Bd. 5: Der österreichisch-ungarische
Krieg
Kapitel 17: Die Sommerkämpfe 1917
gegen Rußland und Rumänien
(Forts.)
Oberstleutnant Rudolf Kißling
[398] 5. Die Wiedereroberung von
Czernowitz.
In Übereinstimmung mit den Vorgängen bei der 3. Armee schickte
sich auch die 7. Armee zur Aufnahme der Vorrückung an. Der von der
Heeresfront Erzherzog Josef in wirksamster Richtung vom Mestecanestiabschnitt
über Kimpolung auf Czernowitz beabsichtigte Vorstoß konnte wegen
Kräftemangels leider nicht durchgeführt werden. Die Armee Köveß mußte sich daher auf eine vom Nordflügel
beginnende staffelweise Vorrückung beschränken.
Am 24. Juli erstürmten Teile der zum k. u. k. XVII. Korps
gehörenden 30. und 34. Infanteriedivision die Höhen nordwestlich
des Jablonica-Passes. Beide Divisionen rückten hierauf durch das oberste
Pruthtal bis Mikuliczyn, dann über Kosmacz im Pistynkatale vor. Am 25.
Juli trat die 200. Infanteriedivision des Karpathenkorps die Vorbewegung an,
erstürmte die Baba Ludowa und setzte sich sodann im Czeremosztale gegen
Kuty - Wiznitz in Marsch. Vor dem Südflügel des
Korps Conta, das mit der deutschen 1. Infanteriedivision im Quellgebiet der
Suczawa stand, und südlich davon hielt der Russe noch weiter seine Linien
und entwickelte bei Kirlibaba und Mestecanesti sogar eine sehr rege
Gefechtstätigkeit. Nach der Erstürmung der Höhen
nördlich des Capulmassivs am 26. Juli durch die 40.
Honved-Infanteriedivision Generalmajor v. Nagy baute der Feind auch im
Moldawagebiete seine Stellungen ab, so daß die deutsche 1.
Infanteriedivision und das XXVI. Korps die Vorrückung antreten konnten.
Durch das Gelände begünstigt, vermochten aber die Russen in
zähen Nachhutkämpfen und durch Gegenstöße den
Vormarsch der 7. Armee erheblich zu verzögern. Am 30. Juli konnten nach
harten Kämpfen auch die 11.
Honved-Kavalleriedivision Generalmajor v. Jóny und die Gruppe
Generalmajor Schwer (6. Kavalleriedivision, 5.
Honved-Kavalleriedivision und ein Regiment der deutschen 117.
Infanteriedivision) gegen das Putnatal vordringen und den Nordflügel der
russischen 9. Armee zum Rückzuge zwingen.
Indessen reiften die Ereignisse zwischen Dnjestr und Pruth zur Entscheidung
heran. Anscheinend wegen der Unmöglichkeit, die über 25
Infanteriedivisionen und 2 Kavalleriedivisionen starke russische 8. Armee mit
200 km Frontraum bei ihren schwierigen Rückzugsoperationen aus
dem Gebirge und zwischen Pruth und Dnjestr einheitlich zu leiten, unterstellte die
russische Heeresleitung die südlich des Pruth kämpfenden
Streitkräfte (XI., XXIII. und XVIII. Korps) dem an der Nordfront frei
gewordenen 1. Armeekommando. Die verbleibende 8. Armee, die im Norden
noch immer bis Skala reichte, hatte ihre Hauptkräfte, etwa 14
Infanteriedivisionen und 3 Kavalleriedivisionen, zwischen Pruth und Dnjestr
versammelt und Tschermissow, ihr neuer
Führer - Generalleutnant Kornilow hatte das Kommando der
Südwestfront übernommen - schien entschlossen, zum
Schutze von Czernowitz den äußersten Widerstand zu leisten.
[399] Die vordringende 3.
Armee stieß in der Linie Beleluja - Serafince auf die
vordersten russischen Divisionen, die am 28. Juli von der Gruppe Litzmann am
Nordflügel angegriffen und geworfen wurden. Am 29. und 30. Juli hemmte
starker Widerstand russischer Nachhuten den Vormarsch. In der Linie
Nepolokoutz - Zastawna - Doroschoutz stellte sich der Feind
in einer geschlossenen Front erneut zum Kampfe. Am 30. und 31. Juli griff die 3.
Armee an und es gelang ihr erst am Nachmittag des zweiten Schlachttages, den
sich zähe wehrenden Feind am Nordflügel einzudrücken und
zum Rückzüge zu zwingen. Von der 7. Armee operierte das
südlich des Pruth vorgehende Korps Fabini, dem die an seinen
Nordflügel angeschlossene 5. Infanteriedivision unterstellt worden war, von
nun an in stetem Einklang mit der 3. Armee. Infolge der Bedrohung durch die von
Süden auf Wiznitz vordringende 200. Infanteriedivision räumte das
russische XI. Korps der 1. Armee am 30. Juli vormittags den Czeremosz. Es
stellte sich, an die russische 8. Armee anschließend, südlich von
Nepolokoutz wieder zum Kampfe. Nach dem Zurückgehen der 8. Armee
wich auch der Nordflügel der russischen 1. Armee in den Raum westlich
und südwestlich von Czernowitz, wo die Russen nochmals das
Schlachtenglück versuchten, um Czernowitz zu behaupten. Alle
verfügbaren kampffähigen Divisionen der Südwestfront
wurden in den am 1. und 2. August beiderseits des Pruth tobenden Kampf
geworfen. Vergeblich. Vor dem kräftigen Drucke der Gruppe Litzmann
mußten die Russen am 2. August nachmittags in der Mitte und am
Nordflügel ihre Stellungen räumen. Während der Nacht wich
auch der Südflügel zurück und in den ersten Morgenstunden
drangen Abteilungen der kroatischen 42.
Honved-Infanteriedivision von Norden her in Czernowitz ein. Südlich des
Pruth gelang es dem Korps Fabini am 2. August, gleichfalls den Widerstand des
Feindes zu brechen und ihn gegen Osten zurückzuwerfen. Am 3. August
früh zog der Heeresfrontkommandant Erzherzog Josef an der Spitze der 5.
Infanteriedivision in die zum dritten Male befreite Hauptstadt der Bukowina
ein.
Die 3. Armee drang noch am 3. August über Mahalla und Toporoutz vor
und schob sich am 4. August bis in die Linie
Bojan - Szylawcy - Raszkow, die als Dauerstellung in
Aussicht genommen war. Hierzu erstürmten Teile des XIII. Korps die
beherrschende Höhe Dolzok. Ein am nächsten Tage einsetzender
russischer Gegenstoß brachte die Höhe wieder in feindlichen Besitz;
sie konnte nicht mehr ganz zurückerobert werden. Erst nach einem am 27.
August planmäßig durchgeführten Unternehmen, an dem unter
der Leitung des XIII. Korpskommandos die 2. Kavalleriedivision, bayrische 8.
Reservedivision, 16. Reservedivision und 42.
Honved-Infanteriedivision mitwirkten, konnten die ganze Höhe und der
Ostrand von Bojan in die Stellung einbezogen werden. Hiermit war die
Gegenoffensive auch bei der 3. Armee zum Abschluß gebracht
worden.
[400] Der 7. Armee wurde
für die weitere Vorrückung ein weites Ziel gesteckt. Im
Zusammenhange mit einer bei der Heeresgruppe Generalfeldmarschall
von Mackensen durchzuführenden Aktion sollte der Feind
über den Sereth geworfen und dann weit in die Moldau hinein
vorgestoßen werden. Hierzu war ein Angriff der Gruppen Alfred
Krauß und Conta aus der Linie
Gurahumora - Stadt Sereth gegen die Linie
Falticeni - Leorda (16 km südlich von Dorohoiu)
geplant. Das XVII. Korps sollte bei Festhalten der Verbindung mit dem
Südflügel der 3. Armee das Korps Conta durch ein Vorgehen gegen
Dorohoiu unterstützen. Da hierbei aber eine starke Streckung des Korps
Fabini unvermeidlich gewesen wäre, wurde die Vorverlegung der Front der
3. Armee in die Linie Nowosielica - Chotin in Erwägung
gezogen.
Die Divisionen der 7. Armee kamen in den engen Gebirgstälern, durch
russische Nachhuten wiederholt aufgehalten und mit schwierigen
Nachschubverhältnissen kämpfend, nur langsam vorwärts. Das
Karpathenkorps trat erst am 3. August bei Petroutz am Sereth und bei Bilka aus
der Waldzone in freies Gelände. Die 40.
Honved-Infanteriedivision des vom General der Infanterie v. Horsetzky
befehligten XXVI. Korps erstürmte am 5. August die Höhen
nordwestlich von Radautz und setzte sich in den Besitz dieser Stadt. Die 59.
Infanteriedivision kam nur schwer aus dem unwegsamen Gebirge heraus und
entwickelte sich südlich der 40.
Honved-Infanteriedivision zum Angriff, ohne aber durchdringen zu können.
Die Gruppe Krauß gelangte mit dem XI. Korps (51. und 74.
Honved-Infanteriedivision) in langwierigen Kämpfen noch bis auf das
östliche bzw. nördliche Ufer der Goldenen Bistritza und die
Kavalleriegruppe Generalmajor Schwer konnte noch Wama nehmen; der Austritt
aus dem Gebirge gelang der Gruppe Krauß aber nicht. Auch dem
Karpathenkorps, das den Brückenkopf westlich der Stadt Sereth nehmen
sollte, waren keine Erfolge mehr beschieden. Das XVII. Korps, das schon einmal
vergeblich versucht hatte, zwischen Pruth und Sereth vorzustoßen, hatte
wegen Munitionsmangels seinen Angriff verschieben müssen. Am 9.
August griff es die russischen Stellungen zwischen Oprischeny und Marmornita
erneut an. Am Südflügel erzielte die 30. Infanteriedivision wohl
Erfolge, doch mußte das Korps schließlich vor heftigen, mit starken
Kräften bis zu achtmal wiederholten russischen Gegenangriffen in seine
Ausgangsstellung zurückgehen.
Wenn auch die Kämpfe bei der 7. Armee noch mehrfach aufloderten, eine
Veränderung in der Frontlinie brachten sie nicht mehr. Für den
beabsichtigten Vorstoß bis an den Sereth, auf rumänisches Gebiet,
reichten die Kräfte nicht aus. Auch Schwierigkeiten im Nachschube und
Munitionsmangel ließen die Fortsetzung dieser eine gründliche
Vorbereitung erheischenden, neuen Operation nicht rätlich erscheinen.
In kaum drei Wochen hatten deutsche, österreichisch-ungarische und
türkische Truppen der Heeresgruppe Böhm-Ermolli und der 7.
Armee die fast voll- [401] ständige
Befreiung Ostgaliziens und der Bukowina erkämpft. Das Ergebnis dieser
rasch und planmäßig durchgeführten Gegenoffensive, zu
derem Gelingen die an entscheidenden Punkten eingesetzten deutschen
Divisionen mit ihrer Schlagkraft und Beweglichkeit besonders beitrugen, ist um
so höher zu bewerten, wenn man das gegenseitige
Kräfteverhältnis vergleicht. Am 30. Juni standen 36
Infanteriedivisionen und 7½ Kavalleriedivisionen der Verbündeten
61 russischen Infanteriedivisionen und 9 Kavalleriedivisionen gegenüber
und nach Abschluß der Kämpfe in der ersten Hälfte
September, nachdem beide Teile neue Kräfte zugeführt hatten, waren
die Russen mit ihren 77 Infanteriedivisionen und 16 Kavalleriedivisionen den 44
Infanteriedivisionen und 6½ Kavalleriedivisionen der Heeresgruppe
Böhm-Ermolli und der 7. Armee noch immer fast doppelt überlegen.
Wären das noch jene Russen gewesen, die, wie im Vorjahre, mit einem
religiösen Fanatismus und unbekümmert um die eintretenden
enormen Verluste unentwegt gegen die Stellungen der Verbündeten
angestürmt hatten, so wäre es der russischen Führung ein
Leichtes gewesen, mit ihren zahlreichen Reserven unseren Anfangserfolg
raschestens einzudämmen. Die russische Truppe war aber bereits der Hand
ihrer Führer entglitten. Die zersetzende Wirkung der Revolution, das
Fehlen des unbedingten Gehorsams zeigte sich in der erlahmenden
Widerstandskraft der Truppe. Selbst Kerntruppen, wie die Garden, haben
völlig versagt.
War es für die Verbündeten auch erfreulich, feststellen zu
können, daß der revolutionäre Gedanke den Kampfwert des
russischen Heeres ganz wesentlich herabgemindert hatte und Rußland als
streitbarer Gegner bald nicht mehr in Rechnung gestellt zu werden brauchte, so
konnte andererseits auch nicht achtlos an jenen Erscheinungen
vorübergegangen werden, die in der Wehrmacht der Donaumonarchie
zutage getreten waren. Vorkommnisse, wie sie sich bei einzelnen
Truppenkörpern in den Kämpfen von Anfang Juli ereignet hatten,
zeigten deutlich, daß Divisionen mit stark slawischem Einschlag nach
dreijähriger Kriegsdauer nicht mehr mit voller Sicherheit den russischen
Brüdern entgegengestellt werden konnten und daß die von der
Entente betriebene Propaganda auch in den Reihen des k. u. k.
Heeres bereits ihre Wirkung auszuüben begann. Aber auch Mängel
in der Munitionsdotierung und -ausrüstung, sinkender Kräftezustand
bei Mann und Pferd infolge Nahrungsmangels und große, unersetzbare
Abgänge im Pferdestande überhaupt beeinträchtigten die
Operationsfähigkeit der österreichisch-ungarischen Verbände
bereits merklich. Um so anerkennenswerter für Truppe und Führung
war es, daß trotz all dieser Schwierigkeiten die
österreichisch-ungarischen Divisionen bei dieser mit besonderer
Schnelligkeit vorgetragenen Offensive doch gleichen Schritt mit den in
ungebrochener Stoßkraft vorstürmenden Bundesgenossen zu halten
vermochten.
[402] 6. Die Schlachten bei Focsani und
Ocna.
Als die am 19. Juli begonnene Gegenoffensive gegen Tarnopol so unerwartet
rasche Erfolge erzielte, setzte die russische Heeresleitung mit Entlastungsaktionen
ein. Ein sehr starker russischer Vorstoß südlich Smorgon konnte nach
unbedeutendem Geländegewinn bald aufgehalten werden.
Größeren Umfang nahmen aber die Ende Juli mit einem
rumänisch-russischen Entlastungsvorstoß eingeleiteten
Kämpfe an der rumänischen Front an. Hier standen auf Seite der
verbündeten Mittelmächte unter dem Oberbefehl des
Generalfeldmarschalls v. Mackensen die bulgarische 3. Armee in der
Dobrudscha zwischen Donau und dem Schwarzen Meere und die deutsche 9.
Armee General der Infanterie Kosch im allgemeinen am unteren Sereth von der
Mündung bis nordöstlich Focsani, dann längs der Putna bis
einschließlich des beherrschenden Bergmassivs der Mgr. Odobesci.
In ihrem Verbande befanden sich außer 7 deutschen, 2 türkischen und
1 bulgarischen die k. u. k. 62. und 92. Infanteriedivision, beide fast
ausschließlich aus Landsturmtruppen bestehend, dann die
k. u. k. 145. Infanteriebrigade. Nördlich schloß sich die
zur Heeresfront Erzherzog Josef gehörende k. u. k. 1. Armee
Generaloberst Baron Rohr an, bei welcher die Gruppe General der Infanterie
v. Gerok (XXIV. Reservekorps) den Südflügel bildete.
Letztere stand mit der Gruppe Feldmarschalleutnant v. Ruiz (218.
Infanteriedivision und k. u. k. 1. Kavalleriedivision) am
östlichen Höhenrand des nur schwer zugänglichen Beckens
von Soveja, dann mit dem VIII. Korps Feldzeugmeister v. Benigni (71.
Infanteriedivision und 70. Honved-Infanteriedivision) beiderseits des Ojtoztales
vor Ocna. (Skizze 14.)
Die rumänische Front befehligte dem Namen nach König Ferdinand
von Rumänien, die tatsächliche Befehlsgewalt übte aber der
russische General Schtscherbatschew aus. Ihm unterstanden: die russische 6.
Armee im Raume vom Meere bis südlich der Straße
Focsani - Tecuciu, an deren rechtem Flügel in der zweiten
Hälfte Juli nach ihrer Retablierung die rumänische 1. Armee wieder
in die Front eingesetzt wurde; daran anschließend die russische 4. Armee
bis nördlich der Mgr. Odobesci, dann die rumänische 2.
Armee, bis zum Casinutale reichend, und schließlich vor der
k. u. k. 1. die russische 9. Armee.
Bei den russischen Truppen der rumänischen Front waren die gleichen
Zersetzungserscheinungen erkennbar geworden wie an den anderen
Frontabschnitten. Die Festigung der Disziplin seit Kerenskis Regierungsantritt
verlieh den Russen in den Augustkämpfen wohl eine erhöhte
Widerstandskraft, sie war aber nicht von langer Dauer. Von all diesen Ereignissen
blieben die rumänischen Truppen unberührt. Ja es schien, daß
in dem Maße, als ihr Bundesgenosse unverläßlich wurde, ihre
Kampfkraft wuchs, wohl in der Sorge, gegebenenfalls noch den Rest ihres
Vaterlandes verlieren zu können.
[403=Karte] [404] Im
Zusammenhange mit den Operationen in Ostgalizien beabsichtigten die
Mittelmächte, auch in Rumänien nach Abwehr des als dicht
bevorstehend erwarteten feindlichen Angriffes einen entscheidenden Schlag zu
führen, der hauptsächlich die Rumänen treffen sollte. Man
hoffte die ganze Karpathenfront ins Wanken zu bringen und womöglich
auch die Moldau zu erobern. Die hierzu über den unteren Sereth bei
Nemoloasa geplante Operation sollte im August beginnen. Die Vorbereitungen
waren bereits im Gange, als die Rumänen angriffen und einen Erfolg
erzielten, der dann einige Abänderungen bei der als Gegenzug gedachten
Offensive bedingte.
Offenbar auch als Entlastung für die in Ostgalizien
zurückgeworfenen Russen setzte vom 22. Juli an sehr heftiges
Artilleriefeuer gegen die ganze Front der deutschen 9. Armee ein und richtete sich
hauptsächlich gegen das rechte Flügelkorps, das aus
türkischen, bulgarischen und österreichisch-ungarischen Truppen
bestand, und gegen den Abschnitt südwestlich von Nemoloasa. Aber auch
auf der Gruppe Gerok lag seit Tagen erhöhtes Artilleriefeuer, das sich
zeitweise bis zum Zerstörungsfeuer steigerte. Die Heeresgruppe Mackensen
hatte den feindlichen Angriff gegen den rechten Flügel der 9. Armee
erwartet und dorthin Reserven verschoben. Aber die Rumänen waren
scheinbar von diesem Plane in letzter Stunde abgegangen. Dafür
stießen am 24. Juli die rumänische 2. Armee und das südlich
davon anschließende russische VIII. Korps gegen die auf
übergroßem Frontraum stehende deutsche 218. Infanteriedivision vor.
Diese wurde durchbrochen und der rechte Flügel der k. u. k. 1.
Kavalleriedivision gleichfalls zurückgedrückt. Die weichenden
Truppen mußten in heftigen, mehrere Tage andauernden Kämpfen bis
weit über Soveja in das Waldgebirge zurückgehen. Gegenangriffe
hatten keinen Erfolg, da die wenigen Reserven hauptsächlich zum
Auffangen der nachdrängenden Rumänen und zum Ausfüllen
der großen Lücken aufgebraucht wurden. Das russische VIII. Korps
schwenkte nach links ein und umfaßte die an der Mgr. Odobesci
stehende 217. Infanteriedivision von Norden und Nordwesten her. Wenn auch ein
Vordringen der Rumänen gegen Kézdivásárhely in
den Rücken der 1. Armee wegen der Breite und Unwegsamkeit des
Gebirges nicht zu besorgen war, so bestand um so mehr die Gefahr, daß
nach Wegnahme der Mgr. Odobesci die ganze Front der 9. Armee von
Norden her aufgerollt werden könnte.
Eine unmittelbare Unterstützung der 218. Infanteriedivision und der 1.
Kavalleriedivision war infolge der mißlichen Wegverhältnisse schwer
möglich. Nur langsam konnten ihnen ein Regiment der 117.
Infanteriedivision, dann die halbe 37. Honved-Infanteriedivision, die am
Nordflügel der 1. Armee ausgelöst wurde, zugeführt werden.
Die 217. Infanteriedivision wurde durch einzelne Regimenter und Bataillone von
fünf verschiedenen Divisionen der 9. Armee gestützt und so der
Einbruch am Oberlaufe der Putna abgeriegelt.
[405] Infolge des weiteren
Zurückweichens der Gruppe Ruiz und der beiderseits des Casinutales
geführten, heftigen rumänischen Vorstöße mußte
auch die quer über dieses Tal stehende 8. Gebirgsbrigade
zurückgebogen werden. Nun richteten sich heftige rumänische
Angriffe gegen den Eckpfeiler der Front des VIII. Korps, gegen die
Mgr. Casinului. An der Tapferkeit des diese Höhe verteidigenden
bewährten Székler Infanterieregiments Nr. 82 scheiterten
aber alle verlustreichen Anstürme des Feindes.
Die von den Mittelmächten geplante Gegenaktion sollte nicht nur die
frühere Lage wiederherstellen, sondern man griff auf den alten Plan
zurück, tief in die Moldau vorzustoßen. Hierzu hatte die 9. Armee
den Hauptangriff von Focsani westlich des Sereth in der Richtung auf
Adjudu nuou zu führen und gleichzeitig zur Sicherung dieses
Angriffes einen Brückenkopf am östlichen Serethufer gegen Tecuciu
vorzubauen. Ein zweiter Stoß sollte von der Gruppe Gerok in direkt
östlicher Richtung auf Onesci geführt werden. Hierdurch wollte man
zunächst die in das Becken von Soveja gelangte rumänische 2.
Armee abschnüren und in weiterer Folge die
russisch-rumänische Front zum Rückzug bis an den Sereth, eventuell
zum Aufgeben der ganzen Moldau zwingen.
Für den von Focsani aus zu führenden Hauptangriff wurden unter
Kommando des Generalleutnant v. Morgen (I. Reservekorps) vier deutsche
Divisionen bereitgestellt, hinter denen zwei weitere deutsche Divisionen als
Armeereserven standen. Am 6. August begann der Angriff; er hatte am ersten
Tage in nordwestlicher Richtung wohl den gewünschten Erfolg. Der
Übergang auf das Ostufer des Sereth gelang aber nicht. Man nahm darum
von der Operation gegen Tecuciu Abstand und begnügte sich, am Sereth
gegen Osten zu sichern, was aber natürlich die dauernde Flankierung des
Angriffes durch Artilleriefeuer vom östlichen Serethufer her nicht
auszuschalten vermochte.
Die vom Angriff getroffenen Russen wehrten sich überraschend zähe
und erst am 10. August, nach Einsatz der Armeereserven, gelang es dem I.
Reservekorps, den Susitaabschnitt zu überschreiten. Auch traten bereits
Divisionen der rumänischen 1. Armee vor den angreifenden Deutschen auf
und bereiteten ihnen insbesondere bei Marasesci durch heftige, tiefgegliederte
Gegenangriffe bedeutenden Aufenthalt.
Am 8. August trat bei der Gruppe Gerok das VIII. Korps mit drei zum Teil
kombinierten Divisionen zum Angriffe auf Ocna und Onesci an. Die
Hauptangriffsgruppe südlich des Ojtozbaches befehligte der Kommandant
der 71. Infanteriedivision Feldmarschalleutnant v. Goldbach. Außer
bosnischen und Honvedbataillonen waren ihm die Fußschwadronen der 8.
Kavalleriedivision unterstellt. Die zwischen dem
Ojtoz- und Slanictale gebildete zweite Angriffsgruppe, aus einem bayrischen
Infanterieregiment, dem württembergischen Gebirgsbataillon und
Honvedtruppen bestehend, stand unter Befehl des
General- [406] majors
v. Seydel, Führers der deutschen 117. Infanteriedivision.
Nördlich des Slanictales sollte sich der Rest der 70.
Honved-Infanteriedivision, Kommandant Feldmarschalleutnant v. Sorsich,
dem Angriffe auf Ocna anschließen. Ihm wurden die abgesessenen Reiter
der 7. Kavalleriedivision unterstellt.
Im ersten Ansturm wurden die vordersten, von Truppen des rumänischen
IV. Korps besetzten Stellungen genommen. Starke Gegenangriffe hemmten ein
weiteres Vordringen an diesem Tage. An den nächsten beiden Tagen
erstürmten die Gruppen Goldbach und Seydel mehrere feindliche
Stellungen südlich und nordwestlich von Grozesci und auch der 70.
Honved-Infanteriedivision gelang es, nördlich des Slanictales vorzudringen.
Über 1100 Gefangene und 26 Maschinengewehre waren die bisherige
Beute des VIII. Korps.
Vor dessen Druck bog nun auch der äußerste südliche
Flügel der russischen 9. Armee seine Stellungen gegen Ocna zurück.
In den folgenden Tagen setzten äußerst heftige, tiefgegliederte
rumänische Gegenangriffe ein, insbesondere bei der Glasfabrik
südlich Grozesci, wo die Gruppe Goldbach am 11. August allein
zwölf Anstürme abzuweisen hatte.
Ungeachtet des zähen feindlichen Widerstandes wurde in
Übereinstimmung mit den Aktionen bei Focsani die Offensive fortgesetzt.
Am 16. August trug die 71. Infanteriedivision durch wohlvorbereiteten Angriff
ihre Linie bis an die Ostlisiere der Waldzone südlich Grozesci vor und
brachte 20 rumänische Offiziere, 1600 Mann, 18 Maschinengewehre und 1
Geschütz als Beute ein. Am 19. August griff das Korps Benigni erneut an,
wobei die beherrschende Höhe D. Cosna südlich Ocna nun der
Gruppe Seydel genommen werden konnte. Nun erlahmte aber die Angriffskraft
des Korps. Trotz all der schönen Waffenerfolge konnte das Angriffsziel
Ocna und Onesci infolge des außerordentlich zähen Widerstandes der
Rumänen nicht erreicht werden. Eine Fortsetzung des Angriffes sollte erst
nach Zuführung ausreichender Verstärkungen erfolgen; doch dazu
kam es nicht mehr.
Bei der deutschen 9. Armee hatten sich unterdessen auch das XVIII. Reservekorps
(verstärkte deutsche 217. Infanteriedivision, k. u. k. 62.
Infanteriedivision) und das eben eingetroffene Alpenkorps mit seinem rechten
Flügel dem Angriffe angeschlossen. In äußerst heftigen,
wechselvollen Kämpfen, an denen die 62. Infanteriedivision
Feldmarschalleutnant v. Novak ruhmvollen Anteil hatte, gelang es bis 14.
August, die Putna und Susita zu überschreiten und Panciu und die
Höhen östlich von Iresci zu erstürmen. Am 16. August wurde
auch die ohne die 26. Schützenbrigade herangeführte 13.
Schützendivision Feldmarschalleutnant v. Kalser am rechten
Flügel des XVIII. Reservekorps eingesetzt. Die weiteren Versuche des I.
und XVIII. Reservekorps, über die Linie
Marasesci - Panciu vorzudringen, scheiterten an den mit
unverminderter Heftigkeit geführten Gegenangriffen der Russen und
insbesondere der Rumänen, die am 19. August bei einem solchen
Vorstoße einen beachtenswerten Teilerfolg erringen [407] konnten. Da hier die
Fortführung der Offensive mangels an Reserven keinen Erfolg versprach,
wurde dem I. Reservekorps die Einstellung des Angriffes befohlen.
Am 17. August wurde die 62. Infanteriedivision aus der Front gezogen und
löste an einem ruhigeren Abschnitt östlich Focsani eine deutsche
Division ab. Die braven Landstürmer hatten in harten Kämpfen in
schwierigem, unübersichtlichem, von Weingärten durchzogenem
Gelände, bei großer Hitze redlich ihre Pflicht getan und leider auch
schwere Verluste erlitten.
Am 15. August gingen auch der Südflügel der Gruppe Gerok, 218.
und Teile der 117. Infanteriedivision, halbe 37.
Honved-Infanteriedivision und 8. Gebirgsbrigade, sowie die am linken
Flügel des XVIII. Reservekorps stehende 217. Infanteriedivision zum
Angriff über und drängten die Rumänen langsam aus dem
Becken von Soveja. Um eine Verkürzung der Front zu erzielen, wollte man
nur noch den Oberlauf der Susita erreichen. Hierzu wurde das XVIII.
Reservekorps am 28. August aus der Linie
Panciu - Höhen östlich Iresci in nordwestlicher
Richtung angesetzt. In mehrtägigen, hartnäckigen Kämpfen
gegen das rumänische II. Korps gewannen die Angreifer den Ort Iresci und
die Höhen südlich der Susita, womit nahezu die ganze alte Stellung,
wie sie vor dem rumänischen Einbruche bestanden hatte, erreicht war. Am
3. September wurden auch hier die Angriffe seitens der Deutschen eingestellt.
Anfangs September führten die Rumänen mit ihrem IV. Korps noch
eine Reihe von heftigen Vorstößen gegen die vorspringenden
Stellungen des Korps Benigni, insbesondere gegen die knapp südwestlich
von Ocna stehende 225. Infanteriedivision, welche hier an Stelle der 70.
Honved-Infanteriedivision eingesetzt worden war. Der Feind wurde überall
blutig abgewiesen.
Da eine Fortsetzung der Offensive zur Erreichung des Operationszieles keine
Aussicht auf Erfolg bot, zog man die entbehrlichen Kräfte, die 13.
Schützendivision, die 117. Infanteriedivision, das Alpenkorps und viel
schwere Artillerie, aus der Front. Sie wurden auf den italienischen
Kriegsschauplatz abbefördert. Die zurückgebliebenen Teile gingen
wieder in Dauerstellung über.
Auch die Rumänen verhielten sich weiterhin ruhig. Sie hatten schwere
blutige Verluste und bedeutende Einbußen an Gefangenen und
Kriegsmaterial erlitten. Immerhin konnte die rumänische Heeresleitung mit
Befriedigung auf die jüngsten Taten ihrer Truppen, die ja die Hauptlast der
Kämpfe zu tragen gehabt hatten, zurückblicken. Durch zähen
Widerstand gegen eine gut vorbereitete Offensive und durch zahlreiche,
ungescheut der schweren Verluste bis zum Nahkampf energisch geführte
Gegenangriffe haben die neuformierten und von Franzosen ausgebildeten
rumänischen Divisionen ihr Vaterland vor vollständiger Eroberung
zu schützen gewußt. Die Kämpfe bei Focsani und
Ocna - oder die Schlacht bei Marasesci, wie die Rumänen
sagen - sind der Stolz der rumänischen Armee im Weltkriege
geworden.
|