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Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung, Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des Heeres

  Kapitel 1: Die Heeresverpflegung   (Forts.)
Ministerialrat Konrad Lau

7. Vergleich der Portions- und Rationssätze im Felde und in der Heimat.

In Anlage 2 (s. S. 96 f.) ist dargestellt, wie sich ohne Zulagen die Verpflegungsportion des Mannes im Felde zu der in der Heimat für die Bevölkerung zur Verfügung stehenden verhielt. Diese Gegenüberstellung spricht offenbar zugunsten der Feldverpflegung. Allein an Brot war auch der auf die niedrigste Brotportion angewiesene Feldsoldat, der keine besonderen Anstrengungen auszuhalten hatte, mit dem heimischen Schwerstarbeiter gleichgestellt, in der Front und bei anstrengendem Dienst erhielt er mehr als der heimische Bergarbeiter und etwa das 2 - 2½fache von dem Normalsatz der heimischen Brotportion, an Fleisch sogar etwa das sechsfache der Normalportion und selbst in der Etappe noch dreimal so viel wie ein Bergarbeiter, an Fett (ohne Marmelade) das zwei- bis dreifache des heimischen Normalsatzes, daneben noch sehr reichlich Marmelade mit 50% Zuckergehalt und außerdem erheblich mehr Zucker. Die Kartoffelversorgung schwankte wie in der Heimat; im Felde gab es aber bei Kartoffelmangel stets, an den heimischen Verhältnissen gemessen, sehr reichlichen Ersatz in anderen Gemüsen. Daß die Heimat trotz ihrer trostlosen Verpflegungslage vermocht hat, ihr Feldheer in dieser Weise zu versorgen, darf nicht vergessen werden, auch wenn man der Organisation des heimischen Ernährungsdienstes und ihrer lästigen Einwirkungen auf den Verpflegungsdienst beim Feldheer nicht rückhaltslos zustimmend gedenken kann.

Gewiß lebte ein Teil der Bevölkerung als "Selbstversorger" wesentlich besser als die Bestimmungen gestatteten; ein anderer konnte sich "hintenherum" Zuschüsse verschaffen, die den Verpflegungszulagen beim Feldheere nicht nachstanden und in den Fabriken wurden mancherlei Zuschüsse verteilt. Im ganzen genommen war aber der im Felde stehende Soldat wesentlich besser verpflegt als im Durchschnitt der Bürger in der Heimat. Das war auch unerläßlich allein schon im Hinblick auf die sonstigen Lebensbedingungen.

[80] Bei einem flüchtigen Vergleich der Rationssätze des Feldheeres mit den für die Heimat festgesetzten Verbrauchsmengen von durchschnittlich 3 - 5 Pfund Hafer auf Kopf und Tag, denen gegenüber die Rationsmengen des Feldheeres das Doppelte betrugen, ist es vielleicht nicht voll verständlich, daß die Futternot geradezu vernichtend auf den Pferdebestand des Feldheeres wirkte. Es ist aber zu beachten, daß oft wochenlang die festgesetzten Rationssätze nicht gegeben werden konnten, daß in der Heimat, namentlich in ländlichen Betrieben, mehr Rauhfutter und anderes Futter verfüttert werden konnte, und daß für einen großen Teil der Pferdehalter die Möglichkeit bestand, für die Pferde höhere als die vorgeschriebenen Hafermengen zu beschaffen. Von einschneidender Bedeutung für den Vergleich ist auch, daß den Pferden im Felde nicht eine annähernd so gute Unterkunft gewährt werden konnte, als den heimischen, und daß auch die Pflege stark vernachlässigt werden mußte. Schließlich ist auch der schädigende Einfluß der dauernden Beunruhigung der Pferde im Felde nicht zu unterschätzen.

Eine vom leitenden Chefveterinär beim Generalquartiermeister aufgestellte Statistik zeigt deutlich, wie die Zahl der Erkrankungen und Todesfälle unter den Pferden mit Zunahme der Futternot zunahm, mit Besserung der Futterlage fiel. In Prozentsätzen der Iststärke ausgedrückt, betrugen die Krankheits- und Todesfälle im

        Westen           Osten           Südosten
    Juli 1917       0,34 und 0,07       0,65 und 0,06       0,50 und 0,17
    Januar 1918       3,36 " 1,36       2,98 " 0,72       7,54 " 0,47
    Mai 1918       1,14 " 0,20       2,17 " 0,47       2,77 " 0,15
                (im Westen schon Grünfütterung).

Die Wirkungen der mangelhaften Ernährung traten beim Pferde deutlicher in die Erscheinung als beim Manne. Wiederholt schien die Bewegungsfähigkeit des Heeres infolge schlechter Futterversorgung gefährdet; und als dem Generalintendanten die für das Frühjahr 1918 bestehenden Angriffsabsichten vom Chef des Generalstabes mitgeteilt wurden, entstand für ihn angesichts der Futternot die bange Frage, ob die Pferde so ernährt werden könnten, daß sie den ihrer harrenden gewaltigen Anstrengungen gewachsen sein würden.

Ihre infolge Unterernährung außerordentlich herabgesetzte Leistungsfähigkeit hat sich dann auch bei der Durchführung der Operationen sehr störend bemerkbar gemacht. Viele brachen vor Erschöpfung zusammen; für viele brachten allein die in den neu eroberten Gebietsteilen erbeuteten Futtermittel Rettung.


8. Verpflegung der Kriegsgefangenen und der Zivilbevölkerung.

Zu der Sorge um das Wohl der Truppen trat für die Organe des Verpflegungsdienstes als nicht zu unterschätzende große Aufgabe noch die Bereitstellung der Verpflegung für die Wohlfahrtseinrichtungen, die Kriegsgefangenen und die Zivilbevölkerung hinzu.

[81] Soldatenheimen, Eisenbahnerheimen und anderen Wohlfahrtseinrichtungen, die den Heeresangehörigen in freien Stunden während der Ruhe nach Rückkehr aus den Stellungen einen leidlich freundlichen Aufenthalt bieten oder an besonders verkehrsreichen Eisenbahnend- oder -knotenpunkten die Möglichkeit zur Selbstbeköstigung geben sollten, mußte die Entnahme von Genuß- und Verpflegungsmitteln gegen Bezahlung in streng begrenzten Mengen gestattet werden, insoweit eine Selbstbeschaffung nicht möglich war.

Die in den Etappengebieten arbeitenden Kriegsgefangenen wurden voll aus Heeresbeständen verpflegt. Die Portionssätze waren im allgemeinen den Armee-Oberkommandos überlassen, die je nach der Beschäftigungsart der Kriegsgefangenen am besten ermessen konnten, was ihnen gewährt werden mußte. Daß dabei nicht die eigene Not aus dem Auge verloren und übersehen werden durfte, daß in der deutschen Heimat die Bevölkerung, auch die schwer arbeitende, sich die fühlbarsten Einschränkungen auferlegen mußte, ist selbstverständlich. Da die Armee-Oberkommandos ein dringendes Interesse daran hatten, die Kriegsgefangenen arbeitsfähig zu erhalten, kamen sie jedoch nicht zu kurz. Im Hinblick auf die deutsche Ernährungslage mußte die tägliche Brotportion auf 400 g (Schwerarbeiter 600 g), die Fleischportion auf 100 g frisches oder 80 g Dauerfleisch bei zwei fleischlosen Tagen in der Woche beschränkt werden. Ganz besondere Sorge bereitete die Verpflegung der rumänischen Kriegsgefangenen, die zum großen Teil stark unterernährt in Gefangenschaft gerieten.

Die zahlreichen deutschen Zivilpersonen, die beim Feldheere mittelbar oder unmittelbar tätig waren, mußten sich möglichst ihre Verpflegung aus dem Lande selbst beschaffen. Wo das nicht möglich war, erhielten sie die Genehmigung, sie ganz oder zum Teil aus den Magazinen zu kaufen. Unter besonderen Umständen wurden sie auch gegen Bezahlung aus den Küchen der Truppen voll beköstigt.

Schließlich war auch noch die Verpflegung der Bevölkerung in den besetzten Gebieten zu sichern. Es soll hier nicht die Frage untersucht werden, ob die besetzende Macht völkerrechtlich verpflichtet ist, auch für die Ernährung der Bevölkerung der besetzten Gebiete zu sorgen. Es wäre nur eine natürliche, vom Selbsterhaltungstrieb gebotene Folge der völkerrechtswidrigen Hungerblockade gewesen, wenn die innerhalb des blockierten Raumes vorhandenen Lebensmittel allein für Heer und Volk Deutschlands und seiner Verbündeten verbraucht wären, um sie vor Unterernährung zu schützen. Wer die elenden und ausgemergelten Gestalten in den deutschen Großstädten und in Wien während des Krieges gesehen hat, der versteht es, wenn dort der Ruf erscholl: "Besser 100 Feinde verhungern, als daß ein Deutscher durch Unterernährung an seiner Gesundheit Schaden leidet."

Die besetzende Macht, Deutschland, verfuhr nicht danach. Überall wurden aus den Landeserzeugnissen der Bevölkerung die zu einer der deutschen Ernährung [82] gleichkommenden Beköstigung erforderlichen Mengen belassen. Es wurden Einrichtungen getroffen, die Verpflegung der Bevölkerung in den größeren Städten, insbesondere in den Industriezentren, zu ermöglichen. Hierzu sind wiederholt, insbesondere am Anfang der Besetzung, erheblich Zuschüsse aus Heeresbeständen geliefert. Die von den verschiedenen Hilfskomitees (nationalen und solcher neutraler Länder) eingeführten Lebensmittel blieben von jeder Beschlagnahme frei. Leute, die für die besetzende Macht arbeiteten, erhielten volle Verpflegung aus Heeresbeständen oder doch Zulagen zu ihrer sonstigen Verpflegung. An ihnen allein hatte Deutschland ein Interesse; an den anderen verrichtete es ein Liebeswerk, das nur mittelbar insofern in seinem Interesse lag, als dadurch Ruhe und Ordnung im Rücken des Heeres aufrechterhalten wurden. Wäre es aber unmenschlicher als das Abschneiden der Lebensmittelzufuhr durch die Feindbundmächte gewesen, wenn man diesen Teil ihrer Landsleute zu ihnen hinübergetrieben hätte, heraus aus dem der Aushungerung von ihnen selbst preisgegebenen Gebiet?

Speisung der armen Bevölkerung in Bukarest.
[Bd. 8 S. 96a]      Speisung der armen Bevölkerung in Bukarest.

Von besonderem Interesse sind die im Westen getroffenen Maßnahmen. Auf sie muß näher eingegangen werden, weil darüber falsche, natürlich für Deutschland ungünstige Anschauungen verbreitet sind. Auch Ludendorff drückt sich in seinen Kriegserinnerungen hierüber so aus, daß Mißverständnisse nicht ausgeschlossen sind.10 Wenn die Entente nach sehr langwierigen Verhandlungen dem Drängen der Bevölkerung Nordfrankreichs nachgab und die Einfuhr gewisser Mengen Lebensmittel unter schärfster Kontrolle gestattete, so wurden deutscherseits ganz erhebliche Opfer dafür gebracht.

In Belgien, das ja vor dem Kriege drei Viertel aller Lebensmittel hatte einführen und in den ersten Kriegswochen große Mengen Verpflegungsmittel an das eigene und das deutsche Heer hatte abgeben müssen, bildete sich frühzeitig ein einheimisches Hilfskomitee (Comité Central de Secours et d'Alimentation), das dann von einem spanisch-amerikanischen, der Commission for Relief in Belgium (C. R. B.) durch Einfuhr von Lebensmitteln aus Amerika durch Holland in hervorragendem Maße unterstützt wurde. Dieses wurde durch einen am 13. April 1915 zwischen ihm und der Obersten Heeresleitung geschlossenen Vertrag auch für Nordfrankreich zugelassen, nachdem die französische Regierung jede Versorgung ihrer eigenen Landeskinder durch die Schweiz trotz eifriger Bemühungen einiger Notabeln abgelehnt hatte. Bis dahin hatten die Heeresmagazine Verpflegung abgegeben. Die volle Versorgung hätte aber einem täglichen Aufwand für 5 - 6 Armeekorps entsprochen, war also auf die Dauer undurchführbar.

Die Verteilung der C. R. B.-Verpflegungen Nordfrankreichs lag amerikanischen Delegierten ob. Das Land war in Verpflegungsbezirke eingeteilt; für [83] jeden war von deutscher Seite ein sprach- und geschäftsgewandter Verpflegungsoffizier bestimmt, dem die amerikanischen Delegierten zugeteilt waren. Für die Unterverteilung waren Syndikate gebildet. Die Verpflegungsoffiziere haben ihr Amt, das nicht nur viel Arbeit, sondern noch mehr Takt und Geschicklichkeit verlangte, unter Leitung des Generalintendanten, zu dessen Stab ein besonderer Verpflegungsoffizier trat, in musterhafter Weise durchgeführt und sich auch in anderen Dingen der Bevölkerung in aufopfernder und selbstloser Weise angenommen. Nach Eintritt Amerikas in den Krieg traten Holländer an die Stelle der amerikanischen Delegierten.

Von deutscher Seite wurde den eingeführten Lebensmitteln vorzugsweise Beförderung und Befreiung von jeder Beschlagnahme zugesichert. In Nordfrankreich war ferner ein Mehlzuschuß ausbedungen, der dem Ertrag der gesamten Ernte des besetzten Gebiets an Brotgetreide gleichkam und im Anfang 100 g, später 180 g täglich betrug. An Kartoffeln mußten zunächst 200 g, später 350 g täglich geliefert werden, auch wenn im Lande nicht so viele geerntet wurden. So kam es, daß die ersten im Lande geernteten Frühkartoffeln der Bevölkerung verblieben, trotzdem die Truppen noch keine Kartoffeln hatten. Der Fleischzuschuß betrug 150 g wöchentlich. Für den Bereich des Generalgouvernements Belgien mußte, um den Widerstand Englands gegen das Fortbestehen des Hilfswerkes zu brechen, vom April 1916 ab auf die Entnahme irgendwelcher Verpflegungsmittel für die Besetzungstruppen oder des Feldheeres verzichtet werden. Die Innehaltung dieser Zusicherung wurde von den Protektoren des Ernährungswerkes aufmerksam überwacht.

Zieht man in Betracht, daß in Nordfrankreich vier Millionen Einwohner in der angegebenen Weise mit Mehl, Fleisch und Kartoffeln zu versorgen waren und welche reichen Hilfsquellen, insbesondere an Vieh und Rauhfutter in Belgien aufgegeben wurden, so kann man ermessen, welche Opfer von deutscher Seite für die Bevölkerung gebracht sind, abgesehen von manchen Unzuträglichkeiten militärischer Art, die die Durchführung des Ernährungswerkes zeitigte. An Personen, die für die deutsche Verwaltung tätig waren, wurde C. R. B.-Verpflegung nicht geliefert.


10 [1/82]Er schreibt S. 279: "Der Sorge um die Ernährung Belgiens waren wir durch Maßnahme der Entente überhoben." ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte