfreulichen Auftakt von 1683 und bei Beginn des dritten Raubkrieges sehr bald wieder eine dauernde Ebbe der Kriegskasse Platz machte, hatte das Heer noch neben der Bezwingung der äußeren Feinde in den eigenen Lagern gegen alle nur erdenklichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Es war daher hohe Zeit, daß der Kaiser den Feldmarschall Prinz Eugen an eine entscheidende Stelle des Heeres berief, von dem selbst der ehrgeizige Markgraf Ludwig von Baden, [64] dessen Freundschaft für Eugen allmählich stark abgekühlt war, und der jeder Lobpreisung abholde Graf Rüdiger von Starhemberg als Hofkriegsratpräsident sagten: "Niemand sei zu nennen, der mehr Verstand, Erfahrung, Fleiß und Eifer zu des Kaisers Dienst, der eine großmütigere und uneigennützigere Gesinnung, der die Liebe der Soldaten im höheren Grade besitzt, als der Prinz!"

Die Aufgabe, die der Kaiser dem Prinzen Eugen jetzt zuwies, glich auf den ersten Blick durchaus der undankbaren Stellung, die er in Italien innegehabt hatte. Prinz Eugen wurde nämlich zum militärischen Berater des sächsischen Kurfürsten August, der den Oberbefehl in Ungarn "führte", ernannt.

Schon dieser Vertrauensbeweis an sich war für die militärische Lage in Ungarn bezeichnend. Kurfürst Friedrich August hatte dem Kaiser 8000 Mann zur Verfügung gestellt, aber daran die Bedingung geknüpft, daß er selber den Oberbefehl über die Truppen in Ungarn zu führen gedenke. Um nun nicht des dringend nötigen Truppenkontingents verlustig zu gehen, hatte man in Wien dieser Forderung zugestimmt und dem sächsischen Kurfürsten das Schicksal der Reichsgrenze im Südosten überlassen. Doch jetzt zeigte es sich allzubald, daß August der Starke wohl ein glänzender Fürst und Frauenliebhaber, aber durchaus kein Feldherr war. Platz um Platz ging dem Kaiser verloren, und schließlich wurde August der Starke endgültig bei Olos geschlagen, was zur Folge hatte, daß der alte Rebell Tököly wieder einmal sein Unwesen auf ungarischem Boden beginnen konnte.

Statt seine Fehler einzusehen und die Zeit, da der Gegner sich langsam vorwagte, mit der Stärkung und Neuordnung seines Heeres zu verwenden, vergeudete der Kurfürst seine Zeit mit festlichen Gelagen und warf den verdienten und in vielen Türkenfeldzügen bewährten Generalen des Kaisers Unverträglichkeit vor, wobei er es sogar nicht unterließ, den erfahrenen Ratschlägen dieser Männer eine kurherrliche Überheblichkeit entgegenzusetzen. Dazu kam, daß nunmehr das Heer völlig verluderte. Statt die Truppen zusammenzuhalten, zersplitterte man sie in weit auseinanderliegenden Quartieren. Mangel an Sold, Bekleidung und Verpflegung stellten sich ein, und als der Kurfürst sich dabei selber in keiner Weise den bescheidenen Verhältnissen des einfachen Mannes anpaßte, kam es das erstemal seit Wallensteins Zeiten zu offenen Meutereien.

Hier nach dem Rechten zu sehen und vor allem die militärischen Operationen zu leiten, wurde der Feldmarschall Prinz Eugen betraut. Glück- [65] licherweise traf Eugen August den Starken nicht mehr in Ungarn an. Denn während der kleine General mit Eilstaffetten seinem Bestimmungsort zujagte, trat August die Reise nach Warschau an, wo er mit riesigen Geldsummen den polnischen Königsthron erkauft hatte. So fand der unscheinbare General in Esseg nur ein Heer vor, dem es nicht allein an ausreichender Bewaffnung, Ausrüstung und vor allem auch an Verpflegung mangelte, sondern dem es, und das erschien Eugen viel schlimmer, vor allem auch an dem notwendigen Geist gebrach.

Es war die Rettung, daß Eugen, sobald in Wien die Nachricht von der Abreise des sächsischen Kurfürsten bekannt wurde, nunmehr den Oberbefehl über das Heer in Ungarn bekam. Mit diesem Tage, da ihn der Kaiser zum ersten Male zum Chef eines selbständig operierenden Heeres ernannte, hat er den Grundstein zum ersten der drei großen Denkmäler des österreichischen Heeres in der deutschen Weltgeschichte gelegt, die in der Epoche des Prinzen Eugen, dem zwanzigjährigen Abwehrringen gegen Frankreich im Zeitalter Napoleons und zuletzt im Weltkrieg 1914 - 1918 ihre unvergeßlichen Mahnmale haben. Sofort erwies sich Eugen als der richtige Mann. Noch während der Artillerieobrist Graf Solas mit dem Auftrag, um jeden Preis Geldmittel zu beschaffen, nach der Kaiserstadt jagte, versammelte Eugen das Heer im Esseger Lager. Kreuz und quer hetzte er seine Kuriere durch die Komitate und befahl die in den Quartieren liegenden Truppen in Eilmärschen heran. Diese plötzliche Eile wollte allerdings verschiedenen Befehlshabern, so auch dem Franzosen Bussy-Rabutin, der sich mit seinem Korps in Siebenbürgen befand, nicht behagen. Da half Eugen durch die Betreibung kaiserlicher Sonderorders tatkräftig nach. Noch wartete er allerdings das Eintreffen eines Teiles der Kavallerie, die den alten Rebellen Tölöky diesmal zum letztenmal und für immer in Oberungarn geschlagen hatte, ab, versammelte dann aber gegen Ende Juli den größten Teil der Regimenter, mit Ausnahme von Bussy-Rabutins Truppen, im Esseger Lager. Am 25. Juli 1697 setzte er sich von dort aus gegen Peterwardein in Marsch. Und nun schien es den Soldaten, als wäre in den jugendlichen Feldmarschall der Teufel gefahren. Mit einer seit Jahren nicht mehr gekannten, ja in der bisherigen Kriegsführung überhaupt niemals erprobten Eile zog er durch das in glühender Sonnenhitze daliegende südungarische Land. Aber schon hatten die wenigen Tage von Eugens Kommando den Geist der Truppe gewandelt. Niemand wagte mehr, über die anbefohlenen Gewaltleistungen zu klagen, willig gehorchten Offiziere und Mannschaften. Von heute auf morgen schien die Erinnerung an den Soldmangel, die schleppende bisherige Kriegführung und an das Fehlen aller dem Soldaten sonst so unerläß- [66] lich erscheinenden Mittel verflogen, und als Eugen im August bei Robita ankam und sich dort mit Bussy-Rabutin vereinigte, hatte er seine Soldaten zu jenen Marschleistungen erzogen, auf die es ihm für die Durchführung des Feldzuges zu allererst ankam.

Sein Gegner war dieses Mal weder ein Großwesir noch ein Pascha, sondern der tatkräftige Padischah der Osmanen, der Sultan Mustapha II. Mit einem Heere von rund 135 000 Mann trat dieser gegen Ende August seinen Vormarsch über die Donau an. Bald mehrten sich die Anzeichen, die darauf hinwiesen, daß der Padischah Peterwardein einnehmen wollte. Da trat Eugen geradezu tollkühn mit seinen knapp 60 000 Mann den berühmt gewordenen Flankenmarsch an, der mitten durch starke türkische Reitergeschwader vom Szirager Morast auf Peterwardein führte. Hier zeigte sich zum ersten Male, was der deutsche Soldat aller Gaue, trotz Mangels an den notwendigsten Erfordernissen zur Kriegsführung, in der Hand eines tatkräftigen Führers zu leisten vermag. In vier Tagen, wobei in dicht hintereinander geschlossenen Kolonnen marschiert wurde, jagte Eugen sein Heer gegen das bedrohte Peterwardein. Achtzehn volle Stunden wurde von den Truppen am letzten dieser Marschtage in glühender Sonnenhitze und durch baumlose Steppen, ja vielfach über Moraste mit all dem großen Geschütz, den unhandlichen Waffen und dem schwerfälligen Train jener Zeiten marschiert. Als dann die kaiserliche Armee stellenweise dem Heere des Sultans so nahe kam, daß es auf knappe drei Kilometer Entfernung neben dem Türken marschierte, ließ Eugen seine Truppen in volle Schlachtordnung rücken und marschierte, vor- und rückwärts durch Reiterei gedeckt, an den Flanken die Infanterie und in der Mitte den Train und das Geschütz, unbeirrt weiter, immer bereit, bei einem plötzlichen Angriff des Gegners die Front gegen ihn zu verkehren. Unablässig umschwärmt von den türkischen Reitern, zog er so neben und hinter dem Heere des Großherrn daher, der ihn mit der Spitze und dem Gros seiner Truppen ungefähr einen Tagmarsch voraus war. Da meldeten die Kundschafter plötzlich, daß der Sultan auf einmal die Marschrichtung ändere. Statt weiter nach Peterwardein zu ziehen, habe sich die Spitze des türkischen Heeres gegen Nordosten gewendet, und allem Anschein nach sei der Sultan plötzlich gewillt, statt auf Peterwardein gegen die Theiß zu marschieren, um entweder Szegedin zu gewinnen oder von dort aus in Siebenbürgen einzubrechen. Ohne zu zögern, riß Eugen seine Kolonnen herum und marschierte nun selber nach Norden.

In unvermindertem Tempo jagte er die Regimenter durch das glühende Land. Dörfer und Gehöfte, ja selbst das Gras steckten die vor ihnen schwärmenden türkische Reiter in Brand. Aber Eugen ließ sich weder [67] durch die drückende Hitze noch durch Rauch, Flammen und den glimmenden Boden in seinem Vorhaben hemmen. Er mußte den Sultan vor dessen Übergang über die Theiß zur Entscheidung zwingen. Auch konnte er nicht warten, bis es ihm selber gelang, eine Brücke über die Theiß zu schlagen und den Gegner erst jenseits des Flusses zu stellen. Doch da forderte die Aussage eines gefangenen Paschas, der sich unter der Drohung, erschossen zu werden, zum Verräter seines Großherrn machte, eine neuerliche Änderung des von Eugen gefaßten Planes.

Der Sultan stehe bereits bei Zenta, habe auch schon die Brücke geschlagen und sei eben daran, einen Teil seiner Truppen über den Fluß zu bringen, den Zugang zum Fluß aber habe er durch einen starken Brückenkopf gesperrt, so lautete die Aussage. Nun beschloß Eugen, unverzüglich zu handeln. "Er peitschte jetzt", so erzählt Czibulka, "mit gemessenen Befehlen seine Regimenter zum äußersten an. In sengender Mittagsglut hastete, keuchend, triefend von Schweiß, in dichtem Staub, der Lippen und Augen verklebte, die Infanterie gegen die Niederungen der Theiß, trabten in ihrem schweren Panzer die Kürassiere vorwärts, rasselten die schwerfälligen Stücke und Feldschlangen, Wolken von Staub aufwerfend, über die ausgebrannten Felder. Der Prinz selber nahm an Kavallerie und leichtem Geschütz, was er in Eile erraffen konnte, und ritt damit dem Heere voraus, bis er ferne schon die türkischen Riesenschanzen sah."

Gewaltig erhob sich hinter diesem eine mächtige Wagenburg, die zusammen mit einem von Rondellen und Ausfallspforten versehenen Palisadenwall, Gräben und Verhauen den Zugang zur Schiffsbrücke teils innen, aber auch teilweise von außen her deckte.

Angesichts dieses Brückenkopfs, hinter dem sich die bereits die Brücke passierenden türkischen Heeresmassen drängten, schien jeder Augenblick kostbar. Noch waren die ausgepumpten Regimenter, vor allem das Fußvolk, nicht heran, da jagte Eugen schon an den Reihen der mit ihm vorgepreschten Reiterschwadronen und Batterien entlang. Durch kurze Zurufe feuerte er die Mannschaften an. Als dann endlich auch die Infanterie anrückte, ließ sie Eugen unverzüglich in die Schlachtordnung einschwenken. Den Feind, der mit dichten Massen die Schanzen besetzt hielt, im Angesicht, stellte er sein Heer in einen weitausholenden Bogen, in zwei Treffen gegliedert, um den Brückenkopf auf.

Lange Kolonnen schweren Geschützes, die soeben die mächtige Schiffbrücke passierten und ein dichtes Gewimmel von Fußvolk und Reiterei, das sich innerhalb des Brückenkopfes drängt, ist das erste, was der Prinz jetzt aus der Nähe vom Hauptheer des Gegners erblickt. Indessen reiten zahlreiche Geschwader Spahis, zwischen der Wagenburg und aus den Ausfallstoren hervorbrechend, gegen die aufmarschierenden Regimenter [68] der deutschen Schlachtordnung an. Schuß um Schuß dröhnen von den Wällen die Salven der dort postierten Brückenkopfbatterien auf, und während nun auch die letzten Bataillone des Fußvolkes am äußersten linken Flügel der Deutschen in die befohlene Aufstellung einrücken, beginnen die kaiserlichen Batterien, beinahe im Abprotzen das Feuer der türkischen Geschütze zu erwidern.

Da zieht Prinz Eugenius auch schon seinen Degen. Im jagenden Galopp preschen Ordonnanzen an die an den Flügeln eben aufmarschierenden Reiterregimenter heran. Noch ehe die Linien der Reitergeschwader völlig in den Treffen formiert sind, gellt an den Linien von je drei Dragonerregimentern das Signal zur Attacke entlang. Und nun ist der Gewaltmarsch, ist die Hitze, sind Durst und Ermattung völlig vergessen. In einem Galopp, bei dem die ausgepumpten Gäule noch das Allerletzte hergeben, braust die kaiserliche Kavallerie gegen die Schwärme der Spahis heran. Die werden schon geworfen, ehe sie sich überhaupt zu Gegenattacken formieren. Im glänzenden Reitergefecht treiben die Dragoner den Feind bis dicht an die Schanzen, und wie sie von dort nun ein wilder Kugelhagel überschüttet, ziehen sie sich langsam und in voller Ordnung zurück.

Doch nun befiehlt Eugen dem gesamten Heere den Angriff. Bis auf halbe Kanonenschußweite führt er seine Truppen an die dichtbesetzten Schanzen heran. Und während nun die gleichfalls vorangehende kaiserliche Artillerie die Schanzen des Brückenkopfes mit kräftigem Feuer überschüttet, fliegt Prinz Eugenius noch einmal an den beiden Treffen seiner Regimenter entlang und entflammt sie durch zündende Zurufe zum Vorgehen. Eine in äußerster Gangart heranjagende Ordonnanz beordert den linken Flügel, kurzerhand oberhalb des äußersten rechten türkischen Stützpunktes die dort seicht erscheinende Theiß zu durchwaten. Mit scharfem Blick hat der Feldmarschall dort einige Sandbänke im Flußlauf erkannt. Umsonst versucht der Sultan durch Spahis, die den Angreifern durch das Wasser entgegenzureiten versuchen, die Annäherung des linken Flügels in seiner Flanke zu vereiteln. Schon wird er durch das stürmische Vorgehen des kaiserlichen Zentrums in der Mitte des Kopfes angepackt. Da führt er persönlich weitere Spahis an die Brücke heran. Diese sollen die sich auf den Planken drängenden und im Flußübergang befindlichen Massen zur Umkehr bringen, und durch schneidiges Vorgehen zur Abwehr der deutschen Angriffe auf das Bollwerk des Brückenkopfes zwingen. Erbarmungslos reiten die Araber das Fußvolk von den Bohlen der Schiffsbrücke zusammen und schleudern dabei Dutzende von Unglücklichen in die Fluten hinab. Doch das entstehende Durcheinander macht die Pferde der Reiter wild. Scheu be- [69] ginnen die edlen Tiere zu steigen, stürzen und brechen mitsamt ihren Reitern kopfüber in die unter der Brücke dahinrauschenden Wasser. Da rät Tököly, der neben dem Padischah hält, diesem, die Reiter absitzen zu lassen und sie zu Fuß über die Brücke zu schicken. Ja, er empfiehlt darüber hinaus noch dem Sultan, die Brücke im Rücken der abgesessenen Spahis abzubrennen und dadurch Reiter und Janitscharen, die dann vorne um ihr nacktes Leben kämpfen müssen, zur äußersten Abwehr des Gegners zu zwingen. Doch Mustapha weist diesen Rat des auch bei den Türken schon längst übel angeschriebenen Aufwieglers mit Verachtung zurück. Wie sich aber jetzt der Großwesir an die Spitze der Spahis stellt und die nun doch abgesessenen Reiter an die Brücke heranführt, gelingt es dem tapferen türkischen Feldherrn, für sich und seine Leute eine Gasse durch die Massen des Fußvolkes zu erzwingen, und weil sein Beispiel nun auch Teile des Fußvolkes zur Umkehr bringt, stürzen sich Spahis und Janitscharen mit wildem Allahgeschrei in die Schanzen, die von den zur Deckung des Brückenüberganges befohlenen Mannschaften hartnäckig gehalten werden. Mit doppelter Eile versuchen die Türken den im Abmarsch befindlichen Teil ihres Heeres jetzt im Schutze der verstärkten Brückenkopfbesatzung noch über den Fluß zu bringen.

Doch es ist ein Prinz Eugen, der drüben die Stürmer gegen Wall und Wagenburg anführt. Erbittert wogt der Kampf erst noch hin und her. Mit zäher Hartnäckigkeit wird von beiden Seiten gefochten, und obwohl das Geschützfeuer der kaiserlichen Artillerie den Türken jetzt Bresche um Bresche aus den Rondellen herausschlägt, vermögen sich die Verteidiger noch immer in den Schanzen zu halten. Da ist Starhemberg mit seinem Flügel endlich auf Schußweite an die Brücke heran. Prinz Eugen hat die Regimenter des Flügels rasch noch durch einige Bataillone und Batterien verstärkt, und als diese nun von den Sandbänken aus den Flußübergang des türkischen Fußvolkes zu stören beginnen, entsteht unter den Türken auf der Brücke eine furchtbare Panik. Auf diesen Augenblick hat Prinz Eugen nur gewartet. Wie so oft schon, springt er jetzt selber vom Pferd und führt das Regiment Styrum persönlich zum Sturm auf den Brückenkopf an. Unter seiner Führung ersteigen die tapferen Musketiere die Schanzen, und als plötzlich der Großwesir tödlich getroffen zu Boden sinkt, kommt die ganze Verteidigung längs des Brückenkopfwalles ins Wanken. Durch den Erfolg des Zentrums bestärkt, greift jetzt auch Heister am rechten Flügel ungestüm an, und nun gibt es für die Vorwärtsstürmenden auf der ganzen Linie kein Halten. Den Sieg vor Augen brechen die Deutschen überall in die türkischen Stellungen ein. Um nicht untätig zuschauen zu müssen und erst den Erfolg des Fußvolkes abzuwarten, springen auch die Reiter von ihren [70] Sätteln und werfen sich neben der Infanterie in die Schanzen. Bald sind die Gräben, die Rondells und die Gruben der Verhacke von Leichen überfüllt. Verwundete werden von den Weiterstürmenden niedergetreten, Geschrei, lautes Jammern, das Aufbrüllen der Zusammengestochenen wächst mit dem Waffengetöse zum grauenvollen Orkan, und als auch Starhembergs Bataillone jetzt längs der Sandbänke gegen die Brücke vordringen, bricht der türkische Widerstand in einem furchtbaren Chaos zusammen. Im letzten Augenblick weichen die Verteidiger von der inneren Linie des Brückenkopfes gegen die Brücke zurück, beginnen angesichts des drohenden Abgeschnittenwerdens zu rennen, und weil die Brücke noch immer mit den Massen der übersetzenden Janitscharen und Artillerie verstopft ist, bricht sie unter der Last der neu über sie zurückflutenden Massen zusammen. Nun bietet sich den Deutschen ein furchtbarer Anblick. Zu Tausenden treiben Ertrinkende in den Wellen, hunderte versuchen sich in den Kähnen zu retten, und weil auch diese von Flüchtenden überfüllt sind, kippen sie um, und so reißen die Fluten die besten des türkischen Heeres mit, die verzweifelt an forttreibenden Geschützen und Planken hängen und schließlich doch in den blutigen Wellen versinken.

Aber auch wer von Überlebenden den Siegern in die Hände fällt, wird dieses Mal nicht pardoniert. Es ist, als hätten die Soldaten zu viele Grausamkeiten und Plünderungen zu rächen. Die ganze Wut eines durch Jahre hindurch zu einer wenig erfolgreichen Abwehr gezwungenen ehemals siegreichen Heeres tritt in dem Gemetzel, das nun einsetzt, zutage. Entsetzt über die sich vor ihren Augen abspielende Katastrophe weichen die letzten türkischen Heerhaufen am jenseitigen Ufer zurück. In wilder Flucht stieben dort Spahis und Janitscharen davon, und weil auch der Sultan seine Truppen nicht mehr zu halten vermag, beginnt das türkische Heer unaufhaltsam davonzujagen und flieht am gleichen Tage noch bis in die schützenden Mauern von Temesvar.

Erst am nächsten Morgen vermag Prinz Eugen die ganze Größe seines Sieges zu übersehen. Der Großwesir, vier Wesire, die Statthalter von Adana, Anatolien und Bosnien, der Jenitscheri-Agassi, drei Beglerbegs, zehn andere Würdenträger des gleichen Ranges, der Oberanführer der Janitscharen, der General der Dschebedschi, 20 Alaibegs und mehr als 30 Agas sind unter den Gefallenen. 423 Fahnen, 7 Roßschweife, die Fahne des Janitscharenchefs, 87 Geschütze, 62 Brückenschiffe und 72 Brückenwagen sind neben einer unermeßlichen Anzahl an Waffen und sonstigem Kriegsmaterial den Siegern in die Hände gefallen.

Das kostbarste Beutestück jedoch, ein dem Großwesir vom Halse genommenes Siegel des Sultans, sendet Eugen dem Kaiser mit den Wor- [71] ten nach Wien: "Die Verschanzung war so fest und hoch, daß ich nicht begreife, wie die kaiserliche Infanterie hat hinüberkommen können. Als dann man infolge des Angriffs am linken Flügel Luft bekommen, ist mit gesamter Gewalt alles hineingedrungen, und da war es nicht möglich, den Soldaten zu halten. Es hat fast kein Quartier gegeben, weder Pascha noch Offizieren, soviel Geld sie auch boten. Diese siegreiche Aktion hat sich geendet mit der Scheidung von Tag und Nacht und hat sogar die Sonne von dem Tage nicht weichen wollen, bis sie mit ihren glänzenden Augen den völligen Triumph von Eurer Kaiserlichen Majestät großwürdigen Waffen vollständig mit ansehen können. Allergnädigster Herr, den tapferen Heldengeist Ihrer gesamten Generale, Offiziere und Soldaten kann meine schwache Feder nicht genügsam entwerfen, denn sattsam loben und preisen. Und geruhen Eure Kaiserliche Majestät, diese meine schuldige Kontestation nicht aufzunehmen für das gewöhnliche Kompliment, welches man pflegt bei allen glücklichen Aktionen der Armee zuzueignen. Sondern ich muß es mit wahrer Gerechtigkeit bekennen und zum unsterblichen Nachruhme Ihrer unvergleichlichen Armee, als deren geringes Haupt, bezeugen: es sind zwar etliche, die Gelegenheit gehabt haben, sich vor anderen auszuzeichnen, insgesamt aber ist nicht ein einziger, welcher, soviel ich weiß, nicht mehr als seine Schuldigkeit getan hätte. Dasselbe gilt von den verbündeten Truppen!"

Aus diesem Bericht spricht der ganze, seinen eigenen Ruhm bescheiden hinter der Tapferkeit von Offizieren und Mann zurückstehende Prinz Eugen. Um so heller strahlt dieser Tag nicht nur zum Ruhme des Heeres, das einen der herrlichsten deutschen Siege mit 28 gefallenen Offizieren, 401 Toten und 1800 Verwundeten bezahlt hatte, sondern als unvergeßliches Beispiel für die Genialität eines Feldherrn, dem das deutsche Heer mit dieser ersten, von Prinz Eugen selbständig durchgeführten Schlacht einen der herrlichsten Siege seiner Geschichte verdankt.

Obwohl die Schlacht bei Zenta einen Erfolg bedeutete, der in erster Linie der Erweiterung und Festigung der habsburgischen Hausmacht in Ungarn zugute kam, so zeigte sich ihre Wirkung doch sehr bald in verschiedener Beziehung in der innen- und außenpolitischen Lage des Reiches. Einmal bedeutete dieser Sieg, der im gemeinsamen Zusammenwirken deutscher Soldaten aus den verschiedensten Gauen erfochten worden war, eine neuerliche Stärkung des Vertrauens in die militärischen Kräfte des Reiches und gab zu der Hoffnung Anlaß, daß das kaiserliche Heer in seinem jugendlichen Feldherrn einen Führer gefunden hatte, der die Fähigkeiten besaß, das Reich auch gegen eine neue unmittelbare Be- [72] drohung zu sichern. Auf der anderen Seite war durch die Vernichtung des türkischen Heeres wieder einmal Frankreich betroffen. Denn Ludwig XIV. hatte seit Wien und Ofen stets seine Hände bei allen Beratungen in Konstantinopel im Spiele gehabt. Abgesehen davon, daß französische Ingenieure beim Brückenschlag über die Theiß mitwirkten, galt die Türkei nach wie vor als Frankreichs Verbündeter, und jeder Schlag, der diesen Verbündeten im Südosten traf, hatte ebensogut die Maschen des Netzes, das der Sonnenkönig um Deutschland gelegt hatte, getroffen. Es blieb dabei vollkommen gleichgültig, ob es nun die durch die habsburgische Hausmacht verkörperte Reichsgewalt war oder ob es bei einer anderen Entwicklung der innerdeutschen Geschichte eine andere Hausmacht gewesen wäre, die die Interessen des Reiches zu vertreten gehabt hätte. Frankreich wollte den Rhein als Grenzfluß gegen das Reich, und daß es ihm in der Verfolgung dieses Planes gleichgültig war, ob Habsburg, Wittelsbach oder Hohenzollern die Fürsten hergaben, die das Reich zu vertreten hatte, bewies es in späteren Epochen zur Genüge.

Nach vierzehnjährigem Ringen wurde 1699 in Karlowitz der Friede geschlossen. Durch diesen Frieden kam Ungarn bis auf das Temesvarer Banat in den ausschließlichen Besitz der habsburgischen Krone, Siebenbürgen wurde ebenfalls habsburgisch, Kroatien und Slawonien wurden endgültig zu Österreich geschlagen, und selbst die Republik Venedig wurde mit Morea und Dalmatien bedacht.

Allmählich wurde auch bei den Eugen nicht unmittelbar unterstellten Soldaten bekannt, daß der Prinz nicht nur ein strenger und energischer Feldherr, sondern auch ein fürsorglicher Sachwalter des gemeinen Mannes war. Man erfuhr bald in den verstreutesten kaiserlichen Lagern, daß der Sieger von Zenta selbst bei der äußersten Ebbe der Kassen immer wieder Mittel und Wege zu finden verstand, die dem Soldaten die Auszahlung des rückständigen Soldes und die Herbeischaffung von Ausrüstungsstücken und Nahrung sicherten. Und auch in der Auffüllung der Regimenter begann sich schon da und dort der bisherige Brauch der Werbung zu ändern. Während die Stellung der Mannschaften bisher durch die sogenannte Reichswerbung erfolgte, die dem Kaiser bestimmte, von den Reichsfürsten bezeichnete Werbeplätze überließ, wurde mit Beginn der Eugenschen Periode erst nur ganz vereinzelt, aber dann während des spanischen Erbfolgekrieges bedeutend verstärkt, mit der Aushebung der Rekruten durch die österreichischen Landstände begonnen. So vermochte sich das deutsche Element allmählich immer stärker in den kaiserlichen Regimentern durchzusetzen.

Es war das Volk der Ostmark, das sich von nun ab immer zahlreicher in die Reihen der Regimenter des Kaisers neben den Kontingen- [73] ten aus vielen Gauen des Reiches stellte. In allen großen Epochen der deutschen Geschichte haben so Deutsche aller Gaue die Schlachten um die Erhaltung des Reiches geschlagen. Aus dieser Gemeinsamkeit des Kampfes um das Reich mußte jedem Stamm unseres Volkes eines Tages eine Soldatentradition erwachsen, die das kommende der Hausmacht- und landesherrlichen Interessenkämpfe zugunsten des großen gemeinsamen Einsatzes um das Reich verblassen ließ. Und einer, der dem gesamten deutschen Volk für die Erkämpfung dieser Tradition Wegweiser wurde, war der jugendliche kaiserliche Feldmarschall Eugen von Savoyen. Schon bald, nachdem er aus Bosnien und Ungarn zurückkehrte, war das Antreibende seiner Vorschläge in allen Angelegenheiten der bisher so schwerfälligen Heeresmaschinerie und des ihr vorgesetzten, noch schwerfälligeren Hofkriegsrates zu spüren. So kann man es mit gutem Gewissen seiner Tatkraft und seinen Vorstellungen bei dem von Rüdiger von Starhemberg geführten Hofkriegsrat zuschreiben, wenn das stehende Heer, das 1672 noch aus 20 Kavallerieregimentern, 19 Regimentern Infanterie und ungefähr 600 Artilleristen bestand, noch während und gleich nach Beendigung der Türkenkriege auf 14 Kürassier-, 11 Dragoner- und 5 Husarenregimenter, sowie allmählich auf 37 Infanterieregimenter und bald auf 800 Artilleristen gebracht wurde.

Auch der Ausbau der in der Geschichte des österreichischen Heeres so bedeutsamen Grenzerkorps wurde zur Zeit des sich steigernden Eugenschen Einflusses verstärkt in Angriff genommen. Grenzwachtkorps, die aus den aufgerufenen Bewohnern der an das türkische Hoheitsgebiet angrenzenden Gebiete bestanden, waren schon zu Solimans des Großen und Niklas Zrinys Zeiten, vor allem aber während des Feldzuges Montecuccolis in Aktion getreten. Nun wurden diese Grenzverbände durch die Aufstellung neuer Korps bedeutend verstärkt. Als nach dem Frieden von Karlowitz viele Serben und Raizen auf kaiserliches Gebiet übertraten, wurden diese auf österreichischem Boden angesiedelt, so kam das Karlstädter, Warasdiner und Banat-Grenzgeneralat hinzu. In allen Kriegen haben sich diese Grenzer hervorragend bewährt. Gewiß war ihre Kriegführung, die in der Abwehr der selten Pardon gebenden Türken ihre Schule gehabt hatten, oft grausam. Aber sie haben vor allem als "Warasdiner", dann als leichte Infanterie der Panduren und als "Seressaner" nicht nur in den Hausmachtkriegen der Habsburger, sondern viel mehr noch in den Abwehrkriegen gegen Frankreich auch für Deutschland mit nie zu erschütternder Zuverlässigkeit gekämpft. Aus ihrem Führertum ist dem alten kaiserlichen Heere und damit auch dem deutschen Heere mancher tapferer General als Vorbild entstanden. Und noch während des Weltkrieges haben sich die Regimenter aus den alten [74] Gebieten der Grenzer als beste Soldaten des österreichischen Heeres neben den Deutschen und Ungarn bewährt.

Zu den ersten Auswirkungen der Vorschläge, die Prinz Eugen zur Verbesserung des Heerwesens vorbrachte, gehörte auch ein zäher Kampf, den er für die Schaffung eines guten Offizierskorps führte. Mit und gegen die Stimmen des Hofkriegsrates, der damals die oberste Militärbehörde des Staates vorstellte, begann er mit dem Unwesen des Geldgeschäftmachens der Oberstinhaber aufzuräumen. Es war vielleicht seinem Einfluß noch vor seiner Ernennung zum Hofkriegsratpräsidenten zuzuschreiben, daß der bisher übliche Verkauf von Offiziersstellen durch die Oberstregimentsinhaber einer Betrauung von Würdigen und Verdienstvollen Platz machte, die aus jedem Stande gekommen waren.

Auf Grund der eifrigen Bemühungen des Prinzen Eugen gelang es allmählich, mit dem Verkauf von Offiziersstellen und den sogenannten "Expectanzen" aufzuräumen. Nach und nach wurde so das Offizierskorps geschaffen, das Eugen die Möglichkeit gab, von Führer und Mann das Äußerste zu verlangen. Da es aber seit dem Frieden von Karlowitz an Zeit gebrach, durchgreifend mit all jenen Verbesserungen zu beginnen, die in der späteren Epoche das Merkmal der Eugenschen Führung des österreichischen Heeres wurden, so mußte Eugen noch den schwersten Waffengang seiner Soldatenlaufbahn mit einem Heere antreten, in dem trotz der sich schon bemerkbar machenden Umformung noch die meisten der aus dem Dreißigjährigen Kriege übernommenen Gepflogenheiten und Mängel steckten. Daß es ihm trotzdem gelang, mit seinen Heeren einen auf der Höhe seiner militärischen Entwicklung stehenden Gegner zu meistern, erhebt den Feldmarschall in die Reihe der größten deutschen Soldaten.

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Österreichs Blutweg
Ein Vierteljahrtausend Kampf um Großdeutschland
Anton Graf Bossi Fedrigotti