Neuntes Kapitel Schreckliches Elend der Farmer, verschuldet durch die Mandatsregierung Deutsche Kinder ohne Schule Das Los deutscher Notstandsarbeiter. "Das ist also unser Kinderheim, das von uns aus eigenen Mitteln, aus Erträgnissen von Sammlungen und Wohltätigkeitsfesten eingerichtet wurde und unterhalten wird!" so erklärte mir die Vorsitzende des deutschen Frauenvereins in Windhuk. [117] Ich wußte noch kaum, um was es sich eigentlich handelte, als ich durch die sauberen Schlafkammern in den Speisesaal, kurz, durch das Haus geführt wurde. Im Hofe tummelte sich eine Schar von Kindern aller Altersstufen. "Das Mädchen dort, 12 Jahre alt, ist erst vor einigen Wochen angekommen, es hatte vorher noch keine Schule besucht." Da war ich entsetzt. "Ein deutsches Mädel, 12 Jahre alt und noch keine Schule besucht, wie ist das möglich?" "Wie das möglich ist? Die Farmen sind hier so groß und liegen infolgedessen oft Hunderte von Kilometern entfernt von einer Schule. Die Kinder müßten also, um ihnen den Besuch derselben zu ermöglichen, in den damit verbundenen Schülerheimen untergebracht werden. Aber die Farmer haben heute nicht das nötige Geld für den Unterhalt ihrer Kinder im Heim, zumal es sich oft noch um mehrere handelt. Der Betrag hierfür ist pro Kind und Jahr 40 Pfund, der aber nötigenfalls auf 10 Pfund ermäßigt wird und sogar durch Farmprodukte beglichen werden kann. Aber selbst dazu sind die Farmer zum Teil nicht in der Lage. Es sind hier wirklich Deutsche so gut wie ohne Schule aufgewachsen. Ich nehme an, daß im ganzen Lande noch ungefähr 40 Kinder verstreut sind, die noch nie eine Schule gesehen haben. Mein Ziel und Streben geht dahin, sie noch alle zu erfassen, sie im Heim hier unentgeltlich unterzubringen, um ihnen dadurch den Schulbesuch zu ermöglichen", so erzählte mir die Vorsitzende des Vereins. Ich kam nicht so schnell darüber hinweg, konnte es kaum fassen und fand es so ungeheuerlich, daß hier deutsche Kinder ohne Schule aufwachsen. "Ja, Sie haben eben noch keine Ahnung, wie schlimm es einem Teil der Farmer hier wirklich geht. Sie haben zum Teil noch nicht einmal ein richtiggehendes Haus, sondern wohnen in Eingeborenenpontoks. Das sind gewiß Ausnahmen, aber viele sind doch so arm, daß sie nur von Maispapp leben. Fleisch kennen sie nicht, auch keinen Kaffee. Sie kochen sich einen Tee, den sie sich im Busch selber pflücken. Viele Kinder sind unterernährt und zum Teil krank. Es gibt viele Familien, die bleiben einfach oft auch tagsüber zu Bett, weil sie absolut nichts zu essen haben. Einen von ihnen nennt man den 8-Mark-Farmer, weil er mit seiner Familie zusammen für monatlich 8 Mark lebt. Natürlich ergeht es nicht allen Farmern so schlimm, aber schlimm genug allen." Ich habe mich umgesehen im Land; es ist so. Selbst die bekanntesten [118] Farmbesitzer, die ersten Ansiedler und Miterschließer des Landes, mit einem Grundbesitz von 70-80 000 Hektar, ringen heute um ihre Existenz. Vor dem Kriege dagegen waren sie reich, reich wie das ganze Land. So wie die Mandatsverwaltung allmählich die Kolonie zugrunde gerichtet hat, so zuallererst die Säulen und Träger derselben, die Farmer. Ich habe selbst einen alten Deutsch-Südwester kennengelernt, der zusammen mit seiner Frau mit 250 000 Mark von Deutschland hierher kam und nun am Ende ist. Seine letzte Hoffnung setzt er auf die heute allgemein einsetzende und einträgliche Karakulzucht. Auch hier wurde bewußt gearbeitet, bewußt das Deutsche an die Wand gedrückt zugunsten raffgierigen, südafrikanischen jüdischen Kapitals. Die Union ist verseucht von ausbeutendem Judentum. Niemand wird behaupten wollen, daß es reiner Zufall sei, wenn z. B. zur Ansiedlung der Deutsche ein 10 Prozent höheres Vermögen vorweisen muß als ein Bure. Und der Deutsche hat es in bar vorzulegen, von dem Buren werden nur Sachwerte gefordert, über deren wirklichen Besitz er sich nicht einmal auszuweisen braucht. So wurde manchem Buren, der nicht einen Pfennig Geld - oder Geldeswert sein eigen nannte, ohne weiteres eine Farm verschafft mit allem Drum und Dran, tipp topp! Ein Deutscher kann auch heute unter 20 - 30 000 Mark bar kaum an den Erwerb einer Farm denken. Der deutsche Ansiedler erhält nach 5 Jahren das Bürgerrecht, der Bure bereits in einem Jahr. (Hierbei handelt es sich um das Stimmvieh.) Der deutsche Farmer mußte, solange er Geld hatte, höhere Steuern zahlen als der Südafrikaner, dazu unterband man ihm die Ausfuhr und verteuerte dafür durch hohe Schutzzölle alle Einfuhrartikel ins Ungeheuerliche. Südwest ist ein reines Ausbeutungsobjekt für den Mandatar geworden. Die Ausfuhr wird zugunsten der Union, ohne Rücksicht, ob das Land darüber zugrunde geht, gesperrt - siehe Schließung der Diamantminen und Sperrung der Ausfuhr von Farmprodukten -, und die Einfuhr mit ungeheuren Zöllen belegt. Die letzten guten Absatzmöglichkeiten, die Industriezentren Lüderitzbucht und Tsumeb, liegen still. Das alles geschah nicht von ungefähr. Der Farmer ist am Ende. Die letzten Trockenjahre haben ihm noch den Rest gegeben. Die Weiden sind leer und trocken zum Teil die Brunnen, die Herden abgemagert und schlapp. Die Rinder sinken hin, oft reihenweise, und verenden. Es gibt Farmer, die schon zwei Drittel ihres Bestandes verloren haben. Ein Verkauf der Tiere in ihrem Zustande [119] und bei dem heutigen Preis hat keinen Zweck. Farmen, deren Brunnen vertrockneten, sind verlassen, die Häuser stehen als Ruinen, Ankläger des Mandatssystems und des Völkerbundes. Im Süden des Landes ist die Dürre am schlimmsten. Es ist von dort ein erschütternder Fall bekannt: Leer und ausgetrocknet war der Brunnen auf der Farm zweier Brüder. Die Herde brüllte zum Erbarmen. Da zogen die beiden aus mit ihren Tieren auf die Suche nach Wasser und Weide. Sie zogen Tage, und sie fanden nichts. Todesmatt war die Herde, müde und verzweifelt waren die Menschen. Der eine der beiden Brüder ritt eine Tagereise weit voraus, und er fand nichts. Leere, dürre Steppe, kein Gras, kein Wasser. Er kehrte um, und er fand die Herde zum Teil tot, zum andern im Todeskampf sich wälzend auf dem Boden und seinen Bruder inmitten derselben - verstummt. Das Elend und das Grauen hatte ihn in den Tod getrieben. Eine Kugel endete auch des zweiten Bruders Leben.* Für dieses Grauen und Elend, für die Folgen dieser regenlosen Periode, für die Dürre und Öde ist die Mandatsverwaltung doch wohl kaum verantwortlich zu machen, so mag mancher denken oder es auch laut aussprechen. Und doch, sie ist es! Sehen wir selbst von dem Umstand ab, daß Südwest, wäre es deutsch geblieben, durch große Damm- und Bewässerungsanlagen heute bedeutend unabhängiger von regenlosen Jahren wäre, so ist [120] sie trotzdem noch verantwortlich. Es bleibt immer noch die Tatsache, daß die großen staatlichen Reservefarmen, die, mit reichlich Wasser versehen, von der deutschen Regierung dazu bestimmt waren, in regenlosen Jahren für den gefährdeten Herdenbestand geöffnet zu werden, ihn zu erhalten, zu retten, einfach von dem Mandatar an die Buren aufgeteilt wurden. Ihre letzte Hoffnung setzen die Farmer heute auf die "schwarzen Diamanten", in ihre Karakuls. Das sind die schwarzgelockten Schafe, die Lieferanten der wertvollen Persermäntel. Aber die Karakulzucht ist nicht so einfach, da nur die ganz fest gelockten Felle gute Preise erzielen und die bloß gewellten oder weichgelockten ziemlich wertlos sind. Die gute Qualität heranzuzüchten, ist schwierig oder vielmehr auch wieder nur eine Geldfrage. Man ist hierorts gezwungen, aus weißen Wollschafen durch Kreuzungen mit Karakulramme allmählich Karakulschafe heranzuzüchten. Ein guter Ramme aber kann schon bis zu 1000 Mark und darüber kosten. Allerdings kann ein schönes, erstklassiges Fellchen 40 Mark und noch mehr einbringen. Es gibt hier schon einige Farmer mit mehreren Tausenden von Karakuls. Mancher von ihnen hat sich auch schon etwas zu erholen vermocht. Diese schwarzen Lockenschafe sind nur in sehr trockenen Gegenden zu halten, so daß also Südwest das geeignete Land für sie zu sein scheint. Trotzdem vernimmt man, daß auch schon Karakuls infolge zu großer Dürre bereits eingegangen seien. Vor Regen müssen sie sehr geschützt werden. Eine Durchnässung führt bei ihnen leicht zu Lungenentzündung und zum Tode. Ein plötzlich auftretender Regenguß kann schon ungeheuren Schaden in der Herde anrichten. Daher müssen für Karakuls Ställe angelegt werden, die hier für Rinder nicht notwendig sind. Niedlich sind die kleinen gelockten Lämmchen, die so jung um ihres prächtigen Felles willen sterben müssen. Nur am ersten und zweiten Tag nach der Geburt sind die Locken "griffig" und fest, mit fortschreitendem Alter lösen sie sich mehr und mehr auf. So geht wenigstens eine Hoffnung durch das Land. Aber die Union kann es nicht sehen, daß auch nur ein Hoffnungsstrahl am Südwester-Himmel scheint. Schon wieder haben die Karakuls heftigen Neid erregt und schon versucht man, sie nach der Union zu verpflanzen. Man glaubt nun zwar, daß sie dort nicht hochkommen, nicht gedeihen werden. Aber wenn es anders sein sollte, wenn die Karakuls wirklich auch die schwarzen Diamanten für Südafrika werden könnten, würde dann die [121] Mandatsverwaltung, genau wie bei den weißen Diamanten, nicht auch wieder die Südwester-Konkurrenz, selbst wenn diese die erste auf dem Plane war, auf irgendeine Weise einfach ausschalten? Nach allem, was man hier erlebt und erfahren hat, braucht man sich über gar nichts zu wundern. Südwest diente bis jetzt als Spielball jüdisch-unionistischen Finanzkapitals. Fort mit diesem Spuk! Deutsch-Südwest den Deutschen!
Was würde ich lieber tun als gerade ihnen, die sich verlassen und entwürdigt fühlen - kann ich ihnen auch sonst nicht helfen -, Kunde zu bringen von dem neuen deutschen Geist, der die Menschen nicht nach Namen, Stand oder Geldbeutel beurteilt, der jeden moralisch einwandfreien Deutschen "Bruder" nennt und ihm die Hand drückt, ob er nun in eleganten Kleidern oder im Arbeitskittel steckt. Und gerade letzterem an der Pad in Afrika am innigsten, denn er bedarf der Teilnahme am meisten. Der Wagen sauste durch die hügelige Steppenlandschaft, auf der Straße, die nach den Goldfeldern von Rehoboth führt, und die afrikanische Sonne brannte glühend herab heiß. Das Auto stockte und hielt. Eine Gruppe schwarzer Menschen in Sträflingskleidern arbeitete hier an der Straße. Die Zelte daneben, viereckig, erschienen groß und geräumig. Und wir fuhren weiter, eine halbe Stunde nur, und da standen weiße, deutsche Menschen, mit Pickel und Schaufel, in glühender Afrikasonne. Und sie schaufelten Erde, füllten und schoben Karren, rollten Felsblöcke - genau wie die schwarzen Sträflinge ein Stück weiter zurück. Aber es waren unbescholtene Deutsche, zumeist gelernte Arbeiter, Handelsgehilfen, [122] Schlosser, Maschinisten und viele von ihnen schon 50 Jahre und darüber, alte Afrikaner, die das Land miterkämpft hatten. Und auf der Straße, da fahren schwarze Chauffeure vorüber, und sie winken den deutschen Padarbeitern gnädig und herablassend zu, und wandernde Kaffern grüßen vertraulich und oft ironisch grinsend. "Wie geht's!" Wortlos, bewegt und beinahe verschüchtert drückt mir mancher von ihnen die Hand. Es ist unschwer zu erkennen, daß es nicht zu oft passiert, daß ein Landsmann, der hier auf der Straße entlangrast, auf den Gedanken kommt, sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Es ist Mittag, und nun tauten sie allmählich auf. "Wollen Sie sich einmal die Quelle ansehen, von der wir unser Wasser schöpfen?" Ich stand vor einem Erdloch, dessen Boden tief unten von einer schwarzen, mit grünem Schlamm überzogenen Jauche bedeckt war. Ein Fröschlein, aufgescheucht, stürzte sich mit kühnem Kopfsprung hinein und war im Nu verschwunden. "Sie wollen doch nicht sagen, daß Sie dieses Wasser trinken müssen?" "Doch, bis vor kurzem noch! Wenn auch gekocht, die Leute wurden krank davon. Unser Protest nützte lange nichts. Erst seit einigen Tagen wird das Trinkwasser von weiter her geholt." Wir gingen zurück zum Lagerplatz, zu den Rundzelten, die 4 Meter Durchmesser haben, aber lange nicht so geräumig sind wie die viereckigen der schwarzen Sträflinge. Zu dritt und viert bewohnen sie die kleinen Zelte. Während sie ihre Suppe, die sie aus wirtschaftlichen Gründen zusammen kochen, verzehren, erzählen sie: "Wir Notstandsarbeiter sind sehr schlecht bezahlt und alle nicht in der Lage, uns noch Kleider oder Schuhe anzuschaffen. Wenn das, was wir noch von besseren Zeiten übrighaben, verbraucht ist, so müssen wir eben im Lendenschurz gehen wie die Schwarzen. Man behandelt uns ja sowieso nicht anders. Man läßt uns Notstandsarbeiter doch auch mit ihnen zusammenarbeiten, zwar nicht hier, doch am Bahnbau und am Omatjenedamm. Und man stellt uns Vorarbeiter hin, die man nicht mehr als Buren bezeichnen kann. Menschen mit gekräuseltem Haar, Bastards - über uns. Wir können auch verr---- wie das liebe Vieh, wen schert's?, und es ist einer verr----. Padl ist sein Name. Er war am Bahnbau beschäftigt und hatte Familie. [123] Eines Tages fühlte er sich krank und meldete es dem Vorarbeiter. Dieser versprach, nach Windhuk zum Arzt zu telefonieren. Doch es ließ sich kein Arzt blicken." (Der Bure hatte in Wirklichkeit nicht telefoniert.) "Da setzte sich Padl auf die Bahn nach Mariental und ging zum Arzt. Die Bahnfahrt, die Verpflegung und die Unterkunft hatten, als er zurückkam, auch seine letzten Pfennige verschlungen. Er mußte trotz seiner Krankheit weiterarbeiten, wollte er mit seiner Familie nicht verhungern. Und er schwang seinen Pickel draußen in der afrikanischen Sonne, bis er unter ihr zusammenbrach. Im Pontok ist er nach einiger Zeit verschieden." Beklommen kam es nach einer Pause aus meiner Brust: "Und was soll nun aus Ihnen werden?" "Unsere einzige Hoffnung ist, daß man uns nach Hause holt oder daß Südwest wieder deutsch wird. Wir können zu Hause als Notstandsarbeiter mehr leisten. Dort wissen wir auch, für was und für wen wir arbeiten, hier sind wir Kaffern!" Ganz leise fügte noch einer hinzu: "Wenn wir aber alle nach Hause fahren, was soll dann aus Südwest werden?" Ich mag ihn mit großen Augen angeguckt haben, den bescheidenen Menschen, der diese Worte sprach. Sie waren in diesem Moment, in dieser Umgebung wie eine Offenbarung für mich. Der deutsche Geist, der Pflicht- und Verantwortungsgefühl über Not und Elend und Gefahr stellt. Ich verabschiedete mich und sah ein Zucken in dem Gesicht einiger der Männer. Mein Besuch hatte sie aufgerüttelt. Bitter kam es von den Lippen eines von ihnen: "Uns wäre so leicht zu helfen, und die Landsleute hier hätten es in der Hand, unser Los zu erleichtern. Es ist nicht die schwere Arbeit, und es ist nicht die Not, die uns derart niederdrückt und zur Verzweiflung bringt. Es ist das Gefühl, daß wir von den Deutschen aufgegeben werden, daß sie uns aus ihrem Kreise ausstoßen, uns, die verächtlichen 'Padarbeiter'. Sonst wäre es doch nicht möglich, daß man sich so gar nicht um uns kümmert, daß man auch nicht eine Frage nach unserem Ergehen hat. Wohl wissen wir, daß man uns heute materiell nicht oder kaum zu helfen vermag, aber ein Händedruck, ein Blick, der uns sagt - deutscher Bruder - und alles wäre so ganz anders." Mir wollte das Herz aussetzen bei diesem Aufschrei, und ich war froh, mit voller Zuversicht sagen zu können: "Der neue Staat, Hitlergeist, [124] vergißt auch seine deutschen Brüder in Not im Auslande nicht. Nur noch ein bißchen Geduld." Schlimmer noch als den Padarbeitern ergeht es den Notstandsarbeitern am Omatjenedamm, bei Otjivarongo. Das ist wirklich Menschenschinderei, Sklavenarbeit. Bei meiner Ankunft konnte ich zunächst nur eine ungeheure Staubwolke erkennen. Wie aus nebelhafter Ferne tauchten Ochsengespanne auf. 4 - 5 Paare hintereinander zogen eine Art Bagger, eine Dammschaufel hinter sich her, die unten im Tal sich füllte und oben am Damm entleert wurde. Das war eine seltsame von mir bei ähnlichen Werken noch nie gesehene Arbeitsweise. 7 - 8 solche Dammschaufeln, gezogen von je 5 - 6 Paar Ochsen, gingen immer im Kreise herum, vom Damm hinab ins Tal und wieder hinauf in ununterbrochenem Kreislauf und schichteten dadurch in Monaten den Damm auf. Das Ganze war eingehüllt in eine ungeheure Staubwolke. Wer kann das allein schon so ohne weiteres ertragen? Monatelang zu leben in einer Luft, die erfüllt ist von Schmutz und in der man kaum zu atmen vermag? Dazu aber kam noch der Umstand, daß man allmählich merkte, der Damm würde bis zur eintretenden Regenzeit nicht fertig. Nun setzte ein rücksichtsloses Antreiben der Leute ein. Ich lasse hier einen Arbeiter durch einen Briefauszug selber sprechen:
"--- ich bin 48 Jahre alt und Erdarbeiten waren mir bis vor kurzem ein unbekanntes Ding. Daher fühle ich mich jeden Abend müde zum Umsinken. Wie soll man die lange Arbeitszeit, 9½ Stunden, mit Pickel und Schaufel in der großen Hitze aushalten? Das Leben am Omatjenedamm ist aufreibend. Wenn der Bau unter Leitung der unfähigen, menschenschindenden Ingenieure noch länger dauert, dann ist ein großer Teil der Notstandsarbeiter körperlich und seelisch zugrunde gerichtet. Da die Dammarbeit wegen etwaigen baldigen Regens eilt, greift der Bauleiter nicht nur zum letzten Mittel, zur Akkordarbeit und Hilfe der Farbigen, sondern er preßt auch die letzte Kraft aus den Leuten heraus. Wenn einer der Arbeiter sich nur manchmal etwas aufrichtet, um seinen lahmen und steif gewordenen Rücken zu strecken, dann läuft er schon Gefahr entlassen zu werden. Wir werden von dem Büro aus mit dem Fernglas beobachtet. Auch eine Hütte aus Gras wurde als Beobachtungsposten auf einem Hügel errichtet, doch diese haben glücklicherweise ausgehungerte Esel aufgefressen. Unglaublich unfähig sind die Vorarbeiter, aber sie sind ja auch keine Vorarbeiter in unserem Sinne, sondern nur Aufpasser, dazu da, die Arbeiter zu schikanieren. Soweit der Arbeiter. Nun zum Damm selbst. Er ist ein gewaltiges Projekt, und 15 Monate wird bereits daran gearbeitet. Das fertige Werk soll 40 Kleinsiedlern - selbstverständlich Buren - eine Existenz bieten. Rechtfertigt diese geringe Ansiedlung eine derartige Belastung des Landes, selbst wenn der Damm den auf ihn gesetzten Hoffnungen gerecht würde? Ob er das wird, darüber herrschen große Zweifel. Schon bei Bekanntwerden des Projektes erhob sich in der Bevölkerung ein deutlicher Widerstand dagegen. Aber der Administrator Werth und seine Sachverständigen drückten die Ausführung des Werkes durch. Von vornherein ist es zweifelhaft, ob in dem Rivier genügend Wasser abkommt, zum andern wird der Kalksteinboden voraussichtlich nicht das Wasser halten. Zum dritten ist man sehr pessimistisch, ob der nun beinahe fertige Damm nicht überhaupt beim ersten Anprall des Wassers mit hinweggerissen wird. Bei Beginn des Werkes konnte man bis zu 35 Meter Tiefe keinen Fels erreichen. Man verzichtete daher auf eine Betonkernmauer und stellte kurzerhand einen, wenn auch gewaltigen, Erddamm hin. Wie war das doch bei der Brücke von Swakopmund? Deren Säulen wurden auf Sand gesetzt. Der deutsche Bürgermeister Schad sagte bei der Besichtigung zu dem damaligen Administrator Werth: "Wenn der erste Regen kommt, dann ist die Brücke weg!" Der "hohe Herr" lachte. Der erste Regen kam und die Brücke war weg. Als ein "Monument der Intelligenz" ragen heute die Betonpfeiler, einige halb und andere beinahe ganz versunken, nach allen Seiten sich aus dem Sand neigend. Es blamiere sich jeder so gut er kann, aber nicht auf Kosten anderer. Und hier geht es auf Kosten Südwests, und 40 Prozent der Einwohner sind dort heute noch deutsch. Und deutsche Menschen werden bei diesen "Kulturarbeiten" schikaniert und geistig und körperlich zugrunde gerichtet. Und sie müssen noch froh sein, diese Arbeiten verrichten zu dürfen. Jeder von ihnen bangt, heute oder morgen könnte er entlassen werden und dem grauen Gespenst, dem grinsenden Hunger ins Auge sehen zu müssen.
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