Bd. 6: Die Organisationen der Kriegführung,
Erster Teil:
Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden
Organisationen
Kapitel 5: Die
Nachrichtenmittel (Forts.)
Hauptmann Rudolf Schmidt
3. Die Erkenntnis der Schwierigkeiten und Abhilfe.
Mithören und Mitlesen des Nachrichtenverkehrs. Die
Nachrichtenmittel bei den Truppen.
Eine Folge der Erkenntnis von der Abänderungsnotwendigkeit der
Nachrichtenübermittelung war zunächst (1915) die Schaffung
lebensfähiger Armee-Fernsprechabteilungen bei den
Armee-Oberkommandos, für die großenteils aus anderen Truppen
Fernsprechpersonal der Reichs-Telegraphenverwaltung heraus- [212] geholt wurde. Sie
bestanden aus einer Bauabteilung, in mehrere Züge gegliedert und zum Bau
von blanken und Kabelleitungen ausgerüstet, sowie aus einer
Betriebsabteilung, die ebenfalls in Züge eingeteilt war und über das
erforderliche Gerät und Personal zum Besetzen der
Fernsprech- und Telegraphenstationen und großen Vermittlungen in dem
Raume rückwärts der Generalkommandos verfügte.
Dann folgte eine Militarisierung der bisherigen
Etappen-Telegraphendirektionen in derselben Art, wie es für die
Armee-Fernsprechabteilungen durchgeführt war.
Durch diese Maßnahmen war endlich der sachgemäße,
planmäßige Ausbau der für den reibungslosen schnellen
Nachrichtenverkehr nötigen großen Nachrichtennetze in den
Armeebereichen ermöglicht.
Die bei den Korps und Divisionen befindlichen Fernsprech- und
Funkverbände erhielten keine durchgreifende Abänderung. Lediglich
die bisherigen Korps-Fernsprechabteilungen wurden Ende 1916 aufgeteilt und den
Divisionen 2 Züge der Korps-Fernsprechabteilung als "Doppelzug", dann
als "Fernsprechabteilung" eingegliedert. Die bei einzelnen Divisionen bereits
vorhandenen selbständigen Fernsprechzüge und Doppelzüge
wurden in gleichem Sinne umorganisiert. Bei den Generalkommandos verblieb
der Rest der Korps-Fernsprechabteilung als
"Gruppen-Fernsprechabteilung". Die bisherigen Kommandeure der
Korps-Fernsprechabteilungen wurden Kommandeure der Fernsprechtruppen der
Korps. Diese Maßnahmen wurden nötig, weil infolge der
Abwehrschlachten des Jahres 1916 und des fortgesetzten Wechsels der Divisionen
mit ihren Fernsprechzügen die bisherigen Korpsverbände zerrissen
wurden. Auf Grund dieser Änderung wurden ebenfalls für die
nunmehr den Divisionen und Korps zugewiesenen Funkverbände
Kommandeure der Funkertruppen bei den Generalkommandos geschaffen. Ganz
ähnlich war die Organisation beim Armee-Oberkommando. Die Trennung
der Nachrichtenmittel, die ja eigentlich eng miteinander arbeiten sollten, war
damit bis obenhin scharf durchgeführt.
Neu traten seit den Kämpfen bei Verdun die Funken-Kleinstationen (in
Funken-Kleinabteilungen zusammengefaßt) auf, das Blinkgerät, die
Brieftaube, der Meldehund, die
Leucht- und Schallmittel.
Die sich immer mehr steigernde feindliche Feuerwirkung erschwerte die
Nachrichtenübermittlung in der vorderen Kampfzone ganz
außerordentlich und machte das sichere Arbeiten unmöglich. Zuerst
brach man mit der Gewohnheit, das Fernsprechkabel offen, ungedeckt, auf
Stangen oder sonstigen Unterlagen gestützt, zu führen, und verlegte
es an den Wandungen der Schützen- und Laufgräben. Wo
Gräben nicht vorhanden waren, zog man Rillen oder schmale
Gräben, in die das Kabel gelegt wurde. Zur Erhöhung der Haltbarkeit
und aus Gründen besserer Isolierung vertauschte man das dünne
Feldkabel mit dem sogenannten Erd- oder Panzerkabel, das durch dicke
Umwicklung und Drahtringe [213] besonders gegen
äußere Beschädigungen und Nässe geschützt war
und das man dann sogar noch in tiefe, offene oder zugeworfene
Kabelgräben verlegte.
Aber auch diese Hilfsmittel vermochten nicht, eine sichere
Nachrichtenübermittlung im feindlichen Feuer zu erzielen.
Der an den Draht gebundene Fernsprecher verlangte eine Ergänzung durch
ein drahtloses Nachrichtenmittel.
Zunächst wurde von der Truppe das scheinbar vergessene Blinkgerät
wieder hervorgeholt. Die wenigen
Feld-Signaltrupps, die seit Beginn des Stellungskrieges allmählich bei der
Telegraphentruppe entstanden waren, genügten nicht. In allen
möglichen Formen, als umgearbeitete elektrische Taschenlampe,
Autoscheinwerfer, Pionierscheinwerfer, wurde nun
Signal-Ersatzgerät geschaffen. Dem Erfindungsgeist der Truppe, der
Regsamkeit der Führer von Telegraphenformationen und der Mitarbeit der
heimischen Industrie verdankte schließlich das Blinkgerät, wie es
nach mehrfachen Änderungen auch jetzt noch im Gebrauch ist, seine
Entstehung und Ausgestaltung. Mit ihm wurde seit den Sommeschlachten die
Kampftruppe einheitlich ausgestattet, bei den Telegraphentruppen die Zahl der
vorher nur spärlich vorhandenen Signaltrupps bedeutend vermehrt und in
der Heimat sogar eine besondere
Signal-Ersatzabteilung geschaffen.
Bald war das Blinkgerät ein allbeliebtes Nachrichtenmittel geworden. Aber
als Gerät, das als vollwertiges Ersatzmittel an Stelle des Fernsprechers
hätte treten können, war das Blinkgerät nicht ausreichend, da
trübe Witterung, Nebel und, wenn kein Heliograph vorhanden war, auch
grelle Sonne das Blinken oft unmöglich machten.
Man schuf daher Funken-Kleinstationen oder
Schützengraben-Funkstationen, die in außerordentlich praktischer
Durchkonstruktion in Form von kleinen Koffern getragen werden konnten. Als
Kraftquelle besaßen sie Akkumulatoren, die entweder im
rückwärtigen Abschnitt an Dynamos oder vorn durch
Treträder - ähnlich einem
Fahrradgestell - geladen wurden. Sie legten ihre Feuerprobe mit bestem
Erfolg auf dem Trichterfeld von Verdun ab und wurden unter allmählicher
Überwindung ihrer "Kinderkrankheiten" langsam überall
eingeführt.
[216a]
Brieftauben werden vom Heimatwagen
zur Kampfstellung gebracht (Vogesen).
[216a]
Stellungskrieg im Westen.
Meldehund bringt Meldung nach rückwärts.
|
Auch die Brieftaube, die bisher lediglich in den Festungen verwandt wurde,
mußte jetzt an die Front. Das Körbchen mit den niedlichen Tieren
wurde im Schützengraben bald ein bekannter Anblick. Die Tiere leisteten
der kämpfenden Truppe hervorragende Dienste und waren im
Trommelfeuer oft das einzige Verbindungsmittel mit der Führung. Von der
Tüchtigkeit und dem persönlichen Mute der Brieftaubenpfleger hing
allerdings die Leistung der Tauben wesentlich ab. Manch ein
Brieftaubenwärter wurde beim gefahrvollen nächtlichen Vorbringen
der Taubenkörbe in die Stellung das Opfer eines tückischen
Feuer- oder Gasüberfalles.
Endlich seien auch als Aushilfe die Meldehunde erwähnt, die dort, wo sie
von tüchtigen Hundeführern eingesetzt und abgerichtet wurden,
Vortreff- [214] liches leisteten. Sie
nahmen oft den Läufern und Meldegängern den gefahrvollen Weg ab
und brachten dem harrenden Führer Kunde von dem schweren Ringen vorn.
Auch von ihnen starben viele für das Vaterland.
Ein besonders schwieriges Kapitel war die Verbindung zwischen Infanterie und
Artillerie.
Zur schnellen und sicheren Auslösung des Artilleriefeuers zum Schutze und
zur Unterstützung der Infanterie waren Leuchtzeichen festgesetzt, die aus
Leuchtpistolen in allen möglichen Farben und Formen abgefeuert wurden.
Jede Art des Leuchtzeichens hatte für eine bestimmte Zeit eine bestimmte
Bedeutung, z. B. drei weiße Leuchtkugeln bedeutete
"Vernichtungsfeuer", drei grüne mit Sternen "Sperrfeuer" usw. Die
Zeichen mußten häufig gewechselt werden, da sie auch der Gegner
sehen und ihre Bedeutung feststellen konnte.
Schallmittel hatte man schließlich eingeführt, um die Besetzungen
der vorderen Stellungen schnell alarmieren zu können. Die Nähe der
feindlichen Stellungen, die Überfälle erleichterten, sowie
Gasangriffe, sei es durch abgeblasenes Gas oder Gasminen und Granaten,
forderten ein für Alarmzwecke besonders geeignetes Signalmittel.
Kirchenglocken, freihängende kurze Eisenschienen, Sirenen jeder Art,
Hörner wurden hierzu verwandt.
Die Eigenart der Nachrichtenmittel befähigte sie aber auch zu einer
Kampftätigkeit in völlig anderem Sinne: zum Auffangen und
Auswerten der gegnerischen Nachrichten. Alle mechanischen
Nachrichtengeräte nahmen an dieser Aufgabe teil, die aus ihnen auch ein
Aufklärungsorgan modernster Art machte.
Das auch bei den Gegnern entwickelte Abhören feindlicher
Fernsprechleitungen wurde deutscherseits unter Leitung des Postrats Arendt
ebenfalls eingeführt und durchgebildet, der
Funkempfangs- und Abhördienst organisiert.
Die Wirkung der Abhörstation, nach ihrem Erfinder auch
Arendt-Station genannt, beruhte im wesentlichen auf der Ausnutzung von
besonders konstruierten, sehr empfindlichen Glühlampen, den
Verstärkerlampen. Sie enthalten zwischen Anode und Kathode ein
sogenanntes Gitter, der an der Kathode ankommende Sprechstrom wird beim
Durchlaufen des Gitters durch eine Batterie verstärkt und läuft dann
wesentlich gekräftigt zur Anode der Lampe. Von diesem Apparat aus
wurden kürzere Drahtleitungen in der Richtung vorgebracht, aus der man
etwas hören wollte und möglichst nahe vom Abhörobjekt
geerdet. Die Bodenverhältnisse, ob feucht oder trocken, Sand oder Fels,
und die Zusammensetzung der Gesteine spielten hierbei eine große
Rolle.
Wie ein Polyp saß solch eine Abhörstation im Grabengewirr mit
ihren "Sucherden" - so wurden die von ihr ausgehenden Leitungsenden
genannt - im Umkreis herumtastend. Manch gewagtes Stückchen
wurde beim Vorbringen der Sucherden von den Bedienungsleuten der Station
geleistet. Die Abhörstationen lieferten der Führung ein ziemlich
genaues Bild von den Vorgängen [215] in der vorderen
feindlichen Stellung und konnten häufig Aufschlüsse über
Truppenverschiebungen geben. Gleichzeitig dienten sie auch der
Überwachung des eigenen Fernsprechverkehres in vorderer Linie, was bei
der deutschen Harmlosigkeit recht nötig war. Mit einer Sendetaste versehen
und Erdtelegraph genannt, waren sie in der Lage, auf
2 - 3 km Morsezeichen zu einer Gegenstation durch die Erde
hindurch zu geben.
Gegen Kriegsschluß schuf man noch ähnlich dem Erdtelegraphen in
der Form den "unabhörbaren Telegraphen", "Utel" genannt. Er
ermöglichte infolge besonderer Vorrichtungen ein Senden von
Morsezeichen auf Leitungen aller Art, ohne daß der Gegner mithören
konnte.
Im drahtlosen Telegraphenverkehr war das Abhören feindlicher
Funksprüche und die Überwachung des eigenen Funkverkehres
Sache der Funkenempfangsstationen.
Bereits im Frieden nahmen die Festungs- und militärischen
Großstationen ausländischen Funkverkehr auf, so den Eiffelturm und
Poldhu, aber mehr als Spielerei und noch nicht planmäßig.
Gleich bei Kriegsbeginn konnten dann durch die Funkenstationen der Festungen
Königsberg, Graudenz und Thorn die russischen Funksprüche
aufgefangen und entziffert werden. Der Armeeleitung wurde damit Kenntnis von
den russischen Absichten gegeben und die zu treffenden Gegenmaßnahmen
erleichtert. Der Sieg von Tannenberg war die Folge.
Im weiteren Verlauf des Krieges wurde der Funkempfangsdienst weiter
ausgebildet. Er wurde ergänzt und unterstützt durch Einrichtung von
Richtempfangsstationen, die es mit Hilfe von Rahmenantenne und Richtkreis
ermöglichten, den Standort anderer sendender Funkstellen anzupeilen.
Dort, wo sich die Richtungspfeile von zwei bis drei solcher
Richtempfangsstationen schnitten, konnte mit ziemlicher Genauigkeit der
Standpunkt der anderen feindlichen Funkstelle angenommen werden.
Mit Hilfe der großartig arbeitenden Dolmetscher- und
Entzifferungstätigkeit der Auswertungsstellen bei den
Armee-Oberkommandos und der Obersten Heersleitung konnte auf diese Weise
ein ziemlich lückenloses Verzeichnis der feindlichen Funkstellen, ihrer
Kennzeichen und Zugehörigkeit aufgestellt werden.
Trat solch eine feindliche Station neu vor der Front auf, so konnte alsbald aus
ihrem Steckbrief auch der Verband, zu dem sie gehörte, ersehen und der
eigenen Führung dadurch die wichtigsten Aufschlüsse über
Verschiebungen an und hinter der feindlichen Front gegeben werden.
So erschloß sich den technischen Nachrichtenmitteln ein ganz neues Gebiet.
Nicht allein zur Herstellung der Verbindungen waren sie da; auch die infolge der
starren Kampfverhältnisse immer schwieriger werdende Aufklärung
ging zum großen Teil an sie über. Naturgemäß
mußte auch damit gerechnet werden, [216] daß der Feind
gleiche technische Einrichtungen zur Erkundung der deutschen
Verhältnisse verwandte.
Dadurch bot sich der Führung die Möglichkeit, eigene Absichten
durch bewußt falsche Nachrichten an bestimmten Stellen zu verschleiern
und den Gegner auf falsche Punkte hinzulenken, indem dort neue
Funkstellen - gewissermaßen als Stabsstationen neuer
Verbände - auftraten und einen vorgetäuschten Funkverkehr
durchführten. Die Aufmerksamkeit des Feindes wurde also an der falschen
Stelle festgehalten und von dem eigentlichen Angriffsgebiet abgelenkt.
Allerdings wurde dies Verfahren auch umgekehrt vom Gegner angewandt, so
daß schließlich jede Partei dabei einmal hereinfiel.
Mittlerweile hatte sich auch die Fliegerwaffe stark vergrößert und
ihren Aufgabenkreis erweitert.
Neben den Aufgaben der Aufklärung und der Bekämpfung des
Feindes fiel ihr in der Hauptsache das Einschießen und die Beobachtung
für die Artillerie zu. Um das Verfahren wirklich brauchbar zu machen,
mußte das bei Kriegsbeginn noch im ersten Versuchsstadium befindliche
Funkgerät im Flugzeug verbessert, ein System des Funkens zwischen den
Landstationen und der Bordstation geschaffen werden. In unermüdlicher
Arbeit von Industrie- und Fliegertruppe gelang dies, so daß
allmählich die Aufklärungs- und
Artillerie-Flugzeuge sämtlich mit Funkgerät ausgestattet werden
konnten, allerdings zunächst nur einseitig mit Sendegeräten.
Außerdem dienten zur Verbindung zwischen Flugzeug und Erde
Leuchtzeichen vom Flugzeug abgefeuert und Abwurfmeldungen, von der Erde
zum Flugzeug Leuchtzeichen aller Art, Sichtzeichen in Gestalt von farbigen und
weißen Tüchern, vielfach in bestimmten Formen, zur Bezeichnung
von Stäben und der vorderen eigenen Linie.
Die Feststellung der vorderen eigenen Linie mit Hilfe dieser Sichtzeichen und
Tücher wurde in den schweren Kämpfen bald eine wesentliche
Aufgabe der Infanterieflieger.
Somit war infolge des Stellungskrieges die früher der Kavallerie
erb- und eigentümliche Fern- und Nahaufklärung fast restlos an
Flieger mit Nachrichtenmitteln und an die Nachrichtentruppe abgegeben.
Bei den anderen Truppen schufen entweder die Kommandostellen, denen sie
unterstellt waren, oder die Truppen selbst aus sich heraus
Nachrichtenverbände zur Herstellung der für sie nötigen
Verbindungen. Es wurde in dieser Beziehung fast von allen einsichtigen Stellen
an der Front rastlos gearbeitet, um dieses als notwendig Erkannte zu schaffen. Bei
der Truppe kam auch zuerst die Bezeichnung "Nachrichtentrupp
oder -zug" auf in der richtigen Erkenntnis, daß im feindlichen Feuerbereich
nicht ein einziges Nachrichten- [217] mittel allein, sondern
stets mehrere sich ergänzend und unterstützend arbeiten
müssen, um einigermaßen mit im Notfall sicher arbeitenden
Verbindungen rechnen zu können.
Ganz gewaltige Anforderungen an das Können und den Mut des Einzelnen
stellte die Tätigkeit in solch einem Truppen-Nachrichtenzug. Die folgende
kurze Schilderung mag ein kleines Beispiel für das Arbeiten der
Nachrichtenmittel bei der Truppe sein:
"Pechschwarze Nacht. Im Tal der
Maas und ihren kleinen Nebentälern steigen wie im Morgenahnen
Nebelschleier auf und tasten schmeichelnd die Hänge hinan.
In den Gräben der vorgeschobenen Stellung im
Vorfeld herrscht gespannte Aufmerksamkeit. War doch von der Division gerade
vor einer Stunde die Nachricht gekommen, daß noch heute nacht der
Franzose den großen Schlag versuchen würde.
Wer weiß, vielleicht war es auch, wie schon so oft,
nur blinder Lärm. Daß der Feind jedoch etwas vorhatte, war
augenscheinlich. Die Geräusche drüben in den letzten
Nächten, ab und zu erkundende Gruppen auf den Höhen von Verdun,
ließen auf Angriffsabsichten schließen. Und seit gestern hatte auch
der feindliche Fernsprechverkehr, den die Abhörstation im
»Heckengraben« bisher aufgenommen hatte, aufgehört.
Schwach nur war die Besetzung im Vorfeld. Die erste
Kompagnie und sechs Maschinengewehre, die in Nestern im
Zwischengelände versteckt waren, sollten den ersten Anprall auf sich
nehmen, den Verteidigern der Hauptstellung Zeit zur Kampfbereitschaft geben
und dann geschickt zurückgehen.
Der Kompagnieführer hatte vom Nachrichtenzug
des Bataillons zwei Blinktrupps und Fernsprechmannschaften erhalten, die mit
dem Abschnittskommandeur auf Höhe 344 Verbindung zu halten
hatten. Verabredete kurze Zeichen waren für die verschiedenen Fälle
vorgesehen. Dazu hatte er in seinem Unterstand einen Korb mit Brieftauben, die
ihren Heimatschlag dicht beim Divisionsstab hatten und so in wenigen Minuten
der Führung Kunde von den Vorgängen vorn geben konnte.
Da von der schnellen und sicheren Nachrichtenverbindung
mit der Vorfeldbesetzung viel abhing, war auch eine Fernsprechleitung zur
Hauptstellung gelegt und an ihr entlang gleichzeitig als Störungsucher
Läuferposten mit Leuchtpistolen verteilt.
Der verwünschte Franzmann machte ihnen das
Leben nicht leicht. Die Feuerüberfälle in das Vorfeld
zerstörten immer wieder stellenweise das Kabel, und mancher brave
Grenadier verlor bei dem Flicken der Leitung sein Leben.
Leider war es nicht möglich gewesen, eine
Funkstelle nach vorn zu bringen, die Gefahr der Überrumpelung vor
Aufnahme des Funkverkehrs war zu groß. Die nächste Funkstelle
befand sich erst beim Abschnittskommandeur auf Höhe 344.
[218]
Wenn nur jetzt der Nebel nicht käme! Die nach dem Feinde zu durch den
Höhenkamm gedeckte Blinkstelle der 1. Kompagnie im Vorfeld versuchte
vergeblich mit der Gegenstation Verbindung aufzunehmen.
Dauerlicht! — Drüben regt sich nichts. Also noch einmal.
Endlich, ganz schwach, erscheint ein Lichtpünktchen drüben. Ein
Blinkverkehr ist damit jedoch nicht durchzuführen. Und der Nebel wird
immer dichter. »Wenn nur die Leuchtzeichen drüben noch zu sehen
sind,« denkt der Kompagnieführer, »ohne die
Unterstützung durch die Artillerie mit Sperrfeuer bin ich bei einem
ernstlichen Angriff sonst schlimm daran.«
Auf telephonischen Anruf meldet sich noch einmal
Höhe 344. Gott sei Dank, daß der Draht noch in Ordnung ist und
Dank den braven Störungssuchern, die diese schwierige gefahrvolle
Ausbesserung da draußen im deckungslosen Gelände noch einmal
erledigten.
Vereinzelte Granaten des Gegners als
Störungsfeuer gehen in die Stellung und in das Zwischengelände.
Nicht gerade zahlreicher als sonst auch. Oder scheint es doch so? Die Zeit kriecht
dahin. —
Da! Ein Gewehrschuß aus Sappe 11! Handgranaten
krachen hinterher! Gleich darauf die Leuchtkugeln »rot mit
Verästelung« - das Sperrfeuerzeichen. Rufe! Lärm. Die
Sirene heult. Der Kompagnieführer kann gerade noch seine Leuchtpistole
zweimal abfeuern, dann ist er schon im Handgemenge mit dem eingedrungenen
Gegner. —
Der Sappenposten hatte plötzlich Klirren und
Knacken am Drahtverhau gehört, zu sehen war nichts bei der Dunkelheit
und dem Nebel; kaum daß er noch sein Gewehr abfeuern konnte, dann war
auch schon der Feind über ihm. Verzweifelnd kämpfend weicht das
kleine Häuflein der Verteidiger. Nun setzt auch in das
Zwischengelände und auf die Hauptstellung das feindliche
Vernichtungsfeuer ein. Zum Telephonieren bleibt keine Zeit mehr. Der Draht ist
entzwei, die Läufer kommen durch den Feuerriegel nicht durch.
Nur »Phylax«, der Meldehund, die
Meldekapsel am Halsband, springt mit eingekniffenem Schwanze geschickt den
feindlichen Einschlägen ausweichend zum Unterstand des
Abschnittskommandeurs, Kunde bringend von der Räumung des
Vorfeldes.
Hier in der Hauptstellung hängt die erfolgreiche
Abwehr von dem sicheren Arbeiten der Nachrichtenverbindungen besonders
zwischen Infanterie und Artillerie ab. Alle Nachrichtenmittel, bedient von den
Mannschaften der verschiedenen Waffengattungen, werden hier, ähnlich
wie es bei dem Vorfeldkampf geschah, sich ergänzend und ersetzend
neben- und nacheinander eingesetzt.
Technische Vollkommenheit der einzelnen Mittel und der
Todesmut der Bedienung werden hier erst in dem Trommelfeuer richtig auf die
Probe gestellt. Eiserne Nerven gehören dazu, in dem Toben des Kampfes
den Hörer am Ohr zu halten und sorgsam die Morsezeichen aufzunehmen,
eisernes Pflichtgefühl und absolute Verleugnung des eigenen Ichs, um im
deckungslosen Gelände [219] im Granatfeuer den
zerschossenen Fernsprechdraht zu flicken! »Vergessen und verklungen ist
hier manch Heldenlied.«"
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