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Bd. 6: Die Organisationen der Kriegführung, Erster Teil:
Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden Organisationen

  Kapitel 2: Die Versorgung des Heeres mit Pferden   (Forts.)
Generalmajor Hans Föst

6. Die Kriegserfahrungen.

Der verflossene Feldzug hat gezeigt, daß die deutschen Pferde in der Heimat zu wenig hart aufgezogen, zu wenig an Freiaufenthalt bei schlechter und kalter Witterung, sowie an Ersatzfuttermittel gewöhnt und daher anfälliger und zu wenig widerstandsfähig sind. Sowohl in der Aufzucht, als auch in der ganzen Pferdebehandlung hätte also schon vor dem Kriege mit Rücksicht auf die spätere Feldverwendung ein Wandel geschaffen werden müssen.

Eine seltene Ausnahme von der vor dem Kriege allgemein üblichen Pferdehaltung machte die Berliner Omnibusgesellschaft. Diese stellte bei der Mobilmachung wahrhafte Kriegspferde, die sich denn auch glänzend bewährten. Die Pferde der Berliner Omnibusgesellschaft standen in den Ställen Sommer und Winter bei offenen Türen, waren also ständig der Kälte und der Zugluft ausgesetzt. Da sie infolgedessen in den Wintermonaten einen langen Pelz bekamen, sehr geschwitzt und viel Futter gebraucht hätten, so wurden sie ständig nach Bedarf geschoren. Sie kamen warm und zum Teil sogar naß von der Arbeit zurück, erhielten, ehe sie in den Stall gingen, kaltes, fließendes Wasser zu saufen und blieben dann uneingedeckt im Stall stehen. Die Pferde bekamen ausschließlich Maisfutter, hatten schwere und lang andauernde Arbeit, meist im Trabe auf hartem Boden zu leisten und mußten den oft über 60 Zentner schweren Omnibus etwa 800 mal am Tage aus dem Halten anziehen. Die meisten Pferde stammten aus Rußland, Russisch-Polen und Galizien. Der Pferdebestand von rund 8000 Stück behielt auch fern der Heimat seine Eigentümlichkeiten hinsichtlich [65] Härte und Widerstandsfähigkeit. Die Stallhaltung und Pflege waren allerdings das gerade Gegenteil von dem, was man bisher im allgemeinen für ein Soldatenpferd angestrebt hatte.

Über die Bewährung des Pferdematerials im Felde und über die künftige Gestaltung der Landespferdezucht waren schon Mitte 1916 vom Kriegsministerium Berichte der Feldtruppen eingefordert. Für die damalige Berichterstattung waren Fragebogen zur Beantwortung aller einschlägigen Fragen ausgegeben. Man glaubte damals schon an maßgebender Stelle, daß die zweijährigen Kriegserfahrungen auf den verschiedensten Kriegsschauplätzen eine genügende Grundlage hierfür böten. Die längere Dauer des Krieges hätte wohl auch kaum neue Erfahrungen gebracht.

Als Reitpferd ist dem ostpreußischen Pferde, wie es im Frieden für die Remontierung der Armee bisher gezogen, vor allen anderen Pferderassen als Militärpferd der Vorzug zu geben. Allenfalls kommt dem Ostpreußen der gutgezogene hannoversche Halbblüter einigermaßen gleich.

An guten Reitpferden war natürlich allgemein Mangel; selbst die lange Dauer des Krieges ermöglichte in den wenigsten Fällen eine systematische Remonteausbildung bei den Feldtruppen. Vor allem fehlte es auch an guten Reitern, aber auch an Reitlehrern; außerdem war die für eine systematische Ausbildung allein in Frage kommende, den Truppen gewährte Ruhezeit gewöhnlich zu kurz bemessen. Die Truppe mußte sich also im allgemeinen mit nur eben angerittenen, zum Teil sogar mit so gut wie rohen Reitpferden behelfen. Am meisten machte sich das Fehlen durchgerittener und durch Reiten im Gelände geübter Pferde bei Patrouillenritten und für die Meldereiter und Befehlsempfänger fühlbar. Es ist erstaunlich, daß trotzdem auch unter den schwierigsten Gelände- und Witterungsverhältnissen der Sicherungs-, Aufklärungs- und Meldedienst eigentlich kaum versagt hat.

Bei den Zugpferden kam es weniger auf die Rasse, sondern hauptsächlich auf das Gebäude an. Ein gutes Zugpferd darf nicht zu groß, muß kurz und gedrungen gebaut sein, starken Knochenbau, breite Brust, gute Hufe und geräumige Gänge haben. Das diesen Anforderungen entsprechende Halbblutpferd, wie es in Hannover, Oldenburg und Schleswig-Holstein in der Hauptsache gezogen wird, hat sich in jeder Weise als brauchbares Zugpferd erwiesen. Die leichteren dänischen Pferde, die Ardenner, die mittelschweren bayrischen Landpferde, die schweren mecklenburgischen und schleswig-holsteinischen und die schwereren ost- und westpreußischen Landschläge erwiesen sich gleichfalls als brauchbare Zugpferde. Ein besonderes Bild, wie sich die deutschen Landschläge, aus Warmblutbezirken stammend, bei den Kolonnen und Trains bewährt haben, zeigte eine Besichtigung der Pferdebestände des XVII. Armeekorps, das damals schon sehr schwere Kriegsperioden hinter sich hatte (Herbst 1914 Litauen, Masuren, Polen, 1915 große Offensive bis zur Düna, darauf starke Rückmärsche bis zur preußischen Grenze, Herbst 1915 Über- [66] führung nach Frankreich). Fast alle Kolonnen hatten noch die Hälfte bis Dreiviertel ihres alten Bestandes in bester Verfassung. Eine Proviantkolonne, die mit 185 in der Gegend von Elmshorn in Holstein angekauften Pferden ausgerückt war, besaß hiervon im Herbst 1916 noch 122 Pferde, obgleich sie den Vormarsch in Galizien, Russisch-Polen und den überaus anstrengenden Winter in Serbien hinter sich hatte. Die ausgesprochen kaltblütigen schweren Pferde, wie die des belgisch-rheinischen Pferdeschlages, zeigten sich dagegen nur unter günstigen Wege-, Witterungs- und Futterverhältnissen als brauchbar. Das schwere Pferd ist im allgemeinen wegen seiner Empfindlichkeit und geringen Widerstandsfähigkeit kein für Kriegsverhältnisse geeignetes Zugpferd. Die schweren Pferde kamen infolge Überanstrengung, Futterknappheit, namentlich aber Mangel an ausreichendem Rauhfutter, durch naßkalte Witterung und lange Märsche in tiefem, aufgeweichtem Boden sehr rasch im Futterzustand und in ihrer Leistungsfähigkeit herunter. Diese Pferde erholten sich sehr schwer wieder.

Außerdem stellten sich gerade bei den schweren Pferden die verschiedensten Erkrankungen in erhöhtem Maße ein, wie Verschlag, Verdauungsstörungen, Druse und Brustseuche. Bei längerer Arbeit auf hartem Boden traten infolge der meist flachen und spröden Hufe vielfach Huferkrankungen auf, die einen besonderen Beschlag erforderten. Häufig gingen schwere Pferde nach Anstrengungen ohne besondere Krankheitserscheinungen ein; meist wurde in solchen Fällen als Todesursache Herz-, Lungen- oder Nierenschlag festgestellt. Das schwere Halbblutpferd hat sich dem schweren Kaltblüter in jeder Weise überlegen gezeigt und hat auch bei schlechten Wege-, Witterungs- und Futterverhältnissen im allgemeinen nicht versagt. Allen Erkrankungen, die beim Dienst im Felde naturgemäß mehr oder weniger, je nach den sie begünstigenden Verhältnissen, immer auftreten werden, sind die schweren Halbblutpferde bei weitem weniger wie die kaltblütigen schweren Pferde ausgesetzt gewesen.

Die ausgesprochen schweren Pferde zeigten sich nur zur Bespannung der ganz schweren Geschütze, sowie besonders schwerer Spezialfahrzeuge am Platze.

Das auf den östlichen Kriegsschauplätzen vorgefundene landesübliche Pferd, das sogenannte Panjepferd, hat sich in den größeren Exemplaren als durchaus brauchbares Militärpferd für leichteren Zug und als Reitpferd für leichteres Gewicht erwiesen, zumal infolge seiner Anspruchslosigkeit hinsichtlich Verpflegung und Unterkunft und seiner Widerstandsfähigkeit gegen Witterungs- und Krankheitseinflüsse.

Versuche mit der Panjepferdezucht in großem Stile auf dem östlichen Kriegsschauplatz in einem großen, entsprechend eingerichteten Feldgestüt haben keine besonders günstigen Ergebnisse gezeitigt. Es scheint, als ob die Panjepferde für moderne Pferdekultur nicht ausreichend Anpassungsvermögen besitzen. Aber auch für die heimatliche Pferdezucht dürfte die Zucht des russischen Kleinpferdes nicht zu empfehlen sein, da die ganzen Bedingungen in Deutschland doch zu verschieden [67] von denen Rußlands sind. Der deutsche Bauer wird sich nie daran gewöhnen, sein Pferd bei Wind und Wetter ins Freie zu jagen und diesem das Suchen des Futters, selbst bei dürftiger Weide, zu überlassen. Außerdem bedingen die heimischen landwirtschaftlichen Arbeiten bei der intensiveren Bewirtschaftung des meist schweren Bodens auch einen kräftigeren Pferdeschlag.

Tragtiere kamen bisher in Deutschland, auch in den Gebirgsgegenden, nur in geringer Zahl zur Verwendung, so daß den während des Krieges aufgestellten Gebirgsformationen aus der Heimat kaum Tragtiere zugeführt werden konnten.

Die meisten aus Deutschland stammenden Tragtiere gingen in den Karpathen schon auf dem Vormarsch zugrunde. Die ungarischen Pußtapferde und die russischen Panjepferde waren als Tragtiere meist nicht sonderlich geeignet. Sie waren zu schmal gerippt, während von einem guten Tragtiere breite Brust neben kurzem kräftigen Rücken gefordert werden muß. Die besten Tragtiere waren fraglos die Maultiere. Trotzdem zogen die meisten Kommandeure von Gebirgstruppen Pferde vor, weil die Behandlung der Maultiere nicht so einfach war. Dieselben wurden oft störrisch und bereiteten dadurch beim Marsch Aufenthalte; oft konnte nur ein und derselbe Wärter mit diesen Tieren umgehen.

Von den Pferden bewährten sich als Tragtiere am besten die zähen, leistungsfähigen Bosniaken, die sich auch bei Futtermangel mit den aufzufindenden Ersatzfuttermitteln wie Mais, Blätter, Baumrinde, Sträucher und Gräser noch gut ernährten. Die in Serbien beigetriebenen Tragtiere konnten nur zum Transport leichterer Lasten (nicht über 60 kg) verwendet werden. Gute Tragtiere lieferten die ausgesprochenen Gebirgsgegenden von Siebenbürgen, Bosnien und Dalmatien, sowie das Karpathengebiet.

Eselkolonnen konnten den Bewegungen der Truppen schwer folgen und eigneten sich daher nur für den engeren Wirtschaftsbetrieb. Eselhengste machten sich durch ihr vieles laute Schreien dem Feinde bemerkbar und waren daher für Nachschubzwecke zu den vordersten Linien ungeeignet. Im allgemeinen wird die heimische Pferdezucht, die durch den langen Krieg schon empfindlich gelitten hat, durch die Einführung von allen Sorten und Rassen einen großen Rückschlag erleiden. Es wird langer Arbeit bedürfen, bis die Pferdezucht wieder auf den früheren Stand gebracht ist. Wäre eine ordnungsmäßige Demobilmachung ausführbar gewesen, so hätte es sich empfohlen, die zur Zucht brauchbaren Stuten in Depots zu sammeln, dort nach Rassen, Warm- und Kaltblut zu sichten und die so sortierten Pferde auf die für ihre Zuchtart geeigneten Landstriche zu verteilen. Infolge der Revolution sind aber die aus dem Felde zurückgebrachten, zur Zucht geeigneten Stuten wahllos auf die einzelnen Bundesstaaten und Provinzen verteilt. Hierdurch wird die Einwirkung auf die Landespferdezucht fraglos keine sehr günstige sein. So z. B. wurde schon zu Ende des Krieges in Schleswig-Holstein darüber geklagt, daß die dortige, sehr auf der Höhe befindliche Pferdezucht ungünstig durch die Einführung von Beutepferden beeinflußt sei. Dieser [68] Übelstand mußte allerdings damals in Kauf genommen werden, da die Beutepferde eine willkommene Aushilfe für die heimatlichen wirtschaftlichen Betriebe, in denen empfindlicher Pferdemangel herrschte, bildete.


7. Rückblick.

Enorme Ansprüche, denen nur beschränkte Mittel zur Verfügung standen, mangelnde Kriegserfahrung und zu viel Friedensrücksichten waren Hemmnisse sehr zum allgemeinen Schaden, insbesondere aber der letzten Kriegsphase. Nach englischem Urteil hätte der rücksichtslose Einsatz mehrerer ausgeruhter Kavallerie-Divisionen nach der Märzoffensive den Krieg maßgebend beeinflussen können. Ähnlich lagen die Verhältnisse im Osten, so z. B. zu Ende des Krieges bei dem Vormarsch in der Ukraine.

Daß den ungeheuren Ansprüchen nicht in vollem Umfange Rechnung getragen werden konnte, ist richtig; es entsprach diesen Ansprüchen nicht, wie beim Gegner, eine Unerschöpflichkeit des Ersatzes. Trotzdem ist auch auf diesem Gebiete weit mehr geleistet worden, als man je für möglich gehalten hatte.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte