Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung,
Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des
Heeres
Kapitel 5: Feldpost und
Etappentelegraphie (Forts.)
Oberpostrat Hermann Senger
B. Die Etappentelegraphie.
Forts.
3. Die Aufhebung der Etappentelegraphie.
Der Stellungskrieg brachte es mit sich, daß die von den Telegraphentruppen
im Bereich der Armee-Ober- und der Generalkommandos und der Divisionen
gebauten Linien, die nur für vorübergehenden Gebrauch bestimmt,
daher aus leichtem Material und in einfacher Bauart hergestellt waren, dem
Dauerbedürfnis nicht genügten. Sie mußten durch feste Linien
von langer Lebensdauer ersetzt, ebenso mußten leistungsfähigere
Betriebsarten (Klopfer und Fernschreiber an Stelle des Fernsprechers)
eingeführt werden. Diesen Aufgaben waren die Telegraphentruppen nach
Friedensausbildung und Ausstattung nicht gewachsen. So mußten die
Etappentelegraphendirektionen ihre Tätigkeit über das Etappengebiet
hinaus weiter nach vorn bis in das Operations- [394] gebiet, vielfach bis zu
den Divisionen, ausdehnen. Dazu waren sie in ihrer normalen Zusammensetzung
(108 Vorarbeiter und Arbeiter und 36
Bau- und Betriebsbeamten) viel zu schwach. Auch hatte das Vordringen dieser
Beamtenformationen bis in die vorderen Linien mancherlei
Unzuträglichkeiten im Gefolge. Die Oberste Heeresleitung entschloß
sich daher auf Vorschlag des Chefs der Feldtelegraphie, die
Etappentelegraphendirektionen in ihrer bisherigen Form aufzuheben und durch
militärische Armeefernsprechabteilungen mit wesentlich höherer
Kopfstärke zu ersetzen. Nachdem im Herbst 1915 im Osten ein
dahingehender Versuch gelungen war, wurden am 1. Dezember 1916 nach
sorgfältiger Vorbereitung auch alle Etappentelegraphendirektionen durch
militärische Formationen ersetzt.
Diese Militarisierung erfolgte derart, daß der Betrieb dadurch in keiner
Weise nachteilig beeinflußt wurde; sie mußte daher dem Gange der
Operationen angepaßt werden. Da die Kopfstärke bei der
Umwandlung auf etwa das Vierfache stieg, konnte die Auffüllung bei dem
Mangel an geeignetem Fachpersonal nur nach und nach erfolgen. Die
Heimatstelegraphie konnte kein Personal mehr hergeben, sie war durch
Einziehung ihrer Beamten und Arbeiter zum Heeresdienst in ihrer
Leistungsfähigkeit schon bedenklich beeinträchtigt. Daher
mußte das zur Auffüllung unbedingt notwendige Fachpersonal aus
dem Heere entnommen werden. Zu diesem Zweck wurden im Winter 1916/17 alle
noch bei anderen Truppenteilen dienenden Telegraphenarbeiter, Leitungsaufseher
und sonstigen Postunterbeamten vom Chef der Feldtelegraphie einzeln
angefordert. Auf diese Weise gelang es, von rund 5500 derartigen Fachleuten
annähernd 4000 für die Telegraphentruppe freizubekommen.
Das Beamten- und Arbeiterpersonal der aufzulösenden
Etappentelegraphendirektionen war nicht ohne weiteres für die neuen
militärischen Formationen geeignet.
Die Etappentelegraphenbeamten, -vorarbeiter und -arbeiter wurden, soweit sie
gediente Soldaten und kriegs-, garnison- oder arbeitsverwendungsfähig
waren, eingezogen. Die nicht kriegsverwendungsfähigen wurden
grundsätzlich bei Telegraphenformationen eingestellt. Die nichtgedienten,
in wehrpflichtigem Alter stehenden wurden auf ihre Tauglichkeit untersucht und,
soweit sie kriegsverwendungsfähig waren, derjenigen Waffe
überwiesen, für die sie als tauglich bezeichnet wurden; sie wurden
als Fachleute fast alle der Telegraphentruppe überlassen. Die
garnison- oder arbeitsverwendungsfähigen Leute wurden ausnahmslos bei
der Telegraphentruppe eingestellt.
Alle nicht kriegs-, garnison- oder arbeitsverwendungsfähig erklärten
und alle nicht mehr wehrpflichtigen Beamten und Arbeiter wurden den
Oberpostdirektionen, bei denen sie zuletzt beschäftigt waren,
überwiesen und standen der Telegraphenverwaltung zur Verwendung in der
Heimat oder im besetzten Gebiet zur Verfügung.
[395] Das bei der
Auflösung freiwerdende und bei den neuen Abteilungen nicht verwertbare
Gerät der Trainkolonnen wurde den nächstgelegenen Traindepots
übergeben; das von der Telegraphenverwaltung überwiesene
Telegraphengerät und die Werkzeuge und Materialien gingen in den Besitz
der Heeresverwaltung über.
Von der Militarisierung unberührt blieben die Telegraphendirektion des
Großen Hauptquartiers und die Telegraphenabteilung Luxemburg; sie
behielten aus besonderen Gründen bis zum Schluß des Krieges ihre
Eigenschaft als Beamtenformationen.
4. Die Telegraphendirektion des Großen
Hauptquartiers.
Für den Telegraphen- und Fernsprechdienst im Großen Hauptquartier
war zunächst nur eine Kraftwagenfernsprechabteilung vorgesehen. Schon
wenige Tage nach der Mobilmachung stellte sich jedoch heraus, daß es mit
dem Fernsprechbetrieb allein nicht durchkommen konnte. Die Bedürfnisse
der Obersten Heeresleitung verlangten sofort den
Hughes- (Fernschreiber-) Betrieb; und schon in Luxemburg mußte ihm der Siemensbetrieb
folgen, der dann dauernd beibehalten und nicht bloß mit
Berlin, sondern auch mit anderen wichtigen Verkehrspunkten eingeführt
wurde. Die ungeheure Bedeutung eines tadellosen, den höchsten
Forderungen der Schnelligkeit und Zuverlässigkeit genügenden
Telegraphenbetriebs für die Oberste Heeresleitung machte es
unerläßlich, für das Große Hauptquartier eine besondere
Telegraphendirektion unter einem besonders tüchtigen Fachmann zu
schaffen. Sie war ähnlich zusammengesetzt wie die
Etappentelegraphendirektionen, umfaßte aber einen viel
größeren Bestand an Betriebspersonal mit besonders
ausgewähltem, absolut zuverlässigem Personal. Von ihren
Leistungen hing die richtige und schnelle Übermittlung der
Operationsbefehle an die Heeresstellen ab, ebenso das pünktliche Eintreffen
der regelmäßigen und außergewöhnlichen Meldungen
von der Front. Sie verwendete die vollkommensten Betriebseinrichtungen und die
neuesten Errungenschaften der Telegraphen- und Fernsprechtechnik; neue
Erfindungen führte sie zur praktischen Verwendbarkeit für den
Fernnachrichtenverkehr der Obersten Heeresleitung. Für die Dienststellen
des Großen Hauptquartiers, insbesondere die Operationsabteilung, wurden
nach allen Heeresgruppen, Armeen und Armeeabteilungen besondere
Fernschreiber- und Fernsprechleitungen hergestellt, die von sonstigem Verkehr
freigehalten und besonders sorgfältig instandgehalten wurden. Für
Reisezwecke ließ die Telegraphendirektion des Großen
Hauptquartiers einen besonderen Telegraphenwagen
(D-Zugwagen) herrichten. Er erhielt mehrere Fernschreiber sowie Einrichtungen
für den Fernsprechweitverkehr. Bei Reisen des Chefs des Generalstabs des
Feldheeres oder des Ersten Generalquartiermeisters wurde dieser
Telegraphenwagen mitgeführt. Bei Aufenthalten des Zuges wurden die
[396] Apparate innerhalb
weniger Minuten mit geeigneten, an der Bahn entlang verlaufenden Leitungen
verbunden, so daß vom Telegraphenwagen aus nach allen Teilen des
Kriegsschauplatzes der Fernschreib- und Fernsprechverkehr sofort aufgenommen
werden konnte. So wurde der jeweilige Sitz des Großen Hauptquartiers zu
einem Verkehrsknotenpunkt ersten Ranges, zum Mittelpunkt der gesamten
Heerestelegraphie. Änderte es seinen Standort, so mußten außer
der eigenen Bauabteilung auch verfügbare Baukolonnen der Etappe und der
Heimat wochen- und monatelang angestrengt tätig sein, um den
Um- und Neubau des Liniennetzes rechtzeitig fertigzustellen, und für die
Verlegung selbst war jedesmal die Frage entscheidend, ob die
Schnellnachrichtenverbindungen bis dahin fertig sein konnten. Weil das
allgemeine Leitungsnetz für die besonderen Bedürfnisse des
Großen Hauptquartiers immer besonders hergerichtet werden mußte,
behielten die Standorte auch nach dem Abrücken eine erhöhte
Bedeutung als Verkehrsknotenpunkte. An diesen Orten (Charleville, Pleß,
Kreuznach) blieben daher Abteilungen (Zweigstellen) der Telegraphendirektion
des Großen Hauptquartiers zurück. Solche Zweigstellen befanden
sich auch im Kriegsministerium und im Generalstabsgebäude in Berlin.
Ferner waren in Budapest, als der wichtigen Übertragungsstelle der
Verbindungen nach dem südöstlichen Kriegsschauplatze,
ständig mehrere ihrer Beamten tätig. Die Aufgaben wuchsen mit der
zunehmenden Ausdehnung der Kriegsschauplätze und den wachsenden
Schwierigkeiten der Kriegführung. Im Herbst 1918 waren bei ihr
über 300 Beamte tätig, die in der Regel weit über das
gewöhnliche Maß in Anspruch genommen waren. Ihre besondere
Stellung und die hohe Bedeutung und Empfindlichkeit ihres Betriebs ließen
ihre Militarisierung nicht zu.
5. Sonstige Dienststellen und Einrichtungen für die
Etappentelegraphie in Etappe und Heimat.
Die Telegraphenabteilung Luxemburg ging aus der Etappentelegraphendirektion
der 5. Armee hervor, die beim Vormarsch eine kleine Betriebsabteilung unter
einem Etappentelegrapheninspektor zur Überwachung des stark
beschränkten luxemburgischen Telegraphen- und Fernsprechverkehrs
zurückließ. Ihre Tätigkeit spielte sich im wesentlichen auf dem
luxemburgischen Telegraphenamt in Luxemburg ab. Da es zu ernsten
Unzuträglichkeiten geführt haben würde, die deutschen
Überwachungsbeamten durch Soldaten zu ersetzen, blieb auch die
Telegraphenabteilung Luxemburg von der Militarisierung ausgenommen.
Einzelne Feld- und Etappentelegraphenbeamte waren auch außerhalb ihres
eigentlichen Verbandes bei militärischen Formationen tätig, bei den
Stäben des Chefs der Feldtelegraphie West und Ost; auch der
Festungsfernsprechabteilung Straßburg war ein Telegraphenbeamter
zugeteilt. Bei der Fernsprechabteilung Oberost und der Telegraphenabteilung
Sofia waren [397]
Etappentelegraphensekretäre und Telegraphenmechaniker zur
Wahrnehmung des Fernschreiber- und Siemensbetriebs so lange notwendig, bis
diese Formationen über die nötige Zahl genügend
ausgebildeten militärischen Personals verfügten. Bei der
Auflösung der Etappentelegraphendirektionen wurden auch die vereinzelt
tätigen Beamten sämtlich ins Militärverhältnis
überführt.
Bei der Militarisierung trat zu jeder neugebildeten Armeefernsprechabteilung ein
Feldtelegrapheningenieur (bisheriger Etappentelegrapheninspektor). Diese
Ingenieure gingen später als Kriegstelegrapheningenieure zu den
Armeenachrichtenkommandeuren, die die Stabsoffiziere der Telegraphentruppen
bei den Armee-Oberkommandos ersetzten. Beim Chef der Feldtelegraphie waren
zwei Kriegstelegraphenoberingenieure - zuletzt nur noch
einer - und bis zu acht Kriegstelegrapheningenieure, alle aus den
höheren Etappentelegraphenbeamten hervorgegangen, tätig.
Soweit bei dem schnellen Vormarsch des Jahres 1914 die
Etappentelegraphendirektionen und die Telegraphentruppen den Ausbau des
Heeresleitungsnetzes nicht allein bestreiten konnten, wurden besondere
Telegraphenbauabteilungen vorübergehend herangezogen. Sie wurden von
der Reichstelegraphenverwaltung zusammengestellt und namentlich in den
Grenzgebieten mit dem Ausbau und der Instandsetzung des Netzes beauftragt.
Besonders umfangreiche und schwierige Aufgaben ergaben sich auf dem
östlichen Kriegsschauplatz. Bei dem ersten Vormarsch der 9. Armee von
Schlesien nach Warschau wurde im September 1914 eine starke Bauabteilung aus
19 Telegraphenbautrupps der Reichstelegraphenverwaltung gebildet, der die
Aufgabe zufiel, die rückwärtigen
Telegraphen- und Fernsprechverbindungen für das Hauptquartier Ost
herzustellen. Sie konnte erst im Oktober 1915 wieder aufgelöst werden. Ihr
Personal wurde zum Teil der Etappentelegraphie, zum Teil der
Post- und Telegraphenverwaltung des Generalgouvernements Warschau
überwiesen. Eine zweite besondere Bauabteilung wurde im Dezember 1914
in Russisch-Polen gebildet. Ihre besondere Tätigkeit war der Ausbau der
Verbindungen in dem Gebiet südlich der Bahn
Thorn - Lowicz. Ihr Personal wurde im Frühjahr 1915 von
einer Etappentelegraphendirektion übernommen.
In Belgien und Polen wurde der Telegraphen- und Fernsprechdienst (Bau und
Betrieb) von den Post- und Telegraphenverwaltungen der Generalgouvernements
wahrgenommen. Die Dienstorganisation entsprach der der Reichstelegraphie, die
auch das Beamten- und Arbeiterpersonal stellte. Da der
Telegramm- und Fernsprechverkehr für die Einwohnerschaft
zunächst gänzlich gesperrt war, dienten die
Nachrichteneinrichtungen lediglich den Bedürfnissen der
Besatzungstruppen und -behörden. Für diese war auch der
Privattelegramm- und Fernsprechverkehr mit der Heimat ebenso wie für die
Angehörigen des Feldheeres zugelassen. Späterhin wurde auch der
Privattelegrammverkehr anderer Personen unter militärischer
Überwachung und mit gewissen [398] Beschränkungen
gestattet. - Neben dem eigenen
Telegramm- und Fernsprechverkehr hatten die Leitungsnetze der
Generalgouvernements einen großen Teil des Durchgangsverkehrs zwischen
Feldheer und Heimat aufzunehmen. Während Belgien schon vor dem
Kriege ein dichtes, modernes Leitungsnetz besaß, das nutzbar gemacht
werden konnte, mußten in Polen Linien und Leitungen von riesenhafter
Ausdehnung erst geschaffen werden. Besondere Bedeutung für den
telegraphischen und telephonischen Durchgangsverkehr erlangten die
Telegraphenzentralen in Brüssel und Warschau, die beide mit
leistungsfähigen Siemens-Schnelltelegraphen arbeiteten.
Die Etappentelegraphie war gleichsam ein Tochterunternehmen der
Reichstelegraphie; sie konnte sich nur aus der Friedenstelegraphie heraus
entwickeln und ihre Aufgaben nur mit deren Hilfe lösen. Deshalb
würde auch ihr Bild unvollständig sein, wenn nicht die
Tätigkeit der Reichstelegraphie für den Krieg am Schluß noch
einmal zusammenfassend hervorgehoben würde. Sie umfaßte drei
Hauptgebiete: Hergabe von Personal, Lieferung von Gerät und Bauzeug
und unmittelbare Mitarbeit an den Kriegsaufgaben.
Bei Kriegsbeginn mußte die Reichstelegraphenverwaltung einen
großen Teil ihres ständigen Personals an Beamten und Arbeitern
für Heereszwecke zur Verfügung stellen, teils als Offiziere,
Unteroffiziere und Mannschaften mit der Waffe, teils zur Einrichtung der
Feldpost und der Etappentelegraphie. Der Personalbestand wurde dadurch so
vermindert, daß der Post- und Telegraphenbetrieb nur unter den
größten Schwierigkeiten aufrechterhalten werden konnte. Trotzdem
entsprach das Reichspostamt in entgegenkommendster Weise auch den weiteren
Anforderungen von Telegraphenpersonal, die im Lauf des Krieges bei Aufstellung
neuer Formationen oder als Ersatz für Abgänge fortgesetzt gestellt
werden mußten.
Die Beschaffung des Nachschubs an Gerät und Bauzeug für die
ganze Heerestelegraphie lag zum großen Teil in den Händen der
Reichstelegraphenverwaltung. Der gesamte Bedarf an
Fernschreiber- und Siemensapparaten mit Zubehör, ferner
Fernsprechapparate, deren Zahl in die Hunderttausende ging, wurden von ihr
gestellt. Telegraphenstangen, Leitungsdraht, eiserne Querträger und
Isolatorenstützen, ebenso die erforderlichen Porzellandoppelglocken, alles
dies beschaffte sie in den nötigen Mengen für das Heer; ohne ihre
ausgiebige Hilfe wären die allergrößten Schwierigkeiten
entstanden. Das Reichspostamt war vermöge seiner weitblickenden
Maßnahmen in der glücklichen Lage, bei Kriegsbeginn über
wohlgefüllte Lager von Baustoffen aller Art bei seinen
Telegraphenzeugämtern zu verfügen. Darüber hinaus war es
aber auf Grund seiner laufenden Lieferungsverträge imstande, alle
gewünschten Mengen zu beschaffen. Die Verträge liefen nicht
bloß in der Kriegszeit weiter, sie enthielten auch eine besondere
Kriegsklausel, nach der die Fabriken usw. zu verstärkten
Kriegslieferungen herangezogen werden konnten. Diese
Beschaffungstätigkeit [399] wurde auch nach der
Militarisierung der Etappentelegraphendirektionen unverändert
fortgesetzt.
Über die sonstige unmittelbare Mitarbeit der Reichstelegraphie an den
Kriegsaufgaben können nur einige besonders wichtige Gebiete
erwähnt werden; schließlich war ja fast die ganze Tätigkeit der
Telegraphie in dieser Zeit auf den Krieg eingestellt. Mit Eintritt der
Mobilmachung trat das Reichspostamt entsprechend den schon im Frieden
getroffenen Abmachungen einen großen Teil der besten
Telegraphen- und Fernsprechleitungen an das Heer zu dessen
ausschließlichem Gebrauch ab. Immer mehr solche Leitungen wurden
hergegeben, als die Kriegsschauplätze sich weiter ausdehnten und die
Schwierigkeiten der Kriegführung wuchsen. Die rege Beteiligung der
Telegraphenverwaltung an den Telegraphenbauarbeiten ist mehrfach
erwähnt worden. Auch durch fachmännische Beratung und
Unterstützung leistete sie der Heerestelegraphie unschätzbare
Dienste (Entsendung von Ingenieuren zur Einrichtung von Siemenszentralen und
Fernsprechverstärkern, Ausbildung militärischer
Fernschreibertelegraphisten bei allen größeren
Telegraphenämtern, Unterrichtskurse beim Telegraphenversuchsamt
für Offiziere und Beamte der Nachrichtentruppe über technische
Neuerungen und Verbesserungen im
Telegraphen- und Fernsprechwesen).
Schließlich war durch die immer schärferen Einziehungen zum
Heeresdienst der Personalbestand der Reichstelegraphenverwaltung so
geschwächt, daß sie ihre eigenen Aufgaben in der Heimat nicht mehr
voll erfüllen konnte. Besonders übel sah es im Linienbau aus.
Nachdem das Netz in den ersten drei Kriegsjahren nicht mehr instandgesetzt war,
mußte im Frühjahr 1917 nach dem ungünstigen Winter mit
einem völligen Zusammenbruch des heimatlichen Netzes gerechnet
werden, der auch für die Belange des Feldheeres verhängnisvoll
geworden wäre, da ja das Heimatsnetz in erster Linie für Heer,
Marine und Kriegswirtschaft arbeitete. Bei dieser Sachlage erklärte sich der
Chef der Feldtelegraphie, vom Reichspostamt um Unterstützung
angegangen, bereit, der Reichstelegraphenverwaltung für die
Instandsetzung ihrer Linien bis zu 35 Heeresbauzüge vorübergehend
zur Verfügung zu stellen. Sie waren 50 bis 60 Mann stark und bestanden
zum großen Teil aus eingezogenem Friedensbaupersonal der
Reichstelegraphenverwaltung. Falls die Züge für militärische
Zwecke wieder benötigt wurden, mußten sie innerhalb 48 Stunden
abmarschbereit sein. 1918 wurde die Zahl der in der Heimat tätigen
Heeresbauzüge weiter vermehrt und betrug zeitweise 62. Sie brachten der
Reichstelegraphenverwaltung eine wirksame Entlastung und Unterstützung,
wurden im übrigen aber nicht bloß zu Instandsetzungsarbeiten im
Netze der Reichstelegraphenverwaltung herangezogen, sondern auch zur
Herstellung und Unterhaltung von Telegraphen- und Fernsprechanlagen für
Heereszwecke im Heimatgebiet, namentlich zu Anlagen für den
Flugmeldedienst.
[400] Besondere
Hervorhebung verdient zum Schluß die von der Telegraphenverwaltung
zugestandene Einführung des privaten
Telegramm- und Fernsprechverkehrs zwischen Feldheer und Heimat und die
Einrichtung eines allgemeinen Kriegsnachrichtendienstes, der täglich
ein- bis zweimal kurze amtliche Kriegsnachrichten gebührenfrei an alle
Reichstelegraphenanstalten beförderte, die am Dienstgebäude
öffentlich angeschlagen wurden, so daß auch die entlegensten, von
jedem sonstigen Verkehr abgeschnittenen Ortschaften dauernd aufs schnellste
über die wichtigeren Kriegsereignisse unterrichtet waren. Auch den
Telegraphenstationen im Felde wurden diese abgekürzten Heeresberichte
zutelegraphiert. Diese Anfang September 1914 eingerichtete und während
des ganzen Krieges beibehaltene Verbreitung eines abgekürzten
Heeresberichts fand bei allen Kreisen des deutschen Volkes warmen Dank und
Anerkennung.
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