Bd. 6: Die Organisationen der Kriegführung,
Erster Teil:
Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden
Organisationen
Kapitel 5: Die
Nachrichtenmittel (Forts.)
Hauptmann Rudolf Schmidt
2. Die Nachrichtenmittel bei Mobilmachung und
bei Kriegsbeginn.
Es kam der Krieg. Nun sollte es sich herausstellen, wie das ganze
Rädergetriebe der Heeresmaschine arbeitete.
Mit Feuereifer ging man in der Telegraphentruppe an die Mobilmachung. Jetzt
wollte man zeigen, was die Truppe konnte und wie sie den übrigen Waffen
und der Führung zu helfen vermochte. Bei den
Telegraphen-Bataillonen waren zunächst die Funkenstationen marschbereit,
um bestimmungsgemäß mit [205] den
Kavallerie-Divisionen als erste an den Feind zu gehen, beneidet von ihren
Kameraden der Fernsprechverbände, die sich jetzt erst auf die Eisenbahn
setzen und in alle Winde zu ihren Mobilmachungsorten
und -Truppenteilen zerstreuen mußten.
Aus Mangel an genügend zahlreichen aktiven
Telegraphen-Bataillonen mußte die Mobilmachung der
Feld-Telegraphenverbände bei anderen Waffen
(Pionier-Bataillonen, Infanterie-Regimentern, Kavallerie-Regimentern) der
einzelnen Korpsbereiche erfolgen. Dort lagerten die Bestände an
Fahrzeugen, Gerät, Bekleidung, dorthin waren die Reservisten beordert.
Eine Kontrolle der vorausgegangenen Mobilmachungsvorarbeiten war dadurch
erschwert, daß mehrere Stellen, räumlich weit getrennt, das gleiche
bearbeiten mußten. Fehlerquellen unangenehmster Art waren die Folge.
Ganz besonders unglücklich traf es sich, daß bei Kriegsbeginn die
Telegraphentruppe gerade in der durch die letzten Parlamentsbewilligungen
begonnenen Umorganisation sich befand. Die Zusammensetzung und Ausstattung
der Feldformationen sollte anders, neue Formationen sollten aufgestellt werden.
Bei einigen Verbänden waren diese Änderungen bereits
durchgeführt, bei anderen war sie noch im Gange, die Fahrzeuge zum Teil
noch in den Fabriken; an wieder anderen Stellen war wegen der in Aussicht
genommenen langen Frist zur Durchführung der Umorganisation (bis 1920)
überhaupt noch nicht damit begonnen worden.
Hieraus ergaben sich die buntscheckigsten und sonderbarsten Bilder bei der
Mobilmachung, und Aufgaben, die an die mit der Mobilmachung der
Feldformationen beauftragten Offiziere ungeheure Anforderungen stellten. An
einigen Orten war außer einem nicht ganz richtigen Mobilmachungsplan
und einer Fülle von begeisterten Reservisten und Freiwilligen nichts
vorhanden; anderswo war das Gerät da, aber es fehlten die Leute. Wieder
an anderer Stelle war alles in schönster Ordnung.
Kurzum: infolge der besonderen, ungünstigen Umstände herrschten
wesentlich schwierigere Verhältnisse bei den nicht in ihrer
Friedensgarnison mobil werdenden Verbänden.
An Feldformationen der Telegraphentruppe waren vorgesehen:
- bei den aktiven Korps und Reservekorps:
Korpsfernsprech- oder Korps-Telegraphenabteilungen (je nach dem Stande der
Umformung);
- bei einer Anzahl Reservedivisionen mit selbständiger Verwendung:
Reserve-Divisions-Fernsprechabteilungen;
- bei sieben Armee-Oberkommandos: Armee-Telegraphenabteilungen und
Funkerkommandos.
Während die Korps-Fernsprechabteilungen teilweise schon nach neuem
Muster zu einem Kommando und 5 Zügen formiert waren (der Zug zu 4
Bautrupps mit je 1 vierspännigen Fahrzeug, außerdem 1
Vorratswagen mit einer Be- [206] ladung von rund
40 km Feldkabel; beim Kommando der Abteilung außerdem noch 10
Fahrzeuge als Stations-, Lebensmittel- und Futterwagen, Packwagen und
besonderes Stationsgerät) befanden sich die
Armee-Telegraphenabteilungen in einer vorsündflutlichen Gestalt (schwere
alte vierspännige Fahrzeuge, veraltete Kabeltrommeln und Baugerät,
unpraktische Einteilung der Züge zum Leitungsbau, keine Ausstattung mit
blankem Draht und Gerät für den Bau fester Telegraphenleitungen).
Die von der Reichs-Telegraphenverwaltung aufgestellten
Etappen-Telegraphendirektionen waren sogar noch rückständiger.
Sie bestanden nur aus nicht militärischem Personal und waren für ein
schnelles Nachbauen von Leitungen gar nicht geeignet. Eine Ausstattung des
Heeres mit besonderen Kraftfahr-Fernsprechformationen war zu Kriegsbeginn
nicht vorhanden.
Insgesamt rückten im August 1914 ins Feld:
7 |
Etappen-Telegraphendirektionen, |
7 |
Armee-Telegraphenabteilungen, |
36 |
Korps- und Divisions-Fernsprechabteilungen, |
8 |
Festungs-Fernsprechkompagnien und 2 selbständige
Fernsprechzüge, |
7 |
Funkerkommandos, |
36 |
Funkenstationen, |
7 |
Etappen-Fernsprechdepots, |
9 |
Telegraphen-Ersatzbataillone. |
"Der Krieg begann damit, daß die Verbindungen aufhörten."
Auf dem östlichen Kriegsschauplatz war es in Ostpreußen in bezug
auf Nachrichtenverbindungen ganz traurig bestellt. Dieser Landesteil, für
dessen Sicherung gerade das Bestehen guter Verbindungen ausschlaggebend war,
besaß außer einigen großen Leitungslinien nur einfache
Orts- und Gutsverbindungs-Fernsprechleitungen. Wenn auch die Preisgabe der
Provinz ursprünglich vorgesehen war, so wäre doch auch gerade
für die Durchführung der Räumung ein dichtmaschiges
Leitungsnetz wertvoll gewesen. So aber mußten einfache Ringleitungen, an
denen zahlreiche Förstereien, Molkereien, Güter und Dörfer
hingen und die sämtlich jedes Gespräch mithören konnten, als
Nachrichtenbasis für die Operationen und als Meldeleitungen für die
an die Grenze vorgeschobene Aufklärung dienen.
Ähnlich stand es in Posen und Schlesien.
Im Westen war das Netz in den Grenzgebieten als Folge der lebhaften Industrie
dichter.
Die Möglichkeit, durch die Heimat hindurch von Westen nach Osten zu
sprechen, wenigstens zu den Stellen, an denen planmäßig die Oberste
Heeresleitung und die Armee-Oberkommandos ihre ersten Sitze hatten, war nicht
vorgesehen. So kam es, daß gerade in den entscheidendsten Tagen das
Große Hauptquartier im Westen ohne Fernsprechverbindung mit der
Heeresleitung im Osten blieb. Diese Schwierigkeiten bestanden schon auf
Heimatsgebiet. Sie wurden [207] noch stärker, als
der rasche Vormarsch im Westen die Truppen tief nach Frankreich
hineinführte.
Die gänzlich unzureichenden Armee-Telegraphenabteilungen und
Etappen-Telegraphendirektionen waren nicht in der Lage, die weit vorgeeilten
Armee-Oberkommandos mit der Obersten Heeresleitung, die nach Luxemburg
gegangen war, verbunden zu halten.
Innerhalb der Armeen stand es fast überall ebenso ungünstig mit der
Verbindung zu den Korps. Die wenigen (36) Funkenstationen, die obendrein auf
beide Kriegsschauplätze verteilt waren, konnten nach ihrer ganzen Eigenart
und Verwendungsmöglichkeit nie den
Fernsprech- oder Drahttelegraphen ersetzen, sondern immer nur ergänzen.
Leider war das auf Grund der geringen bis dahin gewonnenen Erfahrung der
leitenden Stellen vom Wesen der Nachrichtenübermittlung nicht
überall erkannt. Die ganze Tragik der Marneschlacht kommt einem erst
recht zum Bewußtsein, wenn man sieht, wie die fehlenden
Nachrichtenverbindungen die Führerentschließung ungünstig
beeinflußten.
So kennzeichnet General der Infanterie v. Freytag-Loringhoven, lange Zeit
Generalquartiermeister, sie mit den Worten: "So schlecht auch die
funkentelegraphische Verbindung mit der Obersten Heeresleitung arbeitete"... und
weiter:
"Ein entlastendes Moment bildet
überhaupt für die Oberste Heeresleitung und in anderer Hinsicht auch
für die Armeeführungen, daß zu Beginn des Krieges unsere
technischen Nachrichtenmittel für die Verwendung so großer
Massen, wie sie hier in Betracht kamen, bei weitem nicht ausreichten. Des
weiteren muß berücksichtigt werden, daß wir den Massenkrieg
im Frieden nur immer theoretisch erlernen konnten. Bei Operationsstudien und
Generalstabsreisen aber konnten die Schwierigkeiten der Verbindung zwischen
den einzelnen Kommandobehörden niemals in gleichem Maße zum
Austrage kommen, wie in der Wirklichkeit. So hat sich die Oberste Heeresleitung
die Regelung der Bewegungen der Armeen offenbar zu leicht
gedacht."
Woran das "schlechte Arbeiten der funkentelegraphischen Verbindungen" lag, ist
bereits an früherer Stelle ausgeführt worden. Die zu geringe Zahl von
Stationen, die Ungewandtheit der höheren Stäbe in der Anwendung
der Funkentelegraphie zur Befehlsübermittelung, die langsame
Übermittelung der Funksprüche infolge des notwendigen
Chiffrierens und Dechiffrierens der Telegramme und das Nichtvertrautsein mit
den elementarsten Einsatzbedingungen der technischen Nachrichtenmittel tragen
wohl hieran mehr Schuld, als irgendein Versagen der Telegraphentruppe. Im
Gegenteil, man kann behaupten, wenn überhaupt eine technische
Nachrichtenverbindung mit den gänzlich unzureichenden Mitteln zustande
kam, war es nur der unermüdlichen Arbeit und der Tatkraft der sich
aufopfernden Offiziere und Mannschaften der Telegraphentruppe zu danken.
Die unermüdliche Tätigkeit der Telegraphentruppe versuchte die
Schwierig- [208] keiten aus dem Wege
zu schaffen, je nach den führenden Persönlichkeiten mit mehr oder
weniger Glück.
Innerhalb der Korps mußte die Führung froh sein, wenn sie
während des Bewegungskrieges stets mit ihren Divisionsstäben
durch Fernsprecher verbunden sein konnte. Leicht war das nicht, da sehr bald,
ähnlich wie bei der Munition, ein absoluter Stillstand im Nachschub von
Kabel und Telegraphengerät eintrat. Durch geschickte Ausnutzung der in
Feindesland vorgefundenen festen Leitungen, durch erbeutetes Fernsprechmaterial
konnte wenigstens einigermaßen auf beiden Kriegsschauplätzen
Abhilfe geschaffen werden.
Die Funkverbindung wurde innerhalb der Korps noch
verhältnismäßig wenig ausgenutzt, einmal, weil nicht
genügend Stationen vorhanden waren, dann aber auch, weil seitens der
Stäbe eine gewisse Abneigung gegen das Funken bestand, da hier nicht, wie
beim Fernsprecher, die Möglichkeit gegenseitiger Aussprache gegeben
war.
Und wie hätte man Funkstellen brauchen können!
So hing alles von dem armen Fernsprechmann ab. Mit der vormarschierenden
Truppe mühsam Schritt haltend, baute er seine Kabelleitung zuerst an der
Vormarschstraße unter Ausnutzung der dort stehenden Bäume und
der etwa noch vorhandenen Telegraphenstangen. Hatte er dann glücklich in
der Dunkelheit den Standort oder den Unterkunftsort des Generalkommandos
oder Divisionsstabes erreicht, wo sich alles an den kleinen gelben
Fernsprechkasten drängte, um Befehle und Anordnungen durchzugeben, so
hörte gar zu oft nach den ersten Worten die Verbindung auf. Dem schon
ungeduldig erwarteten und bei seinem Erscheinen mehr oder weniger freudig
begrüßten Fernsprechoffizier
oder -Unteroffizier wurde es beklommen zumute. Er war so froh, daß nun
endlich seine ermüdeten Leute wenigstens teilweise Ruhe und Essen finden
konnten, denn während des Baues war an etwas derartiges nicht zu denken
und - Feldküchen besaß die Fernsprechabteilung noch
nicht.
Zunächst wird am Apparat nachgesehen und geprüft, wo der Fehler
steckt, andere laufen vor das Haus, Château oder Panjehütte je nach
der Gegend, und sehen nach, ob nicht ein Meldereiter vielleicht das Kabel zum
Anbinden seines Pferdes, eine Küchenordonnanz den Erdleitungsdraht
für lukullische Zwecke gebraucht hat. Hier liegt der Fehler nicht. Also:
Störungstrupp los! Bei dunkler Nacht, im Regen, stampfen die vier Leute
durch den polnischen Schmutz, von Zeit zu Zeit durch Anschalten an der Leitung
die Ausgangsstation anrufend. Noch immer kommt man nicht an die Fehlerstelle!
Da endlich, Feuerschein, dunkle Massen. Ein nasses Lustbiwak des großen
Trosses, der hier hart am Wege rastet. Die dort vormals stehenden
Fernsprechstangen spenden jetzt die zum Kaffeekochen erforderliche
Wärme, der Draht hat sich in Atome aufgelöst. Ein Loch von
1 km Ausdehnung klafft in der Leitung. Was nützt alles Jammern!
Soviel Ersatzdraht hat man nicht mit. Schnell den Stab [209] angerufen, den Vorfall
gemeldet und Draht erbeten. In der Zwischenzeit sitzt ein Fernsprecher an dem
einen Ende der Leitung und nimmt beim Schein einer Taschenlaterne den Befehl
für die 2. Division auf, den der erste Generalstabsoffizier des
Generalkommandos ihm diktiert. Leider treten hierbei einige Stockungen auf, da
der Telegraphist naturgemäß taktisch nicht ganz auf der Höhe
ist. Fertig - der Text wird verglichen, dann wird an die andere Seite der
Lücke gelaufen und von dort auf dem noch intakten Draht der Befehl an die
2. Division weitergegeben. Endlich kommt auch neuer Draht, das Loch wird
geflickt und gegen Morgen treffen die Störungssucher wieder beim Stabe
ein, um endlich Ruhe und Verpflegung zu finden, bis die Pflichten und Sorgen
dieses Tages sie rufen. Und oft wiederholten sich solche Störungen
mehrmals in der Nacht.
Der größte Feind der Fernsprechleitungen war oft die eigene
marschierende oder rastende Truppe, die rücksichtslos alles zerstampfte,
was ihr im Wege war. Selbst das Weitabbleiben vom Wege mit
Fernsprechleitungen half häufig nicht, da sich besonders im Osten solche
Vormarschstraßen ungeahnt verbreiterten.
Beim Stabe, wo alles darauf brannte, den wichtigen Befehl loszuwerden, wo der
Munitions- und Verpflegungsnachschub noch erledigt werden mußte, wuchs
die Nervosität und Ungeduld von Minute zu Minute. Man war damals eben
selbst unter den höheren Offizieren, geschweige denn in der Truppe im
klaren, von welchen Zufälligkeiten und Bedingungen die Herstellung der
Nachrichtenverbindung abhing. Jedenfalls war die durch derartige
Störungen im entscheidenden Moment erzeugte Nervenanspannung gerade
zu Beginn des Krieges ganz außerordentlich groß. Ruhe kannte die
Telegraphentruppe nicht. Und es kann ihren Angehörigen gar nicht genug
gedankt werden, was sie in diesem aufreibenden, undankbaren Dienst geleistet
haben. An dem Pour le Mérite manches ruhmvollen Führers
haben auch sie ihr bescheidenes Teil.
Diese kurze Skizze soll nur einen ganz oberflächlichen Einblick in die
mannigfachen Widerwärtigkeiten geben, die bei der Herstellung von
Nachrichtenverbindungen auftraten, die oft für den Ausgang einer
Operation entscheidend werden konnten und z. B. an der Marne
mitentscheidend waren. Sie kamen bei allen Nachrichtenmitteln vor, im
Bewegungs- und Stellungskrieg. Und als dann später noch die dauernd sich
steigernde feindliche Feuerwirkung und Fliegerbomben hinzukamen, kann man
sich ein Bild davon machen, wie schwierig es war, dauernd alle Stellen in
Verbindung miteinander zu halten. Hieraus entwickelte sich zwangsläufig
die Erfahrung, sich und das Schicksal von Tausenden nicht einem einzigen
Nachrichtenmittel - wie dem Fernsprecher oder
Funker - anzuvertrauen, sondern auf wichtigen Strecken möglichst
viele verschiedene nebeneinander sich ergänzende und
vorübergehend ersetzende, einzusetzen. Ganz langsam brach sich diese
Erkenntnis Bahn, und von ihr ging ein ungeahnter Aufschwung in der
Nachrichtentechnik überhaupt aus. Zunächst jedoch, im Anfang
[210] des Krieges, hatte man
eben nur den Fernsprecher und selten den
Funker - damit mußte man durchkommen.
Die Eigenart des Nachrichtendienstes stellte an die Selbständigkeit und
Entschlußkraft jedes einzelnen Mannes, Fernsprecher oder Funker, und
ebenso an die im Nachrichtendienste verwendeten Angehörigen der anderen
Truppengattungen hohe Anforderungen. Der Fernsprechbautrupp, aus einem
Führer und 7 Telegraphisten, dazu
2 - 3 Fahrern bestehend, war die Baueinheit der
Fernsprechformationen. Ihm wurde im Bewegungskrieg eine je nach der Menge
des verfügbaren Kabels verschieden lange Baustrecke zugeteilt, die er dann
auch noch meist instandhalten und später abbauen mußte. Nichts
Ungewöhnliches waren hier Strecken von
10 - 30 km. Zum Teil ganz allein in wildfremder, durch keine
anderen Truppen gesicherter Gegend, saß dann manch ein Telegraphist an
der Leitung als Störungsstelle angeschaltet. Mit seiner eisernen Portion
mußte er oft mehrere Tage aushalten. Dieses Inordnunghalten der
anvertrauten, mehrere Kilometer langen Leitungsstrecke ließ ihn nicht zur
Ruhe kommen.
Dazu kam häufig die Abwehr streifender Kosaken. Wie oft waren die
einzigen Aufklärungs- und Erkundungsorgane, meist unbeabsichtigt,
infolge der schnell wechselnden Momente des Bewegungskrieges,
Fernsprechstationen, die weit seitlich der neuen Marschstraßen von Korps
und Division lagen! Es würde zu weit führen, sollten an dieser Stelle
all die Heldentaten aufgezählt werden, die von den Telegraphisten
gewissermaßen nebenbei als etwas Selbstverständliches geleistet
wurden.
Jedenfalls wurde an die Entschlußkraft und den Charakter der
Angehörigen der Telegraphen-, später Nachrichtentruppen die
höchsten Anforderungen gestellt. Daß sie erfüllt wurden,
beweist die Pflichttreue des Ersatzes, der vom Frieden her in der ersten Kriegszeit
der Telegraphentruppe zu eigen war.
Innerhalb der einzelnen Truppen war zunächst eine Verwendung von
Fernsprechern kaum möglich. Das Gerät genügte nicht, der
Nachschub fehlte; die Truppen konnten die Nachrichtenmittel nicht gebrauchen
und von der Telegraphentruppe war eine Zuteilung von Personal zur Infanterie
oder Artillerie nur in den seltensten Fällen möglich. Hier konnte man
also von einer geregelten Nachrichtenverbindung nicht sprechen. Immerhin zeigte
aber die Infanterie Verständnis und bemühte sich zu lernen,
während die Feldartillerie, die mehr als jede andere Waffe auf die
Fernsprechverbindung angewiesen war, eigentlich bis zum Kriegsende in der
Verwendung der Nachrichtenmittel verhältnismäßig
ungeschickt blieb. Für Führung und Truppe zeitigte die Sparsamkeit
vor dem Kriege und die zu späte oder nur geringe Erkenntnis von der
Wichtigkeit der technischen Nachrichtenmittel außerordentlich nachteilige,
die Kriegsentscheidung beeinflussende Folgen.
[211] Wie groß die
Schwierigkeiten, besonders im Osten, für die Telegraphentruppe waren,
zeigten die vielen Improvisationen, die bei dem Fehlen planmäßiger
Einrichtungen geschaffen wurden. Schon die vom Mobilmachungsort
ausrückende Telegraphentruppe benutzte
oft - in Ermangelung richtiger
Fahrzeuge - Ersatzwagen jeder Art: Kremser, Leiterwagen. Später
wurde vielfach auf den sogenannten Panjewagen zurückgegriffen.
Funkenstationen in Möbelwagen aufmontiert bildeten sogar den Stolz der
betreffenden Dienststellen.
Hand in Hand mit dem Gebrauch der Nachrichtenmittel jenseits der Grenzen ging
der Ausbau der großen Fernsprech- und Telegraphenlinien in der Heimat.
Hierin hat die Reichs-Telegraphenverwaltung Großes geleistet und trotz
schwierigster Personalfragen - das ausgebildete
Telegraphenbau- und -betriebspersonal war großenteils zum Heeresdienst
eingezogen, aber nicht bei der Telegraphentruppe, wo sie gebraucht worden
wären, sondern zur Infanterie,
Artillerie usw. - doch eine brauchbare
Sprech- und gute Telegraphierverbindung zwischen dem östlichen,
westlichen und südöstlichen Kriegsschauplatz geschaffen
(Charleville - Coblenz -
Berlin - Posen - Warschau und über
Breslau - Budapest nach Nisch, Sofia, Bukarest). Aber diese Bauten
blieben immer nur eine Art Aushilfe. Eine großzügige Veranlagung
und Linienführung des Heimatnetzes für die Zwecke der
Heeresführung fehlte und konnte erst gegen Ende des Krieges
einigermaßen erreicht werden.
[Beilage zu Bd. 6]
Linienkarte der vorhandenen Telegraphen-Fernsprech- u.
Fernschreiber-Leitungen
vom Großen Hauptquartier nach dem Stande vom 1. Januar
1916. [Vergrößern]
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Die vielen Hemmnisse, die durch die Schwierigkeiten in der
Nachrichtenübermittelung für die Führung und Truppe
eintraten, wurden in der Telegraphentruppe und auch an vielen Kommandostellen
voll anerkannt, Abhilfe gefordert, Organisationsvorschläge gemacht und
der Nachrichtentechnik neue Bahnen gewiesen. Leider konnten sich Oberste
Heeresleitung und Kriegsministerium trotz der allmählich einsetzenden
dringenden Mahnungen des Feldtelegraphenchefs nicht zu den durchgreifenden
Maßnahmen entschließen, die zum sachgemäßen Ausbau
des Nachrichtenwesens nötig waren. Auch hier wurden nur die kleinen
Fehler gebessert durch Maßnahmen, in denen das jeweils Dringendste
angeordnet wurde.
Wie bei der Aufstellung der übrigen Neuformationen hätte sich in
den ersten Kriegsjahren bei großzügigem Vorgehen auch eine ganz
bedeutend bessere Telegraphentruppe schaffen lassen, als es späterhin
möglich war.
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