Bd. 6: Die Organisationen der Kriegführung,
Erster Teil:
Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden
Organisationen
Kapitel 1: Ausbau und
Ergänzung des Heeres
(Forts.)
Generalmajor Ernst v. Wrisberg
4. Das Ersatzwesen.
Eine der brennendsten Fragen des Krieges war die des Ersatzes.
Sie wäre sehr leicht zu lösen gewesen, wenn es sich nur darum
gehandelt hätte, das Heer mit dem nötigen Menschenmaterial zu
versorgen. Dem war leider nicht so. Neben dem Heere verlangte die
Kriegswirtschaft Menschen als Arbeiter, deren Zahl sich mit den stetig
zunehmenden Forderungen an Kriegsmaterial ins Ungeheuerliche auswuchs.
Allen Forderungen von Heer und Kriegswirtschaft im vollsten Maße auf
längere Zeit zu entsprechen, war Deutschland nicht in der Lage. Es
mußte ein Ausgleich gesucht werden zwischen dem, was dem Heere
gegeben werden mußte, [26] und dem, was den
Gewerbezweigen der Kriegswirtschaft nicht zu entziehen war. Daß das Heer
hierbei den Vorrang haben mußte, war eigentlich selbstverständlich,
wurde aber nicht immer von allen Seiten anerkannt.
Die Ersatzforderungen standen in Wechselwirkung zu der Tätigkeit des
Heeres. Große Schlachten und Operationen erforderten
naturgemäß zahlreichen Ersatz. Da sie in die wärmeren Zeiten
zu fallen pflegten, gaben die Wintermonate Gelegenheit zu sparen, um für
die übrige Zeit um so mehr ausgebildeten Ersatz zur Verfügung zu
haben. Immerhin belief sich die Ersatzforderung an Infanterie für
Preußen in den ruhigsten Zeiten auf monatlich 60 000 Mann. Sie
steigerte sich auf 200 000 und darüber in den Monaten der
größten Kampfereignisse.
Der Gesamtdurchschnitt des während des Krieges ins Feld gesandten
Ersatzes aller Waffen betrug für Preußen monatlich rund
170 000 Mann, insgesamt während des Krieges über
8 Millionen.
Demgegenüber standen zur Aufbringung dieser Ersatzziffern zur
Verfügung:
die planmäßig heranstehenden
Jahrgänge der Wehrpflichtigen,
die Genesenen und Zurückgestellten,
Nachgemusterte und andere.
An Wehrpflichtigen waren beim Beginn des Krieges etwa 12 Millionen
vorhanden, von denen etwa 9 Millionen auf Preußen entfielen. Nach den
bisherigen Erfahrungen war anzunehmen, daß hiervon 8,4 bzw.
6,3 Millionen körperlich tauglich zum Heeresdienst waren.
Ein großer Teil dieser Kräfte mußte zunächst bei Beginn
des Krieges zur Auffüllung der Friedensformationen und Aufstellung neuer
Kriegsformationen Verwendung finden.
Die hohen Ersatzanforderungen und die Forderung der Obersten Heeresleitung,
neue Kriegsformationen in weitestgehendem Maße zu schaffen, zwangen
dazu, die wehrfähigen Jahrgänge
Jahrgang 1895 und Jahrgang 1896 im Laufe des Jahres
1915;
Jahrgang 1897 und Jahrgang 1898 im Jahre 1916;
Jahrgang 1899 1917, und
Jahrgang 1900 Juni 1918 zu den Fahnen
einzuberufen.
Um die Ersatzquelle zu strecken, erfolgte eine den Bestimmungen des Gesetzes
über die Verpflichtung zum Kriegsdienste entsprechende Neugliederung bei
der Beurteilung der Kriegsbrauchbarkeit in:
Kriegsverwendungsfähige,
Garnisonverwendungsfähige,
Arbeitsverwendungsfähige für Etappe und
Heimat.
Auf diese Weise ermöglichte es sich, kriegsverwendungsfähige
Mannschaften aus solchen Stellen herauszuziehen, die sehr wohl mit
garnison- oder arbeitsver- [27] wendungsfähigen
Leuten besetzt werden konnten. Hierdurch wurden viele kriegsbrauchbare Leute
für die kämpfende Truppe freigemacht.
Eine wesentliche Hilfe zur Deckung des Ersatzes brachte die Zahl der
wiederhergestellten Genesenen, die für Preußen im Durchschnitt
monatlich 64 000 betrug. Die stellvertretenden Generalkommandos hatten
mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln für scharfe Kontrolle
sämtlicher im Korpsbezirk befindlichen Genesenden zu sorgen. Die
Zivilverwaltungsbehörden waren verpflichtet, hierzu nach Kräften
mitzuwirken. Besonders war streng darüber zu wachen, daß Personen
des Soldatenstandes, die sich in Privatpflegestätten, sowie in
Vereinslazaretten der freiwilligen Krankenpflege befanden, dem Dienst nicht
länger entzogen wurden, als ihr Gesundheitszustand es erforderte. Leider
nahm das Streben, sich dem Felde zu entziehen, mit der Dauer des Krieges
zu.
Eine weitere Quelle des Ersatzes bildeten die Zurückgestellten, d. i. die aus
meist wirtschaftlichen Gründen nicht Eingezogenen.
Ihre Zahl betrug in Preußen rund:
Mai |
1916: 1 190 000 Mann, davon |
738 000 kriegsverwendungsfähig, |
Anfang |
1917: 1 431 000 Mann, davon |
839 000 kriegsverwendungsfähig, |
Mitte |
1917: 1 890 000 Mann, davon |
1 026 000 kriegsverwendungsfähig, |
Anfang |
1918: 2 154 000 Mann, davon |
1 097 000 kriegsverwendungsfähig, |
Mitte |
1918: 2 424 000 Mann, davon |
1 187 000 kriegsverwendungsfähig. |
Die jährliche Zunahme war sehr zu bedauern. Sie ist auf die
größeren Anforderungen zurückzuführen, die seitens der
Obersten Heeresleitung an die Kriegsbetriebe gestellt wurden.
Das Herausholen des Ersatzes aus der Kriegswirtschaft ohne Schwächung
ihrer Leistungen war eine der schwierigsten Aufgaben, die das Kriegsministerium
zu lösen hatte.
Mit den stetig zunehmenden Ersatzanforderungen des Feldheeres, mit der
Unmöglichkeit, diese auf andere Weise zu decken, und mit den gewaltigen
Forderungen an Kriegsmaterial, wie sie das
Hindenburg-Programm brachte, stiegen die Schwierigkeiten ins
Ungeheuerliche.
Das Kriegsministerium hatte sich für Aufrechterhaltung der freiwilligen
Arbeitsform entschieden und den Arbeitszwang abgelehnt. Wohl hatten sich nicht
wenige Stimmen für den Zwang als das festeste und sicherste Mittel, die
Arbeiter stets an der Stelle und in der Form verwenden zu können, die im
staatlichen Interesse geboten war, ausgesprochen. Ausschlaggebend war für
das Kriegsministerium die Grundanschauung, daß die für die
Kriegsindustrie zu leistenden
Arbeiten - nach Menge und Wert
gemessen - ein Einsetzen aller Kräfte forderten, das nur von
freiwillig arbeitenden Menschen erwartet werden konnte. Dieser Geist der
Bereitwilligkeit war in der Arbeiterschaft vorhanden; der Zwang hätte ihm
eine wesensfremde Kraft entgegengestellt, die lähmend und
zerstörend gewirkt hätte. Nur die Sicherstellung zufriedener Arbeiter
konnte eine jahrelange er- [28] sprießliche Arbeit
gewährleisten. Der Zwang wurde als Notmittel für Fälle eines
Versagens der Freiheit vorbehalten. Dementsprechend wurden eingestellte
Soldaten nicht zur Arbeit kommandiert, sondern entlassen und
zurückgestellt oder beurlaubt.
Um Wehrfähige freizumachen und die Arbeitsleistung trotzdem nicht zu
verringern, wurden die Frauen und Jugendlichen in weitestgehendem Maße
herangezogen. Die deutsche Frau hat sich auf diesem ihr fremden Gebiet
glänzend bewährt, ihre tatkräftige Arbeit in der
Kriegswirtschaft ist ein ewiges Ruhmesblatt in der Geschichte des
Weltkrieges.
Bei Heranziehung der Jugendlichen lag die berechtigte Gefahr der Verwilderung
vor. Durch geeignete Maßnahmen suchte man ihr vorzubeugen. Immerhin
ist nicht zu leugnen, daß ihre Beschäftigung in der Kriegswirtschaft
schädlich gewirkt hat.
Auch auf die Verwendung von Gefangenen und Ausländern mußte
zurückgegriffen werden, soweit es sich mit den Bestimmungen der
Landkriegsordnung, an die sich Deutschland im Gegensatz zu den Feinden hielt,
vereinigen ließ. Gleichzeitig hiermit war eine Verschärfung im
Zurückstellungsverfahren notwendig. Erst wenn alle anderen Mittel nicht
mehr genügten, durfte auf Arbeitskräfte aus dem eigentlichen
Feldheere zurückgegriffen werden.
Eine Prüfung der Gesuche durch eine aus Gewerberäten
bzw. -inspektoren bestehende Organisation wirkte ebenso segensreich, wie das
Auskämmen der Fabriken usw., um unentbehrliche
Wehrfähige zu erhalten, eine Aufgabe, die den Gewerbeinspektoren zufiel.
Sie haben bei Lösung dieser Aufgabe trotz aller ihnen entgegentretenden
Schwierigkeiten Großartiges geleistet. So mancher
kriegsverwendungsfähige Nachtwächter, Feuerwehrmann,
Gärtner, Schließer, Bureaubeamte und andre mußte seine
Stellung mit einer in dem Feldheere vertauschen.
Ferner mußte es dem Kriegsministerium darauf ankommen, alle Betriebe
und Arbeiten, die nicht unbedingt der Kriegswirtschaft dienten, einzustellen, um
auf diese Weise Arbeitskräfte für letztere frei zu bekommen. So
wurden öffentliche Bauten, nicht dringend notwendige
Bahn- und Wegeanlagen und dgl. verboten. Der Ausfuhrhandel mußte,
soweit es möglich war, beschränkt werden.
Andererseits sah sich das Kriegsministerium veranlaßt, mit allen Mitteln
helfend einzugreifen, wo es unbedingt notwendig war. Dies war besonders bei der
Landwirtschaft der Fall. Hier galt es zunächst die ausländischen
Arbeiter festzuhalten. Ferner wurde bestimmt, daß für jeden
größeren landwirtschaftlichen Betrieb und für jede
entsprechende Anzahl benachbarter kleinerer Betriebe eine leitende
Persönlichkeit sowie eine Zahl von unterstützenden Beamten,
Futtermeistern, Vorarbeitern usw. vorhanden sein sollten, die in der Lage
waren, die zweckdienliche Verteilung der vorhandenen und zu stellenden
Arbeitskräfte vorzunehmen, wobei der Grundsatz der Arbeitsgemeinschaft
zu gelten hatte.
[29] Zur gegenseitigen
Unterstützung und Aushilfe hatten die Landwirte und Gemeindevorsteher
entsprechende Organisationen und Maßnahmen zu treffen.
Durch vorstehende Maßnahmen wurde erreicht, daß Bestellung und
Ernte trotz stellenweiser großer Naturschwierigkeiten durchgeführt
werden konnten. Wo trotzdem Mißstände zutage traten, waren sie auf
Leute zurückzuführen, die den Ernst des Krieges immer noch nicht
erkannt hatten. Hier wurde ein Eingreifen der Behörde nötig.
Eine scharfe Kontrolle darüber, daß die Zurückgestellten auch
wirklich für den Heeresdienst arbeiteten, setzte ein und zeitigte sehr
Ersprießliches.
Eine große Zahl von Arbeitskräften beanspruchten die Werften und
U-Bootsfirmen. Ihren Forderungen an unentbehrlichen Arbeitern und Angestellten
mußte in weitestgehendem Maße nachgekommen werden, wobei aber
nicht unterlassen wurde, auf die dringende Notwendigkeit hinzuwirken, alle
irgendwie entbehrlichen Kräfte freizugeben.
Einen weiteren Weg, Arbeiter für die Kriegsbetriebe zu erhalten, bildete die
Anlernung von Arbeitslosen, von gelernten und ungelernten Arbeitern aus
stilliegenden oder schwachbeschäftigten Industrien, und die
Beschäftigung von Kriegsbeschädigten. Der Erfolg war auch hier,
nachdem die üblichen Schwierigkeiten, besonders falsch angebrachtes
Mitleid, überwunden waren, zufriedenstellend. Die Leute waren dankbar
dafür, daß man ihnen den Weg für ihr weiteres Fortkommen
gezeigt hatte.
Um die notwendige Arbeit auch bei den an Zahl und Beschaffenheit verringerten
Arbeitskräften zu gewährleisten, wies das Kriegsministerium auf
eine Verlängerung der Arbeitszeit hin. Ohne Widerstreben nahm die
Arbeiterschaft den Gedanken auf.
Was das deutsche Volk in jahrelanger Arbeit geleistet hat, gehört der
Geschichte an. Es waren Leistungen, die großartig waren.
Daß mit der Länge des Krieges diese Leistungen abnahmen, ist
selbstverständlich. Die schlechte Ernährung machte ihren
Einfluß geltend. Dazu kamen leider unverantwortliche Aufhetzungen
gewisser vaterlandsloser Elemente, die zu zeitlichen Streiks führten! Wenn
es auch gelang, sie meist durch rasches Eingreifen bald zu beseitigen, so war der
dadurch entstandene Ausfall oft nicht gering.
Um die Arbeitskraft und -freudigkeit zu erhalten, ließ es sich das
Kriegsministerium angelegen sein, die Ernährung zu bessern, teils durch
Einrichtung von Speiseeinrichtungen, teils durch Gewährung höherer
Lohnsätze. Auch der Wohnungsfrage wurde die nötige
Aufmerksamkeit geschenkt.
Um die Notwendigkeit der Zurückstellungsgesuche möglichst genau
festzustellen und Schwindeleien usw. vorgreifen zu können, fand die
Prüfung der Gesuche an Ort und Stelle durch die
Gewerbeaufsichtsbehörden, Sachverständige des Kriegsministeriums
und der stellvertretenden Generalkommandos statt. Daß
Vergünstigungen und Drückereien vorgekommen sein mögen,
muß zugegeben werden. [30] Bei der
Größe des Apparates waren sie nicht zu vermeiden, und ehrlose
Lumpen gab es immer. Wo Anzeigen erfolgten, wurde ihnen nachgegangen und
mit rücksichtsloser Strenge durchgegriffen. Die Kontrolle wurde
verschärft, unvermutete Untersuchungen, versuchsweise Einstellung und
Beobachtung in Militärlazaretten traten, wenn der Verdacht der
Täuschung vorlag, ein; plötzliche Prüfungen der
Listenführung durch höhere Offiziere erfolgten; die Nachtasyle
wurden schärfer beobachtet. Alle diese Maßnahmen konnten aber
eine gänzliche Beseitigung der Drückebergerei nicht erreichen. Dies
war nur möglich, wenn das ganze Volk, von der Regierung immer wieder
auf den Ernst der Lage hingewiesen, mitarbeitete, und das geschah leider
nicht.
Mit dem 1. November 1916 ging das Ersatzwesen vom Allgemeinen
Kriegsdepartement auf das neugeschaffene Kriegsamt über. Hiermit wurde
der Schwerpunkt der Ersatzgestellung verschoben. Das Hauptgewicht wurde von
nun an auf die Lieferung der im Hindenburg-Programm geforderten Kriegsmittel
gelegt. Die Zahl der Zurückstellungen wuchs, das Heer mußte immer
mehr fachkundige Arbeiter hergeben, die Folgen waren vorauszusehen.
Nur mit großer Mühe gelang es, vierteljährlich im
Durchschnitt etwa 30 000 Mann freizubekommen. Ihre
zahlenmäßige Unterstützung war aber für das Feldheer
meist illusorisch, da dafür wieder ebenso viele andere Mannschaften des
Feldheeres von der Heimat reklamiert und freigegeben wurden.
Schon im September 1915 wurde zur Streckung des Ersatzes die Nachmusterung
der bei der Friedensaushebung für dienstunbrauchbar erklärten
Wehrpflichtigen gesetzlich angeordnet. Sie ergab rund 500 000
Kriegsbrauchbare.
Die Einstellung von Ausländern in das Heer wurde erleichtert, die Strafe
der Festungs- und Zivilgefangenen unterbrochen, die Staatenlosen wurden mehr
herangezogen und Arbeitssoldaten sowie Heeresunfähige in die Front
eingestellt.
Mit der Fortdauer des Krieges wurden die Nachmusterungen wiederholt, eine
scharfe Kontrolle setzte ein. Zivilbeamte und Angestellte der Behörden
mußten sich allmählich zum Heeresdienst stellen. Die
kriegsverwendungsfähigen Beamten der Post und Eisenbahn wurden,
soweit es der Dienstbetrieb gestattete, durch kommandierte heimattaugliche
Mannschaften ersetzt. Besonderes Augenmerk richteten die Behörden auf
die Kriegsgesellschaften. Aus diesen die kriegsverwendungsfähigen Leute,
soweit sie nicht wirklich unentbehrlich waren, herauszuziehen, wurde mit allen
Mitteln angestrebt.
Eine große Zahl kriegsverwendungsfähiger Leute wurde ferner
dadurch freigemacht, daß in den Formationen der Heimat, der Etappe und
besetzten Gebiete, mehrmalige Musterungen stattfanden.
Dem Hilfsdienstgesetz lag der schöne Gedanke zugrunde, durch seine
sofortige, möglichst einstimmige Annahme im Reichstag der
Außenwelt den Willen des geschlossenen Volkes zum Sieg vor Augen zu
führen. Seine Urheber hatten aber die Verhältnisse in der Heimat
nicht richtig beurteilt. Es war vorauszu- [31] sehen, daß der
Reichstag das Gesetz leider nicht en bloc annehmen, sondern einer
Kommission überweisen würde. Es war auch vorauszusehen,
daß es in dieser eine Fassung erhielte, die aus dem ursprünglichen
Entwurf ein Gesetz machte, das mehr geschadet als genutzt hat. Die Hoffnung,
mehr brauchbare Leute zu bekommen, ging nicht in Erfüllung. Auch in den
uns feindlichen Staaten war das Ergebnis das gleiche gewesen. Eine
Notwendigkeit, ein Gesetz zur schärferen Erfassung der Arbeiter
einzubringen, lag nicht vor. Die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen
genügten, wenn man sie sachgemäß in einzelnen Punkten
erweitert hätte.
Die Anwerbung von Deutschstämmigen in den besetzten östlichen
Gebieten zeitigte ebensowenig nennenswerte Erfolge, wie die Verwendung der im
Osten freigegebenen Kriegsgefangenen. Jene kamen in zu geringer Zahl, diese
bildeten, politisch verseucht, eher eine Gefahr als eine Unterstützung
für das Heer.
Auch die Frage einer Änderung des Wehrgesetzes, dahingehend, das
wehrpflichtige Alter von 45 auf 60 heraufzusetzen, wurde erwogen, sie
mußte aber fallen gelassen werden, da das Ergebnis nur ganz
geringfügig gewesen wäre und die Vorteile die Nachteile nicht
überragten.
Mit der Länge des Krieges mußte der Ersatz für das Feldheer
dünner werden. An Aufstellungen neuer Formationen war nicht mehr zu
denken, die notwendigen Gefechtsstärken konnten nur annähernd
und nicht überall aufrechterhalten werden. 1918 wurden diese infolge der
großen Schlachtverluste so gering, daß sie nicht mehr durch
verfügbaren Ersatz gedeckt werden konnten, so daß Divisionen und
selbständige Truppenteile beim Feldheere aufgelöst werden
mußten, was im übrigen auch bei den Franzosen geschah.
Wohl wäre es möglich gewesen, von den Zurückgestellten im
Spätsommer 1918 mehrere Hunderttausende freizumachen, wenn die
Forderungen an die Kriegswirtschaft zurückgestellt worden waren. Als man
sich endlich hierzu entschloß, war es zu spät, die
Waffenstillstandsverhandlungen traten ein.
Daß mit der Länge des Krieges der Geist im Ersatz nachließ,
war tief bedauerlich, aber erklärlich. Nicht zum mindesten trug hierzu die
Hungerblockade bei. Man darf nicht vergessen, was es hieß, unter den
größten Entbehrungen jahrelang für sein tägliches Brot
zu arbeiten. Aber auch dieses hätte das deutsche Volk ohne Murren
getragen, wenn nicht der zersetzende Einfluß gewissenloser Kreise wie
Fahnenflüchtige, Schieber, politische Agitatoren und nicht zum wenigsten
feindliche Propaganda sich in stetig zunehmendem Maße geltend gemacht
hätte.
Ihm mit allen Mitteln tatkräftigst von Anfang an entgegenzutreten, hat die
Regierung leider nicht vermocht. So trat allmählich eine Verseuchung der
Heimat und des Feldheeres ein, die zu einer Demoralisierung führen
mußte.
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