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Bd. 8: Die Organisationen der Kriegführung, Dritter Teil:
Die Organisationen für das geistige Leben im Heere

  Kapitel 1: Die deutsche Verwaltung
des Generalgouvernements in Belgien 1914-1918
  (Forts.)

Generalleutnant Hans v. Winterfeld

5. Die Zivilverwaltung.   (Forts.)

Die Bankabteilung.

Das reiche Industrie- und Handelsland Belgien war natürlich im Besitze eines sehr ausgedehnten und weitverzweigten Bankwesens. Schon in der ersten Zeit der Besetzung erwies sich die Notwendigkeit, an dieser Stelle helfend und regelnd einzugreifen. Denn einmal hatte die belgische Regierung schon [55] am 2. August 1914, also auch schon vor Kriegsausbruch, ein Moratorium erlassen, und andererseits war von der belgischen Nationalbank auf Weisung des Staatsministeriums vom 26. desselben Monats der gesamte Metall- und Notenbestand, sämtliche Klischees und Stempel für Anfertigung neuer Noten, sowie der größte Teil der bei ihr niedergelegten Staats- und Privatguthaben, auch die Wertpapiere der Caisse Générale d'Epargne et de Retraite nach England überführt worden. Letztere enthielt die große Masse der Sparguthaben der Bevölkerung.

Die gesamte Geldwirtschaft in Belgien war dadurch ins Stocken gekommen, denn es war ohne weiteres klar, daß der Verbleib der als Grundlage für das Geldwesen Belgiens dienenden Werte der als Staatsbank wirkenden privaten Belgischen Nationalbank im feindlichen Auslande jede Sicherheit des Geldverkehrs im Lande hinfällig machen mußte.

Auch die belgischen Finanzleute sahen diesen zu befürchtenden Schaden voraus und machten sofort Versuche zu seiner Behebung. Die deutsche Regierung gestattete, daß eine Kommission aus Mitgliedern des Verwaltungsrates der Nationalbank nach London reiste, um von der englischen Bank die Rückgabe der hauptsächlichsten Werte zu erlangen. Von ihr an den belgischen Finanzminister in Le Havre verwiesen, erfuhren sie von ihm, daß von einer Rückführung nach Belgien keine Rede sei, daß er vielmehr sich ausdrücklich die Verfügung über die in London befindlichen Werte der Nationalbank vorbehalte.

Auch weitere Versuche von belgischer Seite schlugen fehl.

Zur Bearbeitung, Klärung und Regelung dieser schwierigen Fragen wurde daher schon im September 1914 beim Generalgouvernement ein Generalkommissar für die Banken eingesetzt.

Seine umfangreiche Aufgabe bestand in erster Linie darin, die fehlende Grundlage für das Geld- und Bankwesen durch eine neue zu ersetzen. Demnächst mußte die nun allmählich hieraus entstehende Bankabteilung die Beaufsichtigung sämtlicher belgischer Banken, sowie eintretendenfalls ihre Zwangsverwaltung, die Bearbeitung der Geld- und Währungsfragen, die nötigen Zahlungsverbote und die Sperrung feindlicher Vermögen und zahlreiche andere finanzielle Maßnahmen, in den Bereich ihrer Tätigkeit ziehen. Besonders wichtig war auch die Sicherung der Aufbringung der dem Lande auferlegten Kontribution.

So wuchs auch diese Abteilung zu einem großen Organismus mit dem Sitze in Brüssel und vielen Nebenstellen in den größeren Städten heran. Sie unterstand zunächst dem Chef der Zivilverwaltung.

Eine der ersten Anordnungen des Generalkommissars war die Erwirkung eines Zahlungsverbotes nach England und Frankreich durch den Generalgouverneur; es war selbstverständlich ausgeschlossen, daß aus Belgien irgendwelche Werte ins feindliche Ausland abflossen, auf die vielleicht aus irgend- [56] einem Grunde von seiten der deutschen Verwaltung später hätte die Hand gelegt werden müssen. Dasselbe war ja seitens der feindlichen Staaten natürlich schon lange geschehen. Zur Beaufsichtigung dieser nötigen Maßnahme wurden in die Verwaltungen der Banken deutsche Beamte hineingesetzt. Dasselbe wurde nach und nach in bezug auf die übrigen Feindstaaten angeordnet.

Eine weitere, besonders wichtige Maßnahme zur Neubelebung des durch den Abzug der staatlichen Werte gestörten Geldumlaufes war die Schaffung eines neuen Notensystems.

Wenn das bisherige Notenprivileg der Banque nationale aufrechterhalten geblieben wäre, so hätte es zum Schaden des Landes und der deutschen Verwaltung auf der feindlichen Seite ausgenutzt werden können.

Es wurde also das Notenprivileg, das Recht zur Ausgabe von neuen Banknoten der Nationalbank entzogen. Die bisher von ihr ausgegebenen Noten behielten das Umlaufsrecht, aber mit Zwangskurs, weil sie sonst wahrscheinlich doch, aber mit bedeutendem Agio, gehandelt worden wären. Nur wenn sie an die Bank wieder zurückgelangten, durften sie nicht wieder in den Verkehr gebracht werden.

Gouverneur und Staatskommissar der Nationalbank wurden abgesetzt.

Die Schaffung neuer Wertzeichen war aber ebenso nötig. Es wurde daher einem der ältesten und besten belgischen Bankinstitute, der Société Générale du Belgique, das der Nationalbank entzogene Notenausgaberecht neu verliehen und deren Noten mit Zwangskurs nach dem Friedenswert des Frankens zur Mark ausgegeben.

Da auch in Belgien, wie überall, das Metallgeld vollständig verschwunden war, mußten Scheidemünzen aus Zink neu geprägt werden.

Das Notenausgaberecht wurde mit der Auflegung von Kontributionen in Verbindung gebracht.

Nach den Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung besaß die besetzende Macht das Recht, Belgien zur Deckung der Kosten für das Besatzungsheer mit heranzuziehen. Das konnte nicht im Wege der ordentlichen Finanzgebarung bewerkstelligt werden, welche ja im eigentlichen Sinne der Verwaltung des Landes dienen sollte. Außerdem war es ausgeschlossen, die erforderlichen großen Summen durch Steuern und Abgaben, auch wenn diese beträchtlich erhöht worden wären, aufzubringen.

Dazu mußten außerordentliche Mittel dienen. Eine Anleihe des belgischen Staates war in der Kriegszeit nicht unterzubringen, und eine Beschlagnahme etwa vorhandener Werte würde auch kein brauchbares Ergebnis gebracht haben, wie später noch ausgeführt werden wird.

Durch Verhandlungen mit den belgischen Banken und den Selbstverwaltungsbehörden der neun belgischen Provinzen kam ein Abkommen zustande, nach welchem von den Provinzen eine Schuld von 480 Millionen Franken [57] auf ein Jahr übernommen wurde, die in monatlichen Beträgen von 40 Millionen in den neuen Noten der Société Générale an die deutsche Feldkriegskasse gezahlt wurden. Die erste dieser Zahlungen erfolgte im Dezember 1914, und jede weitere wurde monatlich pünktlich geleistet.

Da die Kosten der Besatzung durch diesen Betrag aber nicht gedeckt werden konnten, erwies sich eine Erhöhung auf 50 Millionen Franken monatlich nach Ablauf des ersten Jahres als nötig, und auch dies wurde durch weitere Verhandlungen mit den Banken und Provinzen erreicht. Die von diesen garantierten Schatzscheine wurden in den Bankdepots hinterlegt.

Im Laufe der Zeit hatte sich bei manchen deutschen Behörden, so z. B. beim Reichsamt des Inneren und beim Kriegsministerium die Überzeugung gebildet, daß diese Kontribution für das reiche Belgien viel zu niedrig sei und für 1917 mindestens das Doppelte betragen müßte. Man machte sich in Deutschland vielfach von dem angeblichen Reichtum des Landes einen sehr unrichtigen Begriff, der wohl zum Teil durch den Anblick von Dingen entstanden sein mag, die man in Deutschland in den Läden nicht mehr zu sehen bekam, die aber der besonderen belgischen Verhältnisse wegen hier noch vorhanden waren.

In den Kreisen der Sachverständigen der deutschen Verwaltung wurde die Möglichkeit einer so starken Erhöhung der Kontribution ohne Zwangsmittel für ausgeschlossen erklärt, und nur eine Erhöhung auf 60 Millionen monatlich zugegeben.

Die Reichsbehörden konnten erst von diesem Standpunkt des Generalgouverneurs überzeugt werden, als dieser von ihnen die Übernahme der Verantwortung für die Folgen forderte, welche durch die zwangsweise Auflegung der neuen erhöhten Kontribution entstehen müßten; er konnte diese Verantwortung für sich nur ablehnen. Es war nämlich so gut wie sicher, daß niemand in Belgien die Garantie der neuen inneren Anleihe übernehmen, und daß sonach nichts anderes übrigbleiben würde, als die in den geschlossenen Depots der Banken liegenden Wertpapiere zu beschlagnahmen. Wieviel das ergeben würde, konnte niemand sagen. Jedenfalls war es weniger als die Beträge, welche sicher in der Bank von England als deutsche Depots lagen. Ohne Zweifel hätten die Engländer mit der Beschlagnahme dieses deutschen Besitzes geantwortet, und so wäre der Schaden für Deutschland viel größer gewesen. Außerdem wären die in den belgischen Banken beschlagnahmten Werte, soweit sie aus feindlichen Ländern stammten, sofort für ungültig erklärt worden, hätten somit für Deutschland auch keinen Nutzen gehabt. Ferner war als Vergeltung für diesen vom Gegner als Raub anzusehenden Vorgang das Aufhören des spanisch-amerikanischen Hilfswerkes zu befürchten.

Auch die Reichsbehörden wollten die Verantwortung für diese Folgen nicht übernehmen, und so blieb denn der Vorschlag des Generalgouvernements mit 60 Millionen monatlich bestehen. Die Einigung mit den belgischen Finanz- [58] leuten gelang dann auch schnell. Eine Änderung ergab sich aber hierbei doch insofern, als nicht mehr die Provinzialräte für die Provinzen die Garantie übernahmen, weil sie ihre Ämter nicht mehr ausübten, sondern an ihrer Stelle durch Verfügung des Generalgouverneurs die Militärgouverneure in Gemeinschaft mit den Zivilpräsidenten als Verwalter der Provinzen dazu bestimmt wurden.

Durch die großen Summen der Kontribution, welche fast ganz im Lande blieben, da die neuen belgischen Noten anderswo keinen Kurs hatten, wurde der Geldumlauf wieder in Gang gebracht. Requisitionen gegen Gutscheine waren seit Dezember 1914 verboten, und dadurch kamen weiter sehr große Beträge auch deutschen Geldes in Umlauf. Auch für dieses wurde der Friedenskurs von 1 Mark = 1,25 Franken als Zwangskurs festgesetzt, was zu keinerlei Schwierigkeiten führte.

Sogar eine schnelle, wenigstens indirekte Bezahlung der beschlagnahmten Massengüter wurde von deutscher Seite zugestanden. Man verstand darunter große Lager von Rohstoffen und anderen Erzeugnissen aus belgischem Besitz, die für die deutsche Wirtschaft nötig waren und daher beschlagnahmt werden mußten. Bei der Einnahme von Antwerpen waren z. B. große Vorräte aller Art gefunden worden.

Der Wert dieser Güter wurde nun in Deutschland bei Banken auf ein gesperrtes Konto eingezahlt, und die Société Générale konnte den belgischen Besitzern für einen sehr hohen Prozentsatz darauf Kredit geben.

Schließlich wurden auch noch die belgischen Friedensguthaben in den deutschen Banken freigegeben.

Alle diese Maßregeln führten bald eine sehr große Geldflüssigkeit im Lande herbei. Dies zeigte sich unter anderem in der Leichtigkeit, mit der viele Gemeinden Anleihen aufnehmen konnten, die sie zur Deckung ihrer natürlich sehr großen Kriegsausgaben brauchten. Vermehrte Unterstützungen aller Art an notleidende Einwohner, vielerlei durch den Kriegszustand erhöhte Ausgaben und nicht zuletzt die Zahlung von Strafkontributionen für irgendwelche Vergehen gegen die deutsche Besatzung erforderten bedeutende Summen.

Aus allen diesen Darlegungen dürfte wohl zur Genüge hervorgehen, daß die deutsche Verwaltung auch auf diesem Gebiet in keiner Weise, wie ihr von feindlicher Seite so oft vorgeworfen wird, Belgien ausgeraubt hat. Was unter Kriegsverhältnissen im deutschen Interesse geschehen mußte, wurde selbstverständlich getan, aber darüber hinaus auch immer wieder dafür gesorgt, daß belgisches Wirtschaftsleben durch schwierige Geldverhältnisse möglichst wenig gestört werden sollte.

Die Folge war auch, daß bald an den allmählichen Abbau des Moratoriums gedacht werden konnte, dessen sich die belgischen Geldinstitute ihren Kunden gegenüber teilweise schon frühzeitig nicht mehr bedient hatten.

[59] Schließlich konnte sogar im Jahre 1918 die Börse in Brüssel, welche bis dahin ein ziemlich ungeregeltes Dasein im Stillen geführt hatte, wieder offiziell eröffnet werden und einen sehr lebhaften Verkehr beginnen.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte