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Volksdeutsche Soldaten unter Polens Fahnen. 
Tatsachenberichte von der anderen Front aus 
dem Feldzug der 18 Tage
[144]
Wir und verwundete Soldaten
der deutschen Wehrmacht

Sanitäter Georg Mühlke-Unterberg, Posen

Es war selbstverständlich, daß wir volksdeutschen Soldaten im polnischen Rock reichsdeutschen Verwundeten und Kriegsgefangenen ihr Los erleichterten, wo wir nur konnten. Wehe aber dem, der sich dabei ertappen ließ! Selbst Polen bekam das schlecht. Folgende Vorfälle werden mir immer im Gedätchnis bleiben.

Ich arbeite gerade in einem polnischen Feldlazarett in Kongreßpolen. Es wimmelt von Verwundeten, und die Arbeit ist kaum zu bewältigen. Zum ersten Male hat man auch einige Verwundete der deutschen Wehrmacht hereingeschleppt.

Mit einigen kann ich unauffällig ein paar deutsche Worte wechseln, allerdings ohne mich selbst zu erkennen zu geben. Der eine ist ein Freiwilliger, 19 Jahre alt, ein tapferer Kerl. Seine Verwundung ist schwer. Dazu liegt er unbequem. Er ist zu groß für die Tragbahre. Ich versuche, ihm etwas mehr Stroh unter den Kopf zu schieben. Dabei fahre ich ihm mit der Hand leicht über die Stirn. Das merkt glücklicherweise keiner, aber in der Hand ist soviel Liebe drin. Vielleicht spürst du das, du deutscher Kamerad, daß ich dir so gern helfen möchte in dieser schweren Lage. Ach ja, er muß es spüren, denn er fragt mich, ob ich eine Zigarette für ihn habe. Ich habe eine. Wie gern stecke ich sie ihm an. Er kann sie selbst kaum halten und ich helfe ihm dabei. Ein Pole steht dabei und brummt: "Dem noch eine Zigarette geben!" Ich achte nicht darauf, bin nur innerlich so froh, daß ich einem deutschen Kameraden, der ja auch für mich, für meine Heimat gekämpft hat, einen kleinen Dienst erweisen kann. Der Pole radebrecht ein wenig Deutsch. Er schimpft auf den Führer, bei ihm könne er sich bedanken, daß er so zugerichtet ist, meint er zu dem Verwundeten. Doch dieser läßt auf [145] den Führer nichts kommen. "Der Führer wollte keinen Krieg, aber die andern!" wiederholt er immer wieder.

In der Nacht fahren wir weiter und ich merke, daß wir ziemlich scharf nach rechts abbiegen. Wir kommen an die Moorwiesen vor Łęczyca und nehmen Quartier in einem Dorf. In einer Scheune können wir einige Stunden schlafen. Als ich am Morgen aufwache, höre ich Kanonendonner. Die Front kann nicht mehr weit sein. Uns wird erzählt, daß wir in dem Ort längere Zeit bleiben sollen. Ein Verbandsplatz ist schon eingerichtet. Unser Zug wird am Vormittag zum Dienst abkommandiert. Es heißt, daß wir wieder mal Brot bekommen sollen. Zwei Tage haben wir keins mehr empfangen.

Unter den Verwundeten sind wieder einige Deutsche. Soll das wirklich Rückzug der Deutschen bedeuten? Es gibt einige Male Fliegeralarm. Die Bomben fallen schon in nächster Nähe von unserem Standort. Plötzlich gegen Mittag werden wir abgelöst. Wir sollen weiter vor, um einen neuen Verbandsplatz zu belegen. Unterwegs erfahren wir auch den Grund dafür. Schon früh am Morgen ist der erste Zug nach derselben Stelle aufgebrochen, ist aber unterwegs von deutschen Fliegern überrascht und auseinandergesprengt worden. Drei Tote sind liegengeblieben und über 10 Verletzte, dazu die Hälfte der Bespannung. Wir kommen einige Stunden später an der Stelle vorbei. Grausig sehen die bereits aufgedunsenen Leiber der Pferde aus, die noch in den Sielen stecken, wie sie liegengeblieben sind.

Schließlich kommen wir in dem Gut an, in dem wir die Verbandsstelle errichten sollen. Es heißt, daß es einem Deutschen gehört, der geflohen sein soll.

Das Schloß ist voll von polnischen Flüchtlingen aus Lodsch und Posen. Wir richten die Verbandsstelle in einem Wirtschaftsgebäude ein, später ziehen wir in die Räume des Schlosses.

Es beginnt unsere Arbeit, die schwerste während der ganzen Kriegstage. Die 17. Division, zu der wir gehören, macht einen Angriff auf Łęczyca. Die Verluste sind furchtbar. Unser Zug arbeitet unter Leitung des Leutnants Dr. Nejmann, der seinen Namen möglichst polnisch ausspricht, 30 Stunden ohne Ablösung. Kaum, daß wir Zeit haben, etwas zu essen. An Schla- [146] fen ist nicht zu denken. Wir stehen im Verbandsraum. Eine Bahre nach der anderen wird herausgetragen. Die bittere Not und das ganze Elend des Krieges müssen wir durchleben. Zerschossene Hände und Beine, Kopfwunden, komplizierte Knochenbrüche, Durchschüsse. Wir müssen die Zähne zusammenbeißen, um durchzuhalten. Über 300 Verwundete werden von uns verbunden. Unser Verbandsstoff wird knapp und geht teilweise ganz aus. Keine Watte ist mehr da. Wir haben soviel für Schienenverbände verbraucht. Es ist eine Nervenanspannung sondergleichen. Ich bin derartig gereizt, daß mich jeder kleine Anranzer wie ein Peitschenhieb trifft.

Die Leute reden von der Front, im Anfang mit froher Zuversicht. Später flaut es ab, und allmählich sickert durch, daß die Offensive gescheitert sei. Ich merke auf, als ich solche Berichte höre. Ob ich nicht hier zurückbleiben kann, falls es weitergeht? Ich sehe, wie fieberhaft eilig die Verwundeten weitergeladen werden. Wir haben zwei große Autobusse Posener Firmen, in denen die Leichtverwundeten, welche sitzen können, wegkommen. Die Schwerverwundeten bleiben auf den Tragbahren und werden mit den Krankenautos des P. C. K. (Polnisches Rotes Kreuz) wegtransportiert.

Hier tritt ein bezeichnender Zwischenfall ein. Schon am Nachmittag des ersten Tages wurde ein polnischer Leutnant mit einem Verwundetentransport angebracht, der in der Linie von einer Granate verschüttet worden war, dem aber sonst nichts passiert ist. Er geht überall umher, einige Male erscheint er auch im Verbandsraum.

Plötzlich, wir verladen gerade Verwundete, entsteht im Park ein Geschrei: "Halt, halt!" Dann fallen Schüsse. Aus der Dunkelheit ruft in Todesängsten eine Männerstimme polnisch:

"Um Gottes willen, schießt nicht! Ich bin doch polnischer Soldat, polnischer Offizier! Ich kann euch das beweisen! Ich kann mich legitimieren!"

Es ist schrecklich! Wieder fallen einige Schüsse. Soldaten schreien: "Ein Spion, ein Spion! Schlagt ihn nieder!"

Dann muß ich wieder in den Verbandsraum. Dort wird schon erzählt, was draußen vorgeht. Andere kommen, erzählen es genauer, beschreiben den Offizier. Es stellt sich heraus, daß [147] wir ihn alle gesehen haben. Es ist der verschüttete Offizier. Da ruft unser Fähnrich, der zur Unterstützung Dr. Nejmanns in den Verbandsraum gekommen war: "Aber den kenne ich doch, es ist der Graf Mańkowski aus dem 69. Rgt. Er hat seine Besitzung in der Nähe Gnesens." Er läuft hinaus und nach einer Weile bringen sie den Offizier blutüberströmt in den Verbandsraum.

"Bitte verbindet mich, ich stelle mich sofort vor ein Kriegsgericht."

Viermal ist er von Revolverkugeln durchbohrt.

Ich erfahre, wie der Anfang dieser, für die polnische Spionenangst so bezeichnende Geschichte gewesen ist.

In dem Park waren einige deutsche Soldaten als Gefangene untergebracht worden, unter ihnen ein Offizier. An ihn war angeblich Graf Mańkowski herangetreten, hatte ihm kameradschaftlich die Hand gereicht und militärisch gegrüßt. Er blieb dann bei der Gruppe stehen und unterhielt sich in deutscher Sprache mit dem Offizier. Einige behauptete, er hätte sich dabei über das polnische Heer lustig gemacht. Ich glaube aber kaum, daß dies stimmt. Die Leute werden ihn gar nicht richtig verstanden haben. Jedenfalls trat bald darauf ein Fähnrich an die Gruppe heran und verbot dem Leutnant, also einem Rangälteren, die Unterhaltung mit einem deutschen Offizier. Mańkowski ließ sich dies natürlich nicht gefallen, und es kam zu einem Wortgefecht, in dem der Fähnrich dem Leutnant Spionage vorwarf und ihn mit der Pistole bedrohte. Wie es dann dazu kam, daß der Fähnrich geschossen hat und der Leutnant die Flucht ergriff, konnte ich nicht richtig herausbekommen.

Wir arbeiteten weiter in dem Verbandsraum, müde, hungrig, spüren kaum die Hände mehr vom Tragen der Verwundeten. Der Verbandsstoff wird alle, wir wissen nicht mehr, womit wir verbinden sollen. Und immer noch kommt ein Verwundetentransport nach dem anderen bei uns an. Auch Deutsche sind wieder darunter. Bei dem großen Andrang werden sie in die Reihen der anderen gestellt, kommen aber nicht der Reihe dran zum Verbinden, sondern werden übersprungen. Mir tut das bitter weh. Ich versuche ihnen Erleichterungen zu [148] schaffen. Dem einen schneide ich das eingetrocknete Verbandszeug durch, dem anderen bringe ich etwas Tee zu trinken, dem dritten helfe ich, sich besser hinzulegen. Aber das ist alles nichts. Die Leute müssen neu verbunden werden. Einige Male weise ich darauf hin, daß schon lange die Deutschen an der Reihe wären. Der Unteroffizier, welcher das Hereinbringen der Verwundeten regelt, bestimmt immer wieder anders, und der Leutnant hört gar nicht hin. Ihm kann ich auch keinen Vorwurf machen. Er hat sich den deutschen Gefangenen gegenüber korrekt benommen. Er ist übermüdet, überreizt. Zu stark liegt die Last der Arbeit auf ihm.

Und doch gelingt es mir, von ihm die Zustimmung zu erhalten, daß einige Deutsche hereingebracht werden. Der eine ist sehr schwer verwundet. Ich glaube nicht, daß er noch lange leben wird. Der andere ist mein Mann, dem ich schon vorher den Verband durchgeschnitten hatte. Ich erfahre seinen Namen: Willi Schaefer vom 55. Inf.-Rgt. - "Ob du wohl noch lebst, Kamerad? Ob du gut herausgekommen bist?" - Ich kann es so einrichten, daß ich die letzten Griffe am Verband allein bei Schaefer bin. "Ich bin auch ein Deutscher!" flüstere ich ihm ins Ohr und drücke dabei seine gesunde Schulter. Seine Augen leuchten hell auf und dankbar lächelt er mich an. Er wird bald verladen und ich sichere ihm, da er sitzen kann, noch einen Platz im Autobus...

Nach der Heimkehr in die befreite Heimat trat ich sofort in den Selbstschutz und dann in die Schutzstaffel ein, wo ich als -Mann meine Pflicht erfülle. Nach all den bitteren Erfahrungen der letzten 20 Jahre soll uns kein Opfer zu gering sein, wenn die Schutzstaffel uns ruft, für die Sicherung der Heimat innen und außen anzutreten.


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