SucheScriptorium
BuchversandArchiv IndexSponsor
 
[6]

Friedensnote an die kriegführenden Mächte vom 18. Dezember 1916.
(Der amerikanische Geschäftsträger in Berlin an den Staatssekretär des Auswärtigen Amtes)

Berlin, den 20. Dezember 1916.

Eurer Exzellenz beehre ich mich mitzuteilen, daß der Präsident der Vereinigten Staaten mir Weisung gegeben hat, durch Vermittlung Eurer Exzellenz bei der Kaiserlich Deutschen Regierung ein Verfahren mit Bezug auf den gegenwärtigen Krieg in Anregung zu bringen. Der Präsident hofft, daß die Kaiserlich Deutsche Regierung es in Erwägung ziehen werde als eine Anregung, die in freundschaftlichster Gesinnung gemacht ist und zwar nicht nur von einem Freunde, sondern zugleich von dem Vertreter einer neutralen Nation, deren Interessen durch den Krieg ernstlichst in Mitleidenschaft gezogen worden sind und deren Interesse an einer baldigen Beendigung des Krieges sich daraus ergibt, daß sie offenkundig genötigt wäre, Bestimmungen über den bestmöglichsten Schutz ihrer Interessen zu treffen, falls der Krieg fortdauern sollte.

Der Präsident hat sich schon lange mit dem Gedanken getragen, den Vorschlag, den ich Weisung habe zu übermitteln, zu machen. Er macht [8] ihn im gegenwärtigen Augenblick nicht ohne eine gewisse Verlegenheit, weil es jetzt den Anschein erwecken könnte, als sei er angeregt von dem Wunsche, im Zusammenhang mit dem jüngsten Vorschlag der Zentralmächte eine Rolle zu spielen. Tatsächlich ist der ursprüngliche Gedanke des Präsidenten in keiner Weise auf diese Schritte zurückzuführen, und der Präsident hätte mit seinem Vorschlag gewartet, bis diese Vorschläge unabhängig davon beantwortet worden wären, wenn seine Anregung nicht auch die Frage des Friedens beträfe, die am besten im Zusammenhang mit anderen, dahinzielenden Vorschlägen erörtert wird. Der Präsident bittet nur, daß seine Anregung allein nach ihrem eigenen Werte und so beurteilt werde, als wäre sie unter anderen Verhältnissen gemacht worden.

Der Präsident regt an, daß baldigst Gelegenheit genommen werde, von allen jetzt kriegführenden Staaten ihre Ansichten über die Bedingungen zu erfahren, unter denen der Krieg zum Abschluß gebracht werden könnte, und über die Vorkehrungen, die gegen eine Wiederholung des Krieges oder Entfachung irgend eines ähnlichen Konfliktes in Zukunft eine zufriedenstellende Bürgschaft leisten könnten, so daß sich die Möglichkeit biete, sie offen zu vergleichen. Dem Präsidenten ist die Wahl der zur Erreichung dieses Zieles geeigneten Mittel gleich. Er ist gerne bereit, zur Erreichung dieses Zweckes in jeder annehmbaren Weise seinerseits dienlich zu sein, oder sogar die Initiative zu ergreifen. Er wünscht jedoch nicht, die Art und Weise und die Mittel zu bestimmen. Jeder Weg wird ihm genehm sein, wenn nur das große Ziel, das er im Auge hat, erreicht wird.

Der Präsident nimmt sich die Freiheit, darauf hinzuweisen, daß die Ziele, die die Staatsmänner beider kriegführenden Parteien in diesem Kriege im Auge haben, dem Wesen nach die gleichen sind. Sie haben sie ja in allgemeinen Worten ihren eigenen Völkern und der Welt kundgegeben. Beide Parteien wünschen für die Zukunft, das Recht und die Freiheiten schwacher Völker und kleiner Staaten ebenso gegen die Unterdrückung oder Vernichtung gesichert zu sehen, wie die Rechte und Freiheiten der großen und mächtigen Staaten, die jetzt Krieg führen. Jeder wünscht, sich neben allen anderen Nationen und Völkern in Zukunft gesichert zu sehen gegen eine Wiederholung des Krieges wie den gegenwärtigen, sowie gegen Angriffe und eigennützige Störungen jeder Art. Jeder glaubt, der Bildung weiterer gegnerischer Vereinigungen, die unter wachsendem Argwohn ein unsicheres Gleichgewicht der Mächte herbeiführen würde, mit Mißtrauen entgegensehen zu sollen. Aber jeder ist bereit, die Bildung einer Liga von Nationen in Erwägung zu ziehen, die Frieden und Gerechtigkeit in der ganzen Welt gewährleistet. Ehe jedoch dieser letzte Schritt getan werden kann, hält jede Partei es für notwendig, zunächst die mit dem gegenwärtigen Krieg verknüpften Fragen unter Bedingungen zu lösen, die die Unabhängigkeit und territoriale Integrität sowie die politische und wirtschaftliche Freiheit der an dem Kriege beteiligten Nationen sicher gewährleisten.

Volk und Regierung der Vereinigten Staaten haben an den Maßnahmen, die in Zukunft den Frieden der Welt sicherstellen sollen, ein ebenso dringendes wie unmittelbares Interesse wie die jetzt im Kriege befindlichen Regierungen. Ihr Interesse an den Maßnahmen, die ergriffen werden sollen, die kleineren und schwächeren Völker der Welt vor Gefahren, der Zufügung eines Unrechts und der Vergewaltigung zu schützen, ist ebenso lebhaft und brennend, wie das irgend eines anderen Volkes oder einer anderen Regierung. Das amerikanische Volk und die Regierung sind bereit, ja sie sehnen sich danach, [10] nach der Beendigung des Krieges bei der Erreichung dieses Zieles mitzuwirken, aber der Krieg muß erst beendet sein. Die Vereinigten Staaten müssen es sich versagen, Bedingungen vorzuschlagen, auf Grund deren der Krieg beendigt werden soll; aber der Präsident sieht es als sein Recht und seine Pflicht an, das Interesse der Vereinigten Staaten an der Beendigung des Krieges darzutun, damit es nicht einst zu spät ist, die großen Ziele, die sich nach der Beendigung des Krieges auftun, zu erreichen, damit nicht die Lage der neutralen Staaten, die jetzt schon äußerst schwer zu ertragen ist, ganz unerträglich wird und damit vor allem nicht die Zivilisation einen nicht zu rechtfertigenden, nicht wieder gut zu machenden Schaden erleidet.

Der Präsident fühlt sich daher durchaus gerechtfertigt, wenn er eine alsbaldige Gelegenheit zum Meinungsaustausch über die Bedingungen anregt, die schließlichen Vereinbarungen für den Weltfrieden vorausgehen müssen, und, wie jedermann wünscht, bei denen die neutralen Staaten ebenso wie die Kriegführenden bereit sind, in voll verantwortlicher Weise mitzuwirken. Wenn der Kampf bis zum unabsehbaren Ende durch langsame Aufreibung fortdauern soll, bis die eine oder andere Gruppe der Kriegführenden erschöpft ist, wenn Millionen und aber Millionen Menschen weiter geopfert werden sollen, bis auf der einen oder anderen Seite nichts mehr zu opfern ist, wenn eine Erbitterung angefacht werden soll, die niemals abkühlen kann, und eine Verzweiflung erzeugt wird, von der sich niemand erholen kann, dann werden die Hoffnungen auf den Frieden und ein freiwilliges Zusammenarbeiten freier Völker null und nichtig.

Das Leben, die ganze Welt ist tief in Mitleidenschaft gezogen. Jeder Teil der großen Familie der Menschheit hat die Last und die Schrecken dieses noch nie dagewesenen Waffenganges gespürt. Keine Nation in der zivilisierten Welt kann tatsächlich als außerhalb seines Einflusses stehend oder als gegen seine störenden Wirkungen gesichert erachtet werden. Doch die konkreten Ziele, für die der Kampf geführt wird, sind niemals endgültig festgestellt worden.

Die Führer der verschiedenen kriegführenden Mächte haben, wie gesagt, diese Ziele in allgemeinen Wendungen aufgestellt. Aber in allgemeinen Ausdrucken gehalten, scheinen sie die gleichen auf beiden Seiten. Bisher haben die verantwortlichen Wortführer auf beiden Seiten kein einzigesmal die genauen Ziele angegeben, die, wenn sie erreicht würden, sie und ihre Völker so zufriedenstellen würden, daß der Krieg nun auch wirklich zu Ende gefochten wäre. Der Welt ist es überlassen, zu vermuten, welche endgültigen Ergebnisse, welche tatsächlichen Austauschgarantien, welche politischen und territorialen Veränderungen, welche Verschiebungen, ja selbst welches Stadium des militärischen Erfolges den Krieg zu Ende bringen würden.

Vielleicht ist der Friede näher als wir glauben, vielleicht sind die Bedingungen, auf denen die beiden kriegführenden Parteien es nötig halten, zu bestehen, nicht so unvereinbar, als manche fürchten; vielleicht könnte ein Meinungsaustausch wenigstens den Weg zu einer Konferenz ebnen, vielleicht könnte so schon die nächste Zukunft auf ein dauerndes Einvernehmen der Nationen hoffen und sich ein Zusammengehen der Nationen alsbald verwirklichen.

Der Präsident schlägt keinen Frieden vor, er bietet nicht einmal seine Vermittlung an. Er regt nur an, daß man sondiere, damit die Neutralen und kriegführenden Staaten erfahren, wie nahe wohl das Ziel des Friedens sein mag, wonach die ganze Menschheit mit heißem wachsenden Begehren sich sehnt. Der Präsident glaubt, daß der Geist, in dem er spricht, und die [12] Ziele, die er erstrebt, von allen Beteiligten verstanden werden. Er hofft und vertraut auf eine Antwort, die ein neues Licht in die Angelegenheiten der Welt bringen wird.

(Anmerkung: Identische Noten wurden gleichzeitig den übrigen kriegführenden Regierungen überreicht.)

gez. Grew.





Der Friedensgedanke
in Reden und Staatsakten des
Präsidenten Wilson

SucheScriptoriumArchiv IndexSponsor
 
[7]

Peace Note to the Belligerent Governments of December 18, 1916.
(American chargé d'affaires in Berlin J. C. Grew to the Secretary of State of the Foreign Office)

The President of the United States has instructed me to suggest to the Imperial German Government a course of action with regard to the present war which he hopes that the Imperial Government will take under consideration, as suggested in the most friendly spirit and as coming from the representative of a neutral nation, whose interests have been most seriously affected by the war, and whose concern for its early conclusion arises out of a manifest necessity to determine how best to safeguard those interests if the war is to continue.

The suggestion which I am instructed to make the President has long had it in mind to offer. He is somewhat embarrassed to offer it at this particular time, because it may now seem to have been prompted by a desire to play a part in connection with the recent overtures of the Central Powers. It has in fact been in no way suggested by them in its origin, and the President would have [9] delayed offering it until those overtures had been answered but for the fact that it also concerns the question of peace and may best be considered in connexion with other proposals which have the same end in view. The President can only beg that his suggestion be considered entirely on its own merits and as if it had been made in other circumstances.

The President suggests, that an early occasion be sought to call out from all the nations now at war such an avowal of their respective views as to the terms upon which the war might be concluded and the arrangements which would be deemed satisfactory as a guarantee against its renewal or the kindling of any similar conflict in the future, as would make it possible frankly to compare them. He is indifferent as to the means taken to accomplish this. He would be happy himself to serve, or even to take the initiative in its accomplishment, in any way that might prove acceptable, but he has no desire to determine the method or the instrumentality. One way will be as acceptable to him as another, if only the great object he has in mind be attained.

He takes the liberty of calling attention to the fact that the objects which the statesmen of the belligerents on both sides have in mind in this war are virtually the same, as stated in general terms to their own people and to the world. Each side desires to make the rights and privileges of weak peoples and small States as secure against aggression or denial in the future as the rights and privileges of the great and powerful States now at war. Each wishes itself to be made secure in the future, along with all other nations and peoples, against the recurrence of wars like this, and against aggression or selfish interference of any kind. Each would be jealous of the formation of any more rival leagues to preserve an uncertain balance of power amidst multiplying suspicions; but each is ready to consider the formation of a league of nations to ensure peace and justice throughout the world. Before that final step can be taken, however, each deems it necessary first to settle the issues of the present war upon terms which will certainly safeguard the independence, the territorial integrity, and the political and commercial freedom of the nations involved.

In the measures to be taken to secure the future peace of the world the people and the Government of the United States are as vitally and as directly interested as the Governments now at war. Their interest, moreover, in the means to be adopted to relieve the smaller and weaker peoples of the world of the peril of wrong and violence is as quick and ardent as that of any other people or Government. They stand ready and even eager, to cooperate in the accomplishment of these ends when the war is over with every influence and resource at their command. But the war must first be concluded. The terms upon which it is to be concluded they are not at liberty to suggest; but the President does feel that it is his right and his duty to point out their intimate interest in its [11] conclusion, lest it should presently be too late to accomplish the greater things which lie beyond its conclusion, lest the situation of neutral nations, now exceedingly hard to endure, be rendered altogether intolerable, and lest, more than all, an injury be done civilization itself which can never be atoned for or repaired.

The President, therefore, feels altogether justified in suggesting an immediate opportunity for a comparison of views as to the terms which must precede those ultimate arrangements for the peace of the world which all desire, and in which the neutral nations as well as those at war are ready to play their full responsible part. If the contest must continue to proceed towards undefined ends by slow attrition until the one group of belligerents or the other is exhausted, if million after million of human lives must continue to be offered up until on the one side or the other there are no more to offer, if resentments must be kindled that can never cool and despairs engendered from which there can be no recovery, hopes of peace and of the willing concert of free peoples will be rendered vain and idle.

The life of the entire world has been profoundly affected. Every part of the great family of mankind has felt the burden and terror of this unprecedented contest of arms. No nation in the civilized world can be said in truth to stand outside its influence or to be safe against its disturbing effects. And yet the concrete objects for which it is being waged have never been definitely stated.

The leaders of the several belligerents have, as has been said, stated those objects in general terms. But, stated in general terms, they seem the same on both sides. Never yet have the authoritative spokesmen of either side avowed the precise objects which would, if attained, satisfy them and their people that the war had been fought out. The world has been left to conjecture what definitive results, what actual exchange of guarantees, what political or territorial changes or readjustments, what stage of military success even, would bring the war to an end.

It may be that peace is nearer than we know; that the terms which the belligerents on the one side and on the other would deem it necessary to insist upon are not so irreconcilable as some have feared; that an interchange of views would clear the way at least for conference and make the permanent concord of the nations a hope of the immediate future, a concert of nations immediately practicable.

The President is not proposing peace; he is not even offering mediation. He is merely proposing that soundings be taken in order that we may learn, the neutral nations with the belligerent, how near the haven of peace may be for which all mankind longs with an intense and increasing longing. He believes that the spirit in which he speaks and the objects which he seeks will be under- [13] stood by all concerned, and he confidently hopes for a response which will bring a new light into the affairs of the world.

United States Embassy, Berlin.
December 20, 1916.

(Signed) J. C. Grew.

(Note: Identical notes were also sent to the other powers at war.)




President Wilson's Vision of Peace
as Expressed in his Speeches
and Acts of State