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Danzig und sein Landschaftsbild jetzt und
einst.
1. Um das Jahr 1930
[31] Blick auf Danzig vom Bischofsberg im Jahre 1931
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Willst du das freie, jahrhundertealte deutsche Danzig schauen, so besteige mit mir
einen Augenblick den hart an der Stadt, die unter der Ebene des
Meeresspiegels liegt, sich steil bis zu einer Höhe von nahezu 100 Metern
erhebenden Bischofsberg oder den gleich hohen Hagelsberg, und
du kannst unsere Stadt und zum größten Teil auch unser Land
sozusagen aus der Vogelperspektive schauen und bewundern, und ich zweifle
keinen Augenblick, daß du begeistert ausrufen wirst: Solch herrliche
Bilder, solch wundervoll wirkende Landschaft, eine so charakteristische Stadt
sieht man selten. Diese Stadt muß von einer ruhmreichen Vergangenheit zu
erzählen wissen! Und du hast recht, denn die Geschichte dieser
Stadt ist aufs engste verbunden mit der Siedlungsgeschichte, ja sogar mit
der Entstehung dieses Landes, ist verbunden mit den Menschen,
die Jahrhunderte hindurch hier gelebt und gewirkt haben.
Du stehst auf der alles überragenden Höhe und schaust
zunächst gen Osten. Hier erblickst du die alte stolze und einst so
mächtige Hansestadt zu deinen Füßen. Wie auf einem
Schachbrett liegt sie vor dir, du kannst ihre Straßenzüge genau
verfolgen, ein Blick von wundervollem Reiz bietet sich dir dar, ein Blick, wie
man ihn nicht allzu oft sonstwo haben mag. Du stehst staunend und bewundernd
da, du siehst Jahrhunderte an dir vorüberrauschen mit ihren Menschen,
ihrer Tätigkeit, ihrer Geschichte, von dem all das vor dir Liegende mit in
Stein gegrabenen Weiten so beredt erzählt, und du spürst
gewissermaßen das Leben und Weben jener Menschen, du ahnst ihr Schaffen, ihren
Geist, du erkennst, aus welchem Geiste dies geschaffen, wie hier in Mühe
und Arbeit und nicht minder zähem Ringen mit der Natur und den
politischen Kräften diese deutsche Stadt geworden. Du stehst auf dem
Hügel, von dem aus diese Stadt zu wiederholten Malen feindlich bedroht
und berannt worden ist, auf dem feindliche Heere lagerten, feindliche
Laufgräben gegraben, Schanzen errichtet waren, auf dem [31=Foto] [32] feindliche Geschütze aller Art
aufgefahren waren, von dem feindliche Geschosse in großer Zahl in sie
einschlugen, du siehst auf ihm und von ihm aus zur Rechten und zur Linken die
Wälle und Gräben, die eine jahrhundertealte Geschichte zu
erzählen haben, du schaust einen Teil der ehemals mächtigen, auch
jetzt noch wassergefüllten Wallgräben und die aus ihnen
emporragenden Schanzen, die einst mit ungeheuren Kosten und großen
Mühen aufgeführt worden sind zum Schutze der Stadt und
ihrer Bürger gegen die anstürmenden feindlichen Scharen, zur
Verteidigung von Recht und Freiheit.
[33] Die
Trinitatiskirche, Chorseite (1481-1514)
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Dein erster Blick fällt nach nur kurzer orientierender Umschau auf die
unmittelbar zu deinen Füßen liegende Stadt selber.
Entzückt und bewundernd bleibt er an diesem Bilde hängen,
das eine einzige mächtige geschichtliche Vergangenheit darstellt. Du
schaust in seltener Geschlossenheit das alte Stadtbild, das Meer der
hochgiebeligen mit
Beischlägen geschmückten Häuser, der
engen wirren Gassen, und dein Blick findet
Ruhe- und Merkpunkte an den alten mächtigen Kirchen und den nicht
minder charakteristischen Profanbauten, die stolz und majestätisch
über das Häusermeer emporragen: dem gewaltigen Turm der
Marienkirche,
der seine Umgebung in Masse und Wucht überragt,
an den sich die mächtige Kirche selbst mit ihren zahlreichen schlanken
Türmchen anlehnt. Du siehst gleich in unmittelbarer Nähe daneben
das Rechtstädtische
Rathaus, dessen langgestreckter Turm gleich
einem Riesenfinger in die Lüfte weist und von dem halbstündlich das
melodische Glockenspiel ertönt, bald in feierlicher, ernster Weise, bald in
freudiger Melodie, ganz wie es Zeit und Ereignisse mit sich bringen. Etwas weiter
vorgerückt zu deinen Füßen schaust du den charakteristischen
Giebel der Trinitatiskirche, der jeden nach
Danzig mit der Eisenbahn aus
der Richtung von Dirschau Kommenden gewissermaßen als erster
besonders herzlich grüßt, als wollte er ihn einladen, sich gerade
das architektonische Stadtbild Danzigs nur ja genau anzuschauen. Weiter
erblicken wir die übrigen Türme der zahlreichen alten Kirchen
[121] Katholische Pfarrkirche St. Nikolai
Im Jahre 1926 durch besonderes Breve des Papstes Pius XI.
zur Würde einer "basilica minor" erhoben. Ehemalige Klosterkirche der
Dominikaner,
die 1227 nach Danzig kamen. Die jetzige Kirche erbaut in den Jahren
1239 - 1271.
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Danzigs: St. Barbara ganz in der Ferne auf der Niederstadt, die alten
Klosterkirchen von St. Nikolai und St. Brigitten, St. Katharinen
mit ihrem charakteristischen Turm, von dem wir wieder halbstündlich ein
Glockenspiel vernehmen, die massigen Türme von St. Johann und
St. Peter und Paul, die schlanken Türmchen von St.
Elisabeth und St. Joseph in der Altstadt u. s. w. Wir
erkennen weiter links im Vordergrunde den Stockturm und vor ihm das
prächtige Hohe
Tor, das einst den Zugang zur Stadt durch [33] die mächtigen Wälle bildete.
Interessiert steigt im Beschauer die Frage auf: Welch große Menge alter
Herrlichkeiten muß Danzig in sich bergen, wenn dieser ferne Blick schon
soviel zeigt!
Durch die Stadt sehen wir sich die schiffbelebte Mottlau
schlängeln, die mit ihren Armen die Speicherinsel umschließt. Ab
und zu taucht die teils unterirdisch geführte Radaune auf, die sich
am "Brausenden Wasser" in die Mottlau ergießt. Beide vereinigen sich am
Nordausgange der Stadt mit der Weichsel, die sich weiterhin zwischen
Danzig und Neufahrwasser zu dem weitgedehnten langgestreckten Hafen
erweitert, der Schiffe aus aller Herren Ländern beherbergt, aus dem die
mächtigen Verladekräne emporragen und Zeugnis ablegen
von dem gewaltigen Umschlag, der sich hier vollzieht. Hier am Nordausgange
Danzigs hat auch Danzigs Industrie ihren Hauptsitz. Gewaltig ragt der
mächtige Kran der Schichauwerft, eines der Wahrzeichen des
modernen Danzig, empor, umgeben von den ungezählten kleinen
Kränen der
Schichau- und der Danziger Werft. So werden wir gleich hingewiesen auf den
wichtigsten Industriezweig Danzigs, den Schiffsbau. Rund um die Stadt [34] aber schauen wir noch vereinzelte Teile der
ehemaligen Befestigungen, bald in Gestalt eines Tores, bald eines erhaltenen
Wallstückes, eines Turmes, eines Grabens u. s. w. Ein Bild,
das so ansprechend ist, daß es uns immer wieder verlangt, es zu
betrachten.
Wem steigen bei diesem Anblick nicht Josef Lauffs Verse in den
Sinn:
Weite Speicher, Spriet und Stangen,
Bunt gewimpelte Geschwader,
Lange Zeilen, Klinkergiebel,
Leichtgefügt mit Tor und Beischlag,
Brunnen, Fratzen, Wasserspeier,
Enge Gassen, weite Märkte,
Querdurchspült von der Radaune.
Also steigt am Strand der Weichsel
Danzig auf, des deutschen Nordens
Glanzumstrahlte Königin!
Wenn Ihr Danzig nicht gesehen,
O, dann greift zum Wanderstabe!
Preußens Wälder hört Ihr rauschen:
Buchenwälder, Tannenwälder,
Adlerschrei und Möwenzüge,
Hela winkt, es blaut die Meerflut,
Und am Strande blitzt der Bernstein.
Ja, so ist es!
Erheben wir unsere Augen über die Stadt hinweg, so bietet sich,
soweit unser Blick nach Osten und Südosten reicht, zwischen Weichsel und
Nogat eine weite fruchtbare Marschniederung, der nach der
Meeresküste hin die teilweise bewaldeten Dünen der schon
längst landfest gewordenen Nehrung das Geleit geben. Zwischen
mächtigen Dämmen wälzt die gelbbraune Weichsel ihre
Fluten dem Meere zu, durch die Niederung schleichen die etwas hellere Mottlau
und andere Werderflüßchen trägen Laufes dahin, und das
Wasser der zahlreichen das Marschland durchziehenden
Entwässerungsgräben schimmert wie Silberlinien in dem saftigen
Charakteristisches Wasserschöpfwerk aus der
Deutschordenszeit im Danziger Werder
[36]
Das Wasser-Schöpf(Wurf)rad aus obigem
Schöpfwerk
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Grün. Wenn dieses Land auch der Berge und Wälder entbehrt, die
für viele erst den Vollbegriff der landschaftlichen Schönheit
ausmachen, so ist diese Niederung doch nicht öde und reizlos. Sie birgt eine
Fülle von Gaben und landschaftlichen Reizen. Mitten in der Ebene schauen
wir zahlreiche schmucke Dörfer, deren alte Kirchen hoch
emporragen, und zerstreute Einzelgehöfte. Die häufige
Unterbrechung durch Seen, Flüsse und Gräben, eingefaßt von
geköpften Weiden, [35] gibt diesen Dörfern und Siedlungen ein
freundliches Aussehen. Es kommt hinzu, daß wir beim Durchwandern der
Niederung die alten Fachwerkbauten mit ihren charakteristischen Vorlauben
bewundern können, bei denen der fränkische und der
sächsische Stil vorherrschen. Die von zahlreichen Viehherden edelster
Rasse belebten saftigen Wiesen und Weidegärten erhalten ihr besonders
charakteristisches Gepräge durch auffallend viele
Windmühlen. Doch diese dienen nicht wie anderswo dem Mahlen
des Getreides, sondern es sind die vom Winde getriebenen
Wasserschöpfwerke, die bis in die Deutschordenszeit zurückgehen
und der unbedingt nötigen Entwässerung des Bodens dienten. In
neuerer Zeit sind sie meist bereits abgelöst durch größere
Schöpfwerke, die durch Dampf bzw. Elektrizität getrieben werden,
und das im Bau befindliche Großwerk zur Regulierung der Linau wird
weitere stillegen. Es ist nur zu hoffen und zu wünschen, daß sie als
Naturschutzdenkmäler und als geschichtliche Zeichen einer großen
und für die Siedlung und Entwässerung bedeutsamen Zeit erhalten
bleiben.
Mächtig weit und breit erstreckt sich diese Ebene der beiden sogenannten
Werderkreise, die insgesamt 1 209,1 Quadratkilometer, d. h.
zwei Drittel des gesamten, nur 1 892,1 Quadratkilometer umfassenden
Freistaates Danzig ausmachen. Dies weite Gebiet können wir von unserem
Standorte fast ganz übersehen, ja wir schauen bei klarem Wetter fern am
Rande, nicht mehr zum Danziger Gebiet gehörig, die stolzen Zinnen der
Marienburg, gewissermaßen der
Schutz- und Trutzburg des Deutschtums im Osten, die zu uns
herübergrüßen, und wir erblicken auch die mächtigen,
von deutscher Hand vor rund 50 Jahren erbauten Bogen der Dirschauer
Brücke über die Weichsel, die heute schon zu Polen
gehört, das sich hier in ganz eigenartiger Keilform in das Danziger Gebiet
hineinbohrt und so den Eisenbahnverkehr Danzigs mit seinem deutschen
Mutterlande behindert und unterbindet.
Wenden wir nun aber der Stadt den Rücken zu, schauen wir nach
Süden und Westen, so bietet sich dem erstaunten Blick ein
völlig anderes Bild dar. Gegensätze tun sich auf, daß
man zunächst glauben möchte, in eine völlig neue Welt
versetzt zu sein. Nahezu steil erheben sich aus dem Tal die Höhen, und nun
wechseln ununterbrochen enge Täler und schluchtenreiche Höhen
mit einander ab. Ein völlig welliges Hochland, das zwar den weiten Blick
[37] Hügelige Landschaft im Kreise
Danziger Höhe
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versperrt, dessen Charakter man aber einigermaßen schon aus diesem Blick
[36=Fotos] [37] ahnen kann und der vollauf
bestätigt wird, wenn man dieses Gebiet, den Kreis Danziger
Höhe mit seinen 609,2 Quadratkilometern Flächenraum
durchwandert.
Es sind Ausläufer und Moränenhügel des baltischen
Höhenzuges, der ganz Pommerellen durchzieht und dort im Turmberg (333
Meter) seine größte Höhe erreicht. Wer sich einmal
aufgemacht hat, um dieses Land zu durchwandern und mit eigenen Augen zu
schauen, der ist überrascht von der Mannigfaltigkeit der Formen, unter
denen kornbebaute Flächen und bewaldete Hügelketten, Fluren,
Wiesen und Forsten abwechseln mit schmucken Bergseen und
Bergflüßchen. Die dies Gebiet durchfließende Radaune erinnert
stellenweise an die mutwilligen Gewässer der deutschen Mittelgebirge, und
in den Rundtälern blinken überall silberklare Bäche, die der
Mensch hier und dort gezwungen hat, sich zu Weihern zu stauen und
Mühlen zu treiben.
Hat man sich dann schließlich ganz gewendet, schaut, man ganz nach
Westen, so weitet sich die Aussicht noch einmal etwas mehr, reicht hin bis
zu den ach so eng gezogenen Grenzen des Freistaates und löst geradezu
unser Entzücken aus. Eine Aussicht tut sich vor unseren Augen auf, die
jeden Naturfreund mit heller Begeisterung erfüllen [38] muß. Hart bis an den See treten die
Ausläufer des baltischen Höhenzuges heran und fallen steil zu ihr ab.
Zwischen Hochredlau und Adlershorst, leider schon zu Polen
gehörig, wo die Steilufer von lichtem Buchenwald bedeckt sind und die
Wellen nur einen schmalen Strandstreifen freilassen, glaubt man sieh an die
reizvolle samländische Küste versetzt. "Labyrinthisch verschlungene
Talgründe wechseln mit freien Höhen, von denen der Blick immer
wieder den Weg zur blauen Meerflut findet. Wenn ihr in diesem anmutigen Gau
unter mächtigen Baumriesen am verträumten Weiher den
rhythmischen Schlägen des Eisenhammers gelauscht habt, von den
Buchenhöhen bei Pelonken zu dem idyllischen Oliva hinabschaut
und weiter nördlich im Wittominer Revier dem Liede der Drossel
lauscht, werdet ihr es begreiflich finden, daß manche das genaue Studium
dieser Wälder beinahe zu einer ihrer Lebensaufgaben machten"
(Braun).
Wo die Höhen von der See etwas zurücktreten, liegen malerisch
ausgebreitet zwischen Meer und bewaldeten Höhen die zahlreichen
Siedlungen, die gerade in dieser Umgebung so traut und anheimelnd wirken. Da
liegt hart an der Grenze Polens unser bekanntes vornehmes Ostseebad
Zoppot und hinter ihm auf steiler Höhe mit wundervoller Aussicht
Stolzenfels sowie die frühere Sommerresidenz des deutschen
Kronprinzenpaares. Alles überragt aber das ganz nebenan hoch oben
liegende Bergschlößchen, das durch das idyllische Tal des
murmelnden Menzelbaches von Polen getrennt ist. Und etwa in der Mitte
zwischen Zoppot und Danzig, heute schon zur Stadtgemeinde Danzig
gehörig, liegt Oliva
mit seiner prächtigen alten Klosterkirche, der
baulich ältesten Kirche der gesamten deutschen Ostmark, seit dem Jahre
1926 Kathedralkirche der jungen Diözese Danzig, und dem Klostergarten.
Nicht ohne Berechtigung bezeichnet der Danziger Oliva als die Perle des
Freistaates. Hatte es doch einst Alexander von Humbolt im Jahre
1841 in heller Begeisterung und gewaltiger Übertreibung den
drittschönsten Ort der Welt genannt. Von
Laub- und Tannenwald bestandene Hügel, verschwiegene Täler,
Höhen mit herrlichen Blicken aufs weite Meer bieten den Bewohnern und
Besuchern eine Fülle von Schönheit.
Gerade durch das benachbarte Meer, das wir vom Bischofsberge oder vom
Hagelsberge schauen, wenn wir uns ganz nach Norden wenden, gewinnt Danzigs
landschaftliche Umgebung erhöhten und besonderen Reiz. Eine
Gletscherzunge hat in unserem Gebiet die hier einst lagernden lockeren
Tertiär- und Quartärschichten abgeschürft, sie dagegen zu
beiden Seiten stehen gelassen, und so ist die Danziger Bucht [39] das Ergebnis kräftigster eiszeitlicher
Gletschererosion, und ihre ununterbrochene Bedeckung mit Wasser besteht erst
seit dem Abschluß der Eiszeit, d. h. dem endgültigen
Rückgang der nordischen Gletschermassen. Die See mit ihren wechselnden
Stimmungen, bald im schönsten Sonnenschein in friedlicher Bläue
daliegend, besonders anziehend im wunderprächtigen Farbenspiel des
Sonnenunterganges oder des Gewitters, bald von dunklen Wolken
überschattet, die schwarzgrünen Wogen mit weißen
Schaumkämmen dem Strande zujagend, gibt den lieblichen und erhabenen
Bildern eine besonders eindrucksvolle Vollendung. Kauffahrteischiffe aller Art
beleben die weite Fläche und lassen fern am Horizont nur schwache
Rauchfahnen sichtbar erscheinen. Und lassen wir unsern Blick ganz frei
hinschweifen über das weite Meer, so erscheint ganz fern am Horizont, nur
ganz schwach sichtbar, ein schmaler Streifen Land, die einst gleichfalls durch
viele Jahrhunderte zu Danzig gehörende Halbinsel Hela, die sich als
schmale, an der engsten Stelle nur einen, an der breitesten etwa vier Kilometer
breite Landzunge 34 Kilometer weit in das Meer erstreckt und den
südlichen Teil der Ostsee, die Danziger Bucht, gleichsam eigens für
Danzig abgrenzt und so ganz besonders zum Vorhafen gestaltet.
Dieser kurze Rundblick vom Bischofsberge oder vom Hagelsberge aus gibt uns in
großen Zügen einen allgemeinen Überblick über
den Freistaat Danzig, der heute um seine Freiheit und Selbständigkeit, um
seine Verbundenheit mit dem deutschen Mutterlande ringt. Wir verstehen es, wie
dieser Blick gottbegnadete Poeten begeistern mußte, und ganz
unwillkürlich gehen die Verse Freiherrn von Eichendorffs,
der hier in den Jahren
1821-1824 als Regierungsrat für Kirchen- und Schulwesen tätig war
und auch später noch wiederholt kürzere Zeit hier weilte, uns durch
den Sinn, die er im Jahre 1842 Danzig widmete:
Dunkle Giebel, hohe Fenster,
Türme tief aus Nebeln sehn,
Bleiche Statuen wie Gespenster
Lautlos an den Türen stehn.
Träumerisch der Mond drauf scheinet,
Dem die Stadt gar wohl gefällt,
Als lag zauberhaft versteinert
Drunten eine Märchenwelt.
[40] Ringsher durch das tiefe Lauschen,
Über alle Häuser weit
Nur des Meeres fernes Rauschen -
Wunderbare Einsamkeit!
Und der Türmer wie vor Jahren
Singet ein uraltes Lied:
"Wolle Gott den Schiffer wahren,
Der bei Nacht vorüberzieht!"
Alles das, was wir mit großem Blick geschaut, was dies Land in sich birgt
an Bauten, an Kunstschätzen, an Kultur und Wirtschaft, ist
deutsches Kulturgut, ist durch deutsche Arbeit, durch
deutschen Geist, durch deutschen Fleiß und durch
deutsche Menschen geschaffen; deutsche Menschen, die fernher
kamen aus allen Gauen unseres weiten deutschen Vaterlandes, das ja in den
früheren Jahrhunderten, im Mittelalter, viel weiter und mächtiger war
als es das heute so gedrückte Deutsche Reich der Nachkriegszeit ist, als es
das im Glück und Glanz dastehende Deutschland der Vorkriegszeit war.
Von diesen deutschen Menschen und der innigen Verbundenheit unseres Danziger
Gebietes mit ihnen soll in den nachfolgenden Darlegungen gesprochen werden,
damit weitere Kreise, die unsere Heimat und ihre Geschichte oft so wenig kennen,
wissen, was sie an ihrer ihnen so lieben Heimat haben, damit sie klar sehen, wie
sehr die Welt irregeführt worden, wie großes Unrecht hier geschehen
ist, als man Danzig und sein Gebiet gewaltsam vom Deutschen Reiche
losriß, trennende Schranken aufrichtete und Danzig erneut zwang, in harten
Kampf zu treten für sein Deutschtum und für seine Kultur.
2. Um das Jahr 1300
Bevor wir dazu übergehen, die jahrhunderte, ja jahrtausende lange
Verbindung unseres Gebietes mit dem deutschen Volke näher darzulegen,
müssen wir, um das Arbeiten und Wirken unserer Vorfahren am
Weichselstrande recht verstehen und würdigen zu können, einen
Blick werfen auf unser Gebiet in jener Zeit, da wir es in der Geschichte bereits
etwas näher, wenn auch nur in groben Umrissen, erkennen können.
Wir wählen den Zeitpunkt unmittelbar vor dem Übergang in den Besitz
des Deutschen Ritterordens, denn erst mit diesem Zeitpunkte und teilweise kurz
[41] vor ihm fängt die Kulturgeschichte
unseres Landes an. Wie sah es damals, im 13. Jahrhundert, hier aus? Was
hätte uns ein Rundblick vom Bischofsberge damals gezeigt?
Nach Süden und Westen zu ein welliges Hügelland
wie heute, bestanden mit Wald und nichts als Wald bis dicht auf die
Abhänge an der heutigen Stadt heran, nur hier und da durchbrochen von
größeren und kleineren Lichtungen, in denen die armseligen
Hütten der spärlichen slawischen Bevölkerung ihr
bedürfnisloses Dasein fristeten und auf denen sie ihr spärliches
Getreide bauten. Nur an den
Ost- und Nordabhängen trat auch damals schon der Wald etwas weiter
zurück, und die Siedlungen der Fischer waren etwas zahlreicher. Wo heute
Zoppot und Oliva sich ausbreiten, gleichfalls ein paar armselige
Hütten und weite
Sumpf- und Moortümpel. Die Bevölkerung lebte in
primitivster Weise von dem in den allereinfachsten Formen getriebenen Ackerbau
und von Fischfang. Die Bestellung des Feldes war äußerst
dürftig, der eiserne Pflug war unbekannt, nur mit dem hölzernen
Pflug, dem sogenannten Haken, wurde der Boden leicht aufgerissen und das
Getreide hineingestreut. Dem festeren Boden war mit diesem Gerät
natürlich nichts anzuhaben, und so konnten nur die leichten sandigen, am
wenigsten fruchtbaren Stellen des Landes für den Ackerbau ausgenutzt
werden.
Danzig zu unseren Füßen fehlte, es lag nur die unscheinbare,
nach slawischer Art errichtete Burg der pommerellischen Herzöge
auf einer Bodenerhöhung an der Mottlau, und in der Nähe standen
einige Fischerhütten. Das andere weite Gebiet aber, auf dem heute die Stadt
Danzig sich ausbreitet, war Sumpf und Morast, wie heute noch die
Grabungen ausweisen, wie dies heute noch viele Danziger Straßennamen
aus alter Zeit bekunden und der Umstand, daß Pfähle in den Boden
eingerammt werden mußten, heute noch werden müssen, um den zu
errichtenden Bauten die nötige Grundung zu geben.
Wie aber sah das ganze große weite Gebiet des heute so fruchtbaren
Werders aus, das wir soeben mit einer reichen Fülle wohlhabender
Dörfer besät geschaut haben? Es ist dies ein Gebiet, dessen
Erwerb wir sozusagen ausnahmslos der Kolonisationstätigkeit des
deutschen Volkes im Mittelalter verdanken, einer Periode unserer Geschichte,
die so gewaltige Erfolge auf diesem Gebiete zu verzeichnen hat, wie sie kein
anderes Volk damals aufweisen konnte. Und zwar gewann der Deutsche dies Land
nicht etwa als Opfer seiner Kriegsgewalt, seiner Eroberungslust, seines
Militarismus oder Imperialismus, sondern allein vermöge seiner
[42] friedlichen Betätigung, seiner rein
kulturbringenden Schaffenskraft, durch die nimmermüde Arbeit seiner
Hände. "Nicht das Schwert des Ritters, sondern der Pflug des Bauern
eroberte das Ostland", sagt ein Forscher unserer mittelalterlichen
Kolonisationsgeschichte mit Recht. Dies Wort gilt in ganz besonderem
Maße von dem
Weichsel-Nogatdelta. Der deutsche Bauer, Mönch und
Kaufmann kam in diese Lande nicht als Eindringling, sondern
herbeigerufen durch die angestammten nichtdeutschen Herrscher dieses
Landes, und diese Siedler erst haben hier durch ihrer Hände Arbeit und
ihres Geistes Kraft diesen Boden nicht nur urbar gemacht, sondern sie haben sich
ihn erst regelrecht selbst geschaffen.
Denn kaum ein anderer Teil Deutschlands hat seine natürliche
Beschaffenheit unter der Einwirkung der Kolonisation in so grundlegender Weise
geändert wie das
Weichsel-Nogat-Delta. Wir haben hier nämlich die merkwürdige, in
weiteren Kreisen kaum bekannte Tatsache zu verzeichnen, daß hier
hunderte von Quadratkilometer heute angebauten Kulturlandes unter dem
Meeresspiegel liegen, und zwar zu einem erheblichen Teil sogar
1-2 Meter tief, ohne daß die Geographen in den meisten Fällen bisher
von dieser Tatsache Notiz genommen haben. "Jeder mittelmäßige
Schulatlas zeigt mit besonderer Signatur die unter dem Meeresspiegel liegenden
Landflächen in Holland. Von den Depressionen in unserem
Delta wissen die Atlanten nichts".1
Diese Senkung hat nicht erst später stattgefunden, sondern sie ist von
Anbeginn gewesen wie heute. Es hat demnach das Frische Haff
ursprünglich bis Danzig gereicht, und weite Wassermassen bedeckten
mehr oder weniger tief das Land. Heute ist hier von dem ursprünglichen
[43] Das Ufer des Frischen Haffs bei Vogelsang
(Zur Veranschaulichung des ehemaligen Zustandes des Danziger Gebietes.)
|
Zustande des Deltas nur noch sehr wenig vorhanden. Durch Eindeichung,
Abdämmung und Verlegung von Stromarmen und durch umfangreiche
künstliche Trockenlegungen sind teils die bestehenden Verhältnisse
geändert, teils ist die Wirksamkeit der Naturkräfte zwangsweise in
andere Bahnen gelenkt worden. Um ein richtiges Bild von dem natürlichen
Zustande des Weichseldeltas vor dem Beginn der Eingriffe durch Menschenhand
zu gewinnen, muß man daher diesen Zustand rekonstruieren, und zwar
dadurch, daß man von dem jetzigen Zustande alles ausscheidet, was erstens
durch Menschenhand künstlich geschaffen ist, und zweitens die Natur seit
dem Eingreifen durch Menschen unter dessen ständigem Zwange,
gewissermaßen geradezu gegen die Natur, geschaffen hat.
[43] Die Forschungen in den letzten Jahrzehnten
haben sich mit dieser Rekonstruktion sehr eingehend beschäftigt, so
daß wir heute in der Lage sind, einigermaßen klar die Gegend zu
schauen, wie sie hier einst zwischen dem 12. und 13. Jahrhundert gewesen ist. Ich
verweise nach dieser Richtung besonders auf die eingehenden Spezialforschungen
von Conwentz, Bertram, La Baume, Freytag, Lissauer, Sonntag, Toeppen
u. a., die über diese Frage überaus reichhaltiges Material
liefern.
Die Außendeltas bei Weichselmünde, Neufähr und Schiewenhorst
sind erst dadurch möglich geworden, daß infolge der Eindeichung die
Weichsel mit ihren Mündungsarmen nicht mehr wie ursprünglich in
das Frische Half und in die westliche, bis Danzig reichende lagunenartige
Fortsetzung desselben mündete und in diesem Klärbecken die
Sinkstoffe absetzte, sondern daß der Strom, durch Deiche
eingezwängt, bis zur See geleitet und dadurch erst befähigt wurde,
seine Sinkstoffe bis in diese hineinzubringen. Die häufig
überschwemmten Außendeiche landeten im Laufe der Jahrhunderte
meterhoch über ihre ursprüngliche Höhe auf. So haben sich
die Hauptarme der Weichsel mit ihrer nächsten Umgebung immer mehr
aus dem Niveau des Deltas in die [44] Höhe gehoben, so daß heutzutage
die Stromsohle nur noch unwesentlich tiefer liegt als das hinter
den Deichen liegende Binnenland. "Um ein Bild zu gebrauchen, fließt die
Weichsel nicht mehr in Rinnen, welche in das Schwemmland eingegraben sind,
sondern sie fließt gewissermaßen in künstlichen, auf der
Oberfläche des Deltas stehenden Trögen."2
Durch Abdämmungen von Nebenarmen der Stromweichsel sowie durch
Verlegung des Hauptstromes wurde dann im Laufe der letzt verflossenen sechs
Jahrhunderte eine einheitliche Stromweichsel an Stelle der
ursprünglich vorhandenen zahlreichen großen und kleinen
Mündungsarme geschaffen. Die Weichselniederung war ursprünglich
ein sumpfiges und verschilftes, teils mit weiten Wasserflächen
unterbrochenes Gelände, das weder zu Fuß noch zu Schiff irgendwie
einigermaßen bequem durchquert werden konnte. Die sumpfigen Stellen
waren vielfach mit Baumwuchs und Gestrüpp bestanden. Das ganze heute
so fruchtbare Land erwies sich damals als höchst
anbauungs- und besiedlungsfeindlich. Die größte Masse des ganzen
Gebietes war Wasser und Sumpf, etwa in einem ähnlichen
Zustande, in welchem sich heute der Drausensee bei Elbing befindet.
Durch die
Wasser- und Sumpfflächen zogen sich einzelne etwas höhere
Stellen, Diluvialinseln und Streifen, die teilweise so hoch lagen, daß sie
gegen Überschwemmung geschützt waren, teilweise aber auch durch
die hochgehenden Wogen, denen kein Damm Halt gebot, überschwemmt
wurden. So bildete das Werder also eine
[45] Alluvionsgebiet am Frischen Haff. Wassertiefe 80 cm
Das Unterwasserdelta der Elbinger Weichsel vor der Trockenlegung
(Zur Veranschaulichung des ehemaligen Zustandes des Danziger Gebietes.)
|
Wasser- und Sumpffläche, aus der die diluvialen Erhebungen als Inseln und
Streifen hervorragten. Dieser Umstand bedingt es, daß diese Werder im
Lichte der Geschichte zunächst als "insulae" (Inseln) auftauchen, und zwar
das kleinere Danziger Werder als insula Stueblaviensis (genannt so nach dem hier
gelegenen Dorfe Stüblau) oder auch als insula minor (Kleinere Insel). Diese
Bezeichnung findet sich vollständig übereinstimmend für alle
Teile des Deltas, welche bei Beginn der geschichtlichen Zeit erwähnt
werden. Das ist nach dem soeben Gesagten erklärlich. Den damaligen
Zeitgenossen erschien eben das Delta noch in seiner natürlichen,
unverfälschten Gestalt als Anzahl großer und kleiner
Fluß- bzw. Meeresinseln zwischen den Armen des Weichselstromes, dem
großen, kaum betretbaren Moore längs der pommerellischen
Höhen, dem mit Untiefen durchsetzten und großenteils
Wasserpflanzenwuchs und Gestrüpp erfüllten damaligen Danziger
Haff und dem Frischen Haff im Osten. Die später vom Ritterorden als
Mühlen- oder Radaunekanäle abgeleiteten pommerellischen
Höhengewässer Spengawa (jetzt obere Mottlau),
Mühlbanz- [45] fluß, Belau, Kladau, Gans und Radaune,
ergossen sich noch in das ausgedehnte Erlenbruch am Fuße der
pommerellischen Höhen. Der eigentliche Teil der insula Stueblaviensis,
d. h. der höher gelegene Teil des jetzigen Danziger Werders
zwischen Weichsel und Mottlau, vom Güttländer Hauptwall im
Süden bis zu den nördlichen Spitzen altaluvialer Sandriffbildungen
bei Kl. Zünder und Gottswalde war bereits mit spärlichen Siedlungen
bedeckt. Neun "Dörfer" werden beim Übergang des Werders an den
Deutschen Ritterorden im Jahre 1310 erwähnt; weiter bestand auf dem
Grebiner Diluvialhügel das Dorf Grebino und 1297 wird das dem
Kloster Pelplin gehörige Gemlitz erwähnt. Auch die
Dörfer Güttland und Stüblau waren um 1300
bereits vorhanden. Schließlich wird Hostricza (in der Nähe
des heutigen Osterwick) als Eigentum des Klosters Oliva in zwei Urkunden aus
den Jahren 1283 und 1292 erwähnt.
Das ganze Gebiet, welches sich von Dirschau bis Landau und Müggenhahl
und zwischen Mottlau und der Höhe hinzieht, war daher um das Jahr 1300
ein einziger riesiger Sumpf am Südrande der Danziger Lagune und am
Ostrande der pommerellischen Höhen. Der nördliche Teil des
Danziger [46=Abbildung] [47] Werders war vom Haff bedeckt,
[46] Der Krüpkerwald im Jahre 1600 (nach der
Karte von Friedrich Berndt)
Ein unberührtes Stück des Urwerders innerhalb des eingedeichten
Marienburger Werders.
Danziger Staatsarchiv 300 P. K. VII, 6 und 7.
(Aus: Bertram - La Baume - Kloeppel: Das
Weichsel-Nogat-Delta)
|
einer gegen 100 Quadratkilometer großen Lagune, welche zwar kein
zusammenhängendes tiefes Wasserbecken bildete, sondern ein flaches
Gewässer, das in der Hauptrichtung von Süden nach Norden von
einigen Untiefen durchsetzt war, welche sich sogar teilweise ein wenig über
den mittleren Wasserstand erhoben. Von Gottswalde her läuft,
zunächst nordwestlich etwa der Nordgrenze der Osthälfte
Wotzlaffs folgend, dann Scharfenberg durchschneidend und
weiter durch Quadendorf und Neuendorf bis nach
Bürgerwiesen hinreichend ein mit einer Schlickschicht
überdecktes, altaluviales Sandriff, welches als niedrige, langgestreckte
Halbinsel aus der Lagune hervorragte. Dasselbe gilt von dem Sandrücken,
welcher zwischen Herzberg und Schönau beginnt und
über Gottswalde nach Reichenberg verläuft und sich
von dort bis nach Weßlinken hin an die jetzige Weichsel fortsetzt.
Auch dieser flache Landrücken erhob sich über den Spiegel des alten
Danziger Haffs und war nur an zwei Stellen durch Wasserverbindungen
durchbrochen, zwischen Weßlinken und Reichenberg und
nördlich von Weßlinken. Ein dritter alluvialer Landrücken
läuft durch die heutigen Dorfanlagen Gr. und Kl. Zünder bis
in die Gegend des Lauenkruges.
Ähnlich lagen die Verhältnisse im großen Werder, über
die wir bisher allerdings noch nicht so eingehende zusammenfassende
Forschungen besitzen wie über das kleine Werder. Doch liegen auch hier
die wesentlichen Züge völlig klar. Auch da haben wir eine Zahl teils
größerer, teils kleinerer diluvialer bzw. altdiluvialer Erhebungen,
meist in längeren Streifen geordnet, die aus der weiten
Sumpf- und Wasserlandschaft emporragten und teilweise in alter Zeit bis zu
einem gewissen Grade besiedelt waren, so z. B. in der Gegend von
Marienau, von Tiegenhagen und Tiegenhof, Gr. und Kl
Lichtenau, Schöneberg, Ladekopp u. s. w. Auch in diesem
Werder breiteten sich größere Waldbestände aus, wie die alten
Karten und vor allem die Bodenfunde beweisen. Letztere lehren uns auch,
daß Wild wie Bären, Elche, Auerochsen in diesen Aluvialgebieten
gehaust haben.
Das ist ungefähr, mit groben Strichen gezeichnet, das Bild, das wir etwa um
die Wende des 12. Jahrhunderts vom Bischofsberge geschaut hätten. Wie
grundlegend verändert gegen heute! Die See reichte tief in das Land hinein,
riesige Sümpfe breiteten sich aus, die Weichsel mit ihren
ungezählten Mündungsarmen beherrschte das übrige Gebiet
unbeschränkt, und der Mensch vermochte der Wassermassen nicht Herr zu
werden.
[48] Jeder muß eingestehen, daß dies
gesamte Gebiet in friedlicher, entsagungsvoller Arbeit der Natur abgerungen
worden ist, und daß jene Menschen, die diese Riesenarbeit geleistet haben,
in allererster Linie ein unbezweifelbares und unbeschränktes Recht
auf dieses Gebiet haben, selbst wenn ihnen ein geschichtliches Anrecht
nicht zustände. Diese Arbeit aber ist von den deutschen
Kolonisten, und von ihnen ausschließlich, in jahrhundertelanger
Tätigkeit geleistet worden, und so gebührt den Deutschen
auch allein dieses Gebiet, das sie sich selber geschaffen, dem sie Dasein,
Zivilisation und Kultur, ja dem sie auch die Menschen
gebracht haben.
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