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Teil III - Politische Bestimmungen

Abschnitt IV - Saarbecken

Anlage

      Gemäß den Abreden der Artikel 45 bis 50 des gegenwärtigen Vertrags werden die Bestimmungen, nach denen die Abtretung der Gruben des Saarbeckens von Deutschland an Frankreich zu erfolgen hat, sowie die Maßnahmen, die den Schutz der Rechte und die Wohlfahrt der Bevölkerung zugleich mit der Regierung des Gebietes sicherstellen sollen, und ferner die Bedingungen, unter denen die Bevölkerung zu einer Äußerung darüber berufen werden soll, unter welche Souveränität sie zu treten wünscht, wie folgt festgesetzt:


Kapitel I - Abtretung und Ausbeutung der Gruben

§ 1.

      Mit dem Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags erwirbt der französische Staat das volle und unbeschränkte Eigentum an sämtlichen Kohlefeldern in den Grenzen des Saarbeckens, wie sie im Artikel 48 dieses Vertrags näher umschrieben sind.
      Der französische Staat hat das Recht, diese Gruben auszubeuten oder nicht auszubeuten oder das Ausbeutungsrecht an Dritte abzutreten, ohne vorher eine Ermächtigung dazu einholen oder irgendeine Förmlichkeit erfüllen zu müssen.
      Der französische Staat kann jederzeit die Anwendung der weiter unten genannten deutschen Berggesetze und -verordnungen zwecks Festlegung seiner Rechte beanspruchen.


§ 2.

      Das Eigentumsrecht des französischen Staates erstreckt sich auf die freien und noch nicht verliehenen sowie auf die bereits verliehenen Kohlefelder, einerlei, wer der gegenwärtige Eigentümer ist. Es begründet keinen Unterschied, ob sie dem preußischen Staate, dem bayrischen Staate, anderen Staaten oder Körperschaften, Gesellschaften oder Privatleuten gehören, auch keinen Unterschied, ob sie bereits ausgebeutet werden oder nicht, endlich keinen Unterschied, ob ein von dem Rechte des Grundeigentümers gesondertes Ausbeutungsrecht anerkannt ist oder nicht.


§ 3.

      Bei den bereits erschlossenen Gruben erstreckt sich die Übertragung des Eigentums an den französischen Staat auf alle Nebenanlagen dieser Gruben, insbesondere auf die Einrichtungen und das Gerät zu Gewinnung über und unter Tage, auf das Förderungsgerät, auf die Werke zur Umwandlung von Kohle in elektrische Kraft, Koks und Nebenprodukte, Werkstätten, Verkehrswege, elektrische Leitungen, Wassersammelanlagen und Wasserleitungen, Grundstücke und Gebäude, wie Verwaltungsräume, Wohnungen von Direktoren, Angestellten und Arbeitern, auf Schulen, Krankenhäuser und Polikliniken, auf Lager und Vorräte jeder Art, auf Archive und Pläne, überhaupt auf alles, was die Eigentümer der Gruben oder diejenigen, die sie betreiben, zur Ausbeutung der Gruben und ihrer Nebenanlagen in Besitz oder Nutzung haben.
      Die Übertragung erstreckt sich gleichfalls auf ausstehende Forderungen für Erzeugnisse, die vor der Besitzergreifung durch den französischen Staat und nach der Unterzeichnung des gegenwärtigen Vertrags geliefert werden, sowie auf die von Abnehmern hinterlegten Summen; der französische Staat verbürgt diesen Abnehmern ihre Ansprüche.


§ 4.

      Der französische Staat erwirbt das Eigentum frei und ledig von allen Schulden und Lasten. Jedoch bleiben bezüglich der Alters- oder Invalidenrenten des Personals der Gruben oder ihrer Nebenanlagen die bei Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags erworbenen Rechte oder Anwartschaften unangetastet. Deutschland hat dafür dem französischen Staat die versicherungstechnischen Reserven der von dem Personal verdienten Renten zu übermitteln.


§ 5.

      Der Wert des dem französischen Staat dergestalt abgetretenen Besitzes wird durch den in Artikel 233 Teil VIII (Wiedergutmachungen) des gegenwärtigen Vertrags vorgesehenen Wiedergutmachungsausschuß festgesetzt.
      Dieser Wert wird Deutschland auf die Wiedergutmachungsschuld gutgeschrieben.
      Es ist Sache Deutschlands, die Eigentümer oder Beteiligten zu entschädigen, einerlei wer sie sind.


§ 6.

      Auf den deutschen Eisenbahnen und Kanälen darf kein Tarif eingeführt werden, der die Beförderung des Personals und der Erzeugnisse der Gruben und ihrer Nebenanlagen sowie der für ihre Ausbeutung nötigen Stoffe durch mittel- oder unmittelbare Unterscheidungen beeinträchtigt. Diese Beförderungen genießen alle Rechte und Begünstigungen, die in internationalen Eisenbahnübereinkommen für entsprechende Erzeugnisse französischen Ursprungs gewährleistet werden.


§ 7.

      Das für die Fortschaffung und Beförderung der aus den Gruben und ihren Nebenanlagen gewonnenen Erzeugnisse sowie das für die Beförderung der Arbeiter und Angestellten erforderliche Material und Personal wird von der Eisenbahnverwaltung des Beckens gestellt.


§ 8.

      Erweiterungsarbeiten für die Eisenbahnen oder Wasserstraßen, die der französische Staat zur Fortschaffung und Beförderung der aus den Gruben und ihren Nebenanlagen gewonnenen Erzeugnisse für erforderlich erachtet, wie Verdoppelung der Gleise, Vergrößerung der Bahnhöfe, Einrichtung von Bahnhöfen und dazugehörigen Anlagen, steht kein Hindernis im Wege. Die Kostenverteilung erfolgt im Falle von Meinungsverschiedenheiten durch Schiedsspruch.
      Der französische Staat kann ferner alle neuen Verkehrwege und -mittel, wie Straßen, elektrische Leitungen und Fernsprechverbindungen, die er für die Bedürfnisse der Ausbeutung für erforderlich erachtet, anlegen.
      Es steht ihm auch ohne jede Beschränkung frei, die Verkehrswege und -mittel auszunützen, deren Eigentümer er wird, insbesondere die, welche die Gruben und ihre Nebenanlagen an das Verkehrsnetz im französischen Teil anschließen.


§ 9.

      Für den Erwerb von Grundstücken, die der französische Staat zur Ausbeutung der Gruben und ihrer Nebenanlagen für erforderlich erachtet, kann er stets die Anwendung der deutschen Berggesetze und -verordnungen nach dem Stand vom 11. November 1918 verlangen (abgesehen von den ausschließlich mit Rücksicht auf den Kriegszustand getroffenen Bestimmungen).
      Der Ersatz des an Grundstücken durch die Ausbeutung dieser Gruben und ihrer Nebenanlagen verursachten Schadens wird gemäß den vorerwähnten deutschen Berggesetzen und -verordnungen geregelt.


§ 10.

      Jeder Person, die der französische Staat an seiner Stelle ganz oder teilweise in seine Rechte auf Ausbeutung der Gruben oder ihrer Nebenanlagen einsetzt, kommen die in dieser Anlage festgesetzten Vorrechte zustatten.


§ 11.

      Die in das Eigentum des französischen Staates übergegangenen Gruben und anderen Liegenschaften sind auf immer jeder Verfallserklärung, jedem Rücklauf, jeder Enteignung, jeder Requisition und jeder anderen das Eigentumsrecht beeinträchtigenden Maßnahme entzogen.
      Das bei der Ausbeutung dieser Gruben oder ihrer Nebenanlagen verwandte Personal und Material sowie die in den Gruben gewonnenen oder in ihren Nebenanlagen verfertigten Erzeugnisse sind auf immer jeder Requisition entzogen.


§ 12.

      Für die Ausbeutung der Gruben und ihrer Nebenanlagen, deren Eigentum auf dem französischen Staat übergeht, bleibt unter Vorbehalt der Bestimmungen des nachfolgenden § 23 auch weiterhin die Rechtsordnung maßgebend, die aus den deutschen Gesetzen und Verordnungen nach ihrem Stand vom 11. November 1918 (abgesehen von den ausschließlich mit Rücksicht auf den Kriegszustand getroffenen Bestimmungen) sich ergibt.
      Die Rechte der Arbeiter bleiben unter Vorbehalt der Bestimmungen des § 23 ebenfalls weiter bestehen, so wie sie am 11. November 1918 aus den vorgenannten deutschen Gesetzen und Verordnungen sich ergaben.
      Die Einführung solcher Arbeiter, die nicht aus dem Saarbecken stammen, und ihre Verwendung in den Gruben oder ihren Nebenanlagen unterliegt keiner Beschränkung.
      Die Arbeiter und Angestellten französischer Staatsangehörigkeit dürfen den französischen Gewerkschaften angehören.


§ 13.

      Die Beiträge der Gruben und ihrer Nebenanlagen zu dem örtlichen Haushalt des Saarbeckengebiets sowie zu den Gemeindeabgaben werden unter gebührender Berücksichtigung des Verhältnisses des Wertes der Gruben zu dem gesamten steuerpflichtigen Vermögen des Saarbeckens festgesetzt.


§ 14.

      Der französische Staat kann jederzeit als Nebenanlage der Gruben Volksschulen oder technische Schulen für das Personal gründen und unterhalten und den Unterricht darin in französischer Sprache nach einem von ihm festgesetzten Lehrplan durch von ihm auserwählte Lehrer erteilen lassen.
      Desgleichen kann er Krankenhäuser, Polikliniken, Arbeiterhäuser und -gärten und andere Wohlfahrtseinrichtungen und gemeinnützige Anstalten gründen und unterhalten.


§ 15.

      Der französische Staat hat volle Freiheit, die Verteilung und Verwendung der Erzeugnisse der Gruben und ihrer Nebenanlagen sowie die Festsetzung der Verkaufspreise nach seinem Ermessen vorzunehmen.
      Die französische Regierung verpflichtet sich jedoch, ohne Rücksicht auf die Höhe der Grubenförderung, den Bedarf des örtlichen gewerblichen und häuslichen Verbrauches stets nach dem Verhältnis zu befriedigen, das im Betriebsjahr 1913 zwischen dem örtlichen Verbrauch und der Gesamtförderung des Saarbeckens bestand.


Kapitel II - Regierung des Saarbeckengebiets

§ 16.

      Die Regierung des Saarbeckengebietes wird einem den Völkerbund vertretenden Ausschuß übertragen. Dieser Ausschuß hat seinen Sitz im Saarbeckengebiet.


§ 17.

      Der im § 16 vorgesehene Regierungsausschuß besteht aus fünf Mitgliedern, die vom Rate des Völkerbunds ernannt werden. Ihm gehören an ein Franzose, ein aus dem Saargebiet stammender und dort ansässiger Nichtfranzose und 3 Mitglieder, die drei anderen Ländern als Frankreich und Deutschland angehören.
      Die Mitglieder des Regierungsausschusses werden auf ein Jahr ernannt; ihr Auftrag kann erneuert werden. Der Rat des Völkerbunds kann sie abberufen und sorgt für ihren Ersatz.
      Die Mitglieder des Regierungsausschusses haben Anspruch auf ein Gehalt, das von dem Rat des Völkerbunds festgesetzt und aus den Einnahmen des Gebietes bezahlt wird.


§ 18.

      Der Vorsitzende des Regierungsausschusses wird von dem Rat des Völkerbunds aus den Mitgliedern des Ausschusses für die Dauer eines Jahres ernannt; er kann wiederernannt werden.
      Der Vorsitzende ist die ausführende Stelle des Ausschusses.


§ 19.

      Der Regierungsausschuß besitzt im Saarbeckengebiet alle Regierungsbefugnisse, die früher dem Deutschen Reiche, Preußen und Bayern zustanden, einschließlich des Rechts, Beamte zu ernennen und abzuberufen und alle erforderlich erscheinenden Verwaltungsstellen und Vertretungen zu schaffen.
      Er hat volle Freiheit in der Verwaltung und Ausbeutung der Eisenbahnen, Kanäle und sonstigen öffentlichen Betriebe.
      Er entscheidet mit Stimmenmehrheit.


§ 20.

      Deutschland hat alle in seinem Besitz oder im Besitz eines deutschen Staates oder einer örtlichen Behörde befindlichen, das Saarbeckengebiet oder die Rechte seiner Einwohner betreffenden amtlichen Urkunden und Archive der Regierung des Saarbeckens zur Verfügung zu stellen.


§ 21.

      Es ist Sache des Regierungsausschusses, mit den ihm angemessen erscheinenden Mitteln und in der ihm angemessen scheinenden Weise für den Schutz der Interessen der Einwohner des Saarbeckengebiets im Ausland zu sorgen.


§ 22.

      Der Regierungsausschuß hat die volle Nutznießung des gesamten Eigentums, das bisher der Deutschen Reichsregierung oder der Regierung irgendeines deutschen Staates im Saarbeckengebiet als öffentliches oder privates Staatseigentum gehörte. Auf die Gruben erstreckt sich die Nutznießung nicht.
      Hinsichtlich der Eisenbahnen soll ein gemischter Ausschuß, in dem der Regierungsausschuß für das Saarbeckengebiet und die deutschen Eisenbahnen vertreten sind, eine gerechte Verteilung des rollenden Materials vornehmen.
      Personen, Güter, Schiffe, Eisenbahnwagen, Fahrzeuge und Postsendungen sollen im Verkehr aus und nach dem Saarbecken alle Rechte und Vorteile genießen, die für den Durchgangsverkehr und die Beförderung in den Bestimmungen des Teils XII (Häfen, Wasserstraßen und Eisenbahnen) des gegenwärtigen Vertrags im einzelnen aufgeführt sind.


§ 23.

      Die Gesetze und Verordnungen, die im Saarbeckengebiet am 11. November 1918 in Kraft waren, bleiben (abgesehen von den mit Rücksicht auf den Kriegszustand getroffenen Bestimmungen) in Kraft.
      Sollten aus allgemeinen Gesichtspunkten oder um diese Gesetze und Verordnungen mit den Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrags in Einklang bringen, Änderungen nötig werden, so werden diese durch den Regierungsausschuß nach Äußerung der gewählten Vertreter der Bevölkerung beschlossen und eingeführt. Über die Form der Einholung dieser Äußerung entscheidet der Ausschuß.
      Ohne vorgängige Befragung des französischen Staats darf keine Änderung in der im § 12 vorgesehenen gesetzlichen Ordnung des Grubenbetriebes vorgenommen werden, es sei denn, daß diese Änderung die Folge einer allgemeinen vom Völkerbund beschlossenen Regelung der Arbeitsverhältnisse ist.
      Bei Festsetzung der Arbeitsbedingungen und Arbeitsstunden für Männer, Frauen und Kinder hat der Regierungsausschuß die Wünsche der örtlichen Arbeitsverbände sowie die vom Völkerbund angenommenen Grundsätze zu berücksichtigen.


§ 24.

      Unter Vorbehalt der Bestimmungen des § 4 werden die Rechte der Einwohner des Saarbeckens in Versicherungs- und Rentenangelegenheiten durch keine der Bestimmungen des gegenwärtigen Vertrags berührt, gleichviel, ob diese Rechte bei Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags bereits erworben sind oder entsprechende Anwartschaften bestanden haben, und gleichviel, ob sie auf irgendeinem deutschen Versicherungssystem oder auf Renten irgendwelcher Art beruhen.
      Deutschland und die Regierung des Saarbeckengebiets haben alle vorerwähnten Rechte zu erhalten und zu schützen.


§ 25.

      Die im Saarbeckengebiet bestehenden Zivil- und Strafgerichte werden beibehalten.
      Von dem Regierungsausschuß wird ein Gerichtshof für Zivil- und Strafsachen eingesetzt, der die Berufungsinstanz für die vorerwähnten Gerichte zu bilden und auf den sachlichen Gebieten zu entscheiden hat, für die diese Gerichte nicht zuständig sind.
      Innere Verfassung und Zuständigkeit dieses Gerichtshofes werden von dem Regierungsausschuß geregelt.
      Die gerichtlichen Entscheidungen ergehen im Namen des Regierungsausschusses.


§ 26.

      Der Regierungsausschuß hat allein das Recht, im Bereich des Saarbeckengebiets Abgaben und Steuern zu erheben.
      Die Abgaben und Steuern sind ausschließlich für die Bedürfnisse des Gebiets zu verwenden.
      Das Steuersystem, das am 11. November 1918 bestand, wird beibehalten, soweit die Verhältnisse es gestatten. Abgesehen von Zöllen darf keine neue Abgabe ohne vorherige Befragung der gewählten Vertreter der Bevölkerung erhoben werden.


§ 27.

      Die gegenwärtige Staatsangehörigkeit der Einwohner des Saarbeckengebiets wird von diesen Bestimmungen in keiner Weise berührt.
      Niemand ist gehindert, eine andere Staatsangehörigkeit zu erwerben; in solchem Falle soll der Erwerb der neuen Staatsangehörigkeit den Verlust der anderen zur Folge haben.


§ 28.

      Die Einwohner behalten unter der Überwachung des Regierungsausschusses ihre örtlichen Vertretungen, ihre religiösen Freiheiten, ihre Schulen und ihre Sprache.
      Das Wahlrecht darf für keine anderen als für die örtlichen Vertretungen ausgeübt werden; es steht jedem über zwanzig Jahre alten Einwohner ohne Unterschied des Geschlechts zu.


§ 29.
      Einwohnern des Saarbeckengebiets, die es verlassen wollen, steht es völlig frei, ihren dortigen Grundbesitz zu behalten oder zu einem angemessenen Preise zu verkaufen und ihr bewegliches Vermögen abgabenfrei mitzunehmen.


§ 30.

      Im Saarbeckengebiet besteht weder allgemeine Wehrpflicht noch freiwilliger Heeresdienst; die Anlage von Befestigungen ist verboten.
      Es wird nur eine örtliche Gendarmerie zur Aufrechterhaltung der Ordnung eingerichtet.
      Dem Regierungsausschuß liegt es ob, in allen eintretenden Fällen für den Schutz der Person und des Eigentums im Saarbeckengebiet zu sorgen.


§ 31.

      Das Saarbeckengebiet, wie es durch den Artikel 48 des gegenwärtigen Vertrages abgegrenzt ist, wird dem französischen Zollsystem eingeordnet. Der Ertrag aus den Zöllen auf die für den örtliche Verbrauch bestimmten Güter wird nach Abzug aller Erhebungskosten in den Haushalt dieses Gebietes eingestellt.
      Von Erzeugnissen der Hüttenindustrie und von Kohlen, die aus dem Saarbeckengebiet nach Deutschland ausgeführt werden, wird keine Ausfuhrabgabe erhoben, ebensowenig von der deutschen Ausfuhr für die Industrien des Saarbeckengebiets.
      Aus dem Saarbecken stammende Roh- und Fertigerzeugnisse sind bei ihrer Durchfuhr durch deutsches Gebiet von allen Zollabgaben befreit. Dasselbe gilt für die deutschen Erzeugnisse bei ihrer Durchfuhr durch das Saarbeckengebiet.
      Die aus dem Saarbecken stammenden und von dort ausgeführten Erzeugnisse genießen während eines Zeitraumes von fünf Jahren nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags freie Einfuhr in Deutschland. Während derselben Zeit bleibt auch die deutsche Einfuhr in das Becken für Gegenstände des örtlichen Verbrauchs von Zollabgaben befreit.
      Die französische Regierung behält sich vor, während dieser 5 Jahre für jeden aus dem Saarbecken ausgeführten Gegenstand, in dem zollfrei aus Deutschland kommende Rohstoffe oder Halbfertigfabrikate enthalten sind, die nach Frankreich zugelassene Menge auf den Jahresdurchschnitt der nach Elsaß-Lothringen und nach Frankreich in den Jahren 1911 bis 1913 eingeführten Mengen zu beschränken. Dieser Durchschnitt wird an der Hand der sämtlichen amtlichen Unterlagen und statistischen Urkunden festgestellt.


§ 32.

      Der Umlauf französischen Geldes im Saarbeckengebiet unterliegt keinem Verbot und keiner Beschränkung.
      Der französische Staat hat das Recht, sich bei allen Käufen und Zahlungen und bei allen Verträgen über die Ausbeutung der Gruben oder ihrer Nebenanlagen des französischen Geldes zu bedienen.


§ 33.

      Der Regierungsausschuß ist ermächtigt, alle Fragen, zu denen die Auslegung der vorstehenden Bestimmungen Anlaß geben könnte, zu entscheiden.
      Frankreich und Deutschland erkennen an, daß jeder Streit, der auf einer verschiedenen Auslegung der erwähnten Bestimmungen beruht, gleichfalls dem Regierungsausschuß zu unterbreiten ist. Seine mit Stimmenmehrheit getroffene Entscheidung ist für beide Länder bindend.


Kapitel III - Volksabstimmung

§ 34.

      Nach Ablauf einer Frist von fünfzehn Jahren nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags wird die Bevölkerung des Saarbeckengebiets berufen, ihren Willen, wie folgt, zu äußern:
      Eine Abstimmung findet gemeinde- oder bezirksweise über folgende drei Fragen statt:
            a) Beibehaltung der durch den gegenwärtigen Vertrag und diese Anlage geschaffenen Rechtsordnung,
            b) Vereinigung mit Frankreich,
            c) Vereinigung mit Deutschland.
      Stimmberechtigt ist ohne Unterschied des Geschlechts jede zur Zeit der Abstimmung über zwanzig Jahre alte Person, die bei Unterzeichnung des Vertrags in dem Gebiet gewohnt hat.
      Die übrigen Vorschriften, die näheren Einzelheiten und der Zeitpunkt der Abstimmung werden von dem Rate des Völkerbunds so festgesetzt, daß eine freie, geheime und unbeeinflußte Stimmabgabe gesichert ist.


§ 35.

      Der Völkerbund entscheidet unter Berücksichtigung des durch die Volksabstimmung ausgedrückten Wunsches darüber, unter welche Souveränität das Gebiet tritt:
      a) Beschließt der Völkerbund für das ganze Gebiet oder einen Teil die Beibehaltung der durch den gegenwärtigen Vertrag und diese Anlage geschaffenen Rechtsordnung, so verpflichtet sich Deutschland schon jetzt, zugunsten des Völkerbunds auf seine Souveränität, so wie dies der Völkerbund für nötig erachtet, zu verzichten. Es ist Sache des Völkerbunds, durch geeignete Maßnahmen die endgültige Rechtsordnung mit den dauernden Interessen des Gebiets und dem allgemeinen Interesse in Einklang zu bringen;
      b) beschließt der Völkerbund für das ganze Gebiet oder einen Teil die Vereinigung mit Frankreich, so verpflichtet sich Deutschland schon jetzt, in Ausführung der entsprechenden Entscheidung des Völkerbunds, alle seine Rechte und Ansprüche auf das von dem Völkerbunde näher bezeichnete Gebiet an Frankreich abzutreten;
      c) beschließt der Völkerbund für das ganze Gebiet oder einen Teil die Vereinigung mit Deutschland, so ist es Sache des Völkerbunds, für Deutschlands Wiedereinsetzung in die Regierung des vom Völkerbund näher bezeichneten Gebiets zu sorgen.


§ 36.

      Beschließt der Völkerbund die Vereinigung des ganzen Saarbeckengebiets oder eines Teiles mit Deutschland, so hat Deutschland die Eigentumsrechte Frankreichs an den in diesem Gebietsteil gelegenen Gruben im ganzen zu einem in Gold zahlbaren Preise zurückzuerstatten. Dieser Preis wird durch drei nach Stimmenmehrheit beschließende Sachverständige festgesetzt; einer dieser Sachverständigen wird von Deutschland, einer von Frankreich und einer, der weder Franzose noch Deutscher sein darf, vom Völkerbund [engl. Text: "vom Rat des Völkerbunds"] ernannt.
      Deutschlands Verpflichtung zu dieser Zahlung wird von dem Wiedergutmachungsausschuß in Rücksicht gezogen werden; zu diesem Zwecke kann Deutschland in jeder vom Wiedergutmachungsausschuß gebilligten Art eine erste Hypothek an seinem Kapital und seinen Einkünften bestellen.
      Sollte indes Deutschland die Zahlung ein Jahr nach dem dafür festgesetzten Tage nicht geleistet haben, so wird der Wiedergutmachungsausschuß in Übereinstimmung mit den ihm vom Völkerbund erteilten Weisungen, nötigenfalls durch Liquidation des in Frage stehenden Teils der Gruben, die Angelegenheit ordnen.


§ 37.

      Geht infolge des im § 36 vorgesehenen Rücklaufs das Eigentum der Gruben oder eines Teiles davon an Deutschland über, so sind der französische Staat und die französischen Staatsangehörigen berechtigt, Kohlen aus dem Becken zu kaufen und zwar in der Menge, die auf Grund ihres gewerblichen und häuslichen Bedarfs zu dieser Zeit gerechtfertigt erscheint. Eine zu gegebener Zeit vom Rate des Völkerbundes zu treffende gerechte Regelung wird die Kohlemengen, die Dauer des Vertrages sowie die Preise bestimmen.


§ 38.

      Es besteht Einverständnis darüber, daß Frankreich und Deutschland vor dem für die Bezahlung des Rückkaufpreises der Gruben festgesetzten Zeitpunkt besondere Vereinbarungen treffen und dadurch die Bestimmungen der §§ 36 und 37 abändern können.


§ 39.

      Der Rat des Völkerbunds trifft die erforderlichen Verfügungen zur Ausgestaltung derjenigen Rechtsordnung, die nach dem Inkrafttreten der im § 35 erwähnten Entscheidungen des Völkerbunds einzuführen ist. Diese Verfügungen sollen eine angemessene Verteilung aller Verbindlichkeiten enthalten, die der Regierung des Saarbeckengebiets infolge von Anleihen, die der Ausschuß aufgenommen hat, oder infolge irgendwelcher anderen Maßnahmen obliegen.
      Mit dem Inkrafttreten der neuen Rechtsordnung hören die Befugnisse des Regierungsausschusses auf, ausgenommen den im § 35 Absatz a) vorgesehenen Fall.


§ 40.

      Die Entscheidungen des Rates des Völkerbunds über die in dieser Anlage behandelten Gegenstände werden mit Stimmenmehrheit getroffen.