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Bd. 2: Der deutsche Landkrieg, Zweiter Teil:
Vom Frühjahr 1915 bis zum Winter 1916/1917

Kapitel 6: Der Feldzug in Serbien   (Forts.)
Oberst Theodor Joachim

[391] 3. Feldzug gegen die französisch-englische Orientarmee; Kämpfe in Montenegro.

Operationspläne.

Schon Anfang November, als die Verfolgung des serbischen Heeres durch das Gebirge einsetzte, hatte General v. Falkenhayn mit den verbündeten Heeresleitungen Maßregeln erwogen, um der von Saloniki durch die Entente drohenden Gefahr zu begegnen. Generaloberst v. Conrad wollte von Anfang an ganze Sache auf dem Balkan machen, Montenegro und Albanien besetzen, die Ententetruppen aus Mazedonien und Saloniki vertreiben, sodann Rumänien zu einer klaren, unzweideutigen Stellungnahme zwingen und nötigenfalls mit Waffengewalt unterwerfen. General v. Falkenhayn hatte engere Ziele, erklärte sich aber bei einer Zusammenkunft in Pleß am 6. November damit einverstanden, die Operationen mit aller Tatkraft gegen die Ententetruppen fortzusetzen, sobald die Serben endgültig geschlagen seien. Der Militärattaché in Athen erhielt Anweisungen, die griechische Regierung über diese Absicht zu unterrichten. Falkenhayn wollte sich aber für den Fall, daß die Entente inzwischen selber in Mazedonien offensiv werden sollte, die Entscheidung vorbehalten und insbesondere erst prüfen, ob es dann nicht vorteilhafter sei, statt eines eigenen zuvorkommenden Angriffs oder eines großen Gegenstoßes das bisher Gewonnene in der Verteidigung zu behaupten. Er hatte den Feldzug gegen Serbien stets nur als eine Nebenoperation betrachtet. Mit der Niederwerfung des serbischen Heeres war der erstrebte Zweck erfüllt: die gefährliche Rückenbedrohung Österreich-Ungarns beseitigt und der Weg zur Türkei für Nachschub durch Bulgarien frei. Die Gefahr an der Dardanellen-Front, die lange die Türkei aufs schwerste bedroht hatte und unabsehbare Folgen in sich barg, schien gebannt. Mit Recht atmete der deutsche Generalstabschef auf. Jetzt wollte er auch nicht mehr Kräfte, als unbedingt nötig waren, in dem für größere Operationen überaus schwierigen Gelände Serbiens und Mazedoniens binden, da er ihrer dringend auf den anderen Kriegsschauplätzen bedurfte. Nur wenn ein Erfolg leicht zu erringen war, wollte er die sich bietende Gelegenheit sofort ausnutzen. Leider sollte diese grundsätzliche Verschiedenheit der Ansichten der beiden Generalstabschefs Anlaß zu ernsteren Verstimmungen geben, die für das beiderseitige vertrauensvolle Zusammenarbeiten nicht ohne nachteiligen Folgen blieben.

Die Frage, ob und wie die Operationen weiterzuführen wären, wurde dringend, als sich die verfolgenden Kolonnen der Verbündeten am 22. November der montenegrinischen Grenze näherten und ein ernstlicher Widerstand der Serben nicht mehr zu erwarten stand. Generaloberst v. Conrad drängte auf eine klare Entscheidung. Ehe aber überhaupt etwas unternommen werden konnte, mußten die rückwärtigen Verbindungen neu geordnet werden, denn auf der bisherigen [392] Grundlage erschien die Fortführung irgendeiner größeren Unternehmung unmöglich. Eine Operationspause, deren Länge von der Wiederherstellung der von Stalać (nördlich Kruševac) und Pirot über Nisch nach Kumanovo führenden Bahn abhing, hielt Falkenhayn für unvermeidlich. Man rechnete auf etwa fünf Wochen, also bis Ende Dezember. In dieser Pause wollte er die deutschen Truppen nach den furchtbaren Anstrengungen in einigermaßen erträgliche Unterkünfte verlegen, da ihr Verbleiben im Sandschak bei der Unmöglichkeit, ausreichende Verpflegung dorthin vorzuführen, ausgeschlossen war. Auch die bulgarischen Truppen waren seiner Ansicht nach kaum in der Lage, die Operationen gegen die Entente ohne vorherige Ruhepause allein fortzusetzen.

Die Heeresgruppe dagegen betonte, daß es erwünscht sei, mit den Operationen gegen die Ententetruppen sofort oder doch nach nur kurzer Pause zu beginnen, weil mit einer wesentlichen Zunahme der Ententekräfte in Mazedonien in nächster Zeit gerechnet werden müsse. Nach ihrer Ansicht war dies auch der Wunsch der bulgarischen Heeresleitung, die sich allerdings von dem Gedanken leiten ließ, möglichst bald freie Hand gegen Griechenland zu erhalten, was nur durch Abstreifen des deutschen Oberbefehls möglich wurde. Zahlenmäßig lägen die jetzigen Verhältnisse für die Bulgaren günstig, wenn sie neun Divisionen einsetzten und Griechenland neutral bleiben würde. Es ständen dann 250 000 Bulgaren gegen 200 000 Mann Ententetruppen. Aber selbst wenn Griechenland nicht neutral bliebe, würde seine Beteiligung am Kampfe auf seiten der Entente sicherlich nur lau sein, so daß die Lage für die Bulgaren, wenn sie nur alle ihre Truppen einsetzten, auch dann durchaus nicht aussichtslos wäre, zumal sie in diesem Falle auf die Unterstützung der Türkei rechnen könnten. Der Verpflegungsschwierigkeiten würden sie bei der großen Anspruchslosigkeit ihrer Soldaten vielleicht Herr werden; ob sie aber imstande seien, ausreichend Munition herbeizuschaffen, erschien dem Generalstabschef der Heeresgruppe, General v. Seeckt, zweifelhaft. Eine Teilnahme von deutsch-österreichischen Kräften an einer solchen unmittelbaren Fortsetzung der Operationen hielt aber auch die Heeresgruppe für unmöglich, weil zunächst die schwere Artillerie vorgeführt und der Munitionsnachschub sichergestellt werden müßte. Fühlten sich die Bulgaren allein stark genug zur unmittelbaren Fortsetzung der Operationen, so könne man sie ruhig gewähren lassen, solange ein Rückschlag nicht zu erwarten sei. Um sich in dieser Hinsicht zu sichern, solle man die Bulgaren durch deutsches Personal, Artillerie, Munition, Maschinengewehre, Lastkraftwagen usw. unterstützen. Auch seien die deutschen Divisionen in der Gegend von Leskovac zu belassen, wo sie sich erholen könnten, aber zum schnellen Eingreifen an der bulgarischen Front bereitständen. Sei die Bahn bis Vranje wiederhergestellt, so könnten diese Divisionen über Üsküb vorgezogen werden, wenn es gelänge, Verpflegung und Munition in ausreichendem Maße mittels Kolonnen vorzuführen. Wäre dies nicht möglich, so würden allerdings die Operationen ganz von dem Fortschreiten der Wieder- [393] herstellungsarbeiten an der ins Vardar-Tal führenden Eisenbahn abhängen. Für den Nachschub des linken Flügels der Bulgaren erschien eine Verbreiterung der Basis durch den Bau einer Feldbahn von Köstendil in südlicher Richtung nach Petrič erwünscht.

Nach dem letzten verzweifelten Ringen der tapferen serbischen Armee bei Priština schickten sich die Bulgaren an, den rechten Flügel ihrer Südfront durch Vorführen von Kräften auf Monastir auszudehnen. Damit näherten sie sich bedenklich der griechischen Grenze, so daß baldige Reibungen und Zusammenstöße mit den griechischen Truppen und der griechischen Bevölkerung bei der gegenseitigen Abneigung beider Nationen nicht ausgeschlossen waren. Die deutsche Politik aber wollte unbedingt alles vermeiden, was die bisherige Haltung Griechenlands erschwerte, um sich nicht noch einen neuen Feind auf den Hals zu locken. Die Frage freilich, ob Griechenland noch lange seine jetzige neutrale Haltung der Entente gegenüber zu behaupten vermochte, besonders da der ententefreundliche Venizelos mit seinen zahlreichen Anhängern nicht untätig war, scheint hierbei keine Rolle gespielt zu haben. Und doch sprachen die letzten, allerdings noch unverbürgten Nachrichten davon, daß Griechenland bereits in die Forderung der Entente, ihr volle Bewegungsfreiheit in Mazedonien zu gewähren, eingewilligt habe. Konnte überhaupt dieser bedrängte, ganz auf seine Verbindungen zur See angewiesene Staat den Wünschen der rücksichtslos auf ihre Macht pochenden Entente ernsthaften Widerstand leisten? Immerhin mußten deutscherseits alle Reibungen mit Griechenland solange wie möglich vermieden werden. Die Oberste Heeresleitung wünschte daher das baldige Erscheinen auch deutscher Abteilungen an jener Stelle, die besänftigend, ausgleichend und vermittelnd wirken könnten, und ersuchte die bulgarische Führung, die ihr bereits zugewiesenen deutschen Maschinengewehr-Abteilungen nach Monastir vorzuschieben, wohin auch eine deutsche Eskadron der 11. Armee in Marsch gesetzt wurde.

Am 25. November stand die bulgarische 2. Armee in folgender Aufstellung: 3. Division verfolgte die geschlagene serbische Armee nach Westen auf Prizren und Debra. Die Kavallerie-Division stand bei Prilep, nordöstlich davon bis zum Vardar die 7. Division, 5. Division hielt den Abschnitt von der Bregalnica bis gegenüber Krivolak besetzt, daran anschließend sicherte 11. Division bis in die Gegend von Gradec am Vardar und 2. Division von dort die Grenze bis nördlich vom Dojran-See. 6. Division war im Anmarsch von Norden nach Kumanovo. Bulgarische 1. Armee stand mit der 9. Division südlich Priština und westlich der Sitnica, mit 1. Division in der Gegend von Gnjilane. 8. Division war im Anmarsch von Ferizović nach Üsküb.

Da trat unerwartet am 24. November ein völliger Umschwung in den bisherigen Anschauungen ein. An diesem Tage war General v. Falkenhayn zu einer Besprechung mit Enver Bey in Orsova zusammengekommen. Unmittelbar nach [394=Karte] [395] dieser Zusammenkunft telegraphierte er an die Heeresgruppe Mackensen, daß zuverlässige Nachrichten es wünschenswert erscheinen ließen, die Offensive gegen die Ententearmee in Mazedonien unverzüglich durchzuführen. Daran habe sich vom Becken von Monastir aus, abgesehen von den schon dorthin in Marsch gesetzten schwachen deutschen Verbänden, noch wenigstens ein aus allen Waffen zusammengesetztes Detachement zu beteiligen. In der Tat mehrten sich untrügliche Anzeichen, die auf ein Zurückweichen der Entente in die Defensive, wenn nicht gar auf einen Abbau ihrer Kräfte aus Serbisch-Mazedonien deuteten. Auch der deutsche Militärattaché in Sofia wies auf die Gunst der Lage, einen leichten Erfolg bei entschlossenem Handeln zu erringen, hin, den sich General v. Falkenhayn nicht entgehen lassen wollte. Nach Rücksprache mit General v. Seeckt wurde aus den bei Priština stehenden deutschen Divisionen ein Detachement aller Waffen ausgesondert, das sich mit einem sechstägigen Lebensmittelvorrat versehen und über Üsküb nach Monastir rücken sollte (Detachement Sommerfeld S. 390 ). Die übrigen deutschen Truppen mußten wegen Nachschubschwierigkeiten aus dem Sandschak nach Leskovac zurückgezogen werden, um für den weiteren Vormarsch nach Süden an eine leidliche rückwärtige Verbindung heranzukommen. Entscheidend bei diesen Anordnungen war aber, daß es sich jetzt nicht etwa nur um die Beteiligung eines Detachements an der von den Bulgaren auszuführenden Offensive, sondern um die ganze 11. Armee handelte. Die bulgarische Heeresleitung hatte sich tatsächlich bereit erklärt, die weiteren Operationen unter deutscher Oberleitung fortzuführen. Mit ihr wurde vereinbart, daß nur ein Teil der 105. Division nach Ruščuk, Schumla und Varna (S. 381) geführt würde, während der andere Teil20 vorläufig zur Verfügung der Heeresgruppe bei Nisch verblieb.

Am 27. November fand auch eine Zusammenkunft zwischen Falkenhayn und Conrad statt. Darauf ergingen neue Weisungen an die Heeresgruppe Mackensen. Der leitende Gedanke war, die zwischen Vardar und Črna stehenden Ententetruppen beiderseits, und zwar von Westen her aus dem Becken von Monastir durch die deutsche 11. Armee und von Osten her durch Vorstoß der bulgarischen 2. Armee (Todoroff) aus der Linie Krivolac - Djoran-See, zu umfassen, während die bulgarische 1. Armee (Bogadieff) den Feind so lange in der Front fesselte, bis sich die Umfassung fühlbar machte. Dazu sollte sich die durch die 8. und 9. bulgarische Division zu verstärkende 11. Armee (Gallwitz) so schnell als möglich im Raume Kruševo - Prilep - Monastir versammeln. Wich der Gegner schon vorher zurück, so hatten die Armeen sofort bis zur griechischen Grenze [396] nachzustoßen, diese aber unter keinen Umständen, auch nicht mit Fliegern, zu überschreiten. Die Deckung gegen Montenegro und Albanien wurde der k. u. k. 3. Armee (Koeveß) übertragen, die sich in Besitz von Plevlje, Prijepolje und des Beckens von Ipek zu setzen hatte. Die Oberste Heeresleitung gab sich sogar der Hoffnung hin, die bloße Drohung könne schon genügen, die Entente zum Zurückweichen über die griechische Grenze zu bewegen.

In der letzten Zeit waren nennenswerte französische Truppentransporte nicht mehr nach Saloniki gekommen, dagegen hatten die Engländer starke Kräfte herangeführt. Die Oberste Heeresleitung schätzte die französische Streitmacht in Mazedonien auf 95 000 Mann und glaubte damit die französischen Transporte überhaupt abgeschlossen. Die Stärke der bis zum 4. Dezember gelandeten Engländer schätzte man auf 62 000 Mann in vier Divisionen, wovon zwei aus Gallipoli herübergekommen sein sollten. Davon hatten die Engländer aber nur einen Teil nach Norden abtransportiert. In der Front stand die 10. englische Division nördlich vom Dojran-See bis südwestlich Strumica. Hinter ihrem rechten Flügel am Dojran-See wurde noch eine zweite englische Division vermutet. Nach Westen zu schlossen sich vier französische Divisionen in gut ausgebauten Stellungen über Demirkapu - Črna-Bogen und mit dem linken Flügel längs der östlichen Höhen des Črna-Tales an.

Von der deutschen 11. Armee war am 2. Dezember die 103. Division in und um Nisch aufgeschlossen, das Gros der 101. Division stand noch im Gebirge zwischen Kuršumlija und Prokuplje. Von den bulgarischen Truppen befand sich am 1. Dezember 3. Division bei Prizren. 8. Division hatte im Vormarsch nach Monastir mit einer Brigade Gostivar erreicht, die beiden anderen Brigaden waren im Anmarsch von Ferizović und Üsküb dorthin. 9. Division lag südwestlich Priština, 1. um Gnjilane, die Kavallerie-Division, verstärkt durch zwei Infanterie-Bataillone, halbwegs der Straße Prilep - Monastir. Die vordersten Truppen der 7. Division standen auf den Höhen von R. Jasenovo - Debrišta - Sirkovo an der Straße zwischen Prilep und Gradsko, die 5. Division, östlich anschließend, in der Linie Gradsko - Enešoba - Scoba. Hinter der 5. bulgarischen Division war 11. Division beiderseits des Vardar, mit Teilen bis Veles zurückreichend, untergebracht. 2. Division stand auf den Höhen südlich und südwestlich von Strumica, 10. weiter östlich mit einer Brigade im Strumica-Tale, mit der zweiten am Mesta-Karasu an der griechisch-bulgarischen Ostgrenze bei Dedeagač. 6. Division war mit zwei Brigaden im Anmarsch von Köstendil nach Strumica, ihre dritte Brigade stand noch bei Nisch.

Inzwischen hatte die Entente von Griechenland die Räumung von Saloniki und dessen Umgegend von griechischen Truppen und die Überlassung sämtlicher Bahnen in Mazedonien verlangt. Auch forderte sie das Recht, alle Schiffe in den griechischen Gewässern zu untersuchen - eine neue Vergewaltigung eines schwachen Neutralen, der sich nicht anders wehren konnte, als die Verhandlungen [397] möglichst in die Länge zu ziehen. Warum Sarrail so sehr auf die schnelle Entfernung der griechischen Truppen drang, war klar, denn nach den letzten Nachrichten zogen die Franzosen bereits ihre gesamte schwere Artillerie aus der Gegend von Krivolac nach Gjevgjeli, also nach der griechischen Grenze zurück. Auch die in den folgenden Tagen einlaufenden Meldungen berichteten von regem Leben in den französischen Lagern und starkem Zugverkehr auf der Bahn nach Süden. Der Feind schien in der Tat Serbisch-Mazedonien räumen zu wollen.


Niederlage der Entente am Vardar.

Zu den Kämpfen am Strumica und Vardar

[394]
      Skizze 18: Zu den Kämpfen am Strumica und Vardar.      [Vergrößern]
Am 4. Dezember hatte die auf Debra und Ochrida vorgehende Brigade der 8. bulgarischen Division die von Prilep nach Süden zurück-weichenden Teile der ehemaligen serbischen Südfront auf den Höhen der Jama Bistra planina (nordöstlich Debra) und bei Mramorec geschlagen und auf Ochrida zurückgeworfen. Die Brigade folgte auf Debra, Struga und Ochrida. Am gleichen Tage hatten Teile der bulgarischen Kavallerie-Division Monastir besetzt. Auch die Eskadron Busche des deutschen Husaren-Regiments 5 traf dort ein. Am 8. Dezember rückten die Bulgaren in Ochrida ein. Die Eskadron Busche zeigte sich mit bulgarischer Kavallerie an der griechischischen Grenze südlich Monastir. Die griechischen Grenztruppen erwiesen sich als durchaus freundlich gesinnt. Zu dieser Zeit befand sich das von Priština aus vorgegangene Detachement Sommerfeld in Üsküb, wo es Verpflegung und Bekleidung aus Nisch erwartete. Auch die 210. Brigade hatte sich von Nisch nach Üsküb in Marsch gesetzt.

Durch den Rückzug der Serben von Prilep nach Ochrida war die linke Flanke der Franzosen im Črna-Bogen frei geworden. Die Bulgaren, die im Einverständnis mit der deutschen Heeresleitung jeden sich bietenden Vorteil auszunutzen trachteten, hatten bereits am 3. Dezember die Gunst des Augenblicks zur Aufklärung über die Linie Dobrotino - Dragina benutzt, wobei es gelang, zwei Bataillone östlich Ročama über die Črna zu führen. Die Franzosen hatten die drohende Gefahr erkannt: Sarrail räumte schleunigst den Črna-Bogen. Aber die Bulgaren blieben nicht untätig. Schon waren den ersten Truppen weitere Teile der 7. Division und der Kavallerie-Division gefolgt. In richtiger Erkenntnis der Lage ging es rastlos quer durch die unwirtliche, tief verschneite Marianska planina hindurch. Petrovo und Gabes (südlich Demirkapu) wurden am 6. Dezember erreicht und ein Bataillon des französischen Infanterie-Regiments 45 im Biwak überrascht. Gleichzeitig drängte die 5. Division in der Front nach und stand am Abend dieses Tages im Kampfe beiderseits des Vardar in der Linie Gr. Dračevica - Kurešnica.

Die Lage der Ententetruppen wurde kritisch. Ungestüm und siegesgewiß drangen die Bulgaren vor, um dem in Unordnung geratenen Feinde keine Zeit zu lassen. Am 8. Dezember stand die 5. Division in und um Klisura, daran anschließend hatte auf dem östlichen Vardar-Ufer die 11. Division Gradec genommen, [398] die 2. Division die Engländer südlich Strumica zurückgeworfen, Kajali erobert und zehn englische Geschütze erbeutet. Mit starkem linken Flügel setzte sie die Verfolgung fort. Der Feind wich überall in großer Unordnung zurück. Um ihm den Rückzug in der Enge zwischen Vardar und Dojran-See zu verlegen, erhielten die Kavallerie- und die 7. Division den Befehl, bei Gjevgjeli auf das östliche Vardar-Ufer überzugehen und nach Norden vorzustoßen. Eine deutsche Gebirgs-Maschinengewehr-Abteilung mit Kavallerie sollte beschleunigt nach Gjevgjeli vorgezogen werden.

Unter dem Druck der von drei Seiten in das Vardar-Tal einbrechenden Bulgaren wurde der Rückzug der Entente zum fluchtartigen Zurückfluten. Am 11. Dezember abends erreichte auf dem westlichen Flußufer die 5. Division nach Bajonettkämpfen die Linie Höhe südlich Borlova kulbeleri - Miletkovo, weiter südlich nahm die 7. Division Negorci. Auch auf dem östlichen Ufer wich der Feind zunächst weiter nach Süden zurück, machte aber nach Erreichen der Linie Furka - Cerniste - Djoran-See vor der verfolgenden 2. Division wieder Front, wobei es am Abend zu heftigen Kämpfen kam. Am gleichen Tag gelang es der stark nachdrängenden 11. Division, die englisch-französische Front zu durchbrechen, bis nach Bogdanci vorzustoßen und die Engländer von den Franzosen zu trennen. Der Feind erlitt große Verluste an Toten, Verwundeten und Gefangenen. Unaufhaltsam ging es weiter. Am 13. Dezember erreichten die überall siegreichen Bulgaren mit der stark durcheinander gekommenen 7. und 5. Division die griechische Grenze bei Ljumnica und Majadag, mit der 11. und 2. Division bei Smol und Dojran. Hier gebot ihnen das Machtwort der Politik einen frühzeitigen Halt. Der Feind war spurlos verschwunden. Wie bald festgestellt wurde, hatten sich die beiden englischen Division (10. und 22.) nach Kukuš, die Franzosen nach Amatovo zurückgezogen.

Die aus Saloniki kommenden Nachrichten ließen deutlich erkennen, daß die Orient-Armee Sarrails eine schwere Niederlage erlitten hatte. Besonders fiel die moralische Einbuße, namentlich gegenüber den Einwohnern, ins Gewicht, wozu noch die sehr beträchtlichen Verluste an Menschen, Gerät und Vorräten aller Art kamen. Stimmung und Verfassung der Truppen waren denkbar schlecht.

Gefangene Offiziere sagten aus, daß Sarrail sich in einer möglichst weit vorwärts Saloniki befestigten Stellung halten wollte. Aus Griechenland wurde bekannt, daß die griechische Regierung auch die Infanterie des I. und II. Korps, deren Artillerie und Kavallerie bereits seit Wochen in und um Saloniki stand, nach Griechisch-Mazedonien zu senden beabsichtige, so daß dann dort die ganze griechische Armee bis auf die Ersatzformationen versammelt sein würde. Die Verhandlungen Sarrails mit den griechischen Vertretern hätten bisher noch kein Ergebnis gezeitigt. Der griechische Generalstab sollte sogar dem englischen Militärattaché zu verstehen gegeben haben, die Entente möge so schnell wie möglich [399] Mazedonien verlassen, da Griechenland ihr bei einem Vorrücken der Zentralmächte nicht beispringen könnte. Davon wollte Sarrail natürlich nichts wissen; er drang vielmehr nun erst recht in nicht mißzuverstehender Weise auf schleunige Zurückziehung der griechischen Truppen. Angesichts dieser drohenden Haltung mußte die griechische Regierung schließlich nachgeben und ihre Truppen nach Osten, Westen und Südwesten aus dem weiteren Bereiche der Stadt abrücken lassen. So achtete die Entente die Rechte der kleineren Staaten und Neutralen, deren Schutz angeblich auf ihren Fahnen geschrieben stand.


Die Besetzung von Montenegro und Albanien.

Mittlerweile hatten auch die von der Heeresgruppe Mackensen der k. u. k. 3. Armee befohlenen Bewegungen zur Besitznahme von Plevlje, Prijepolje und Ipek begonnen. Nach hartem Kampfe mit den Montenegrinern wurde Plevlje genommen und am 3. Dezember die Linie Čelebič - Plevlje - Jabuka - Prijepolje erreicht. Generaloberst v. Conrad beabsichtigte, Ende Dezember das den Hafen von Cattaro beherrschende Lovčen-Gebiet zu nehmen und dann in Südmontenegro einzudringen. Zur Unterstützung wünschte er ein weiteres Vorführen der Operationen der k. u. k. 3. Armee, worauf die Heeresgruppe die Gewinnung des Tara-Abschnittes bis Mojkovac und nach Wegnahme von Bijelopolje der Linie Bioča - Berane - Rožaj - Ipek anordnete. Als späteres Ziel des linken Flügels war Andrijevica, der Ausgangspunkt der Straßen nach Podgorica und Antivari, gedacht. Es entspannen sich nun in dem überaus schwierigen und unwegsamen Gebirgsgelände überall sehr zähe Kämpfe, doch gelang es am 7., Ipek zu nehmen, wo beträchtliche Beute an serbischen Waffen und Gerät gemacht wurde. Die montenegrinische Front reichte jetzt von Čelibić bis westlich Ipek. Die Überbleibsel der linken serbischen Armee in Stärke von etwa 4000 Mann waren in sie eingereiht worden.

Generaloberst v. Conrad hatte schon im November erwogen, außer Montenegro auch Nord- und Mittelalbanien zu besetzen. Falkenhayn fürchtete aber nicht mit Unrecht, daß in jenen abgelegenen Gebieten unnötig stärkere Kräfte festgelegt würden, die man auf den Hauptkriegsschauplätzen dringend brauchte. Aber Conrad ließ nicht locker. Er wollte nicht nur die letzten Reste der serbischen Heeres in Montenegro und Albanien vernichten, ehe sie sich auf Ententeschiffen retten konnten, ihn leiteten vor allem politische Gründe. Jetzt bot sich die Gelegenheit, den verhaßten italienischen Nebenbuhler an der Adria, der sich bereits in Valona und Durazzo festgesetzt hatte, aus Albanien zu vertreiben und auch den begehrlich nach Albanien blickenden Bulgaren zuvorzukommen. Er wünschte daher ein baldiges Ausscheiden des Generalkommandos des XIX. Korps mit der 20. Gebirgs-Brigade und dem Gruppenkommando Sorsich aus der 3. Armee, womit sich Mackensen einverstanden erklärte.

Unterdessen gingen die sehr anstrengenden Kämpfe auf der Nord- und Ost- [400] front weiter, bis am 17. Dezember die Tara-Linie bis Mojkovac erreicht wurde. Weiter südöstlich war eine Abteilung bereits über Rožaj bis halbwegs Berane vorgedrungen und der rechte Flügel des Feindes nach Plav zurückgegangen. Von den Serben standen zu dieser Zeit 4000 Mann bei den Montenegrinern an der Ostfront, 8000 Mann bei Skutari, 35 000 Mann in Albanien bei Elabasan, 6000 Mann in Mazedonien bei Saloniki.

Auf den neuerdings geäußerten Wunsch Conrads, seinen Angriff gegen die Westfront Montenegros durch ein Vorgehen der 3. Armee gegen die Linie Danilovgrad - Podgorica zu unterstützen, befahl die Heeresgruppe, die Tara-Linie zu halten und alle anderen Abteilungen zum Angriff auf Podgorica in der Gegend von Matesevo zu vereinigen. Aber Conrad wollte jetzt über die ganze k. u. k. 3. Armee frei verfügen, um die Operationen gegen die Ost- und Westfront selbst in Einklang zu bringen. Schon Mitte Dezember war er mit dem Plan einer groß angelegten Offensive gegen Italien hervorgetreten, wobei die dazu erforderlichen Divisionen aus Galizien durch neun deutsche Divisionen freigemacht werden sollten. General v. Falkenhayn meinte dagegen, die österreichische Heeresleitung verfolge, nachdem sie von der Sorge des serbischen Druckes befreit war, gar zu sehr die Interessen ihres eigenen Landes. Er hielt das bisherige Verfahren der Abwehr den Italienern gegenüber für vollkommen ausreichend und wollte seinerseits alle irgend verfügbaren deutschen Kräfte auf dem französischen Kriegsschauplatze einsetzen, um zur Entlastung dieser schwer bedrohten Front einen wuchtigen Schlag zu führen. Er forderte daher Conrad auf, sich an der italienischen Front nach wie vor auf die Verteidigung zu beschränken und alle irgend entbehrlichen Kräfte von dort nach Galizien zum Freimachen der deutschen Divisionen zu führen. Auch legte er Conrad nahe, auf das montenegrinisch-albanische Unternehmen zu verzichten und die dadurch frei werdenden Teile der Armee Koeveß gleichfalls an der Ostfront einzusetzen. Conrad stellte darauf auch die Offensive gegen Italien zurück, erklärte aber, daß er keinenfalls auf die Operation gegen Montenegro und Albanien verzichten werde, doch wolle er der deutschen Obersten Heeresleitung die beiden Divisionen der bei Brzezany stehenden Südarmee zur Verfügung stellen. Gleichzeitig teilte er mit, daß er die k. u. k. 3. Armee benachrichtigt habe, sie unterstände nunmehr wieder seinem unmittelbaren Befehl, was er damit begründete, die Heeresgruppe Mackensen habe ihre Aufgabe der Vernichtung der serbischen Streitkräfte bereits erfüllt. General v. Falkenhayn sah sich somit ganz unerwartet vor eine vollendete Tatsache gestellt und empfand dies nicht mit Unrecht als einen argen Übergriff und eine Verletzung der Vereinbarungen. Die Spannung zwischen den beiden Generalstabschefs wurde zwar bald wieder beseitigt; das so unbedingt nötige beiderseitige Vertrauen aber fand sich nicht wieder. Beide gingen innerlich ihre Wege allein. Falkenhayns Sinn war auf Verdun gerichtet, Conrad bereitete insgeheim die italienische Offensive vor. Zunächst führte er seinen Plan gegen Montenegro [401] und Albanien durch. Am 21. Dezember schied die Armee Koeveß, die zu dem Sieg über Serbien ihren vollen Anteil beigetragen hatte, aus dem Verbande der Heeresgruppe Mackensen aus.


Vorbereitungen zum Angriff auf Saloniki.

Mit dem Zurückdrängen der Ententetruppen über die griechisch-mazedonische Grenze trat an die deutsche Oberste Heeresleitung von neuem die Frage heran, ob sie dem Wunsche der Verbündeten, vor allem des Generalobersten v. Conrad, folgen, die stark erschütterten Ententetruppen vor und in Saloniki aufsuchen und vernichten sollte, oder ob sie auf halbem Wege an der griechischen Grenze stehen bleiben wollte. Daß die Entente, vor allem England, Saloniki nicht freiwillig aufgeben würde, lag auf der Hand; es bot England einen viel zu wertvollen Stützpunkt im östlichen Mittelmeere als Ausgangspunkt aller Unternehmungen gegen die Dardanellen und Kleinasien. Ein offensives Vorgehen der Entente gegen die Verbindung Deutschlands mit der Türkei durch Serbien oder Bulgarien hindurch erschien allerdings vorläufig unwahrscheinlich; dazu fehlten ihr die Kräfte. Überdies mußte das eben erst mißglückte Gallipoli-Unternehmen lähmend nachwirken. Ganz besonders hatte Frankreich nach der gescheiterten Offensive in der Champagne keine Lust zu einem solchen Balkan-Unternehmen. Auf eine Mitwirkung Rußlands war nicht zu rechnen. Ähnlich stand es mit Italien, denn die in Albanien bei Durazzo und Valona gelandeten zwei Divisionen in Stärke von etwa 25 000 Mann waren für die langersehnte Besitznahme dieses Landes zwecks Beherrschung der Adria bestimmt. Nach Erreichung dieses Zieles hatte Italien weder Interesse an der Wiederherstellung Serbiens noch an einem Zusammenstoß mit deutsch-bulgarischen Streitkräften. Diese 25 000 Mann hätten auch, selbst mit den albanischen Banden Essad Paschas und den Resten der serbischen Armee, nicht zu einem Vorstoß durch das unwegsame albanische Gebirge gegen die Flanke der deutsch-bulgarischen Armeen genügt. Standen doch auch die Österreicher bedrohlich in der Flanke eines solchen Unternehmens. Freilich, - so lagen die Dinge augenblicklich; wie sich aber die Lage im weiteren Verlauf des Krieges gestaltete, ließ sich nicht übersehen. Blieb die Entente in Saloniki, so wurden auch dauernd deutsche Kräfte in Mazedonien gefesselt, denn daß die Bulgaren einer festen Stütze bedurften, hatte die deutsche Oberste Heeresleitung bereits zur Genüge erkannt. Ein von der Entente besetztes Saloniki bedurfte der deutschen Aufsicht. Nutzte man jetzt den Zustand ihrer Schwäche nicht aus, um Saloniki und gleichzeitig auch Kavala fest in die Hand zu bekommen, so blieb es immer eine wunde, schwärende Stelle, die Unheil in sich barg. Rücksichten auf Griechenland, das dem Drucke der Entente gewichen war und weiter weichen mußte, durften hierbei nicht hemmend wirken. Von ihm war kaum etwas zu befürchten. Aller Voraussicht nach blieb es, namentlich nach der von der Entente erlittenen schweren Niederlage, neutral, bis es sich [402] zeigte, ob die deutsche Offensive Erfolg hatte. Trat dieser ein, so war an einen Übertritt Griechenlands zur Entente kaum noch zu denken. Und selbst wenn er unter deren Druck erfolgen sollte, würde die Beteiligung der Griechen am Kampfe doch nur sehr lau sein.

Anderseits war klar, daß es bei einem Vorgehen gegen Saloniki zu sehr ernsten Kämpfen kommen mußte. Das Unternehmen bedurfte daher der sorgfältigsten Vorbereitung, insbesondere durch Herbeischaffen einer starken schweren Artillerie mit ausreichender Munition und durch ein sehr eingehendes Studium für die Durchführung des planmäßigen Angriffs. Dabei war die Eigenart des Kriegsschauplatzes für diesen denkbar ungünstig. Ein sofortiges Folgen hinter dem geschlagenen Gegner kam nicht in Betracht, weil schon jetzt der Nachschub in dem Jahrhunderte lang vernachlässigten Lande vollkommen versagte. Dadurch gewann der Feind Zeit und konnte sich in den von den Griechen - freilich unter ganz anderen Verhältnissen - vorbereiteten Stellungen zu neuem Widerstand ordnen und seine Linien ausbauen. Überdies mußte der Angreifer mit der Einwirkung der weittragenden schweren Geschütze der feindlichen Flotte rechnen. Jedenfalls bedurfte es geraumer Zeit, um unter Aufbietung aller Kräfte in angestrengtester Arbeit die äußerst dürftigen Verkehrsverhältnisse des Landes so weit zu fördern, daß man überhaupt an den für diesen Angriff nötigen Nachschub denken konnte. Das alles bedeutete, daß starke personelle und materielle deutsche Kräfte auf längere Zeit auf diesem Nebenkriegsschauplatz festgelegt wurden, wenn man sich zu einem Angriff auf Saloniki entschloß. Gelang er, dann war ganze Arbeit auf dem Balkan getan. Ein zweites Gallipoli hätte der Entente voraussichtlich gründlich die Lust zu weiteren Balkan-Unternehmungen genommen, die deutsche Oberste Heeresleitung wäre eine brennende Sorge losgeworden und hätte sich mit geringen deutschen Kräften auf dem Balkan begnügen können, von den politischen Auswirkungen, die ein solcher Erfolg, z. B. auf Rumänien, haben mußte, ganz zu schweigen. So hatte die deutsche Oberste Heeresleitung gewissenhaft nach der Gesamtlage zu prüfen, ob sie die für den Angriff nötigen Kräfte aufbringen und solange auf den anderen Kriegsschauplätzen entbehren konnte.

Vorläufig war freilich noch alles im Fluß und mußte erst wieder in feste Formen gefaßt werden. Die nächste und dringlichste Aufgabe Mackensens war daher, die völlig durcheinandergekommenen Armeen zu ordnen und gründlich Wandlung in den rückwärtigen Verbindungen zu schaffen. Ein Leben aus den Vorräten des armen Landes war ausgeschlossen, die Einwohner hungerten bereits selbst. Die schon am 6. Dezember vereinbarte Änderung in der Reihenfolge der Armeen trat nunmehr in Kraft. Die deutsche 11. Armee unter General v. Gallwitz sollte zwischen die bulgarische 1. und 2. Armee am Vardar eingeschoben werden. Zu ihr trat die bisher in Reserve gehaltene 210. Brigade der 105. Division (S. 395). Es stellten sich aber nunmehr eine Unmenge Reibungen ein, die [403] nicht nur aus den schwierigen Verkehrsverhältnissen und dem großen Mangel der bulgarischen Armee an Nachrichtenmitteln zu erklären war, sondern oft auf den Mangel an gutem Willen bei den Bulgaren zurückgingen, die sich teilweise nur widerwillig dem deutschen Befehl unterordneten. Als besonders erschwerend für die Leitung der Gesamtoperationen kam noch hinzu, daß der Generalfeldmarschall nicht unmittelbar an die bulgarische 2. Armee befehlen konnte, sondern seine Weisungen an sie durch den General Jekoff - also die bulgarische Oberste Heeresleitung - leiten mußte, der sie allerdings unverzüglich und unverändert weiterzugeben hatte. Denselben langen Weg mußten auch alle Berichte und Meldungen dieser Armee zur Heeresgruppe durchlaufen.

So schnell, wie es die Heeresgruppe wünschte, kamen aber auch die von weit rückwärts anrückenden deutschen Truppen nicht vorwärts. Der ganze Verkehr zur Armee Bogadjeff und zum Teil auch zur Armee Todoroff bewegte sich auf der einzigen von Norden nach Süden führenden großen Straße aus dem zum Teil sehr engen Tal der südlichen Morava zum Vardar-Tal. In die ohne geregelten Bewegungsplan hin- und her pendelnden Kolonnen der Bulgaren schoben sich nun die deutschen Truppen mit ihrer und der für die bulgarischen Armeen bestimmten Artillerie und den gesamten Trains und Kolonnen ein. Bei der andauernd schlechten Witterung brach natürlich die mangelhaft gebaute Straße bei dieser Überlastung bald völlig zusammen. Ganz besonders schwierig gestalteten sich die Verhältnisse in dem zwischen Grdelica (13 km südöstlich Lescovac) und Vranje liegenden, viele Kilometer langen Engpasse, auf dessen völlig zerfahrener Straße die deutschen Divisionen, die Artillerie und die Kolonnen gleichsam durchgeschleust werden mußten, ohne daß der Nachschub für die bulgarischen Armeen und die bereits hindurchgezogenen deutschen Truppen gestört werden durfte. So kam es, daß man, da sich gleichzeitig die Wiederherstellung der Eisenbahn infolge großer Geländeschwierigkeiten verzögerte, die Vorwärtsbewegung der deutschen Truppen über Vranje hinaus tatsächlich von dem Fortschreiten der Arbeiten an der Bahn und der Wiederaufnahme ihres Vollbetriebes abhängig machen mußte, weil ohne sie die Truppen in Südserbien nicht versorgt werden konnten.

Nach dem Erreichen der griechischen Grenze hatten die bulgarischen Divisionen Unterkunft bezogen, und zwar 5. Division auf dem Westufer des Vardar im Raume Gjevgjeli - Gurincet - Pardovico, dicht aufgeschlossen dahinter die 7. Division. Auf dem östlichen Ufer stand die 11. Division ohne eine Brigade im Raume Pobreg - Bogdanci - Furka, östlich daran anschließend 2. Division im Raume Dojran - Cerniste - Hansanli, dahinter zwischen dem Dojran-See und dem Gebirgskamme der Belasica-Planina eine Brigade der 11. Division und ein Infanterie-Regiment der 2. Division zur Deckung der linken Flanke. Eine Gefechtsberührung mit den Ententetruppen bestand auch Ende Dezember noch nicht wieder. Auf dem rechten Flügel hatte 8. Division mit zwei Brigaden Monastir [404] besetzt und die an der Grenze stehenden Teile der Kavallerie-Division abgelöst, die in der Gegend von Kavadar zusammengezogen wurde. Die dritte Brigade der 8. Division hatte die zurückweichenden Serben über Struga nach Westen verfolgt und am 24. Dezember nach Kämpfen bei Radokol auf Elbasan zurückgeworfen, doch setzte sich der Feind östlich dieses Ortes wieder fest und verschanzte sich. 9. Division stand bei Prilep, 3. bei Prizren und Djakova.

Von den deutschen Truppen standen am 29. Dezember Abteilung Sommerfeld bei Monastir, 210. Brigade mit dem Anfang bei Veles, mit den rückwärtigen Teilen bei Dračevo. IV. Reservekorps hatte am 23. mit dem Anfang der 103. Division die Gegend dicht südlich Kumanovo erreicht und schloß mit den rückwärtigen Teilen auf, deren letzte Marschstaffeln mit der Artillerie noch im Engpaß nördlich Vranje steckten, so daß das Alpenkorps erst in den ersten Tagen des Januar 1916 auch in diesen einrücken konnte.

Aber auch vorwärts der 11. Armee lagen die Verhältnisse sehr ungünstig. Von Veles aus führte nicht eine einzige für den Lastkraftwagenverkehr zuverlässige Straße zur bulgarischen Front. Bei dem mangelhaften Unterbau der Wege schritten alle Ausbesserungsarbeiten sehr langsam vorwärts. Zu alledem hatte die Entente die Bahnstrecke Veles - Saloniki ganz besonders gründlich zerstört, so daß ihre Wiederherstellung längere Zeit in Anspruch nehmen mußte. Die Folge davon war denn auch eine so kritische Verpflegungs- und Bekleidungslage bei den bulgarischen Armeen, daß sie bei längerer Dauer gefährlich werden mußte.

Die Nachricht von diesen mißlichen Verhältnissen, insbesondere die Kunde von den umfangreichen Bahnzerstörungen südlich Veles bis zur griechischen Grenze, veranlaßten nunmehr General v. Falkenhayn zur Weisung an die Heeresgruppe, den Marsch der deutschen Truppen nach Süden in keiner Weise zu übereilen, wenn auch "selbstverständlich volle Klärung der Verhältnisse mit allen Mitteln möglichst schnell herbeigeführt werden" müsse. Dazu war es von größter Wichtigkeit, daß das bisherige Verbot, die griechische Grenze zu überfliegen, von der Obersten Heeresleitung am 22. Dezember endlich aufgehoben wurde. Wie schon während des ganzen serbischen Feldzuges fiel auch jetzt wieder die Aufklärung fast ausschließlich den sechs deutschen Flieger-Abteilungen und vier k. u. k. Flieger-Kompagnien zu, die das weite Gebiet von der Adria bis nach den Inseln Thalos und Samothraki unter Augen hielten.

Die Hauptstellung Sarrails zog sich um Saloniki von dem den Hafen im Süden beherrschenden Karaburun über Vasilica nach dem Südufer des Langaza-Sees, von da über Ajvatli - Džuma nach dem Südende des Amatovo-Sees. Die Stellung nutzte die vorhandenen griechischen Befestigungen auf und wies damit auch Eisenbetonbauten und Hindernisanlagen auf. Außerdem war anzunehmen, daß die eigentliche Hafenschutzstellung vom Karaburun bis zum Langaza-See noch durch eine Sperre der Engen zwischen dem Langaza-See, dem Bešik-Gölü und [405] dem Golf von Orfano verstärkt wurde. Dieser Hauptstellung waren zwei Vorstellungen vorgelagert, die sich ebenfalls an bereits bestehende griechische Befestigungen anlehnten. Die eine begann am Golf von Orfano, folgte dem Höhenzuge des Bešik dag und verlief über Lahana - Kukuš nach Saripazar zur Hauptstellung. Die zweite noch weiter nach Norden ausholende Vorstellung lehnte sich mit dem rechten Flügel an den Karasu an und lief über den Krusa-Balkan nach Popovo und von da nach Majadag, westlich vom Vardar. Sie bestand aus nicht sehr starken feldmäßigen Befestigungen und war anscheinend nur mit schwachen Abteilungen besetzt, während an der Haupt- und mittleren Stellung fieberhaft gearbeitet wurde. Auf jeden Fall mußte man schon an der mittleren, sogenannten Kukuš-Stellung mit zähestem Widerstand rechnen, waren doch auch schwere Geschütze im Marsch dorthin beobachtet worden. Auf dem westlichen Vardar-Ufer, wo das Angriffsgelände durch den Jenidže Gölü mit seinen bis zum Golfe von Saloniki reichenden Sumpfniederungen stark eingeengt wurde, schienen nur Feldbefestigungen angelegt zu sein.

Ähnlich wie Saloniki war auch Kavala durch eine dreifache Befestigungslinie geschützt. Die Stadt selbst wurde von einem Gürtel von Infanteriestellungen mit Unterständen und vermutlich auch vorbereiteten Artilleriestellungen von Karaorman über Bademli čiftl bis Vasilaki umgeben. Die zweite, mittlere Stellung verlief, etwa 10 km vom Hafen entfernt, von Cerpandi čiftl über Cski Kavala nach Bunarbasi. Die nördlichste, weit vorgeschobene Verteidigungslinie folgte zunächst dem Lauf des Mesta Karasu in den Gruppen von Indženez, Buk - Lišan und Burnik, um dann mit den Gruppen von Starčišta und Rupel zum Struma-Durchbruche durch das Gebirge an der griechisch-bulgarischen Grenze südlich Melnik hinüberzugreifen.

Ende Dezember forderte die Oberste Heeresleitung von der Heeresgruppe eine Beurteilung der Lage ein, wobei vorausgesetzt werden sollte, daß Griechenland den weiteren Operationen der Mittelmächte ernstliche Schwierigkeiten nicht bereiten, diesen aber auch nicht beistehen werde, und daß auf die Inbetriebnahme der Bahnstrecke Veles - Gjevgjeli und der von den Bulgaren geforderten Feldbahn von Veles nach Prilep nicht vor dem 1. Februar zu rechnen sei. Der Generalstabschef, General v. Seeckt, wies in seinem Bericht vom 28. Dezember darauf hin, daß es für alle Fälle genügen werde, eine bulgarische Division an der albanischen Grenze zu belassen und daß ebenso zur Beobachtung von Rumänien und zum Schutz der Küste des Schwarzen Meeres gegen russische Landungen die zwischen Varna und Ruščuk stehenden Kräfte, darunter nunmehr auch die Teile der deutschen 105. Division (S. 395), genügten. Alle übrigen deutschen und bulgarischen Streitkräfte könnten somit gegen Saloniki eingesetzt werden. Den dort stehenden Feind schätzte er auf 160 000 Mann Gefechtsstärke. Er glaubte aber, daß nach der wahrscheinlichen Heranziehung weiterer Truppen, die mit der Aufgabe des unhaltbar gewordenen Gallipoli-Unternehmens ver- [406] fügbar wurden, bald mit einer Gefechtsstärke von wenigstens 200 000 Mann gerechnet werden müsse, wovon allerdings nach englischer Gewohnheit und wohl auch aus Besorgnis vor der noch immer ungeklärten Haltung Griechenlands ein großer Teil an der Basis Saloniki selbst verbleiben werde. Mit einer starken Artillerie, und zwar namentlich schweren Kalibers, sei bestimmt zu rechnen. Das entspräche nicht nur den starken Materialkräften der Entente, sondern auch ihrer augenscheinlich defensiven Absicht.

Den Angriff auf die Stellungen Sarrails dachte die Heeresgruppe mit schwächerem rechten Flügel, starker Mitte und weitausholendem linken Flügel zu führen. Hierzu sollte die rechte Flügel-Armee (Bogadjeff) die rechte Flanke und den Rücken des deutsch-bulgarischen Angriffs mit der 3. bulgarischen Division, die durch eine Brigade der 8. zu verstärken und in ihrer jetzigen Stellung bei Prizren durch die k. u. k. 3. Armee abzulösen war, gegen Albanien und das italienische Landungskorps sichern. Mit den übrigen Kräften der Armee (zwei Drittel 8. Division, 9. Division, zwei Drittel Kavallerie-Division und deutsches Detachement Sommerfeld) hatte Bogadjeff über Vodena und Jenidže Vardar vorzustoßen. Die am Vardar stehende 5. bulgarische Division (trat später zur Armee Gallwitz) sollte sich dem allgemeinen Vormarsch zwischen Jenidže Vardar und dem Vardar-Fluß anschließen. Die Armee Gallwitz (IV. Reservekorps, Alpenkorps, 210. Brigade, später noch die 5. bulgarische Division) hatte den Angriff gegen die Front der feindlichen Stellungen, mit dem rechten Flügel längs des Vardar-Flusses, mit dem linken östlich des Dojran-Sees über Kukuš auf Ajvatli vorgehend, zu führen. Die Armee Todoroff (2., 7., 11. und 6. bulgarische Division und eine Brigade der Kavallerie-Division) war zunächst aus ihren jetzigen Unterkünften zwischen dem Vardar und Dojran-See nach Osten an den Struma zu verschieben, um dann mit den Hauptkräften aus der Linie Petrič - Demirhisar - Seres gegen die Stellungen zwischen Ajvatli und dem Westrand des Bešik Gölü vorzustoßen. Zur Verbindung mit der Armee Gallwitz sollten schwächere Kräfte durch den Krusa-Balkan vorgehen, während eine linke Seitenkolonne über die Enge zwischen dem Bešik Gölü und dem Golfe von Orfano dem Feinde in die Flanke stoßen und dadurch auch die Enge zwischen dem Bešik und Langaza Gölü öffnen sollte. Da das Gelände zwischen den Seen und dem Golfe gangbar war, hoffte man, bis Saloniki durchdringen und den Abtransport der Ententetruppen verhindern zu können.

General v. Seeckt berechnete die Stärken seiner Armeen im ganzen auf 182 000 Mann Infanterie. Die Infanteriestärke bei der Entente glaubte er mit 140 000 Mann annehmen zu dürfen; es blieb somit eine nicht unbedeutende Überlegenheit an Zahl auf seiten des deutsch-bulgarischen Heeres, ganz abgesehen von dem durch die letzten Siege erzeugten moralischen Übergewicht. Allerdings war eine Verstärkung durch schwere Artillerie erforderlich. Der Beginn des Angriffs hing von der Fertigstellung der Eisenbahn ins Vardar-Tal ab, da sie [407] allein den Munitionsnachschub bewältigen mußte. Vor Anfang Februar glaubte die Heeresgruppe nicht damit rechnen zu dürfen. Inzwischen aber sollten die Truppen, sobald es die Verpflegungslage erlaubte, in ihre Aufmarschräume vorgeschoben werden.

Am 30. Dezember unternahmen deutsche Flieger einen Bombenangriff auf englische Lager, Depots und Flugzeugparks bei Saloniki, wobei Gegenangriffe französischer Flugzeuge abgewehrt wurden. Dieses Ereignis nahm der französische Oberbefehlshaber Sarrail wahr, um, völkerrechtswidrig und ohne die griechische Regierung zu verständigen, in die Konsulate Deutschlands, Österreich-Ungarns, der Türkei und Bulgariens einzudringen, das gesamte Personal für kriegsgefangen zu erklären und auf einem Kriegsschiff abtransportieren zu lassen. Die griechische Regierung erhob "mit Entrüstung" Einspruch "gegen die flagranteste und unmenschlichste Verletzung der Souveränität Griechenlands über Saloniki, eine Verletzung, die unter Mißachtung der Überlieferungen des diplomatischen Asylrechtes und der elementarsten internationalen Höflichkeit begangen wurde". Der Einspruch verhallte natürlich wirkungslos. Die Entente fuhr vielmehr unbekümmert mit der Verhaftung der Konsuln der Mittelmächte auf griechischem Boden fort.

Am 3. Januar fand eine Besprechung über den beabsichtigten Angriff zwischen General v. Falkenhayn und General v. Seeckt mit dem Oberbefehlshaber des bulgarischen Heeres im Beisein des Königs von Bulgarien statt, wobei man sich auf folgende Punkte einigte: Der Angriff gegen die Ententetruppen bei Saloniki sollte erfolgen, "wenn zu dem Zeitpunkte, zu dem die deutsch-bulgarischen Vorwärtsbewegungen beginnen könnten, nach den dann bestehenden Stärkeverhältnissen noch Aussicht auf Erfolg in absehbarer Zeit bestehe. Die endgültige Entscheidung über den Vormarsch könne also erst im letzten Drittel des Monats Januar getroffen werden". Immerhin wollte man sobald wie möglich zum Angriff schreiten, um der Entente nicht noch viel Zeit zu lassen, weitere Truppen heranzuziehen und ihre Stellungen auszubauen. Der Aufmarsch der deutsch-bulgarischen Front und das Heranführen der schweren Artillerie, deren Munition und der Verpflegung war daher nachdrücklichst zu beschleunigen. Hierzu sollte der Ausbau der Eisenbahn Semendria -Nisch - Üsküb - Veles - Gradsko und weiter bis zur griechischen Grenze mit allen Mitteln gefördert werden. Als besondere, ihr unmittelbar unterstehende Reserve hielt sich die bulgarische Oberste Heeresleitung für das Saloniki-Unternehmen die 1. Division bei Kratovo (östlich Kumanovo) und die 10. Division bei Xanthi zur Verfügung. Außerdem konnten im Notfalle die 6. Division im Struma-Tal bei Dubnica (östlich Köstendil) und die 4. Division aus dem Grenzschutze an der rumänischen Grenze herangezogen werden.

So war endlich eine feste Grundlage für die weiteren Vorbereitungen geschaffen. Die am 10. Januar auch schriftlich niedergelegte Zustimmung der bulgarischen Heeresleitung war um so wertvoller, als die letzten Wochen immer [408] wieder das Streben der Bulgaren hatten hervortreten lassen, sich nach allen Seiten möglichst freie Hand zu wahren und von den Deutschen möglichst viel herauszuschlagen, ohne sich selbst zu binden. Das von ihnen angestrebte Nebeneinander der deutschen und bulgarischen Führung war für die verwickelten Verhältnisse gerade des serbisch-mazedonischen Kriegsschauplatzes ganz unmöglich.

Bereits am 6. Januar reichte die Heeresgruppe der Obersten Heeresleitung die Berechnung des Bedarfs an schwerer Artillerie ein; sie ergab einen Mehrbedarf von 52 schweren Batterien, darunter einige schwersten Kalibers. Ihr Antransport, einschließlich der Munition, erfordere wenigstens 60 Tage. Diese Bedarfsberechnung an Artillerie stellte das Mindestmaß dar, das man nach der bisherigen Kenntnis der feindlichen Stellungen fordern zu müssen glaubte. Der Beginn des Angriffs müsse daher bei der geringen Leistungsfähigkeit der Bahn erheblich hinausgeschoben werden; es sei denn, daß sich später wesentlich günstigere Verhältnisse herausstellen sollten.

Obwohl fieberhaft an der Ausbesserung der Wege gearbeitet wurde, glaubte die Heeresgruppe nach den bisherigen Erfahrungen auch nicht mehr daran, daß die Artillerie und deren Munitionskolonnen bis zum 1. Februar an die Aufmarschfront zu bringen waren. Schon gesellte sich eine neue Verzögerung hinzu, weil die bulgarische Heeresleitung, entgegen den erst kürzlich getroffenen Vereinbarungen, den Raum westlich Strumica bis Stip erst am 28. Januar räumen wollte. Da die Straßen im Vardar-Tal und weiter südlich für die schwere Artillerie in dieser Jahreszeit überhaupt nicht in Betracht kamen, so mußte sich der Vormarsch sowie der ganze Nachschub der 11. Armee allein auf der nicht einmal wetterbeständigen Straße Veles - Stip - Radovišta - Strumica abspielen. Der Vormarsch der 11. Armee wurde daher eingestellt, bis die Gegend von Strumica von den Bulgaren frei gemacht war.

Die Oberste Heeresleitung stimmte zwar zu, daß der planmäßige Angriff am 1. Februar nicht erfolgen könne, gab aber eindringlich zu erwägen, ob man sich nicht schon jetzt mit der augenblicklich vorhandenen zahlenmäßigen Überlegenheit und unter Ausnutzung der frischen Angriffslust der Bulgaren zur Offensive entschließen könne, um den geschlagenen Gegner zu überrennen. Der Umstand, daß der Feind seine Stellungen täglich stärker ausbaue, fordere doch entschieden dazu auf. Falls die Heeresgruppe dies aber ablehnen müsse, stellte General v. Falkenhayn die weitere Frage, ob man dann nicht den Beginn der Offensive mit den bis dahin eingetroffenen Kräften auf den 16. Februar festsetzen könne? Im Gegensatz zu früher drängte also der Generalstabschef auf ein baldiges Losschlagen, was sich in der nächsten Zeit wiederholte. Die Heeresgruppe aber sträubte sich nach ihrer besseren örtlichen Kenntnis entschieden gegen jede Überstürzung. Sie war, wie sie am 13. Januar betonte, von der frischen Angriffslust der Bulgaren doch nicht so unbedingt überzeugt und hielt die augenblicklich verfügbaren Mittel für den sofortigen Angriff für völlig unzureichend. Auch der [409] bis zum 16. Februar eingetroffene Kräftezuwachs werde nicht genügen. Ein wohl vorbereiteter und damit auch erfolgreicher Angriff sei vor Mitte April nicht möglich. Bis dahin könnte auch die von der Heeresgruppe angeforderte Verstärkung an schwerer Artillerie mit ihrer Munition in vollem Umfange eingetroffen sein.

Gleichzeitig übersandte General v. Seeckt dem General v. Falkenhayn einen ausführlichen, vertraulichen Bericht über die militärische und politische Lage auf dem Balkan bezüglich des Saloniki-Unternehmens. Er konnte sich nach dem eigenartigen Verhalten der Bulgaren seit dem Zusammenbruch der Serben "nicht dem zunehmenden Zweifel verschließen, ob sie die gleichen militärischen Ziele wie die deutsch-österreichischen Führer verfolgen, d. h. ob die Bulgaren gewillt sind, mit Einsatz ihrer vollen Kraft und von großen Blutopfern den Feind in Mazedonien anzugreifen und Saloniki zu nehmen". Ihr Kriegsziel, Rache an den Serben zu nehmen und die von ihnen so heiß erstrebten Gebiete zu gewinnen, war erreicht. Gewiß mochte den Bulgaren eine militärische Demütigung auch Griechenlands verlockend erscheinen, und begehrlich richteten sich ihre Blicke nach dem Hafen von Kavala. Beides mit deutscher Hilfe ohne eigene große Blutopfer zu erreichen, wäre ihnen sehr gelegen gekommen; doch mußten sie bezweifeln, ob Deutschland dazu seine Hand bieten würde. Die Stimmung im Heere und Volk hatte der bulgarische Oberbefehlshaber, General Jekoff, am 3. Januar schlagartig durch die Bemerkung beleuchtet, daß die bulgarischen Divisionen selbst auf seinen Befehl nicht zum Angriff gegen Saloniki marschieren würden, solange der Grieche in ihrem Rücken oder in ihrer Flanke stände. Vor allem hatten die Bulgaren keinerlei Interesse daran, die festen Stellungen von Saloniki anzugreifen, lediglich um die Entente aus dem griechischen Mazedonien zu vertreiben. Der Besitz von Saloniki und seines Hafens war durchaus keine Lebensnotwendigkeit für sie, wenn er nur um den Preis der für später unerwünschten dauernden Feindschaft der Entente errungen werden mußte. Solange diese das eben erworbene Land ihnen nicht wieder zu entreißen und sie von der lebensnotwendigen Verbindung mit Deutschland abzuschneiden versuchte, konnten sich die Bulgaren mit einem englisch-französischen Saloniki immerhin abfinden. Zu einem Angriff auf diesen Waffenplatz erklärten sie sich jedenfalls nur dann bereit, wenn der Erfolg billig war. Nach den unglücklichen beiden Balkankriegen hatten sie auch allen Grund, mit ihren Kräften haushälterisch umzugehen und zu überlegen, ob sie, wenn ihnen die Deutschen nicht "die Kastanien aus dem Feuer holen" wollten, nicht billiger mit einer defensiven Sicherung davonkommen würden? Das Verhalten des bulgarischen Oberbefehlshabers und besonders seines offensichtlich ententefreundlichen Generalstabschefs Jostoff ließ deutlich erkennen, daß sie große Opfer nicht bringen wollten. Zusammenfassend schloß General v. Seeckt, daß er den Angriff nur dann für ratsam halte, wenn ein energischer Kräfteeinsatz der Bulgaren gewährleistet sei, daß er aber auch dann erst nach wesentlicher Verstärkung [410] der artilleristischen Kräfte und nach genügendem Wege- und Eisenbahnbau durchzuführen sei. Wolle man aber mit Rücksicht auf alle diese Schwierigkeiten von einem Angriff absehen, so müsse eine zuverlässige Verteidigungsstellung geschaffen werden, aus der die deutschen Kräfte, wenn die Lage es zuließe, nach und nach zurückgezogen werden könnten. Die Berechtigung dieser vorsichtigen Erwägungen bewiesen bald die Erkundungen über das Angriffsgelände. Immer deutlicher traten die großen Schwierigkeiten hervor, die hauptsächlich in dem außerordentlich mangelhaften Wegenetz beruhten.

Die Unsicherheit, ob der Angriff überhaupt ausgeführt wurde, zwang zu eingehenden Maßregeln für eine planmäßige Verteidigung an der griechischen Grenze. Die Heeresgruppe entsandte daher die bei ihr befindlichen Generale der Pioniere zu den beiden bulgarischen Armeen, um diese bei Auswahl und Ausbau der Stellungen zu unterstützen. General v. Seeckt reichte am 24. Januar der Obersten Heeresleitung Vorschläge für die Verteidigung ein. Die Verteidigungslinie lief vom Drinizi-Abschnitt, in Anlehnung an den Ochrida- und Prespa-See, über den Bistrica-Abschnitt im Süden von Monastir nach Davidovo, dem Passe von Kosturino südlich Strumica bis in die Gegend von Melnik und Nevrokop, um mit der Gruppe Xanthi am Mesta Karasu, bei Gümüldžina und Dedeagač gegen die griechische Ostgrenze und die Küste abzuschließen. Den Mehrbedarf an schwerer Artillerie für die Verteidigungsfront berechnete Seeckt auf nur sechs Batterien. Bei genügender Sparsamkeit ließen sich dann fünf deutsche und bulgarische Divisionen zu anderer Verwendung - z. B. gegen Rumänien - verfügbar machen.

General v. Falkenhayn erklärte sich einverstanden, betonte jedoch ausdrücklich, daß bei den Bulgaren nicht der Eindruck entstehen dürfe, daß die Oberste Heeresleitung daran denke, die geplante Offensive gegen Saloniki aufzugeben, um so weniger, als es ja täglich klarer werde, daß der Gegner bei Saloniki nur sehr schwach sei. Er habe dort bestimmt nicht mehr als 110 000 Gewehre und 600 Geschütze. Der tägliche Zugang decke in letzter Zeit nicht einmal den regelmäßigen Abgang an Kampfkraft durch Krankheiten usw. Die deutsch-bulgarischen Armeen in Mazedonien würden, wenn sich die Ausladungen in Saloniki nicht änderten, Mitte Februar mit doppelter Überlegenheit an Infanterie und mit etwa 713 Geschützen, darunter 132 schweren Kalibers, angreifen können. Deshalb sei dauernd zu überlegen, ob man nicht doch, sobald die jetzt im Antransport befindliche schwere Artillerie mit ihrer Munition eingetroffen sei, - also gegen den 15. Februar - angreifen sollte. General v. Falkenhayn glaubte nicht, daß der Feind einem mit solcher Kraft geführten Stoße, selbst in gut ausgebauten Stellungen, widerstehen könne. Deshalb erhielten die Generale der Pioniere (s. o.) den ausdrücklichen Hinweis, daß "der uneingeschränkte Wille zum Angriff weiter bestehe und bei den Bulgaren durch unsere vorausschauenden Erwägungen keinenfalls beeinträchtigt werden dürfe".

[411] Wieder aber trat eine Störung ein; am 26. Januar teilte die bulgarische Heeresleitung mit, daß sie nicht mit Bestimmtheit angeben könne, wann der Aufmarsch der bulgarischen 2. Armee bei Petrič beendet sein würde. Dies hinge von dem Fortschreiten der Füllung der für diesen Aufmarsch bestimmten Magazine im Struma-Tal ab. Allerdings beeilten sich die Bulgaren mit dieser Füllung wenig; bei festem Willen wären alle Maßregeln erheblich schneller durchzuführen gewesen. So wurde auch der Bau der für den Nachschub dieser Armee unentbehrlichen Kleinbahn von Radomir (nordöstlich Köstendil) über Dubnica nach Džumaja ins Struma-Tal nur lässig betrieben.

General v. Falkenhayn, dessen Hauptgedanke naturgemäß auf den für Mitte Februar festgesetzten Angriff gegen Verdun gerichtet war, wozu er alle irgend verfügbaren Truppen heranziehen mußte, fragte abermals bei General v. Seeckt an, wie er sich den Angriff auf Saloniki ohne weitere Verstärkungen denke? Seeckt betonte am 6. Februar, daß eine baldige Betätigung der auf dem Balkan befindlichen deutschen und bulgarischen Truppen im Interesse der Erhaltung der Schlagfertigkeit der Truppe nötig sei. Vor allem aber liege es im Interesse der Gesamtlage, möglichst starke Kräfte auf dem Balkan zu fesseln, um den Hauptkriegsschauplatz zu entlasten. Bei den Bulgaren bestände zur Zeit Angriffslust, allerdings wahrscheinlich nur, um das Struma-Tal mit dem Hafen von Kavala zu gewinnen, Gebiete, die neuerdings als "Lebensnotwendigkeiten" für Bulgarien bezeichnet würden. Alle strebten danach, den Angriff möglichst bald beginnen zu lassen; den Zeitpunkt aber kalendermäßig festzulegen, sei jetzt noch unmöglich. Am 15. Februar würde die Armee auf keinen Fall angriffsbereit sein. Einen sofortigen Angriff mit den zur Zeit auf dem Balkan verfügbaren Kräften lehnte General v. Seeckt auch jetzt wieder ab, da der Erfolg zu zweifelhaft sei. Ob man mit weniger als den angeforderten Kräften auskommen könne, ließe sich erst übersehen, wenn man an den Feind herangegangen sei. Sobald nämlich die Armeen operationsbereit seien, sollte der Ring um Saloniki in der ungefähren Linie Verria - Vodena (bulgarische 1. Armee) - Gümendže - Karasuli - Kilindir (deutsche 11. Armee) - westliches Struma-Ufer zwischen dem Butkova-gölü und Cajagzi (bulgarische 2. Armee) geschlossen werden. Hierzu würden die vorhandenen Kräfte unbedingt ausreichen. Dann werde sich auch die Haltung Griechenlands geklärt haben, ebenso die Frage, ob der Feind den entscheidenden Angriff annehmen oder es vorziehen wolle, Saloniki zu räumen. In dieser den Feind umfassenden Einschließungslinie, die gute Stellungen böte, könne man in Ruhe die noch zu erwartenden Verstärkungen abwarten. General v. Seeckt sprach also ganz klar aus, daß er an den Feind herangehen wollte, sobald der Aufmarsch beendet war, was nach wie vor ganz von der Leistungsfähigkeit der Eisenbahn Nisch - Veles - Davidovo abhing, die bisher täglich Enttäuschungen und Rückschläge gebracht hatte.

Die bulgarische 1. Armee (Bogadjeff) hatte soeben eine schwere Verpflegungs- [412] krisis überwunden, weil nicht mit der geringen Leistungsfähigkeit des Landes gerechnet war und der Armee jeder ausreichende Train fehlte. Nach Zuteilung eines deutschen Generalstabsoffiziers für den Nachschub und deutscher Pferde- und Kraftwagenkolonnen war zwar die Verpflegung der Armee in ihrer jetzigen Aufstellung gesichert, nicht aber die Zuführung des für einen Vormarsch nötigen Kriegsmaterials. Die hierfür geforderte Feldbahn Gradsko - Prilep - Monastir ließ sich wegen zu großer Geländeschwierigkeiten überhaupt nicht in vollem Umfange bauen. Aushilfe durch Drahtseilbahn wurde erwogen, doch war die Bauzeit für sie und die Feldbahnstrecken noch nicht festzustellen. Immerhin wollte General v. Seeckt auch noch durch andere Mittel eine Beschleunigung versuchen. Für den Vormarsch genüge aber auch die Ausstattung mit Munition nicht. Trotzdem sei kein Anlaß zu Bedenken für das ganze Unternehmen, weil der bulgarischen 1. Armee ja nur eine Nebenrolle zufalle.

Über die bulgarische 2. Armee (Todoroff) erhielt die Heeresgruppe nach mehrfachem Drängen endlich die Mitteilung, daß die Füllung der Magazine im Struma-Tal erst in einigen Wochen beendet sein würde, so daß ihr Aufmarsch bei Petrič nicht vor Mitte März erfolgen könne. Vorher wurde also auch das Aufmarschgebiet der 11. Armee nicht frei. Auch bei der 2. Armee war der weitere Munitionsnachschub in keiner Weise gesichert.

Die deutsche 11. Armee könne, ein gutes Arbeiten der Bahn vorausgesetzt, bis zum 20. März an der griechischen Grenze aufmarschiert sein. Dazu seien allerdings Kräfte und Mittel anzuspannen, um sie und die für die bulgarischen Armeen bestimmten schweren Batterien mit der erforderlichen Munition zu versehen. Die Bereitstellung des dazu nötigen Eisenbahnmaterials ginge allerdings wiederum auf Kosten der Verpflegungszufuhr. Trotzdem glaubte Seeckt den Beginn des einheitlichen Vormarsches auf Ende März festsetzen zu können, falls es bis dahin gelang, wenigstens einen Teil der bulgarischen 1. Armee beweglich zu machen. Dies war allerdings allein dadurch zu erreichen, daß nur die 5. und 8. bulgarische Division am Angriff gegen Saloniki beteiligt und auf Vodena und Gümendže in Marsch gesetzt wurden, wozu ihnen aber alle Trains der zurückbleibenden Verbände und deutsche Kraftwagenkolonnen überwiesen werden mußten.

Die Heeresgruppe wußte, wie hemmend auf die Bulgaren ihr eigenartiges Verhältnis zu Griechenland wirkte. Daß sie den Griechen nicht trauten, war nach den Erfahrungen 1912/13 nicht zu verwundern, besonders da sie ja selbst das ihnen 1913 entrissene Gebiet den Griechen wieder abzunehmen trachteten. Feldmarschall v. Mackensen wies daher den General v. Falkenhayn am 10. Februar nochmals darauf hin, wie wichtig es sei, daß die bulgarische 2. Armee nicht durch politische oder sonstige Rücksichten behindert werde. Solange zwei griechische Korps zwischen dem unteren Struma und Kavala ständen, würden die Bulgaren sicher flügellahm operieren. Die Sorge der Bulgaren könnte aber beseitigt [413] werden, wenn die östlich der Marica verfügbaren türkischen Streitkräfte so zeitig und so nahe an die bulgarisch-griechische Grenze herangeschoben würden, daß die Bulgaren die beiden griechischen Korps vor Beginn der Bewegungen gebunden wüßten.

In der Tat war eine Klärung mit Griechenland notwendig, ehe man den Feldzug gegen Saloniki durch das griechische Gebiet begann. Solange überhaupt nur die Möglichkeit bestand, daß die noch in Mazedonien zu beiden Seiten des geplanten Angriffs stehenden starken griechischen Kräfte gegen die Mittelmächte eingreifen könnten, war deren Lage unbefriedigend. Gewiß legten die griechische Armee, die Beamten und die Bevölkerung der griechisch-mazedonischen Gebiete bisher eine durchaus deutschfreundliche Gesinnung an den Tag und zeigten sich auch den Bulgaren gegenüber nicht ablehnend. Eine Änderung der Politik Griechenlands konnte aber bei der äußerst unsicheren Lage des Landes jederzeit eintreten. Vorsicht schien um so mehr geboten, als alle griechischen Kreise stark mit ententefreundlichen Elementen durchsetzt waren und die Spionage und Propaganda des Feindes in jeder Form und mit großen Mitteln auftrat. Wußte man doch auch nur zu gut, zu welchen Druckmitteln die Entente einem schwächeren Staate gegenüber stets bereit war. Bisher hatten die deutschen Verhandlungen mit dem Könige von Griechenland noch nicht zu einem befriedigenden Ergebnis geführt.

Am 9. Februar waren General v. Falkenhayn und General Jekoff übereingekommen, die Entscheidung über die Offensive auf Saloniki zwischen dem 10. und 15. März zu treffen. Bis dahin sollte auch die rumänische Frage entschieden werden. Hierzu hatte Falkenhayn durch die deutsche Regierung zweifelsfrei feststellen lassen, ob Rumänien die übernommenen Lieferungen des für die Mittelmächte unbedingt nötigen Getreides wirklich nach besten Kräften durchzuführen gewillt war. Andernfalls wollten die deutsche und bulgarische Heeresleitung den unsicheren Partner mit Gewalt zur Erfüllung ihrer Forderungen zwingen. Hierzu gedachte Bulgarien mindestens vier Divisionen zu stellen und erklärte sich auch mit der Heranziehung türkischer Truppen einverstanden.

Am 10. Februar teilte Falkenhayn der Heeresgruppe mit, daß gegen ein Vorschieben von Truppen an und über die griechische Grenze nichts mehr einzuwenden sei, er bat jedoch, ihm beabsichtigte Grenzüberschreitungen rechtzeitig mitzuteilen, damit er die griechische Regierung vorher benachrichtigen könne.

Inzwischen nahmen die Erkundungen ihren Fortgang. Dabei trat der Wunsch der Bulgaren, ihr heimatliches Gebiet vom Kampfe frei zu halten, in den Vorschlägen des bulgarischen Generalstabschefs deutlich hervor. General Jostoff wollte die Stellungen möglichst weit nach vorn auf griechisches Gebiet verlegen, und zwar vom Ochrida- und Prespa- zum Rudnik- und Ostrovo-See über Vodena, den Krusa-Balkan nach dem unteren Struma-Tale. Das entsprach also [414] ungefähr der Linie, die General v. Seeckt für den zweiten, engeren Aufmarsch zum Angriff auf Saloniki vorgesehen hatte.

Am 18. Februar begann endlich der Aufmarsch der deutschen Divisionen an der griechischen Grenze. Freilich ohne Reibungen mit den Bulgaren sollten auch diese Bewegungen nicht vor sich gehen, doch wurden sie schließlich überwunden. Am 23. Februar begann schließlich auch der Bau der für die bulgarische 1. Armee so dringend nötigen Feldbahn Gradsko - Prilep. Auch die Schwierigkeiten im Betriebe der Vardar-Bahn bis Hudova (westlich Strumica) waren zu dieser Zeit beseitigt. Am gleichen Tage erhielt die bulgarische 1. Armee den Befehl, ein sofortiges Vorschieben einer stärkeren gemischten Abteilung zur Inbesitznahme von Florina vorzubereiten, um von dort aus die Pässe über die der Stadt südöstlich im Halbkreise vorgelagerten Höhenzüge zu besetzen. General v. Seeckt wollte hierdurch freie Hand für den Vormarsch auf Saloniki und, für den Fall eines feindlichen Angriffs, eine günstige Stellung gewinnen. Zu diesem Unternehmen stellte die Heeresgruppe das bisherige Detachement Sommerfeld in Monastir, nunmehr unter der Führung des Generalmajors v. Busse, zur Verfügung. Gleichzeitig sollte die bulgarische 9. Division durch kleinere Abteilungen die Bahn Florina - Vodena bis zum Ostrovo-See besetzen und sperren. Zur Besetzung von Vodena selbst reichten die Kräfte der Armee infolge der Nachschub- und Verpflegungsschwierigkeiten noch nicht aus.

Mit der Inbesitznahme des Čengel dag durch die bulgarische 2. Armee war die Heeresgruppe durchaus einverstanden, sie wies aber darauf hin, daß bei einer so großen Annäherung an den Feind die Stellungen sofort nachdrücklichst ausgebaut und als Rückhalt stärkere Kräfte nachgeschoben werden müßten.

General v. Falkenhayn war einverstanden, riet aber dringend davon ab, Offensivbewegungen über die griechische Grenze zu beginnen, bevor die Masse der bulgarischen Truppen wirklich operationsbereit sei. Anderseits bestände die Gefahr von Rückschlägen, die bedenkliche Folgen haben könnten. Ein solches Abwarten sei um so mehr anzuraten, als ja auch Anfang März eine Klärung in der rumänischen Frage bevorstehe. Zweifellos lenkte jetzt Rumänien die Aufmerksamkeit etwas von Mazedonien ab; dazu kam, daß der am 21. Februar begonnene Angriff gegen Verdun zunächst zwar mit gutem Erfolge vorwärts ging, daß sich aber sein Ausgang noch nicht übersehen ließ. Es war daher verständlich, daß sich der deutsche Generalstabschef in kein anderes Unternehmen einzulassen wünschte, das starke deutsche Kräfte und Material auf längere Zeit festlegte und dessen Erfolg doch nicht ganz sicher zu sein schien.

Am 25. Februar fand eine neue Besprechung des Generals v. Seeckt mit dem bulgarischen Generalstabschef Jostoff über die Einnahme der zweiten, engeren Aufmarschstellung statt. Als Ergebnis konnte General v. Seeckt volle Übereinstimmung über die zunächst zu treffenden Maßregeln melden. Er bezeichnete die Einnahme dieser zweiten Stellung sowohl für die Durchführung des [415] Angriffes wie für eine etwaige Verteidigung als erwünscht und betonte, daß Rückschläge nicht zu befürchten seien. Als Zeitpunkt könne der 6. März in Aussicht genommen werden. Auf dem äußersten rechten Flügel könnten dem deutschen Detachement Busse (bisher Sommerfeld) zwei bulgarische Detachements bis Florina folgen. Auf dem linken Flügel würden südlich Petrič vier bulgarische Regimenter, von Nevrokop deren zwei eingesetzt werden. Auch die Brücke von Buk am Mesta Karasu sollten zwei Regimenter besetzen. Ehe etwaige feindliche Gegenmaßregeln wirksam würden, könne man genügend Verstärkungen in die neuen Stellungen heranführen. Auch dürfe man damit rechnen, daß die Griechen dem Einmarsche gegenüber untätig bleiben würden.

General v. Falkenhayn hatte auch jetzt nichts einzuwenden, bat aber wiederum, den Beginn des Vorgehens mit Rücksicht auf die allgemeine Lage erst für den 15. März anzusetzen. Auch diesmal wieder trat der Gedanke an Rumänien hervor; verschob doch Bulgarien, der Verabredung gemäß, bereits Truppen für den etwaigen Angriff gegen Rumänien.

Dementsprechend vereinbarte die Heeresgruppe mit der bulgarischen Heeresleitung, nicht vor dem 15. März die Grenze zu überschreiten, es sei denn, daß ein Angriff durch die Entente erfolge. Mit einem solchen glaubte man neuerdings nach den von zuverlässiger Seite eingegangenen Nachrichten immerhin rechnen zu müssen, wobei die Entente angeblich auf eine Mitwirkung Rumäniens zählen sollte. In der Tat wurde berichtet, Rumänien habe am 23. Februar alle Jahrgänge, von 1897 beginnend, und am 25. Februar alle Reserveoffiziere und -ärzte einberufen. Die Züge in Rumänien sollten voll von Reservisten sein. Die Armeen wurden daher von der Heeresgruppe angewiesen, die Befestigungen an der Grenze dauernd zu verstärken und den Aufmarsch zu beschleunigen.

Am 28. Februar stand das IV. Reservekorps mit der 101. Division zwischen Cernica und Kavadar, mit der 103. Division zwischen Strumica und Radovišta, das Alpenkorps lag noch weit auseinandergezogen im Raume Veles - Malino (27 km nördlich Veles) - Üsküb. Die 210. Division versah den Bahnschutz zwischen Üsküb und Hudova. Am folgenden Tage berief ein Telegramm der Obersten Heeresleitung den General v. Seeckt ins Große Hauptquartier. Kein Zweifel, es bereiteten sich folgenschwere Entscheidungen vor.

Inzwischen waren schwächere französische Abteilungen längs der Bahn über Vodena bis nach Florina vorgedrungen, das sie am 5. März besetzten. Zerstörungen wurden nicht vorgenommen. Die Griechen sollten die Bahn in aller Form den Franzosen übergeben haben. Das rief das stets rege Mißtrauen der Bulgaren gegen die Griechen von neuem wach, zumal auch griechische Truppen den Čengel dag und den Rupel-Paß im Durchbruchstale des Struma südlich Melnik befestigten, obwohl Griechenland angab, diese Gegenden räumen zu wollen. General Jostoff meinte, die Griechen wollten nur Zeit gewinnen, um im geeigneten Augenblick zur Entente überzutreten. Dagegen hielt er die [416] rumänische Gefahr zur Zeit für weniger drohend. Über die griechischen Truppen wußte man, daß auf dem linken Flügel die 12. Division des III. Korps zwischen Florina und Ekšisu, die 10. Division im Raum Vodena - Jenidže Vardar - Verria - Njausta stehe. Südlich davon sollte die Artillerie des I. und II. Korps untergebracht sein. In und bei Saloniki stehe noch die 11. Division des III. Korps, im Raum Tahinos-See - Struma-Mündung - Bešik dag - Lahana - Orljak das V. Korps mit drei Divisionen, im Raum Kavala - Mündung des Mesta Karasu - Buk - Drama - Demirhisar - Tahinos-See das IV. Korps mit gleichfalls drei Divisionen.

Die Aufmarschbewegungen der deutschen 11. Armee nahmen unterdessen ihren Fortgang. Die westlich des Vardar stehende 5. bulgarische Division trat unter den Befehl der 11. Armee, und am 5. März war auch die Ablösung der 2. bulgarischen Division auf dem östlichen Flußufer beendet. Die bulgarische 2. Armee marschierte bei Petrič und östlich Strumica auf.


Vorläufige Aufgabe der Angriffe auf Saloniki.

Der bisherige Angriff gegen Verdun ließ erkennen, daß er Kräfte in größerem Umfange beanspruchen werde. Ihr schneller Einsatz schien den erhofften Erfolg zu versprechen. Am 9. März teilte General v. Falkenhayn dem Feldmarschall v. Mackensen den Inhalt eines Schreibens mit, das er nach Vortrag bei Sr. Majestät dem Kaiser dem Könige von Bulgarien übersandt habe. Es legte die Notwendigkeit dar, jetzt mit allen Kräften die Entscheidung im Westen herbeizuführen, und schlug zu diesem Zwecke vor, die Operationen auf dem mazedonischen Kriegsschauplatze diesen Zielen unterzuordnen:

"1. Die deutsche und bulgarische Oberste Heeresleitungen verzichten vorläufig auf die Offensive gegen die Entente bei Saloniki und richten sich umso stärker zur Defensive an der griechischen Grenze ein, ohne sie zu überschreiten.
2. Dem Feldmarschall von Mackensen bleibt die 1. bulgarische und die Armee Gallwitz unterstellt. Er sichert mit ihnen die Grenze vom Ochrida-See bis einschließlich des Dojran-Sees.
3. Die bulgarische Armee übernimmt die Grenzsicherung vom Dojran-See ausschließlich bis zur Küste.
4. Aus der Armee Gallwitz werden das Alpenkorps, die schwere Angriffsartillerie, soweit sie unter diesen Umständen entbehrlich ist, und das Minenwerfer-Bataillon zur Verfügung der deutschen Obersten Heeresleitung zurückgezogen.
5. Die deutsche Oberste Heeresleitung wird, wie bisher, alles tun, um Bulgarien in ausgiebigster Weise mit technischem Personal und Material zu unterstützen."

Schon am 11. März wurde der Obersten Heeresleitung ein Mörser-Bataillon zur Abbeförderung angeboten. Es war das erste Abbröckeln der deutschen [417] Streitkräfte auf der mazedonischen Front. Währenddessen hatte das IV. Reservekorps seine Feld- und schwere Artillerie in Stellung gebracht. Aber auch der Feind zeigte sich rege und schob seine vorderen Teile bis nach Mačukovo und Čepelli nahe an die deutschen Linien heran.

Am 13. März besprach General v. Seeckt mit der bulgarischen Heeresleitung das weitere Verhalten in Mazedonien. Das Ergebnis war, daß beide Teile "auf Grund der allgemeinen politischen und militärischen Lage auf die Offensive gegen die Entente bei Saloniki vorläufig verzichten". Die bisherige Befehlsgliederung sollte bestehen bleiben. Die griechische Grenze wollte man nur überschreiten, wenn es die taktischen Verhältnisse unbedingt forderten. Die bulgarische 1. Armee hatte ihre bisherige Grenzstellung vom Ochrida-See bis Porta auch weiterhin zu sichern und zu befestigen. Bei Porta war Anschluß an die deutsche 11. Armee zu nehmen. Die zur Armee tretende 2. Kavallerie-Brigade sollte näher herangezogen werden. Der 11. Armee fiel der Abschnitt Porta - Visokačuka zu. Zu ihr trat von der bulgarischen 2. Armee eine Brigade, die bereits die Stellungen nördlich des Dojran-Sees besetzt hielt. Im übrigen hatte die 2. bulgarische Division mit einer Brigade den Raum östlich Strumica erreicht, die dritte Brigade stand schon im Raume zwischen Melnik und Nevrokop östlich des Struma. Zwischen beiden Gruppen befand sich im Strumica-Tal die 11. bulgarische Division um Jeniköj. Die schwere Artillerie verblieb im Strumica-Tale. Östlich davon sicherte die 7. Division das Durchbruchstal des Struma.

Die Lage bei Saloniki hatte sich inzwischen nicht geändert. Auch das Vordringen der französischen Abteilungen nach Florina und nördlich von Karasuli gab zu neuen Entschlüssen keinen Anlaß, da es sich lediglich um die Besitznahme der Bahn und um Vorschieben örtlicher Sicherungen zu handeln schien. Bis zum 8. März sollten in Saloniki 238 775 Mann, 575 Feld-, 88 Gebirgs- und 199 schwere Geschütze gelandet sein. Über die Aufstellung der nunmehr fünf französischen und fünf englischen Divisionen war man jetzt aufs genaueste unterrichtet.

Am 19. März begann der Abtransport des Alpenkorps nach dem Westen, dem bald andere Truppen und Formationen folgen sollten. Eine schicksalsschwere Entscheidung war damit getroffen. Wohl nicht ganz leicht mag sie für die Oberste Heeresleitung gewesen sein, denn nach dem herrlichen Siegeslauf durch Serbien konnte dieser Abschluß nicht befriedigen. Es war nicht ganze Arbeit auf dem Balkan geleistet worden. Selbst die Öffnung der Verbindung mit der Türkei, die Aufgabe von Gallipoli durch die Entente und die teilweise Vernichtung des serbischen Heeres konnten darüber nicht hinwegtäuschen. Die Entente blieb in Saloniki, baute diesen wichtigen Stützpunkt immer mehr zu einem mächtigen Waffenplatze aus und behielt zugleich die Möglichkeit, die Truppen in Mazedonien schnell aus den zahlreichen, am östlichen Mittelmeere und auf seinen Inseln versammelten Kräften zu verstärken, um zur geeigneten Zeit zum An- [418] griff überzugehen. Dabei brachte ihr die wiedererstehende serbische Armee voraussichtlich bald eine sehr erwünschte und bei der heißen Vaterlandsliebe der Serben beachtenswerte Verstärkung. Auch durfte man nicht die englische Zähigkeit, die, wenn vielleicht auch langsam, so doch um so planmäßiger ihr Ziel zu verfolgen pflegte, außer Rechnung stellen. Zu alledem lag Rumänien im Rücken der mazedonischen Armeen Mackensens auf der Lauer, die Mittelmächte anzufallen, sobald sie einen Moment der Schwäche zeigten.

Mochte auch Falkenhayn im November und Dezember 1915 zunächst nur mit halbem Herzen an das mazedonische Unternehmen gegangen sein, so blieben ihm die dort schlummernden Gefahren doch nicht verborgen. Deshalb drängte er auch im Januar und Februar zum Handeln. Als dann aber die mit zu schwachen Kräften angesetzte Offensive gegen Verdun auf nicht vorausgesehene Schwierigkeiten stieß und die deutschen Kräfte zu zerreiben begann, mußte er den weiteren Bedarf an Truppen nehmen, wo er sie fand, und so griff er naturgemäß auf den Nebenkriegsschauplatz zurück. Aber dieser Nebenkriegsschauplatz sollte schon im kommenden Herbste den bittern Ernst seines Charakters deutlich genug offenbaren, auf ihm hat 1918 der letzte Akt der deutschen Tragödie begonnen. So drängt sich unwillkürlich die Frage auf, ob man nicht besser auf dem Balkan reinen Tisch gemacht und auch mit Rumänien abgerechnet hätte, ehe man zu großen Unternehmungen im Westen schritt.


20 [1/395]210. Infanterie-Brigade, Reserve-Jäger-Bataillon 15, 4. Eskadron Ulanen-Regiments 6, 3. Abteilung Feldartillerie-Regiments 209, Fußartillerie-Regiment 122, 1 Kompagnie Pionier-Bataillon 18, mittlere Minenwerfer-Abteilung 141, leichte Gebirgs-Funkenstation 28, Artillerie-Munitionskolonne 4, Feldlazarett 3. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte