Bd. 3: Der deutsche Landkrieg, Dritter Teil:
Vom Winter 1916/17 bis zum Kriegsende
Kapitel 3: Die Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht von
Bayern
im Jahre 1917 (Forts.)
Generalmajor Rudolf v. Borries
4. Rückzug in die
Siegfriedstellung.
Die Voraussicht kommender Entscheidungen auf weiten Strecken der Westfront
veranlaßte die Oberste Heeresleitung, die Befehlsverhältnisse unter
Neuabgrenzung der Heeresgruppen so zu regeln, daß den Gegnern straffe
Befehlsgliederung entgegengesetzt werden konnte.
Am 24. Februar 1917 ordnete Kaiser Wilhelm an, daß am 1. März die
bisher selbständige 4. Armee zur Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht zu
treten habe, während die 7. Armee ausschied und zur Heeresgruppe
Deutscher Kronprinz übergehen sollte. Grenze wurde somit die Oise.
Für die Durchführung des Siegfriedrückzugs blieb die 7.
Armee aus praktischen Gründen der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht
unterstellt, während sie im übrigen, besonders auch für die
Vorbereitung der Abwehr des drohenden Angriffs zwischen Vailly und Brimont,
an die Weisungen der Heeresgruppe Deutscher Kronprinz gebunden war.
Die 4. Armee - Armee-Hauptquartier Thielt, später Courtrai;
Oberbefehlshaber General Sixt v. Armin, Chef des Generalstabes General
Ilse - hielt den Raum von der Nordseeküste bei Nieuport bis
Warneton besetzt und gliederte sich in drei Gruppen: Nord (Marinekorps, Admiral
v. Schröder), Ypern (IX. Reservekorps, General Kühne),
Wytschaete (XIX. Armeekorps, General v. Laffert). Sie zählte zehn
Divisionen in der Front und fünf Divisionen in der Reserve, davon vier der
Obersten Heeresleitung. Die Armee befand sich seit Beginn 1917 in lebhafter
Gefechtstätigkeit. Bis Mitte Februar gestattete der Frost im
Überschwemmungsgebiet Freiheit der Bewegung, die beiderseits ausgiebig
genutzt wurde. Seit dem Beginn des Tauwetters wendete der Feind
verstärktes Artilleriefeuer dem Ypern- und dem Wytschaetebogen zu und
führte dort Vorstöße mit geringen Erfolgen, denen
größere deutsche gegenüberstanden, so [99] besonders am 8.
März bei Wytschaete. Bis zum 15. März wuchs sich die feindliche
Feuertätigkeit zu planmäßiger Zerstörungsarbeit in
erheblicher Tiefe aus. Am Südflügel steigerte sich auch der
Minenkrieg, in dem die Deutschen die Oberhand behielten. So deuteten sich hier
ersichtlich englische Angriffsabsichten an.
Kurz vor Beginn des Siegfriedrückzugs herrschte auf dem rechten
Flügel der 6. Armee, der an der Bewegung unbeteiligt war, von Warneton
bis Arras Kampfbetätigung verschiedener Art. Am ruhigsten war es
zwischen Warneton und dem La Bassée-Kanal; weiter nach
Süden nahm die Reibung erheblich zu, am stärksten zwischen Lens
und Arras. Täglich fanden Infanteriezusammenstöße statt. Es
schien sich der von der Heeresgruppe besorgte Fall vorzubereiten, daß die
Stellung dort angegriffen wurde, wo die alte Linie in die Siegfriedlinie
überging.
Der Abzug des Südflügels der 6. Armee südlich Arras in die
neue Stellung ging im Zusammenhang mit der 1. Armee in der Nacht vom 16.
zum 17. März ungestört vor sich; während
zurückgelassene Teile die alte Front festhielten, erreichte die marschierende
Division - die 23. des XII. Reservekorps - bis zum Morgen des 17.
März die erste Nachhutstellung von Arras bis St. Marc und am 18.
morgend die Siegfriedstellung von Tilloy bei Arras bis Croisilles. Hier trat die
rechte Flügeldivision der 1. Armee, die 220., unter den Befehl der 6.
Armee, so daß ihre Grenze um eine Divisionsbreite nach Süden
verschoben wurde. Die alten Linien konnten bis zum 18. März morgens
gehalten werden; dann folgte der Feind den letzten abziehenden Teilen vorsichtig
und erreichte am 19. März die Linie
Beaurains - Mercatel - St. Léger.
Deutsche Nachhuten hielten Neuville Vitasse, Hénin und Croisillers.
Während der erste Ort noch am 19. März geräumt werden
mußte, blieben Hénin und Croisillers in deutscher Hand. Nach
schwachen Vorstößen wurden Croisillers am 28. März und
Hénin am 31. März von den Engländern erfolglos und unter
Einbuße von Gefangenen angegriffen. Am 1. April lagen beide Orte und die
Siegfriedstellung unter Trommelfeuer; am 2. April lief der Feind in erheblicher
Stärke an und erreichte, daß die deutschen Nachhuten nach erbitterten
Ortskämpfen eingezogen wurden.
Der Feind hatte also etwa 14 Tage Zeit gebraucht, um durch die kurze
Rückzugsstrecke hindurch einen vorbereiteten starken Angriff zu
führen.
Bei der 1. Armee war dem Rückzug durch die Besetzung
rückwärtiger Linien bereits vorgearbeitet worden.1 Die letzte Stellung der Armee vor dem
16. März verlief von Ransart über Monchy aux Bois, Bucquoi,
Bapaume, Le Transloy, Manancourt, Nurlu bis Templeux la Fosse.
Zwischen den letztgenannten Orten fielen die aufzugebende und die erste
Nachhutstellung zusammen. In der Nacht vom 16. zum 17. März gelangte
die Armee unbemerkt bis in und hinter die erste Nachhutstellung
St. Marc - Béhagnies -
Beugny - [100] Ytres -
Nurlu - Templeux la Fosse und in der folgenden Nacht, die rechte
Flügeldivision an die 6. Armee abgebend, in die Siegfriedstellung von
Croisilles über Pronville, Havrincourt, Banteux, Vendhuille bis Bellicourt.
Nachhuten blieben am Feinde. Die Engländer folgten über die Linie
Bucquoi - Le Transloy schon am 17., nördlich und
südlich davon erst am 18. März mit schwacher Infanterie,
Radfahrern, Kavallerie und einzelnen Batterien. Trotz aller Vorsicht wurden sie so
unzweckmäßig geführt, daß sie am 17. März bei
Bapaume schwere Verluste erlitten. Um den Verbleib der deutschen Truppen
festzustellen, setzten sie Schwärme von Fliegern ein, gegen die die
deutschen Abwehrgeschwader mit bestem Erfolge tätig waren.
Am 20. März erreichte der Feind die Linie
St. Léger - Beaumetz - Bertincourt - Equancourt -
Nurlu - Buire und wurde beim
Nachdrängen auf Ecoust St. Mein, Noreuil und Lagnicourt
zurückgewiesen. Fortgesetzt von den deutschen Nachhuten beunruhigt,
blieb er drei Tage unbeweglich, augenscheinlich bemüht, in dem für
ihn schwer gangbaren Gelände zunächst einmal festen Fuß zu
fassen. Vom 24. März an drückte er auf dem
Nord- und Südflügel vor, nahm am 26. März Lagnicourt,
prellte über Beaumetz und Vélu vor und schob sich am 26. und 27.
März an die Linie
Guyencourt - Villers Faucon - Roisel heran. Erst am
29. und 30. März setzte er auch seine Mitte wieder in Bewegung,
stieß über die Linie Ruyaulcourt - Sorel bis in den Wald
östlich ersteren Ortes hinein und nahm Heudicourt. Bei allen diesen
für ihn verlustreichen Gefechten wurde seine in der Kampfführung
unterlegene Infanterie durch zahlreiche Maschinengewehre, zum Teil auf
Panzerwagen, durch Kavallerie, aber noch immer nur durch geringe Artillerie
unterstützt, wenn auch die Zahl seiner Batterien, besonders auf dem
Nordflügel, zunahm.
Erst Anfang April hatten die Engländer so viel Kräfte herangezogen,
daß sie den Nachhuten das Gelände vor der Siegfriedstellung
ernstlich streitig machen konnten. Am 2. April brachen sie nach erbitterten
Kämpfen zwischen Ecoust St. Mein und Noreuil durch, zwangen
aber nach neuen Angriffen und heftiger Beschießung erst am 6. April die
Deutschen auf dem rechten Flügel bis Quéant zum Abzug auf die
neue Hauptstellung. Vor der Mitte machte der Feind am 2. April bei Doignies,
Metz en Couture und Gouzeaucourt Fortschritte; in der Folge wurden bei Boursies
und Hermies wiederholt mit wechselndem Erfolge gekämpft, aber erst am
10. April rückten die deutschen Außenposten zwischen
Quéant und Havrincourt in die Siegfriedstellung ein. Weiter südlich
hielten sie sich noch über den 10. April hinaus in der vorgeschobenen Linie
Trescault - Villers-Guislain. Vor dem südlichen
Armeeflügel nahm der Feind am 5. April Epéhy und Roussoy, am
9. April Hargicourt, das er am 11. April zum Ausgangspunkt eines starken
Angriffs machte. Er wurde zurückgeworfen und erlitt schwere
Einbußen, namentlich an Gefangenen. Auch hier blieben die deutschen
Posten noch vor der Hauptstellung stehen.
[101] Die Hinderungen in
dem aufgegebenen Gelände waren in Verbindung mit dem geschickt
geleiteten Widerstande der deutschen Nachhuten so wirkungsvoll, daß der
Gegner vor der 1. Armee drei Wochen Zeit nötig hatte, um sich im neuen
Gebiete festzusetzen. Auffällig war die gesteigerte Tatkraft, die er auf dem
nördlichen Flügel anwandte. Es sollte sich bald erweisen, daß
dieser Drang mit seinen Angriffsplänen auf die Gegend von Arras in
Verbindung stand.
Auch bei der 2. Armee waren, um erwarteten feindlichen Stößen
auszuweichen, ausgedehnte Frontstrecken auf dem rechten und besonders auf dem
linken Flügel zwischen Avre und Oise zurückgenommen worden.2 Die letzte Stellung vor der
Siegfriedbewegung erstreckte sich von Templeux la Fosse über Fresnes,
Parvillers, Gegend westlich von Roye bis Passel. Zwischen Templeux,
la Fosse und St. Christ an der Somme fiel sie mit der ersten
Nachhutstellung zusammen. Die Loslösung vom Gegner war durch das
vorhergegangene Ausweichen wesentlich erleichtert. Völlig
planmäßig wurde am Morgen des 17. März die erste
Nachhutstellung von Templeux la Fosse über Doingt, Epénancourt,
Etalon, Beaulieu les Fontaines bis Salency und am 18. März die zweite
Nachhutstellung in der Linie Villeret - Ham -
Berlancourt - Guivry - Abbécourt erreicht.
In der Nacht zum 19. März zog der rechte Flügel der Armee in die
Siegfriedstellung von Bellicourt bis St. Quentin einschließlich ab,
während der linke Flügel die vorgeschobene Stellung von
St. Quentin bis La Fère hinter Somme und Crozatkanal
besetzte.
Auf dem rechten Flügel folgten die Engländer so vorsichtig,
daß es nur zu ganz leichten Gefechten der beiderseitigen Reiterabteilungen
kam. Am 22. März erreichten sie die Linie
Marquaix - Soyécourt - Etreillers. Von Marquaix aus
stießen sie am 26. März mit starken Kräften, auch mit
Panzerwagen, gegen Roisel und Hervilly vor; nur im ersteren Ort vermochten sie
sich dauernd festzusetzen. Weiter südlich nahmen sie am 24. März
Roupy, wurden aber beim Vorgehen auf Savy zurückgewiesen.
Tatkräftiger drängten die Franzosen nach. Sie waren zum Angriff
zwischen Avre und Oise gerüstet gewesen und wollten sich die Beute nicht
entgehen lassen, die ihrem Zugriff zu entschwinden drohte. Schon am 19.
März rückten sie in die Linie Dury östlich
Ham - Viry nordöstlich Chauny ein und schoben sich am 20.
März an die Somme - Crozat-Strecke von Happencourt bis
Tergnier heran. Die deutschen Truppen wichen von den Wasserläufen bis in
die Linie Gd. Seraucourt - Essigny - Vendeuil
zurück, um den Feind beim Übergang anzufallen. Hierzu bot sich
schon am 21. März Gelegenheit, da er an sechs Stellen die
Wasserläufe überschritt. Der deutsche Angriff warf die Franzosen in
und über die Somme und Crozat zurück, brachte ihnen
schwere [102] Verluste bei und
erbeutete Gefangene; allerdings blieb der Erfolg doch noch hinter den
Erwartungen zurück. Dann nahmen die deutschen Truppen wieder die
frühere Linie ein, verteidigten sie bis zum 25. März erfolgreich,
wichen in der folgenden Nacht in die Linie
Grugies - Urvillers - Alaincourt aus und räumten weiter
südlich das westliche Oiseufer.
Zunächst trat auf der ganzen Front Ruhe ein; auch hier hatte der Gegner das
Bedürfnis, die Verfolgungstruppen zu verstärken und sich in dem
verödeten Lande einzurichten. Die deutschen Nachhuten schufen ihm
hierbei dauernde Beunruhigung.
Vom 1. April an rührten sich die Engländer wieder, namentlich
zwischen dem Omignonbach und der Somme, wohin sie erhebliche Kräfte
vorgezogen hatten, und nahmen nach hartem Kampfe Savy. Demnächst
stürmten Engländer und Franzosen vereint gegen die Linie Wald
westlich Holnon - Dallon an, hatten aber nur auf dem
nördlichen Flügel einigen Erfolg. Am 2. April führten sie
unter Einsatz von drei Divisionen den Angriff gegen die Linie
Francilly - Salency - Dallon fort, gewannen auf ersterem Ort
Raum, erlitten aber in ihren dichtgedrängten Massen schwere Verluste. Die
Stockung der feindlichen Bewegung gab den deutschen Außentruppen
Freiheit, sich bis in die Linie Fresnoy le
Petit - Westrand von St. Quentin zurückzuziehen.
Am 3. April stießen die Franzosen nach lebhafter Feuervorbereitung aus der
Linie Savy - Castres - Essigny - Ly-Fontaine gegen die
deutsche Nachhutstellung Grugies - Urvillers - Alaincourt
vor, konnten aber nur Grugies nehmen. Weiteren Angriffen wichen die deutschen
Truppen in der Nacht zwischen Somme und Oise unbemerkt in den Schutz der
Siegfriedstellung aus, so daß der Gegner die verlassenen Linien am 5. April
fünf Stunden lang mit Feuer übergoß.
Nach einem feindlichen Vorstoß am 4. April auf St. Quentin mehrten sich
die Anzeichen, daß der Gegner auf die Stadt und die nach Südosten
anschließende Front einen Angriff plante. Er belegte die deutschen
Stellungen, Batterien und Anmarschwege mit wohlgeleitetem Feuer, schonte auch
die Stadt nicht und arbeitete mit starken Fluggeschwadern. Die deutsche
artilleristische Gegenwehr war kräftig. Die feindliche Infanterie regte sich
vorläufig nicht.
Auch von der 2. Armee konnte der Gegner den deutschen Truppen nur so
nachrücken, wie diese es mit ihrem Widerstand einrichteten. Erst nach drei
Wochen etwa stand er wirklich vor der Siegfriedstellung. Die von ihm
durchmessene Strecke betrug im Höchstfalle 24 km.
Ebenso planmäßig vollzog sich der Abzug auf dem rechten
Flügel der 7. Armee. In der Nacht zum 17. März wurde die erste
Nachhutstellung in der Linie südwestlich
Pontoise - Caisnes - Laffaux - Condé, in der
folgenden die zweite Nachhutstellung längs des
Oise-Aisne-Kanals von Abbécourt bis Brancourt bezogen. Am 19.
März standen die Hauptkräfte in der Siegfriedstellung von
La Fère über Barisis au Bois bis zum Kanal bei [103] Brancourt; der
Oise-Aisne-Kanal südlich der Oise und der Riegel östlich
Vauxaillon - Laffaux - Condé waren noch besetzt. Die
Siegfriedstellung südlich des Kanals von Vauxaillon bis Cerny en Laonnois
wurde von Aufnahmetruppen gehalten. Nordwestlich Soissons rückte der
Feind langsam mit schwachen Kräften und recht vorsichtig nach; offenbar
hatte er den Abzug erst spät bemerkt. Am 23. März begann er
über den Oise-Aisne-Kanal nordwestlich Brancourt Truppen
herüberzuwerfen. Von Chauny her bedroht, wichen die deutschen
Nachhuttruppen in die Linie Sinceny - Folembray - Coucy le
Château - Pont à Courson aus. Am 25. März
griff der verstärkte Feind an und warf den deutschen rechten Flügel
auf Amigny zurück; weitere Vorstöße am 26. März
wurden abgewiesen. In der Nacht zum 27. rückten die deutschen Nachhuten
in die Siegfriedstellung ein, ließen aber noch Posten zurück und taten
dem Gegner auch fernerhin durch starke Streifen Abbruch, während die
Batterien ihm die Festsetzung erschwerten. Erst am 15. April wurde das
Vorgelände der neuen Stellung ganz von den Außenabteilungen
geräumt.
Südlich des Oise-Aisne-Kanals, wo der Gegner kurze Wege hatte, setzte er
sich am 20. März unter steten Gefechten mit deutschen Nachhuten in der
Linie Leuilly - Sorny - Vregny fest und zog starke Artillerie
bei Soissons über die Aisne. Vom 22. März an griff er täglich
die Außentruppen an, die die Höhen östlich von Leuilly und
nördlich und südlich Neuville sur Margival hielten. Seine
Mißerfolge ließen ihn am 25. März erlahmen; erst am 29. nahm
er seine Anstrengungen wieder auf und drückte in den nächsten
Tagen die deutschen Abteilungen bei Vauxaillon und Laffaux in den sogenannten
Condé-Riegel zurück, während er bei Vregny blutig
abgewiesen wurde. Vom 3. April an richtete er fast täglich heftige Angriffe
auf die Gegend von Laffaux, die mit Erfolg und zum Teil in offensiver Form
abgewehrt wurden. Am 10. und 11. April steigerte die französische
Artillerie ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Aufflammen des
Vorbereitungsfeuers für den großen Angriff gegen den Chemin des
Dames, auf den die 7. Armee, in genauer Erkenntnis der Sturmzeichen, wohl
vorbereitet war. Auch jetzt waren der französischen Infanterie bei Laffaux
noch keine Fortschritte beschieden; sie verlor im Gegenteil am 16. April durch
einen deutschen Vorstoß zahlreiche Gefangene. In der Nacht zum 18. April
räumten die deutschen Truppen den Condé-Riegel und die Stellung
beiderseits Vailly und gingen in die Siegfriedstellung östlich
Vauxaillon - Cerny en Laonnois zurück, die in den nun
entstehenden großen französischen Angriff einbezogen wurde.
Auf dem rechten Flügel der 7. Armee hatte sich der anfangs langsam
verfolgende Gegner zwar verhältnismäßig schnell in den Besitz
des Oise-Aisne-Kanals gesetzt; seine weitere Kampfbetätigung im
Vorgelände der Siegfriedstellung entbehrte aber jeder Energie. Anders
südlich des Kanals. Indem er den Condé-Riegel stark angriff, wirkte
er auf die rechte Flanke der Chemin des [104] Dames-Stellung, die er
in der nächsten Zeit zu durchstoßen trachtete. Der heldenhafte
deutsche Widerstand vor und in dem
Condé-Riegel und der rechtzeitige Abzug in die eigentliche
Siegfriedstellung bis Cerny en Laonnois, machten seine Anstrengungen zunichte,
die bedenkliche Verhältnisse für die 7. Armee hätten schaffen
können, wenn die Franzosen zwischen der Aisne und dem Kanal im Norden
wirklich eingebrochen wären. Ebenso wie auf dem rechten, so hatte auch
auf dem linken Flügel der Siegfriedstellung der Feind die Stelle scharf
angefaßt, wo neue und alte Linie ineinander übergingen.
Mit dem Rückzug in die Siegfriedstellung war die Verlegung der
Hauptquartiere der obersten Kommandobehörden verbunden. Das
Oberkommando der Heeresgruppe Kronprinz Rupprecht ging von Cambrai nach
Mons, der 6. Armee von Douay nach Tournay, der 1. Armee von Bourlon bei
Cambrai nach Solesnes, der 2. Armee von St. Quentin nach
Le Cateau, der 7. Armee von Laon nach Marle.
Nachdem am 19. März die Hauptkräfte der zurückgehenden
Armeen die Siegfriedstellung erreicht hatten, die vorsorglich in ihr bereitgestellten
Aufnahmetruppen und die überzählig gewordenen Divisionen
abgezogen waren, zeigte die neue Linie folgende Besetzung. Die Siegfriedstellung
der 6. Armee südlich Arras hielten 2 Divisionen gegen 1 in der alten
Stellung, der 1. Armee 8 gegen 14, der 2. Armee 7 gegen 12, der 7. Armee 4
gegen 4. Es waren also 10 Divisionen ausgespart worden, nicht ganz die
ursprünglich erhoffte Zahl von 13
Divisionen.3 Der Stellungsraum war um
30 km verringert, und die gestreckte neue Linie gestattete die
Divisionsabschnitte von 5,5 km auf 7 km durchschnittlich zu
verbreitern.
Die deutsche Führung konnte auf die abgeschlossene Operation mit
Genugtuung zurückblicken. Der aus unsicheren Verhältnissen
geborene Rückzugsentschluß war zu einem großen, des Feindes
Absichten zerstörenden Erfolge geworden, bei dem sich deutsche Arbeit,
Organisation und Taktik hoch bewährten. Indem die Wucht der feindlichen
Angriffe abgeschwächt wurde, stählte sich die deutsche
Widerstandskraft. Das deutsche Heer nahm den Rückzug vertrauend auf, da
er von der Obersten Heeresleitung gefordert wurde, deren Ansehen unbegrenzt
war. Auch in der Heimat brach sich die Überzeugung Bahn, daß die
Führung nicht nur einen richtigen, sondern auch einen äußerst
wichtigen Schachzug getan habe. Absprechende feindliche Urteile traten davor
zurück.
Nachdem Kaiser Wilhelm schon am 19. März seine Befriedigung
über den glanzvollen Verlauf der Siegfriedbewegung ausgesprochen hatte,
würdigte die selbst um den Erfolg hochverdiente Heeresgruppe Kronprinz
Rupprecht das tatsächliche Ergebnis durch folgenden Befehl vom 21.
März 1917:
[105] "Der Abmarsch
in die Siegfriedstellung ist beendet. Die Operationen haben sich vollkommen
planmäßig und ungestört von dem nur vorsichtig folgenden
Feind vollzogen. Wo feindliche Angriffe unmittelbar vor unserem Abmarsch
bevorstanden, ist es durch geschicktes und rechtzeitiges Ausweichen in
rückwärtige Stellungen gelungen, den Feind zu täuschen und
unser glattes Loslösen vorzubereiten.
Wir sind aus verschlammten Trichterstellungen in gute,
von langer Hand her vorbereitete Stellungen gegangen. Der Feind wird viel Zeit
und große Anstrengungen aufwenden müssen, bevor er unsere neue
Front angreifen kann.
Wir haben starke Kräfte aller Art eringespart, die
wir nun an den entscheidenden Stellen zusammenfassen können. So
können wir den zu erwartenden großen Kämpfen mit vollster
Zuversicht entgegensehen. Die feindlichen Angriffspläne gegen unsere
bisherige Front sind durchkreuzt. Der Feind ist sich dieser Bedeutung unserer
wohlgelungenen Operation wohl bewußt, wenn er auch
äußerlich bemüht ist, sich aus unserem Abmarsch einen Erfolg
zuzuschreiben.
Der glatte planmäßige Verlauf ist der
sorgfältigen Vorbereitung und der gewandten Ausführung aller
Maßnahmen, sowohl seitens der Führung wie der Truppe,
zuzuschreiben. Meine besondere Anerkennung daher allen Führern und
Truppen, nicht zum wenigsten auch jenen Führern der kleinen
Sicherungsabteilungen, die in frischem Angriffsgeiste dem Feinde vielfach
empfindliche Verluste zugefügt und in zahlreichen Einzelkämpfen
unsere unbedingte Überlegenheit über den Feind erneut dargetan
haben.
Als dieser Befehl gegeben wurde, ließ sich schon übersehen,
daß die von der Heeresgruppe erörterten großen Angriffe aus
der Siegfriedstellung heraus unausführbar waren.4 Die Stürme, die bei Arras die 6.
und 1. Armee bedrohten, erforderten für die Abwehr die volle Kraft der
Truppen, zumal da sich gleichzeitig die südlich benachbarte Heeresgruppe
Deutscher Kronprinz an der Aisne gegen den groß geplanten Schlag der
Franzosen bereitstellen mußte und keine Hilfe leisten konnte.
|