Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung,
Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des
Heeres
Kapitel 3: Die Etappe
(Forts.)
Oberstleutnant Karl Schroeder
9. Regelung des Geldverkehrs und
Bankaufsicht.
Zur Regelung des Geldumlaufs im besetzten Frankreich, besonders um zu
verhindern, daß zu große Mengen deutschen Geldes der
Bevölkerung zuflossen, wurde beim Beauftragten des
Generalquartiermeisters für den westlichen Kriegsschauplatz das
Generalwechselamt und bei jeder Etappeninspektion eine Hauptwechselstube
eingerichtet, der wiederum Wechselstuben und Wechselkassen unterstanden. Als
umlaufendes Geld sollten in erster Linie die einheimischen Stadtscheine
verwendet werden. Diese sind begründet auf französischen
Kriegsnotgesetzen, die den Gemeinden und Handelskammern die Ausgabe von
Papiergeld gestatteten. Anfangs hatte fast jede Gemeinde Papiergeld buntester Art
gedruckt, ja auch große Privatunternehmungen, Gruben usw., solches
ausgegeben, da es ihnen an Barmitteln zur Auszahlung des Lohnes ihrer Arbeiter
gebrach und Überweisung von Geld aus dem unbesetzten Frankreich
natürlich unmöglich war. Aber es hatten auch einzelne deutsche
Armeen eine Art Notgeld geschaffen, die zwar immer über genügend
große Geldmengen verfügten, denen aber manchmal das nötige
Kleingeld zur Auszahlung der Mannschaften fehlte, da diese ihre [256] Löhnung
natürlich in möglichst kleinen Stücken wünschten, um
ihre kleinen Bedürfnisse befriedigen zu können, wobei ein Wechseln
größerer Stücke bei dem Mangel an Wechselgeld nicht
möglich war. Seit 1. Januar 1916 wurde dieses wilde System
eingedämmt und die Ausgabe und der Umlauf von Stadtscheinen einer
Beaufsichtigung unterzogen. Statt 565 Arten waren zuletzt nur noch 67 Arten im
Umlauf, und zwar nur von großen Städten oder
Zweckverbänden mehrerer Gemeinden. Ihr Wert betrug rund 1,7 Milliarden
Frank. Das etatsmäßige Personal des Generalwechselamts und seiner
Dienststellen bestand zuletzt aus 12 Offizieren, 51 Beamten und 271
Unterbeamten, Unteroffizieren und Mannschaften. Daneben wurde eine
große Anzahl Kommandierte, Helfer und Helferinnen
beschäftigt.
Aufgabe der Hauptwechselstuben bei jeder Etappeninspektion und ihrer
Unterorgane war:
- Verhindern, daß deutsches Geld (außer Eisen) in die
Bevölkerung kam, und Abgabe von Stadtscheinen an Heereskassen und
einzelne Heeresangehörige zur Bestreitung ihrer Ausgaben in Feindesland,
auch wieder Zurücknahme von Stadtscheinen von
Heeresangehörigen, die Frankreich verließen;
- Herausziehen von deutschem Geld aus der Bevölkerung. Hindernd
wirkte hier vielfach das Verlangen deutscher Behörden nach Bezahlung in
deutschem Gelde bei Kontributionen, Strafen, Eisenbahnfrachten und
Lebensmittellieferung, das die Bevölkerung geradezu zwang, deutsches
Geld zu hamstern;
- Herausziehen von fremdem Gold und fremden Banknoten, sowie von
französischem Gold und Silber, um damit im Ausland bezahlen zu
können und die deutsche Valuta so zu heben. Hierbei bediente man sich der
Hilfe einheimischer Agenten. Man konnte Gold und Noten selbst am Schluß
des Krieges noch erhalten, wenn man dafür selten zu habende und begehrte
Waren, wie Zucker, Zichorie und ähnliches anbot. So kam schließlich
zur Tätigkeit der Wechselstuben sogar eine Art von
Warengeschäft;
- Förderung des Giro- und bargeldlosen Verkehrs. Hierzu waren die
Hauptwechselstuben an den Reichsbank-Giroverkehr und Postscheckverkehr
angeschlossen, ebenso hatten sie Konten bei belgischen Kassen und
eröffneten ihrerseits den Truppenteilen und Betrieben solche bei sich. Die
Bestrebungen ließen sich nur schwer durchführen, da die Indolenz der
meisten Heeresangehörigen auf diesem Gebiet, die Schwerfälligkeit
der Heereskassen und vielfach auch der Widerstand der Intendanturen große
Schwierigkeiten bereiteten;
- Herausziehen beschädigter und nicht genehmigter Stadtscheine;
- Ausstattung der nach dem unbesetzten Gebiet in Frankreich ausreisenden
Abschüblinge mit Stadtscheinen;
- Verteilung des durch Diplomatie und Rotes Kreuz aus dem unbesetzten
Frankreich für Landeseinwohner geschickten Geldes oder des vom Heiligen
[257] Stuhl für Pfarrer
gesandten Gehaltes an die Kommandanturen zur Auszahlung;
- Umtausch des von anderen Kriegsschauplätzen stammenden fremden
Geldes bei den von dort kommenden Mannschaften;
- Mitwirkung bei Zeichnung der Kriegsanleihen.
Den Umfang kennzeichnen einige Zahlen der am 16. Februar 1916
eröffneten Hauptwechselstube 6. Es beliefen sich vom 16. Februar
bis 31. Dezember 1916:
Stadtscheinausgabe |
27 835 815,12 |
Frank |
Einnahme deutsches Gold |
20 446 626,93 |
Mark |
Französisches Gold |
3 967 855,— |
Frank |
Französische Noten |
8 174 500,— |
" |
Nur im Juni bis November französisches Silber |
851 872,— |
" |
Gegen Ende der Tätigkeit wurden von der Hauptwechselstube 6 z. B. im
August 1918
17 260 000 |
Frank |
Stadtscheine abgegeben, |
1 887 000 |
Mark |
deutsches Gold eingenommen, |
104 126 |
Frank |
französisches Gold eingenommen, |
432 455 |
" |
französische Noten eingenommen, |
351 588 |
" |
französisches Silber eingenommen, |
41 212 |
Mark |
fremde Sorten eingenommen (im Juli 93 436 Mark, weil mehr
Truppen von anderen Kriegsschauplätzen ankamen). |
In den Generalgouvernements Belgien und Warschau, im Gebiet von Oberost und
in Rumänien war die Geldpolitik den Verhältnissen des Landes
angepaßt und unterschied sich vielfach wesentlich von der Einrichtung bei
den Etappeninspektionen in Frankreich.
Um die Geschäfte der einheimischen Banken kontrollieren zu
können, wurden in dem westlichen Etappengebiet fünf
Bankaufsichtsstellen unter Bankfachleuten (Offizieren des Beurlaubtenstandes)
mit dem nötigen Personal eingerichtet und der Bankabteilung des
Beauftragten des Generalquartiermeisters West unterstellt.
10. Eingreifen des Generalquartiermeisters zum
Ausgleich zwischen den Etappeninspektionen.
Im Etappengebiet gelegen, aber nur ortspolizeilich den Inspektionen unterstellt, in
ihrem Betrieb aber völlig selbständig, waren die deutschen
Bergverwaltungen in Valenciennes und Mons. Sie führten die Oberaufsicht
über die Kohlenbergwerke, regelten nach den Weisungen des Beauftragten
des Generalquartiermeisters West die Verteilung auf die Armeen, indem sie den
[258] Zechen
Lieferungsaufträge für deutsche Behörden und
Landeseinwohner zuwiesen, sorgten für die Bergarbeiterbevölkerung
und vertraten die Sonderinteressen des Bergbaues den übrigen deutschen
Behörden gegenüber. Die eigentliche Förderung der Kohle,
der gesamte Betrieb der Bergwerke über und unter Tage lag dagegen in
Händen der einheimischen Besitzer und ihrer eigenen freien Arbeiter. Der
Bergverwaltung unterstanden auch die Phosphatwerke, deren Erzeugnisse zum
Teil der deutschen Landwirtschaft zugute kamen, zum Teil auf Grund des
Lebensmittelvertrages mit dem spanisch-amerikanischen Komitee in Belgien
verwendet werden mußten. Große Steinbrüche, die vor allem
Schotter in Riesenmassen lieferten, unterstanden zum Teil der Bergverwaltung,
zum Teil den Etappeninspektionen. In ersteren wurden nur einheimische freie
Arbeiter, in letzteren außer diesen auch Kriegsgefangene
beschäftigt.
Während für die Ausnutzung des besetzten Gebiets in den
Generalgouvernements Belgien und Warschau, sowie im Verwaltungsgebiet von
Oberost bald umfangreiche, zentralisierte Organisationen entstanden, arbeitete im
Westen zunächst jede einzelne Etappeninspektion selbständig. Dann
entstand beim Stabe des Generalintendanten eine wirtschaftliche Abteilung, die
eine bessere Ausnutzung durch großzügiges Zusammenfassen und
auch eine gerechtere Verteilung auf die einzelnen Armeen in die Wege leitete.
Vom 1. Januar 1917 ab übernahm dieses Geschäft der Beauftragte
des Generalquartiermeisters für den westlichen Kriegsschauplatz
(B. d. G. West),26 der
außerdem in manchen laufenden Geschäften den kurz vorher nach
dem Osten übergesiedelten Generalquartiermeister vertrat.27 Eine solche Zentralstelle erwies sich
als unbedingt notwendig, um zu verhindern, daß eine Armee
Überfluß an bestimmten Produkten besaß, während die
Nachbararmee darbte, oder daß Stoffe von einer Armee in die Heimat
transportiert wurden und zu einer anderen Armee desselben Kriegsschauplatzes
wieder herausgeschafft werden mußten. Gewisse Widerstände in den
einzelnen Armeen waren hierbei natürlich zu
über- [259] winden, da die Truppe
meist nicht einsieht, warum sie bei in ihrem Gebiet herrschenden
Überfluß nicht aus dem vollen wirtschaften soll, ohne die Lage bei
den Nachbarn zu bedenken. Auch persönlicher Ehrgeiz spielte eine Rolle,
denn es ist natürlich überaus schmerzlich für den Leiter eines
mit Mühe eingerichteten und an sich gut arbeitenden Betriebs, diesen
stillegen zu müssen, weil ein Großbetrieb einer Nachbararmee
wirtschaftlicher arbeitet und die eigene Armee ohne weitere Vergeudung von
Personal und Material mitbeliefern kann.
Es wurde aber vom B. d. G. West (Industrieabteilung) rücksichtslos
durchgegriffen, eine Menge unwirtschaftlicher Kleinbetriebe stillgelegt und die
verbleibenden 87 großen Betriebe, Stahlwerke, Walzwerke, Drahtwerke,
Blechwalzwerke, Stabeisenwerke, Nägelfabriken, Kettenfabriken,
Ofengießereien, Gießereien für Maschinenguß,
Blechbearbeitungswerkstätten, Eisenhochbauanstalten, Maschinenfabriken
und große Instandsetzungswerkstätten in bezug auf
Rohstoffbeschaffung, Verarbeitung und Abgabe nach einheitlichem Plan auf
Grund gegenseitigen Hand-in-Hand-Arbeitens eingestellt. Die unmittelbar dem
B. d. G. West unterstellte Heereswerkstätte West in
Lille-Fives (später Charleroi) beschäftigte rund 2000, alle oben
genannten Werke mit ihren Nebenbetrieben rund 40 000 Arbeiter. Es
hätte manches sich leichter und mit mehr Erfolg schaffen lassen, wenn von
Anfang an diese Zentralinstanz28 vorhanden
gewesen wäre, die die Rohstoffe im großen verteilt und bestimmte
Herstellungsaufgaben den einzelnen Armeen zugeteilt hätte; dagegen
mußten Gewinnung, Sammlung und Transport der Rohstoffe an sich und
die Leitung der Betriebe (Fabriken und Reparaturwerkstätten) Sache der
Etappeninspektionen bleiben. Sonderdirektionen neben diesen führen zu
Reibungen und leisten nie das wie die Etappe, deren ganzer übriger
Organismus (Kommandanturen usw.) bei Etappenbetrieben
naturgemäß viel intensiver mitarbeitet, als bei Sonderbetrieben. Dies
wurde auch von der deutschen Heeresleitung richtig erkannt. Dagegen hätte
man noch mehr, als es geschah, Gebrauch machen können von der
Verarbeitung aller Rohstoffe eines Kriegsschauplatzes, deren Fertigfabrikate
dieser selbst brauchte, im besetzten Gebiet. Man hätte dadurch die
Rückführung in die Heimat und Wiederausfuhr vermindert, die
einheimischen Arbeiter an ihrem Wohnsitz beschäftigt, wo sie billiger als
deutsche Arbeiter und viel besser arbeiteten als gezwungen an anderer Stelle, und
in der Heimat Arbeitskräfte gespart, die militärischer Verwendung
zugeführt werden konnten. Das Kriegsministerium ist allerdings in diesem
Kriege aus mannigfachen Rücksichten sowohl auf die Großindustrie,
als auch auf die deutsche Arbeiterschaft öfter von diesen [260] Grundsätzen
abgewichen. Besonders die deutsche Eisenindustrie sah die
Militäreisenwerke der Etappe nicht gern, da sie in ihnen eine Art
Konkurrenz erblickte und Preisdrückung von ihnen befürchtete. Am
meisten erregte es aber die Leute in Front und Etappe, als die
Etappeninspektionen 4 und 6 den in ihrem Bereich wachsenden guten
Tabak der Tabakzentrale in Münden zuführen mußten, statt ihn
im eigenen Gebiet verarbeiten und unmittelbar an die Westfront verteilen zu
dürfen, während gleichzeitig das Heer durch das liebliche
Buchenlaub beglückt wurde.
11. Fronttruppen im
Etappengebiet.
Zu den Obliegenheiten der Etappe gehörte auch die Unterbringung der
Fronttruppen, die zeitweise zur Ruhe aus dem Operationsgebiet herausgezogen,
die auf Landmarsch von einer Armee zur anderen verschoben wurden, oder die
vor einer Offensive sich versammeln sollten, besonders in letzterem Falle oft recht
erhebliche Truppenmengen. Hierzu waren Verteilung der Einquartierung auf die
Dörfer, Ausbau von Massenquartieren, Einrichten von zerstörten
Ortschaften, sowie Anlage all der von den Truppen benötigten
Sonderanstalten (Geschäftszimmer, Küchen, Bäckereien,
Revierstuben, Bade- und Entlausungsanstalten, Waschanstalten,
Büchereien, Wechselstuben usw.) notwendig. Oft stellten die
Fronttruppen völlig unerfüllbare Forderungen, da sie glaubten, in der
Etappe, von der sie immer als dem Land, da Milch und Honig fließt,
gehört hatten, könnten sie jegliche Bequemlichkeit haben, wenn nur
die böse Etappe sie ihnen gönnte. Oder die Truppen nahmen beim
Verlassen der Quartiere Einrichtungen mit, die dann natürlich mit viel
Mühe und Kosten neu beschafft werden mußten, oder was, falls das
bei den geringen Arbeitskräften bis zum Einrücken neuer Truppen
nicht gelang, den späteren Verbänden wiederum Grund zur Klage
über die Etappe gab. Manchem Frontsoldaten wollte es gar nicht in den
Sinn, daß er in dem Etappengebiet nicht mit Handgranaten fischen, auf
jeden Hasen schießen, seine Pferde auf jede Weide treiben, überall
Gras und sogar unreifes Getreide mähen, auf bestelltem Feld
Übungen abhalten oder ähnliche schöne Dinge treiben durfte;
denn in dem wüsten Gebiet dicht hinter der Kampfzone gab es dergleichen
Einschränkungen nicht. Und auch mancher Offizier meinte wohl in der
Etappe sich vieles leisten zu können, was er im rückwärtigen
Operationsgebiet dem dort herrschenden Generalkommando nicht zu bieten
gewagt hätte.
Ständig im Bereich der Etappe untergebracht waren
Artillerieschießplätze, Minenwerferübungsplätze,
Maschinengewehrschulen und eine große Anzahl von Feldrekrutendepots.
Es erforderte häufig sehr viel Arbeitskraft und auch Takt der
Etappenkommandanten, die Wünsche dieser Gäste zu erfüllen
und sie in Einklang zu bringen mit den aus wirtschaftlichen oder polizeilichen
Gründen [261] notwendigen
Maßnahmen der Etappeninspektionen. Es verdient jedoch hervorgehoben zu
werden, daß im allgemeinen bei gegenseitigem verständnisvollen
Entgegenkommen das Verhältnis zwischen Etappe und
Übungsplätzen oder Rekrutendepots durchaus gut war. Schwieriger
war es schon, die Forderungen der vielen im Etappengebiet untergebrachten
Fliegerverbände zu erfüllen, die besonders in bezug auf Quartier
etwas reichliche Ansprüche stellten. Auch die Unterhaltung einer
großen Anzahl von Flugplätzen als Reserve für alle
Fälle war Sache der Etappenkommandanten und machte besonders in
Belgien große Mühe, wo die Einwohner immer wieder nicht
einsahen, warum sie ihr doch augenblicklich gar nicht benutztes Feld nicht
umpflügen sollten.
|