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Bd. 5: Der österreichisch-ungarische Krieg

[118] Kapitel 7: Der Feldzug von Rowno
Feldmarschalleutnant Max Hoen1

Als verschiedene Anzeichen darauf deuteten, daß sich der bei Kowel verbliebene Südflügel der russischen 13. Armee zum Abmarsch gegen Wlodawa rüste, ließ Generalfeldmarschall v. Mackensen das Kavalleriekorps v. Heydebreck (k. u. k. 4. Kavalleriedivision, k. ungarische 11. Honved-Kavalleriedivision und deutsche 5. Kavalleriedivision) am 20. August von Wladimir Wolynskij und über Luboml, also von Süden und Westen, gegen Kowel vorstoßen und wies die 1. Armee an, dieses Unternehmen zu unterstützen. Sollte dieser Vorstoß vor allem eine Flankenbedrohung der über Wlodawa vordringenden Bugarmee vereiteln, so verhieß er doch auch durch den voraussichtlichen Gewinn von Kowel das Zerreißen der Verbindung der russischen Südwest- mit der Nordwestfront, zwischen welche Frontteile sich fortan das Wald- und Sumpfgebiet des Polesie legte. Die Gunst des Augenblicks auszunutzen, war das Armee-Oberkommando Teschen sofort entschlossen. Verstärkt mit Truppen der 4. Armee, sollte die um Mitternacht zum 22. August aus dem Verbande der Heeresgruppe v. Mackensen tretende 1. Armee nach Einnahme von Kowel den entblößten Nordflügel der russischen Südwestfront umfassend angreifen. Das Ziel der Offensive war der Gewinn des Festungsdreieckes Luck - Dubno - Rowno. In der Eroberung von Rowno winkte die Unterbrechung der letzten direkten Verbindung beider russischen Fronten, der das Polesie querenden Eisenbahn nach Luniniec. Gleichzeitig sollte auch der russische Südflügel zur Räumung der noch besetzten Teile Ostgaliziens gezwungen werden.

Das Operationsfeld, auf welchem das Armee-Oberkommando den Schlag gegen den russischen Südflügel führen wollte, war im Süden vom Dnjestr, im Norden vom Polesie begrenzt. Die galizisch-podolische Bodenwelle schied das Gebiet in zwei Teile: der kleinere südliche mit den tief eingeschnittenen, im allgemeinen von Nord nach Süd fließenden Zuflüssen des Dnjestr, der größere nördliche, mit den in flachen, zur Versumpfung neigenden Tälern eingebetteten Zuflüssen des das Polesie durchströmenden Pripjatj. Während im südlichen Teil die Zlota Lipa, die Strypa, der Sereth und der Zbrucz den Russen eine Aufeinanderfolge trefflicher paralleler Widerstandslinien boten - eine von der anderen nicht viel mehr als einen Tagmarsch entfernt -, flossen im Norden [119] der Bug, Styr und Goryn, sämtlich an der Wasserscheide zwischen Brody und Zalosce entspringend, fächerförmig auseinander. Hier war es für den Verteidiger vorteilhafter, die Stellungen auf den Wasserscheiden zwischen den genannten Flüssen zu wählen und nur in einzelnen Abschnitten Nebenflüsse, so namentlich die Ikwa, Putilowka und Stubla, als Fronthindernisse auszunutzen.

Die Eigentümlichkeit des Gewässernetzes erschwerte dem Armee-Oberkommando die Durchführung seiner Absichten wesentlich. Der Nordflügel, dem die Umfassung und Überflügelung zugedacht war, hatte bis zum Goryn einen weiten Weg zu hinterlegen und eine Reihe von Hindernissen zu überwinden. Wie sich bald zeigte, wurde der westliche Teil des Polesie als Flankenschutz überschätzt. Seine Unpassierbarkeit war ein vom Kulturfortschritt überholter Aberglaube und der Nordflügel sah sich bald bedenklichen Flankenbedrohungen ausgesetzt. Alle Fortschritte im Norden hatten geringe Wirkung auf die Vorgänge in Ostgalizien, solange die Wasserscheide zwischen Brody und Zalosce im Besitze der Russen war und dem Zurückschwenken des nördlichen Teiles der Front als Pivot dienen konnte.

General Iwanow, Befehlshaber der russischen Südwestfront, hatte die Gruppierung seiner drei Armeen den Geländeverhältnissen sehr gut angepaßt. In der Mitte, quer über die galizisch-podolische Bodenwelle, zwischen den Eisenbahnen Brody - Lemberg und Tarnopol - Rohatyn, die Olszanica und die obere Zlota Lipa vor der Front, stand die drei Armeekorps zählende 11. Armee Schtscherbatschew. Nördlich schlossen die 4 Armee- und 1 Kavalleriekorps der 8. Armee Brussilow, südlich an der Zlota Lipa und am Dnjestr, dann an der Ostgrenze der Bukowina die 4 Armee- und 2 Kavalleriekorps umfassende 9. Armee Letschitzki an.

Im Vertrauen auf die fortifikatorische Stärke ihrer Stellungen hatten die Russen nach und nach nicht unbeträchtliche Kräfte an die arg bedrängte Nordwestfront abgegeben. Wenn den General Iwanow eine Sorge drückte, so betraf sie seinen Südflügel am Dnjestr. Hier schienen Überraschungen zu drohen, die mit einem Schlage das ganze System der sorglich vorbereiteten russischen Stellungen in Ostgalizien über den Haufen werfen konnten.

Als Kowel fiel und der Nordflügel gleichsam in der Luft hing, ordnete Iwanow dessen Zurückbiegen in die Linie Zaturcy, am Ursprung der Turija, bis zur Bugfront in der Gegend von Steniatyn an. Gleichzeitig wurde aus der Front der 11. und 9. Armee je eine Reichswehr = Infanteriedivision gezogen, um mit Bahn nach Luck zu rollen und dort als neues XXXIX. Korps den Flankenschutz zu übernehmen. Für eine allerdings lockere Verbindung mit der Nordwestfront sorgte das IV. Kavalleriekorps der 3. Armee.

Dem Armee-Oberkommando Teschen, das den 27. August als Beginn der Offensive festsetzte, standen zur Durchführung seiner Absichten zur Verfügung: [120] die 7. Armee Pflanzer-Baltin, die Südarmee Graf Bothmer, die 2. Böhm-Ermolli, die 1. Puhallo, ferner im Anmarsch aus Polen von der 4. Armee, aber noch nicht in Cholm angelangt, Feldmarschalleutnant Smekal mit der 4. Infanteriedivision und 45. Schützendivision, sowie der 7. Kavalleriedivision, alles in allem 37½ Infanteriedivisionen und 8½ Kavalleriedivisionen gegen eine Streitmacht von 29 Infanteriedivisionen und 14 Kavalleriedivisionen Iwanows. Die durchschnittlich bedeutend größere Stärke der russischen Infanteriedivisionen machte die Überzahl dieser Einheiten der Verbündeten so ziemlich wett; die russische Kavallerie war nahezu doppelt überlegen. Den Angreifern kam aber zu statten, daß sie am Nordflügel eine ansehnliche und in der Mitte, gegenüber der russischen 11. Armee, eine ziemliche örtliche Überlegenheit besaßen.

Der allgemeine Plan des Armee-Oberkommandos Teschen ging dahin, den Nordflügel der Russen mit der 1. Armee hart anzupacken, damit sich die um Kowel versammelte Truppe General der Infanterie Roth v. Limanowa-Lapanow des ungeschützten Styrüberganges Luck bemächtigen könne, dessen Befestigungen nicht hoch einzuschätzen waren. Gleichzeitig sollten die inneren Flügel der 2. und Südarmee die russische Mitte auf der Wasserscheide und südlich davon durchbrechen, die 7. Armee den Feind durch Vorstöße über die untere Zlota Lipa und aus den Dnjestrschlingen fesseln.

Feldzeugmeister v. Puhallo setzte noch am 26. August, als verschiedene Anzeichen auf ein Zurückgehen der dem Nordflügel seiner Hauptkraft gegenüberstehenden Russen deuteten, diesen in Bewegung. Am 27. schritten das Korps Feldmarschalleutnant Szurmay und das X. Feldmarschalleutnant v. Martiny, sowie die rechts anschließende 9. Infanteriedivision des I. Korps General Karl Freiherr v. Kirchbach zum Angriff auf die von zwei Infanteriedivisionen des russischen XII. Korps und drei Kavalleriedivisionen besetzte Stellung zwischen Zaturcy und dem Bug. Ein kritischer Augenblick trat nachmittags ein, als der Kommandant des links in der Staffel folgenden IX. Korps, Feldmarschalleutnant Kraliček, seine 10. Infanteriedivision Feldmarschalleutnant v. Mecenseffy am Nordflügel in den Kampf um Zaturcy eingreifen ließ und die bisher zurückgehaltene 3. Division des russischen XII.Korps zum Flankenstoß vorbrach. Sie wurde aber von der 26. Schützendivision Feldmarschalleutnant Lischka aufgefangen. Als sich der Abend herniedersenkte, hatte die 1. Armee an der ganzen Front Erfolge zu verzeichnen und die Hoffnung war gerechtfertigt, die ihre Stellungen zäh haltenden Russen am nächsten Tage entscheidend schlagen zu können.

Die Angriffsgruppe Böhm-Ermollis, V. Korps Feldmarschalleutnant v. Goglia, brach am 27. bei Gologory, der Nordflügel der Südarmee unterhalb Dunajow in die russische Stellung ein, wirksamst unterstützt durch Vorstöße des Korps Feldmarschalleutnant Hofmann und des Nordflügels Pflanzer- [121] Baltins über die Zlota Lipa und aus den Dnjestrschlingen. Jäher Widerstand der russischen 11. Armee in der zweiten Stellung und wütende Gegenangriffe lösten bis tief in die Nacht währende Kämpfe aus.

Der Morgen des 28. August brachte ein ganz anderes Bild. Die Gruppe Roth auf der Straße Kowel - Luck rüstig vordringend, schwache Kavallerieabteilungen fast ohne Kampf vor sich hertreibend, war am 27. abends über den Stochod, mit Teilen bei Sokul am Styr angelangt. Um der Flankenbedrohung auszuweichen, faßte General Iwanow in der Nacht den Entschluß, die ganze Front in die vorbereitete zweite Stellung zurückzunehmen, rechter Flügel hinter der Luck deckenden Sierna, dann auf der Wasserscheide zwischen Bug und Styr in der Linie Gorochow - Radziechow - Toporow, linker Flügel hinter der Strypa. Aus dieser Front sprangen die Höhen östlich Zloczow bastionsartig vor, doch boten sie der Verteidigung so große örtliche Vorteile, daß der Nordflügel der 11. Armee angewiesen wurde, sie zu halten.

Die russische 8. Armee war bei beginnendem Tage bereits im vollen Rückmarsch in die neue Stellung, die 11. mußte sich im Kampf von ihren Bedrängern loslösen. Vor der Südarmee wichen die Russen bei Tagesanbruch zunächst auf die Wasserscheide zwischen Zlota Lipa und Strypa. Gegenüber dem XIII. Korps Freiherr v. Rhemen holte sich die 2. Schützenbrigade am Morgen noch eine blutige Abweisung, die der 36. Infanteriedivision Feldmarschalleutnant v. Schreitter den Vorstoß in die russischen Stellungen wesentlich erleichterte. Nun traten auch hier die Russen den Rückzug, vorerst hinter den Koropiec, an.

Am Abend des 28. August standen das Korps Rhemen, die Süd- und 2. Armee vor den feindlichen Stellungen, von der 1. Armee nur das IX. Korps Kraliček am Nordflügel. Feldzeugmeister v. Puhallo beschloß, den 29. zum Heranschieben seiner ganzen Front und Vorbereitung des Angriffs auszunutzen, mit dem er am 30. die starke, gut ausgebaute, aber doch relativ schwach besetzte Stellung zu überwältigen hoffte.

General der Infanterie v. Roth war nachmittags in der Gegend von Rožiszcze auf kräftigen Widerstand gestoßen; dagegen war die 4. Kavalleriedivision Generalmajor Berndt bei Sokul ohne sonderliche Schwierigkeit über den Styr gelangt. Die 2. Infanteriedivision Feldmarschalleutnant v. Sellner wurde ihr sofort nachgesendet; in der Nacht folgten ihr die Hauptteile der 3. Infanteriedivision Feldmarschalleutnant v. Horsetzky und 21. Schützendivision Generalmajor Podhajsky.

Da der russische Südflügel am 29. seinen Rückzug hinter die Strypa fortsetzte, kam es hier nur zu Kämpfen mit Nachhuten. So schritt am 29. nur die 2. Armee zum ernsthaften Angriff gegen die russische Mitte, mit dem V. Korps Goglia und dem XIX. Feldmarschalleutnant Trollmann gegen die steil aufragenden Höhen hinter Zloczow, nördlich davon das IV. Korps Feldmarschall- [122] leutnant Schmidt v. Georgenegg beiderseits der Bahn Lemberg - Brody in den einspringenden Winkel der feindlichen Front, der Nordflügel unter Feldmarschalleutnant Czibulka endlich gegen die halbkreisförmig um Radziechow angelegten Stellungen des russischen XVII. Korps.

General v. Roth brachte es fertig, am 29. früh seine Gruppe auf dem östlichen Styrufer zum Vormarsch gegen Luck bereitzustellen, den er mit größter Beschleunigung und äußerster Kraftanspannung der Truppen durchführte. Kosaken und was an Truppen des XXXIX. Korps bereits angelangt war, warfen sich den ermüdeten Kolonnen entgegen. Die Nacht brach herein, ehe der Kampf über die Einleitung hinausgediehen war.

Die Meldung über diese Ereignisse traf in der Nacht beim Armee-Oberkommando Teschen ein, das bereits in Kenntnis vom Bahntransport zweier russischer Infanteriedivisionen nach Luck war. Die Sorge erwachte, daß die Flankenoperation, auf die der Angriffsplan sich aufbaute, zum Stocken kommen werde. Daher erging an Feldzeugmeister v. Puhallo der Befehl, das X. Korps aus der Front zu ziehen und eiligst der Gruppe Roth nachzusenden. Eine Folge dieser Anordnung war, daß der Angriff der 1. Armee, der nach menschlicher Voraussicht dem an Zahl weit schwächeren Nordflügel der russischen 8. Armee eine entscheidende Niederlage beizubringen versprach, nunmehr auf den 31. August verlegt werden mußte.

Die 2. Armee nutzte den 30. erfolgreich aus. Feldmarschalleutnant Czibulka erstürmte den nördlichen Stützpunkt der Stellungen um Radziechow gänzlich, den südlichen zur Hälfte. Das IV. Korps nahm Sokolowka, womit der Südflügel der russischen 8. Armee beträchtlich eingedrückt, der Nordflügel der 11. auf den Höhen mit Umfassung bedroht wurde. An deren Fuß hatten sich die Korps Trollmann und Goglia herangearbeitet, einen vorgeschobenen Stützpunkt des Feindes nach hartem Kampfe überwältigt.

Die Südarmee und der anschließende Flügel der 7. Armee griffen an diesem Tage die wohlvorbereiteten Stellungen am starken Abschnitt der Strypa an. Die Russen hatten zahlreiche Brückenköpfe angelegt, die es ihrer Überzahl erleichtern sollten, zum Gegenangriff überzugehen. Tatsächlich überließ Schtscherbatschew, auf die Stärke der Befestigungen vertrauend, die Verteidigung der oberen Strypa einer Infanteriedivision und ließ drei Infanteriedivisionen von Kozlow gegen die in weiter Front von Zborow bis zur Bahn Rohatyn - Tarnopol demonstrativ angesetzte 19. Infanteriedivision Feldmarschalleutnant Mayer und deutsche 48. Reservedivision vorbrechen. Der Gegenstoß gewann anfangs bedenklich Raum, konnte aber schließlich eingeschränkt werden. Der geringe Erfolg wurde durch die Fortschritte des Nordflügels aufgewogen, der die Russen vom westlichen Quellfluß der Strypa zurückwarf.

Das Korps Hofmann, dem ein für seine Stärke unverhältnismäßig breiter Frontraum zufiel, richtete seinen Angriff vornehmlich gegen den Brücken- [123] kopf Burkanow. Südlich rang die 36. Infanteriedivision um jenen von Buczacz, während sich die 15. Generalmajor Stracker vergeblich bemühte, die untere Strypa zu überschreiten. Auch Letschitzki plante Gegenstöße, vermochte aber seine Kräfte nicht so zielbewußt zusammenzuraffen wie der Nachbar.

Das wichtigste Ereignis des 30. August war der Sieg, den General v. Roth, ohne der Hilfe des X. Korps zu bedürfen, bei Luck erfocht. Brussilow ordnete hierauf noch in der Nacht den Rückmarsch hinter den Styr an. Als die 1. Armee am 31. August früh zum Angriff vorgehen wollte, war weit und breit kein Feind zu sehen. Die sofort eingeleitete Verfolgung brachte im Zusammenwirken mit der Gruppe Roth bis zum Abend die Festung Luck mit großen Vorräten und vielem Kriegsmaterial in den Besitz der 1. Armee.

Die russische 11. Armee hielt am 31. dem Angriff noch stand; der Tag verging unter heftigen Kämpfen. Erst als sie nachts an mehreren Stellen durchbrochen wurde, trat auch Schtscherbatschew am Morgen des 1. September den Rückzug an.

Als noch hartnäckiger erwies sich die 9. Armee. Sie führte am 31. heftige Gegenstöße und hielt selbst noch am 1. September so zäh ihre Brückenköpfe, daß Pflanzer-Baltin sich veranlaßt fand, den am Nordufer des Dnjestr beiderseits der Serethmündung festgesetzten Feldmarschalleutnant v. Benigni nachmittags durch einen Flankenstoß den Entschluß des Feindes zum Rückzug beschleunigen zu lassen. Letschitzki hatte indessen nur die Nacht abgewartet, um den Rückmarsch hinter den Sereth einzuleiten.

Somit war Ostgalizien bis auf den letzten Streifen zwischen Sereth und Zbrucz befreit, ein großer Teil Wolhyniens bis zum Styr erobert. Der Erfolg war aber vornehmlich einem Manöver, der Umgehung des Nordflügels zu danken, die Gelegenheit, diesen mit der augenblicklich vorhandenen bedeutenden Überlegenheit an Truppen zu schlagen, versäumt worden. Schwer fiel ins Gewicht, daß der an sich numerisch schwächere Südflügel, durch Kämpfe um zwei starke Abschnitte noch mehr im Stande herabgesetzt, einem Feinde gegenüber stand, der im Bewußtsein seiner Überlegenheit den Kampf immer mehr offensiv zu führen suchte und hierzu um so mehr befähigt wurde, je enger die russische Übermacht in ihrem Operationsraum zusammengedrängt wurde.

Bald zeigte es sich, daß die Russen östlich des Styr eine neue Stellung bezogen hatten, rechter Flügel hinter der Putilowka, dann über Mlynow an der unteren Ikwa, Kozin an der Plaszewka, Radziwilow, bis an die oberste Ikwa (linker Flügel dor 8. Armee), Podkamien, Zalosce, endlich längs des Sereth, dem eine große Zahl von stark befestigten Brückenköpfen vorgelagert war.

Das weite Zurücknehmen des rechten Flügels legte dem Angreifer zeitraubende Bewegungen auf, überdies erschwerte das Sumpfgelände nördlich der unteren Putilowka die Umfassung. Es war anzunehmen, daß der mit Truppen und Geschützen aus der Festung Rowno verstärkte Nordflügel um so [124] mehr zu längerem Widerstand befähigt sein werde, als einerseits die 8. Armee beauftragt wurde, durch Gegenstöße Truppenverschiebungen gegen Norden möglichst zu hindern, anderseits im Polesie Kräfte der mittlerweile mit dem Südflügel bis östlich Kobrin zurückgedrängten Nordwestfront gegen die Nordflanke der Angreifer angesetzt wurden. Mittlerweile sollte der russische Südflügel aus den Sereth-Brückenköpfen zu einem wuchtigen Angriff vorbrechen. Glückte dieser Stoß, so war die ganze Front der Verbündeten bis zum Polesie gleichsam aus den Angeln gehoben.

Das Armee-Oberkommando Teschen blieb bei seinem bisherigen Verfahren, die Entscheidung mit dem starken Nordflügel zu suchen. Lockte doch hier der Gewinn von Rowno und einer Anlehnung an das östlich des Goryn wirklich den Charakter eines ernsten Hindernisses für Heeresbewegungen annehmende Polesie. Die Führung des Vorstoßes wurde dem 4. Armeekommando, General der Infanterie Erzherzog Josef Ferdinand, übertragen, das nach Ausscheiden seiner letzten Truppen aus der Heeresgruppe Mackensen auf diesen Kriegsschauplatz abgegangen war.

Der bisher von Feldzeugmeister v. Puhallo befehligte Nordflügel wurde zu einer aus zwei Armeen bestehenden Heeresgruppe: 4. Armee, vom Heeresgruppen-Kommandanten Erzherzog Josef Ferdinand geführt, mit dem Ziele Rowno, 1. Armee Puhallo (I., II. und Szurmay-Korps) in der Richtung auf Dubno. Die 2. Armee Böhm-Ermolli hatte wieder auf der Wasserscheide energisch anzugreifen, der Südflügel frontal den Feind anzugehen, um seine Kräfte zu binden. Es fehlte nicht an warnenden Stimmen, die auf den unverhältnismäßig breiten Raum hinwiesen, in welchem die Südarmee und der Nordflügel der 7. Armee gegen die starke Serethstellung vorstoßen sollten. Der Optimismus gewann jedoch die Oberhand, gestützt auf die Wahrnehmungen, daß auch jenseits des Sereth die Rauchwolken brennender Dörfer sichtbar wurden, sonst untrügliche Zeichen russischen Rückzuges, hier vielleicht eine Kriegslist, um glauben zu machen, daß nur vorübergehender Widerstand einer Nachhut geplant sei. Immerhin ließ man einige Vorsicht walten. Um die Befestigungen und die Kräfteverteilung des Feindes zu erkunden, entsprechende Streitkräfte vor den auserwählten Durchbruchsstellen bei genügender Sicherung gegen die anderen Ausfallspforten des Feindes versammeln zu können, wurde der Angriff bis 7. September hinausgeschoben, an welchem Tage das Gros der Südarmee südlich des Brückenkopfes Tarnopol, das Korps Rhemen der 7. Armee bei Budzanow vorstoßen sollten.

Die Russen nahmen vorerst gleichfalls Verschiebungen vor und waren vor allem darauf bedacht, in ihrer Südflanke am Dnjestr reinen Tisch zu machen, wo ihnen das Korps Benigni mit dem am 2. September nachmittags begonnenen Angriff übel mitgespielt hatte. Das 7. Ulanenregiment erstürmte die Höhe Miejska Gora im Mündungswinkel des Sereth; auf dem östlichen Sereth- [125] ufer wurde die wichtige Höhe Sloteria doppelt umfaßt und am folgenden Tage genommen; rechts davon drang Feldmarschalleutnant Fürst Schönburg-Hartenstein trotz zahlreicher Gegenstöße der 74. Reservedivision bedrohlich vor.

Letschitzki raffte am 4. und 5. September beträchtliche Kräfte zu einem Angriff auf das Korps Benigni zusammen, womit er einen Stoß gegen die Front in der Bukowina verband; doch scheiterte der Versuch, den Südflügel noch vor dem großen Gegenangriff von seinen Bedrängern zu befreien, gänzlich.

Die 2. Armee Böhm-Ermolli und die Heeresgruppe Erzherzog Josef Ferdinand stießen am Nachmittag des 2. September an die neue russische Stellung und entwickelten sich sofort zum Angriff. Die russische 8. Armee ließ noch an diesem Tage das XII. Korps zu einem wuchtigen Gegenangriff vorbrechen. Er traf die 26. Schützendivision Feldmarschalleutnant Lischka, die als Verbindung zwischen dem beiderseits der nach Rowno führenden Eisenbahn vorrückenden Gros der 4. und dem beiderseits der unteren Ikwa angesetzten Gros der 1. Armee vorging. Die anfangs recht bedrohlich aussehende Situation wurde glücklich überwunden, doch um den Preis des Einsetzens der Reserve der 4. Armee, 10. Infanteriedivision Mecenseffy, womit der Zweck der Russen zum Teil erreicht war.

Am 3. September erneuerte das russische XII. Korps zeitlich früh seinen Gegenangriff, gleichzeitig stieß das VIII. Korps in die weite, nur mit einem Detachement bedachte Lücke zwischen dem Gros der 1. Armee und dem II. Korps General Johann Freiherr v. Kirchbach (nur 25. Infanteriedivision) vor, das nördlich der Plaszewka gegen das russische XVII. Korps kämpfte. Das II. Korps mußte ein Stück zurückgehen, der Nordflügel der 2. Armee, die erfolgreich um die der russischen Front vorgeschobenen Stellungen raufte, am Südufer der Plaszewka eine Hakenstellung beziehen, um sich gegen eine Umfassung zu wappnen. Die Russen hatten es indessen vornehmlich auf die südlich der unteren Ikwa fechtenden Teile der 1. Armee, I. Korps, abgesehen. Die Absicht, deren Front von Süden aus aufzurollen, scheiterte an der geschickten und standhaften Abwehr der 46. Schützendivision Feldmarschalleutnant Czapp.

Im Laufe des Vormittags des 3. war auch das russische XXXIX. Korps südlich der Rownoer Eisenbahn zum Gegenangriff vorgegangen, heftige Kämpfe mit wechselndem Erfolge entspannen sich mit dem XIV. Korps, doch gewann schließlich General v. Roth mit einem Vorstoß gegen Olyka die Oberhand. Der 4. brachte an der ganzen Front der Heeresgruppe russische Gegenstöße, die ein wildes Ringen auslösten, ohne den Zweck zu erreichen, die Heeresgruppenreserve, Korps Feldmarschalleutnant Smekal, herbeizulocken. Beruhigt konnte der Erzherzog eine dieser beiden Infanteriedivisionen dem X. Korps an die untere Putilowka nachsenden, über welche er den entscheidenden Angriff zu führen gedachte.

[126] Als Vorbedingung hierfür sollte die 4. Kavalleriedivision Berndt bis an den Goryn abwärts der Putilowkamündung vorrücken und die dortigen Flußübergänge sperren. Sie kam durch das Sumpf- und Waldgebiet von Berestiany nicht durch, wollte es nördlich umgehen, wurde aber in die Kämpfe der 7. Kavalleriedivision Generalmajor v. Mold verwickelt, welche die Flanke gegen die zwischen Goryn und Styr andringenden Russen deckte.

An ihrer Stelle sollte ein Detachement des X. Korps knapp längs des nördlichen Ufers der Putilowka vorzudringen trachten, stieß aber bald auf überlegenen Widerstand. Nun durfte man es nicht wagen, den Angriff östlich der Straße Cuman - Klewan zu führen, sondern mußte den viel schwierigeren und stärker befestigten westlichen Raum wählen, um größere Sicherheit in Flanke und Rücken zu erzielen. Die Versammlung der hierzu nötigen entsprechend stärkeren Streitkraft erzwang eine Verschiebung des Angriffes, der schließlich, als schwere Regengüsse einfielen, auf den 8. September anberaumt wurde.

Mittlerweile führte Böhm-Ermolli am 6. den entscheidenden Angriff, wobei das zwischen Zalosce und der Ikwa angesetzte V. Korps Goglia bei Podkamien wiederum seinen alten Gegner, das russische VI. Korps, durchbrach. Im Abschnitt von Radziwilow bahnte die Erstürmung der Höhen bei Michalowka durch den Generalmajor v. Willerding mit der 31. und 32. Infanteriedivision des XVIII. Korps den Erfolg an, indem es nun der 27. Infanteriedivision Feldmarschalleutnant Kosak des IV. Korps erleichtert wurde, den von den Russen zäh verteidigten Ort Radziwilow zu erobern. Am längsten hielt sich die Höhe Makutra bei Suchawola, doch wurde die 51. Honved-Infanteriedivision Feldmarschalleutnant Kornhaber ihrer in der Nacht endlich Herr.

Der schön durchgeführte Durchbruch bei Podkamien setzte die 2. Armee in den uneingeschränkten Besitz der wichtigen Wasserscheide, von der aus alle zur Deckung Rownos möglichen Stellungen und die Front am Sereth aufgerollt werden konnten. Sie hätte hierzu jedoch namhafter Verstärkungen bedurft, um einerseits die Verluste in den drei Durchbruchsschlachten bei Gologory, Zloczow und Podkamien wettzumachen, andererseits der dreifachen Aufgabe, dem eben wieder geschlagenem Feinde den Rest zu geben, rechts und links den Durchbruch in Flankenstößen auszuwerten, genügen zu können. Solche Verstärkungen kamen nicht. Im Gegenteil war schon am 2. September die 1. Kavalleriedivision zur Heeresgruppe Erzherzog Josef Ferdinand abkommandiert worden, um die Flankendeckung des Nordflügels im Polesie zu verstärken.

Mittlerweile hatte der Südflügel der russischen 11. und der Nordflügel der 9. Armee am selben 6. September nachmittags die längst geplante Gegenoffensive über den Sereth mit Angriffen aus allen Brückenköpfen in der Gegend Trembowla eingeleitet. Von all den wütenden Angriffen war nur jenem [127] der finnländischen 3. Schützenbrigade bei Mikulince ein Erfolg beschieden. Am 7. September bei Morgengrauen nutzten die Russen den erzielten Durchbruch zu einem Flankenstoß gegen den abgetrennten Nordflügel des Korps Hofmann, Brigade Oberst Bolzano, aus, die gleichzeitig samt dem Südflügel des Korps Marschall vom Gros des XXII. Korps angefallen wurde. Nun drang auch das russische XVIII. Korps aus dem Brückenkopf Tarnopol gegen das Korps Marschall vor. Bolzanos 81. und 88. Regiment deckten die Südflanke dieses Korps in heldenmütigem Widerstand so lange, bis die deutsche Brigade Leu zu Hilfe kam. Den Feind in der Front hatte das Korps Marschall mittlerweile gründlich abgebeutelt.

Nicht so günstig endete die Abwehr gegen die Vorstöße der russischen 9. Armee aus den Brückenköpfen Strusow und Budzanow. Nach zähem Widerstand sah sich die am Nordflügel umfaßte, in der Front mehrfach durchbrochene 55. Infanteriedivision Generalmajor Fleischmann des Korps Hofmann zum Rückzug gezwungen; die 36. Infanteriedivision Rhemens mußte gleichfalls weichen. Unter schweren Kämpfen, in welchen sich die 131. Brigade Generalmajor Blum besonders auszeichnete, wich der hartgetroffene Frontteil auf die Höhen östlich der Strypa bei Burkanow zurück, über Nastasow und Kossow mit den noch in den alten Stellungen haltenden Flügeln der Serethfront verbunden.

Der Sieg Böhm-Ermollis bei Podkamien brachte in der zweifellos kritischen Lage für den Augenblick eine Erleichterung. Gleich bei Einleitung der Verfolgung am 7. September war die 14. Infanteriedivision Feldmarschalleutnant v. Csicserics am Südflügel über Gontowa gegen Zbaraz abgezweigt worden, um die Südarmee durch Flankenbedrohung der Serethstellung zu unterstützen. Am 8. schickte Böhm-Ermolli auf die Nachricht vom bösen Stand der Serethschlacht die 34. Infanteriedivision Generalmajor v. Birkenhain nach.

Schtscherbatschew beeilte sich, die Nordflanke durch Stellungnahme des VI. Korps in der Linie Ihrowica - Butyn am oberen Goryn zu decken und konnte vorläufig nicht daran denken, den Angriff gegen das Korps Marschall weiterzuführen. Letschitzki war vor allem darauf bedacht, die linke Flanke des geplanten Vorstoßes gegen die Strypa durch Vertreibung des nördlich des Dnjestr festgesetzten Nordflügels der Armee Pflanzer-Baltin frei zu machen. Er sandte dem Korps Hofmann am 8. nur die Kuban-Kosaken nach; die übrigen Truppen gruppierten sich zum Angriff gegen Süden.

Der Sieg bei Podkamien war nicht ohne Einfluß auch auf den Nordflügel geblieben. Im Einklang mit dem geschlagenen Südflügel der russischen 8. Armee wich am 7. früh deren Mitte, alle südlich der unteren Ikwa stehenden Truppen, zurück. Der Nordflügel hielt hingegen seine Stellungen. Erst nach hartem Ringen wurde das mit der 4. Schützenbrigade verstärkte russische XXXIX. Korps vom ungestümen Drange nach vorwärts aller vom General [128] v. Roth befehligten Truppen am 8. an zwei Stellen durchbrochen, womit die Schlacht bei Olyka gewonnen war. Die Russen wichen in den letzten Verteidigungsabschnitt vor Rowno: Goryn - Stubla bis Zarieck - Höhen östlich Dubno - Ikwa zurück. Dubno, dessen Festungswert noch geringer war als jener von Luck, wurde widerstandslos der 1. Armee preisgegeben.

Der neuerliche Mißerfolg fiel dem Kommando der russischen Südwestfront augenscheinlich auf die Nerven. Die Gefahr lag nahe, daß Rowno früher verloren ging, als sich der Anfangserfolg am Sereth zu einer fühlbaren Bedrohung der österreichisch-ungarischen Heeresfront ausweitete. Zwar besaß die 9. Armee im XXX. Korps noch eine völlig intakte Reserve für diesen Zweck; doch ließ das Eingreifen der Armee Böhm-Ermolli in den Kampf des Nordflügels der Südarmee als zweifelhaft erscheinen, ob sein Einsatz zu einem durchschlagenden Erfolge genüge. So entschloß sich Iwanow, dieses Korps mit Bahn an den Nordflügel der 8. Armee zu verschieben.

Gleichzeitig ergingen Bitten um Verstärkungen an das Oberkommando. Sie fanden um so mehr Gehör, als gerade am 8. September Großfürst Nikolaj Nikolajewitsch seines Kommandos enthoben wurde. Der Zar trat an seine Stelle und setzte mit seinen Beratern alles daran, die Armee zu verstärken und mit frischem Angriffsgeist zu erfüllen, um der Reihe beständiger Mißerfolge ein Ziel zu setzen.

Die dem Armee-Oberkommando Teschen unterstehende Heeresfront hatte in zwei Wochen unter teilweise sehr schweren Kämpfen den gleich starken Feind aus drei starken Stellungen zurückgedrängt, mit dem Nordflügel in Luftlinie an 100 km, mit dem Südflügel über 40 km Raum gewonnen. Den Truppen waren gewaltige Anstrengungen auferlegt worden; auf große Hitze folgte Regenwetter, das auch den immer länger gewordenen Nachschub auf Fuhrwerken erschwerte. Die sichtliche Vermehrung feindlicher Streitkräfte im Polesie bedrohte täglich mehr die Flanke des Nordflügels, auf dessen umfassende Wirkung bisher der Operationsplan aufgebaut war. Schon am 4. September war die polnische Legion (1. und 3. Brigade) Feldmarschalleutnant v. Durski von der Heeresgruppe Mackensen in Eilmärschen nach Kowel heranbeordert worden, um dem Andringen des russischen IV. Kavalleriekorps Gyllenschmidt Schranken zu setzen. Nun wurden noch die 11. Honved-Kavalleriedivision, die 2., 9. und 10. Kavalleriedivision für die Deckung der Nordflanke bestimmt.

Die 4. Kavalleriedivision Berndt, sowie die 7. Mold, zu welchen inzwischen die 1. Generalmajor v. Ruiz von der 2. Armee gestoßen war, rauften sich erfolgreich in dem vielfach versumpften, von vielen Wasseradern durchzogenen und mit zahlreichen Wäldern bedeckten Gelände beiderseits des Styr mit dem Korps Weljassew herum. Bis 8. September war namentlich die Eroberung des wichtigen Styrüberganges Kolki und des Stochodüberganges Kaszowka als hervorragende Waffentat zu buchen.

[129] In der Hoffnung, die Nordflanke auch in Zukunft geschützt zu sehen, beharrte das Armee-Oberkommando Teschen auf dem Vorstoß des Nordflügels gegen Rowno. Es rechnete auf dessen Gelingen vor vollzogener Verschiebung des russischen XXX. Korps dahin, die bald bekannt geworden war. Die Schwächung des russischen Südflügels minderte offenbar die in der Serethschlacht drohenden Gefahren, die gegenstandslos wurden, wenn Rowno in kurzer Frist fiel. Als Stichtag konnte der 13. September gelten, an welchem Tage, wie man wußte, das XXX. Korps bei Rowno aufmarschiert sein konnte.

Die Heeresgruppe Erzherzog Josef Ferdinand stieß am 9. September an die neue russische Stellung, die zum großen Teil durch vorliegende Wasserläufe geschützt, sehr gut befestigt und dicht besetzt war. Im Abschnitt zwischen Stubla und Ikwa, wo ein nasses Fronthindernis fehlte, war der Hauptstellung eine Linie starker Befestigungen vorgelagert, deren Überwindung neben Opfern jedenfalls Zeit kostete. Erzherzog Josef Ferdinand plante, den letztgenannten Abschnitt längs der Straße Dubno - Rowno von der 1. Armee durchbrechen zu lassen, mit dem Nordflügel der 4. Armee aber den Goryn unterhalb der Mündung der Putilowka zu überschreiten und durch geraden Vorstoß gegen Rowno den Erfolg ähnlich an sich zu reißen, wie es seinerzeit bei Luck geschah.

Feldmarschalleutnant v. Martiny, dem der entscheidende Stoß zufiel, setzte die 45. Schützendivision Feldmarschalleutnant Smekal nördlich der Putilowka gegen die Gorynschleife bei Diuksin, die 62. Infanteriedivision Generalmajor Tunk links davon gegen jene bei Derazno an. Den Zugang zur ersteren sperrte der Ort Ugliszcze, der erst am 12. in heißem Kampf erstürmt werden konnte. Doch blieben alle Übergangsversuche vergeblich.

Die 62. Infanteriedivision hatte es bei Derazno mit den Orenburg-Kosaken zu tun, die am 10. wohl zurückgedrängt wurden, doch im Raum um Postojno eine Flankenstellung bezogen, in die alsbald Verstärkungen einrückten, so daß eine lückenlose Verbindung mit dem Kavalleriekorps Weljassew hergestellt wurde, das sich vergeblich bemühte, dem Kavalleriekorps Berndt den inzwischen genommenen Styrübergang Kulikowice und die Stellung am Kormin bei Gurajmovka zu entreißen.

Feldmarschalleutnant v. Martiny mußte auch die ihm nachgesendete 4. Infanteriedivision Feldmarschalleutnant Schmidt v. Fussina gegen den die Nordflanke bedrohenden Feind ansetzen. Generalmajor Berndt, der ihm unterstellt wurde, sollte den Angriff mit seinem rechten Flügel unterstützen. Zum Vorstoß über den Goryn blieb nur die zur Verstärkung nachgerückte 13. Schützendivision Generalmajor v. Szekely übrig, die am 12. den Flußübergang durchführte und mit der Vorhut, den Wiener Schützen Nr. 24, trotz heftigem Flanken- und Rückenfeuer und erbittertem Widerstand der Russen die Stellung, welche die Landenge nördlich Diuksin sperrte, zum Teil erstürmte.

[130] In der Front der 4. Armee an der Stubla, 24. Schützendivision vor Klewan, XIV. Korps bei Nowosielki, IX. bei Zarieck, blieb es bis auf Kanonaden ruhig, so daß jedes der beiden Korps je eine Division in der Nacht zum 12. herausziehen konnte. Eine davon, die 26. Schützendivision, sollte zur 1. Armee stoßen, um dieser größere Angriffskraft zu verleihen.

Bei der 1. Armee waren der 10. und 11. September mit Heranschieben an die feindlichen Vorpositionen, deren einige erstürmt wurden, vergangen und mit vergeblichen Versuchen der 25. Infanteriedivision Generalmajor Poleschensky, die Ikwa bei Dubno zu überschreiten. Am 12. begann der eigentliche Angriff, der sich sehr schwierig gestaltete. Unter großen Opfern gelangte die Wiener 25. Infanteriedivision mit Überschiffung auf das östliche Ikwaufer. Immerhin versprach die Fortsetzung der Schlacht günstige Aussichten.

Inzwischen hatten die Ereignisse an den anderen Teilen der Front eine gänzlich veränderte Lage geschaffen. Am 9. warf die russische 9. Armee den Nordflügel der 7. Armee, XIII. Korps Rhemen, in den Brückenkopf Buczacz und auf die südlich anschließenden Höhen östlich der Strypa zurück, das Korps Feldmarschalleutnant v. Henriquez nach Tluste. Am 10. rokierten unter dem Schutze eines demonstrativen Angriffes auf das Korps Benigni drei Reiterdivisionen und drei Infanterieregimenter über den Sereth und fügten dem Frontalangriff gegen Henriquez einen Flankenstoß hinzu. Trotz heldenhaftem, Schritt um Schritt erneuertem Widerstande mußte das Korps in das Vorfeld des Brückenkopfes Zaleszczyki weichen.

Das wie ein Felsen gegenüber Tarnopol standhaltende Korps Marschall wurde in diesen Tagen gleichfalls von heftigen Angriffen umbrandet. Insbesondere hatten es die Russen auf die 19. Infanteriedivision Feldmarschalleutnant Mayer abgesehen, die beiderseits der Straße Tarnopol - Jezierna stand. Da sich hier tschechische Truppen befanden, ist die Anziehungskraft begreiflich.

Sehr enttäuschten die Hoffnungen auf eine befreiende Wirkung des Flankenstoßes der Gruppe Csicserics der 2. Armee gegen Zbaraz. Regenwetter, das die Artillerieunterstützung des schweren Angriffes gegen die starken russischen Stellungen nahezu ausschloß, ließ es bis 11. zu keinem fühlbaren Fortschritt kommen. Böhm-Ermolli entschloß sich daher, weitere Kräfte zur Unterstützung des Nachbars zu verwenden. Am 10. wurde die 51. Honved-Infanteriedivision Kornhaber der Gruppe Csicserics nachgesendet, der Kommandant des XIX. Korps, Feldmarschalleutnant Trollmann, als Befehlshaber eingesetzt. Am 11. erhielt Feldmarschalleutnant Czibulka den Auftrag, die 32. und eine aus drei Infanterieregimentern zusammengestellte Infanteriedivision Generalmajor Kroupa bei Jezierna bereitzustellen, um der Südarmee auf dem westlichen Serethufer direkte Hilfe zu bringen.

[131] Am 12. machten die Russen gewaltige Anstrengungen, beide Flanken für den geplanten großen Vorstoß gegen Brzezany frei zu machen. Bei Zaleszczyki hielt jedoch die 30. Infanteriedivision Generalmajor Jesser heldenmütig die beherrschende Höhe Wicha, bei Tarnopol holten sich die Finnländer gegen das Korps Marschall blutige Köpfe. Besonders erbittert gestalteten sich die Kämpfe an der Front Trollmanns, die sich sogar auf jene nördlich des Goryn ausdehnten. Die wiederholten, bis in die Nacht fortgesetzten Angriffe der Russen blieben ohne Erfolg.

All diese Waffentaten konnten nicht darüber täuschen, daß am Südflügel eine sehr kritische Lage eingetreten war. Schon hatte sich das Armee-Oberkommando Teschen genötigt gesehen, zur Verstärkung der offenbar sehr gefährdeten Strypafront das eben gegen Serbien abrollende VI. Korps Arz zum Nordflügel der 7. Armee abzuschwenken. Nun wurde das Korps Marschall in der Nacht zum 13. auf die Höhen östlich der Tiefenlinie Jezierna - Horodyszcze zurückgenommen, einerseits um in engeren Anschluß an das Korps Hofmann zu kommen, andererseits um die Front für den Flankenstoß zu räumen, den das Korps Czibulka entlang des westlichen Serethufers unternehmen sollte. Dessen Kraft erfuhr aber im selben Augenblicke eine beträchtliche Schwächung. Truppenversammlungen der Russen vor der dünn besetzten Ostfront der 2. Armee ließen befürchten, daß gewaltige Anstürme bevorständen. Böhm-Ermolli berief die kombinierte Division Kroupa zurück und wandte sich an das Armee-Oberkommando um Hilfe. Dieses erteilte hierauf in der Nacht zum 13. den Befehl, den Angriff der 1. Armee einzustellen, die zu dieser gesendete 26. Schützendivision sofort zur 2. Armee weitermarschieren und ihr die eben aus der Front des XIV. Korps gezogene 2. Infanteriedivision folgen zu lassen. Dennoch war der Vorstoß des Nordflügels gegen Rowno fortzusetzen, obzwar wohl kaum mehr zu verkennen war, daß sich das früher annähernde Gleichgewicht der Kräfte längst zugunsten der Russen verschoben hatte. (Skizze 8 s. folgende Seite [Scriptorium merkt an: hier gleich nachfolgend].)

Der Feldzug von Rowno.
[132]      Skizze 8: Der Feldzug von Rowno.

Was half es, daß die im Polesie kämpfenden Truppen bis zum 13. namhafte Erfolge erzielt hatten? Das Kavalleriekorps Feldmarschalleutnant Graf Bissingen (2. Kavalleriedivision und 11. Honved-Kavalleriedivision), am 11. die Turija überschreitend, drängte im Vereine mit der von Kowel zwischen Turija und Stochod vorgehenden polnischen Legion die Kubankosaken in den Mündungswinkel des Stochod zurück; die 1. Kavalleriedivision zwischen Stochod und Styr gewann mit dem linken Flügel Raum und drängte mit dem rechten dicht an Czartorijsk heran. Der rechte Flügel des Kavalleriekorps Berndt endlich erreichte unter unsäglichen Schwierigkeiten bei Choloniewiczy den Ostrand des großen Sumpfes von Berestiany.

Martiny brauchte Verstärkungen, doch selbst die 21. Schützendivision, die Erzherzog Josef Ferdinand seiner Stoßgruppe nachgesendet hatte, kam nicht [132] heran. Ein überraschender Vorstoß der Russen am frühen Morgen des 13. beiderseits Klewan gegen die dünn besetzten Linien der 3. Infanteriedivision Horsetzky und der 24. Generalmajor Urbarz gewann so rasch Raum, daß das Armeekommando die 21. Schützendivision Podhajsky und die eben zum Ab- [133] marsch zur 2. Armee bereitgestellte 2. Infanteriedivision Sellner sofort auf das Kampffeld beorderte.

Um Abend trafen bei Feldmarschalleutnant Martiny Meldungen vom Anmarsch großer Kolonnen gegen seine Nordflanke ein. Bald unterlag es keinem Zweifel, daß dies das russische XXX. Korps war. Die Hoffnung auf einen Erfolg, selbst nach Heranziehen der einen Division Armeereserve, waren damit endgültig begraben. Die Vorgänge am 13. September an den anderen Teilen der Front ließen indessen überhaupt erkennen, daß die Russen die Initiative an sich gerissen hatten und einen mächtigen Gegenangriff ins Werk setzten.

Am frühen Morgen sah sich die 2. Armee Böhm-Ermolli zwischen Ikwa und Goryn, gleichzeitig in der von Feldmarschalleutnant Trollmann befehligten Südflanke angefallen. Wohl setzte die Tapferkeit der Truppen den feindlichen Erfolgen enge Grenzen, doch schloß der Kampftag mit einem Zurückdrängen der Front.

Ein Glück war, daß die Zurücknahme des Korps Marschall den Russen offenbar ganz unerwartet kam, so daß der Südflügel der russischen 11. Armee an Stelle des geplanten mächtigen Angriffes ein vorsichtiges Vorfühlen setzte und erst abends mit den Vortruppen vor der Gruppe Czibulka, den Korps Marschall und Hofmann, erschien. Die 9. Armee endlich verwendete diesen Tag dazu, sich in der Südflanke Sicherheit zu schaffen. Es gelang ihr, der 30. Infanteriedivision die den Ausgang aus Zaleszcznki beherrschende Höhe Wicha zu entreißen.

Das Armee-Oberkommando Teschen erkannte, daß die Russen einen Durchbruch gegen Lemberg über Brzezany und Brody im Schilde führten. Deswegen sollte bei Zalosce eine Kraft gesammelt werden, die je nach Bedarf dem nördlichen oder südlichen Stoß in die Flanke fallen konnte. Erzherzog Josef Ferdinand erhielt den Auftrag, eine Verteidigungsstellung zu beziehen und außer der 2. Infanteriedivision und 26. Schützendivision auch die 46. Schützendivision der 1. Armee zur 2. in Marsch zu setzen.

Am 14. September gingen die Russen an der ganzen Front zum Angriff über. Am Südflügel durchbrach die russische 9. Armee das Korps Hofmann bei Burkanow und drang auf das westliche Ufer der Strypa vor. Zum Glück langte aber eben nach starkem Marsch das tschechische Infanterieregiment Nr. 88 an, dessen erprobter Führer Oberstleutnant Wächter dem Siegeslauf Einhalt gebot. Von der Dnjestrfront eilten alle frei zu machenden Kräfte der russischen 9. Armee gegen die Durchbruchsstelle herbei, doch stieß Generalmajor Tabajdi mit Truppen des XIII. und VI. Korps am 15. aus dem Brückenkopfe Buczaz in die Flanke der Marschkolonnen. Die nächsten Staffeln des VI. Korps führte Oberstleutnant Albrecht westlich der Strypa gegen die Flanke der über den Fluß gelangten Russen.

[134] Der Südflügel der russischen 11. Armee, die Finnländer, mühte sich inzwischen in Nacht- und Tagangriffen vergeblich, die Front der deutschen 3. Garde-Infanteriedivision Generalmajor v. Lindequist längs der Eisenbahn Tarnopol - Brzezany zu durchbrechen. Ebenso erging es dem russischen XVIII. Korps gegenüber der 32. Infanteriedivision Generalmajor v. Willerding, die den geplanten Durchbruch entlang des westlichen Serethufers gegen Zalosce vereitelte. Am 15. ging diese Division im Verein mit der 38. Honved-Infanteriedivision Feldmarschalleutnant v. Csanady zum Gegenangriff über, der bedeutende Erfolge erzielte.

Da am 15. die letzten Staffeln des VI. Korps hinter dem Korps Hofmann eintrafen, konnte die Durchbruchsgefahr als abgewendet gelten. Die Russen mußten alle erlangbaren Reserven gegen das Korps Marschall und die Division Tabajdi werfen, so daß der Durchbruchskeil bei Burkanow ohne Unterstützung blieb. Als beide Flankenangriffe am 16. Raum gewannen, demonstrative Vorstöße der Russen gegen verschiedene Teile der Dnjestrfront die volle Schlagkraft der Armee Pflanzer-Baltin erwiesen, verzweifelte General Iwanow an einer glücklichen Beendigung der schon 11 Tage währenden Serethschlacht und nahm am 17. früh alle Truppen in die Stellungen am Sereth zurück.

Zu diesem Entschluß trug der opfervolle Verlauf der Schlacht bei Kremieniec - Gontowa, Nordflügel der russischen 11. gegen die Armee Böhm-Ermolli, nicht wenig bei. Der Kampf um die Höhe bei Gontowa östlich Zalosce war ein erbittertes Ringen, das am 16. früh sein Ende erreichte, als das oberungarische Infanterieregiment Nr. 85 in wütendem Handgemenge den überfallsartig in die Stellungen eingedrungenen Feind zurückwarf. An der Ikwa benutzte das russische VII. Korps den Umstand, daß der Erfolg am 13. das Ikwaknie freigelegt hatte, um die Flanke des IV. Korps anzugreifen, während das XVII. Korps der russischen 8. Armee bei Dunajow über den Fluß vorging. Der Flankenangriff drang nicht durch und der anfängliche Erfolg in der Front bei Dunajow wendete sich nach Eingreifen der Reserven des Verteidigers in eine kritische Situation, der sich die Russen am 16. durch den Rückzug entzogen. General der Kavallerie v. Böhm-Ermolli nutzte den sichtlichen Niederbruch des Feindes und die Ankunft der 26. Schützendivision Feldmarschalleutnant Lischka, um südlich der Ikwa zum Angriff zu schreiten. Dem erfolgversprechenden Beginn blieb die Fortsetzung infolge der Ereignisse am Nordflügel versagt.

Am 14. September lenkten größere Angriffe und Demonstrationen an der Stubla und in der Front der 1. Armee sehr geschickt die Aufmerksamkeit des Erzherzogs Josef Ferdinand vom Nordflügel ab. Er ließ sich verleiten, die Armeereserve bei Olyka bereitzustellen und vom Korps Martiny überdies die 4. Infanteriedivision näher heranzuziehen. Mittlerweile drängte General Weljassew den rechten Flügel des Kavalleriekorps Berndt in das Sumpfgebiet von [135] Berestiany zurück. Der Weg zur Umfassung der 62. Infanteriedivision war freigelegt.

Am 15. brach das Unglück über den Nordflügel der Heeresgruppe Erzherzog Josef Ferdinand herein. Weljassew setzte zwei zu ihm gestoßene Brigaden des XXXIX. Korps in der Sumpfregion von Berestiany gegen den Ostflügel der 4. Kavalleriedivision an. Der Fleiß, mit welchem die Reiter Wege hergestellt hatten, kam ihren Feinden zugute, deren Übermacht sie trotz zäher Gegenwehr zurückwarf. Das russische XXX. Korps fiel die 62. Infanteriedivision bei Derazno mit einer Division in der Front, mit der anderen in der Westflanke an und zerschlug sie völlig. Am Abend entschloß sich Feldmarschalleutnant Martiny zur Zurücknahme des Korps an die Straße Klewan - Cuman - Karpilowka; anschließend bis Kolki nahm das Kavalleriekorps Berndt erneuert Stellung. Der Feind drängte unmittelbar nur mit schwächeren Kräften nach. Offenbar verschob sich das Gros durch das Sumpf- und Waldgebiet von Berestiany. Ganz unerwartet gab aber während der Kanonade an der Stubla, die den 16. ausfüllte, die 24. Infanteriedivision, rechter Flügel des X. Korps Martiny, einem Vorstoß der Russen aus dem Winkel zwischen Stubla und Putilowka nach. Herbeikommende Reserven konnten den Durchbruch nicht mehr wettmachen. Die brüchig gewordene, dünn besetzte und weiterer Reserven entbehrende Front zwischen Klewan und Cuman konnte angesichts der Erschöpfung der Truppen dem Ansturm der Russen nicht widerstehen. Erzherzog Josef Ferdinand ordnete den Rückzug hinter die Putilowka an. Während die Truppen am 17. dahin in Bewegung waren, wurden der Nordflügel des X. Korps bei Karpilowka und das Kavalleriekorps Berndt an mehreren Stellen durchbrochen, die 1. Kavalleriedivision zwischen Styr und Stochod zurückgedrängt.

Feldmarschalleutnant Martiny konnte sich nicht dafür verbürgen, daß seine Truppen in der zur Deckung der Nordflanke eiligst bezogenen zweiten Stellung bis zur Ankunft von Verstärkungen standhalten könnten. So wurde der Rückzug der ganzen Heeresgruppe hinter den Styr und die Ikwa am Abend des 17. angetreten.

Dieser schwere Rückschlag veranlaßte das Armee-Oberkommando Teschen, dem Südflügel das Nachdrängen an den Sereth zu untersagen. Die 2. Armee hatte die Offensive einzustellen, die 26. und 46. Schützendivision ehebaldigst zur 1. Armee abzusenden, die dem General der Kavallerie v. Böhm-Ermolli unterstellt wurde, um die Ikwa-Verteidigung einheitlich zu gestalten.

Der Not der 4. Armee sollte im Einvernehmen mit der deutschen Obersten Heeresleitung durch einen Flankenstoß aus dem Polesie abgeholfen werden, zu dem das Armee-Oberkommando das eben zum Abtransport auf den serbischen Kriegsschauplatz bereitgestellte XVII. Korps Křitek, die Bug-Armee das deutsche XXIV. Reservekorps und die 5. Kavalleriedivision beisteuerten. Generaloberst v. Linsingen übernahm das Kommando der so entstehenden [136] neuen Heeresgruppe, 4. Armee und Heereskörper im Polesie, letztere geführt vom General der Infanterie v. Gerok.

Bis zum Eingreifen der Verstärkungen vergingen acht sorgenvolle Tage. Die russische 8. Armee folgte zwar langsam und vorsichtig, verstand es aber, eine gewaltige Streitmacht vor dem Brückenkopf Luck zu vereinigen. In der Nacht zum 20. und in jener zum 21. liefen die Russen Sturm auf Sturm gegen die Ostfront, drangen wiederholt in die Verschanzungen ein, wurden aber von Teilen der 2., 3. Infanteriedivision und 21. Schützendivision immer wieder hinausgeworfen. Am 21. griffen sie unter starker Artillerieunterstützung den Südflügel an, setzten diesem und der Ostfront am 22. so heftig zu, daß ein baldiger großer Angriff erwartet werden mußte. General v. Roth stellte entsprechend seine Reserven bereit. Tatsächlich tobte in der Nacht zum 23. an beiden Fronten gewaltiger Gefechtslärm. Da kam die überraschende Kunde, daß die Nordfront, wieder bei der meist aus Ruthenen zusammengesetzten 24. Infanteriedivision, von den Russen überrumpelt worden sei. Ehe noch Gegenmaßnahmen getroffen werden konnten, drang der Feind bis dicht an Luck heran und bemächtigte sich einer Styrbrücke. Nur dem Heldenmut der am Nordrand der Stadt den Russen sich entgegenwerfenden Truppen dankte es das XIV. Korps, daß es den Rückzug über den Fluß durchführen konnte. Der heiße Kampftag am 23. endete damit, daß die Russen im Besitze aller Festungswerke auf dem Westufer des Styr waren.

Die russische Führung hatte in diesen Tagen den Südflügel der 4. und die 1. Armee durch verschiedene Versuche, die Ikwa und den Styr zu überschreiten, in Atem gehalten. Ernster war ein neuerlicher Schlag der russischen 11. gegen die 2. Armee, die jedoch in der vom 23. bis 25. September währenden zweiten Schlacht bei Kremieniec nach wechselvollem Kampfverlauf entschieden die Oberhand behielt. Auch die russische 8. Armee beteiligte sich an der Schlacht durch einen Vorstoß über die untere Ikwa bei Mlynow, der mit einer völligen Niederlage endete.

Mittlerweile hatten sich im Polesie Ereignisse vollzogen, welche die Vorbedingungen des Flankenstoßes Linsingens schufen. Unter dem Befehl des Generals der Kavallerie Freiherrn v. Hauer waren die deutsche 5. Kavalleriedivision, die 11. Honved-Kavalleriedivision, die 9. und halbe 2. Kavalleriedivision, sowie die polnische Legion über den Stochod, die 1. Kavalleriedivision aus der Landenge zwischen Stochod und Styr gegen das Kavalleriekorps Gyllenschmidt vorgedrungen. Da dieses auf vier Kavalleriedivisionen und zwei Infanteriebrigaden angewachsen war, gab es in dem schwierigen Gelände harte Arbeit, um dem aus der Gegend von Pinsk über den Pripjatübergang Lubiaz, die Stochodbrücke Rudka Czerwiszcze, Okonsk gegen Kolki anmarschierenden deutschen XXIV. Reservekorps Generalleutnant v. Conta den Weg frei zu machen.

[137] Knapp vor Ankunft der Infanteriekolonne gelang die Säuberung des Raumes um Okonsk; den Brückenkopf Kolki vermochte die 1. Kavalleriedivision erst nach Eingreifen deutscher Infanterie am Abend des 25. zu nehmen. Damit war für die russische Führung, die alle Vorbereitungen zum Vorstoß aus Luck getroffen hatte, das Geheimnis entschleiert. Sie zog sofort die Konsequenz und ordnete den Rückzug in die Stellung an der Putilowka mit Anschluß an die Ikwastellung bei Mlynow an. Während des Rückzuges sollten sich starke Kräfte im Polesie zwischen Styr und Goryn sammeln, um russischerseits einen Flankenstoß vorzubereiten.

Am 26. früh waren die Russen bereits im vollen Rückmarsch, nur Nachhuten am östlichen Ufer des Styr, dessen Brücken gründlich zerstört. Die Absicht, den langen, wechselvollen Feldzug mit einem großen Schlage zu beenden, hatten die Generale Iwanow und Brussilow vereitelt. Zu Kämpfen kam es am 26. und 27. nur bei Kolki, wo das mit Infanterie verstärkte Kavalleriekorps Weljassew zur Deckung des Abmarsches der Hauptkräfte zähen Widerstand leistete.

Am 28. erschien die 4. Armee vor den neuen russischen Stellungen. Es kam zu Kämpfen um Vorfeldpositionen der Russen, die sich streng in der Verteidigung hielten. Je mehr sich die 4. Armee an der Putilowka festbiß, desto größere Aussichten eröffneten sich dem russischen Flankenstoß, von dem sie sich eine folgenschwere Entscheidung erhofften. Um die 2. Armee an der Absendung von Verstärkungen an den Nordflügel zu hindern, mußte Schtscherbatschew am 28. abermals einen wuchtigen Vorstoß gegen die 2. Armee unternehmen. General v. Böhm-Ermolli verstand es aber, den Durchbruch auf den Höhen knapp westlich Nowo Aleksiniec abzufangen und eine Wiederholung des Angriffes an dieser Stelle am 30. schon im Keime zu ersticken.

Die russischen Pläne wurden von Generaloberst v. Linsingen schon am 27. abends erkannt. Er brachte am 28. die bisher in der Richtung Rowno vorgerückte Armeegruppe v. Gerok in eine gegen Nordost gerichtete Front. Das XVII. Korps wandte sich gegen die bereits so verhängnisvoll gewordene Ausfallspforte aus dem Sumpfgebiet von Berestiany und verrammelte sie, indem es den Ort Boguslawka erstürmte. Das XXIV. Reservekorps ging kämpfend gegen Czernysz vor, links anschließend das Kavalleriekorps Generalmajor Graf Herberstein (halbe 2., 4., 7. Kavalleriedivision, Brigade Pilsudski der polnischen Legion) bis zum Styr. Westlich des Flusses trieb General v. Hauer den Feind nach Norden zurück, das Kavalleriekorps v. Heydebreck warf den Nordflügel Gyllenschmidts hinter die Wiesolucha.

Der heldenmütige Widerstand der Verteidiger von Boguslawka, Teile der 41. Honved-Infanteriedivision Generalmajor Schamschula, verdarb dem am 29. aus der Sumpfzone von Berestiany vorbrechenden russischen XXX. Korps das Konzept. Die dort angesetzte Kolonne vermochte sich nicht zu entwickeln. [138] Eine zweite Kolonne, die über Karpilowka vorstieß, fand bei der Wiener 13. Schützendivision einen blutigen Empfang. Als aber der General der Infanterie Křitek seine Reserve zur Unterstützung schickte, drehte sich der Spieß um. Die Stellung bei Karpilowka wurde erstürmt, der Anschluß an die Putilowka gewonnen. Das XXIV. Reservekorps benutzte diesen Tag, um eine vorteilhafte Stellung bei Czernysz zu erkämpfen.

Der russische Plan war gescheitert. Die Verbündeten waren inzwischen übereingekommen, mit Rücksicht auf die herannahende ungünstige Jahreszeit und das Ruhebedürfnis der Truppen den Feldzug zu beenden. Dieser Entschluß bedeutete den Verzicht auf das so hartnäckig angestrebte Ziel Rowno und auf die Rückgewinnung des letzten Streifens Ostgaliziens, machte aber den Kämpfen kein Ende, da die Russen noch immer auf eine Wendung des Kriegsglückes hofften und der alsbald ins Rollen kommende Angriff der Verbündeten gegen Serbien sie dazu anspornte, dem bedrängten Schützling wenigstens indirekt zu helfen.

Während die Armeegruppe Gerok bis 2. Oktober in glücklichen Kämpfen den Abschnitt des Kormin bei Czernysz bis auf einige von den Russen behauptete kleine Brückenköpfe gewann, unternahm General Gyllenschmidt am 3. einen Vorstoß gegen das Kavalleriekorps Hauer, das bis in die Linie Kulikowice - Lisowo zurückgedrängt wurde. Generalleutnant v. Conta eilte mit der k. u. k. 11. und deutschen 1. Infanteriedivision zu Hilfe und stellte bis 6. Oktober die Lage wieder her. Ein Entlastungsversuch Weljassews endete damit, daß die halbe 11. Infanteriedivision Generalmajor Grubić nach hartem Kampf den Styrübergang Kulikowice erstürmte und ihm auf dem Ostufer einen Brückenkopf vorlegte.

Am 6. Oktober erneuerten die Russen mit großem Munitionsaufwand die seit einer Woche zum Stillstand gekommene Schlacht an der Putilowka. Am 7. griff der Kampf auf die ganze Front bis in die Bukowina über. Das stellenweise sehr heftige Ringen dauerte im allgemeinen bis 10. Oktober, ohne den Russen einen bleibenden Erfolg zu bescheren. Besondere Brennpunkte waren Olyka bei der 4., Sapanow nordwestlich Kremieniec bei der 2. Armee, dann die Strypafront, an welche sich die russische 11. und 9. Armee wieder herangeschoben hatten. Hier währten die Kämpfe, die insbesondere den Übergängen bei Burkanow galten, bis 13. Oktober.

Am Nordflügel im Polesie säuberten inzwischen die Kavalleriekorps Hauer und Heydebreck, nachdem Generalleutnant v. Conta die Styrverteidigung bis in die Gegend unterhalb Rafalowka übernommen hatte, das Westufer bis in die Höhe von Jeziercy vom Feinde, so daß Gyllenschmidt auf den Raum zwischen Wiesiolucha und unterem Styr beschränkt blieb.

Noch immer sollten die Truppen nicht die langersehnte Ruhe finden. Gyllenschmidt und Weljassew wurden verstärkt und ihnen zunächst der Angriff [139] auf den nach Osten vorspringenden Styrbogen bei Czartorijsk als Ziel gesetzt. Gleichzeitige Angriffe gegen den Südflügel der Armeegruppe Gerok sollten die Absendung von Verstärkungen verhindern. Schon am 15. und 16. Oktober leiteten einige Vorstöße der Russen die Schlacht bei Czartorijsk ein, die am 17. in vollen Gang kam.

Am 18. gelang es den Russen, bei Czartorijsk an einigen Stellen auf dem Westufer festen Fuß zu fassen, am 19. gab die an den Flügeln der Gruppe Conta kämpfende Lemberger 11. Infanteriedivision nach. Ihr ruthenischer Ersatz bestand zum Teil aus Kriegsgefangenen, welche die Russen seinerzeit in die Heimat entlassen hatten und die nach deren Vertreibung wieder eingestellt worden waren. Sie und ihre seither gemusterten Landsleute genossen unter russischer Verwaltung viele Vorteile gegenüber den sie sonst bedrückenden polnischen Großgrundbesitzern und Juden. Kein Wunder, daß sie sich nicht mit Begeisterung schlugen. Die Russen konnten sich des Brückenkopfes Kulikowice bemächtigen, dessen Verteidiger sich größtenteils ergaben. Nur Reste gelangten auf das Ostufer des Styr. Noch schlimmere Folgen hatte das Versagen der anderen Brigade am Nordflügel. Die Russen gelangten in den Rücken der in der Front bedrängten deutschen 1. Infanteriedivision, die es der Aufopferung einer Batterie verdankte, daß sie den Rückzug durchführen konnte. Der Schlachttag schloß damit, daß der russische Angriffskeil bis Okonsk vordrang, wo sich der rechte Flügel Contas zu neuem Widerstande setzte.

Der Südflanke des russischen Keiles stellten sich vorläufig nur zwei Bataillone der deutschen 22. Infanteriedivision entgegen, dann eine Brigade der 21. Schützendivision Generalmajor Podhajsky, Reserve der 4. Armee, vom Generaloberst v. Linsingen gerade zeitgerecht auf den Kampfplatz gerufen. Noch klaffte aber eine breite Lücke bis Okonsk, welche die nachrückende zweite Brigade der Prager Schützen am folgenden Tage schließen sollte.

Die Situation sah sehr böse aus. Die Russen hatten zwei Schützenbrigaden, fünf Infanteriedivisionen und fünf Kavalleriedivisionen auf das Schlachtfeld geworfen, das ihnen angesichts der breiten Lücken der gegnerischen Front zahlreiche Erfolgsmöglichkeiten bot. Zum Glück trat auch hier ihre Schwerfälligkeit in Erscheinung, überdies ließ die Führung ein straffes Zusammenhalten der Kraft vermissen. Ein beträchtlicher Teil drängte dem Kavalleriekorps Hauer nach, das wohl unangenehme Überraschungen erlebte, doch schließlich bei Jeziercy und südlich standhielt. Aus dem Angriffskeil gingen Angriffe in nordwestlicher und südwestlicher Richtung, eine Auswertung des Durchbruches bei Okonsk wurde indessen nicht mit der nötigen Kraft angestrebt.

Die Führung der Verbündeten mühte sich hingegen, von allen Seiten Verstärkungen heranzubringen. Von Westen hastete gegen Okonsk die 1. polnische Brigade Pilsudski, von Süden die 10. Kavalleriedivision Generalmajor v. Bauer. Generaloberst v. Linsingen ließ bei der 4. Armee die 45. Schützen- [140] division aus der Front ziehen und heranmarschieren, das Armee-Oberkommando Teschen ordnete die Absendung der 26. Schützendivision der 2. Armee und der 2. polnischen Brigade Küttner von der 7. Armee mit Eisenbahn über Kowel an.

Am 20. konnte nur die Brigade Pilsudski bei Okonsk eingreifen. Ein böser Zwischenfall ergab sich, als tschechische Abteilungen der Prager Schützendivision, welche die Lücke schließen sollten, versagten, was den Rückzug der ganzen Brigade zur Folge hatte.

Doch am nächsten Tage riß die 10. Kavalleriedivision diese Brigade zum Angriff vor. Im Verein mit den Polen Pilsudskis und Teilen der deutschen 1. Infanteriedivision ging es von drei Seiten gegen die Spitze des russischen Keiles vor, die zurückgedrängt wurde. Damit war der ärgste Teil der Krise überwunden. Am 23. stand bereits auch die 45. Schützendivision Smekal zur Verfügung, am folgenden Tage wurde Kukli erstürmt. Die Russen wehrten sich wacker, brachen immer wieder zu Angriffen vor, doch gewannen die Verbündeten unablässig Raum, drängten den Keil immer mehr zusammen, bis endlich am 14. November der Styrbogen bis Kolodia wieder in ihrer Hand war.

Während der Schlacht bei Czartorijsk war es vom 21. bis 28. Oktober wieder zu größeren Kämpfen zwischen oberer Ikwa und oberem Sereth gekommen, wobei Böhm-Ermolli kleine Anfangserfolge der Russen in der zweiten Schlacht bei Nowo Aleksiniec bald wettmachte. Ernstere Gefahren brachten die russischen Durchbruchsversuche an der Strypa vom 30. Oktober bis 8. November. Wiederum galt es den Abschnitt beiderseits Burkanow. Am Nordflügel beim Dorfe Siemikowce gelangten die Russen über den Fluß, wurden aber von den Reserven bald abgefangen und mußten nach viertägigem erbitterten Ringen, wobei sich die 38. Honved-Infanteriedivision Csanády besonders auszeichnete, das Dorf räumen. Wiederholte Angriffe gegen den von der 39. Honved-Infanteriedivision Generalmajor v. Dáni verteidigten Brückenkopf Wisniowczyk brachen unter großen Verlusten zusammen.

Mitte November trat endlich eine längere Ruhepause ein. Der wechselvolle, die Kräfte der Truppen außerordentlich in Anspruch nehmende Feldzug war zu Ende. Obzwar er einen bedeutenden Raumgewinn gebracht, war sein Verlauf ein wenig befriedigender. Die gesteckten Ziele waren von der österreichisch-ungarischen Führung nicht erreicht worden; sie hatte sich gezwungen gesehen, auf ihre gegen Serbien bestimmten Kräfte zu greifen und überdies Bundeshilfe in Anspruch zu nehmen. Die unangenehme Erfahrung, welche die Helfer durch das Versagen einzelner Truppenkörper machten, wogen in der öffentlichen Meinung schwerer als die Fülle rühmenswerter Taten, welche die überwiegende Anzahl der österreichisch-ungarischen Regimenter in diesem schweren Feldzuge vollbrachte.


1 [1/118]Bis März 1917 Kommandant des Kriegspressequartiers im Armeeoberkommando. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte