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I. Antwort der Alliierten und Assoziierten Mächte auf die Bemerkungen der Deutschen Delegation zu den Friedensbedingungen


[44] Teil IX: Finanzielle Bestimmungen

Vor Eingehen auf jeden einzelnen Artikel, zu dem die Deutsche Delegation Bemerkungen gemacht hat, erinnern die Alliierten und Assoziierten Mächte an die Antwort, die Herr Clemenceau in ihrem Namen am 22. Mai 1919 auf eine Note des Grafen Brockdorff-Rantzau vom 13. Mai gegeben hat und insbesondere an den § 13 dieses Schriftstücks:

      "Alle Nationen Europas haben Verluste erlitten, sie werden noch lange Zeit Lasten zu tragen haben, die fast zu schwer für sie sind. Diese Lasten und diese Verluste sind ihnen durch den Angriff Deutschlands auferlegt worden. Es ist gerecht, daß Deutschland als die ursprüngliche Ursache dieses Elends es im vollen Ausmaß seiner Mittel wieder gutmacht. Deutschlands Leiden werden ihre Ursache nicht in den Bedingungen des Friedens, sondern in den Taten derer haben, die den Krieg heraufbeschworen und verlängert haben. Die Urheber dieses Krieges dürfen diesen gerechten Folgen nicht entgehen."

Deutschland muß Lasten, sogar sehr schwere Lasten auf sich nehmen: Finanzielle Verpflichtungen und Bürgschaften, die die Alliierten und Assoziierten Mächte sich sichern, um die Zahlung ihrer Forderung zu erhalten.

Deutschland wird seinen finanziellen Verpflichtungen nachkommen können, sei es mit Hilfe der Güter und Interessen, die es im Inneren des Reiches, sei es mit Hilfe der Guthaben, die es im Auslande besitzt.

Innerhalb des Reiches haben die Alliierten und Assoziierten Mächte ein Vorrecht nur hinsichtlich des Besitzes und der Hilfsquellen des Reiches und der deutschen Einzelstaaten beansprucht. Ihr diesbezügliches, aus den finanziellen Bestimmungen sich ergebendes Recht ist soweit als möglich beschränkt worden und es ist angestrebt worden, ihm jeden drückenden Charakter zu nehmen. Endlich ist jedes Entgegenkommen bewiesen, das mit den Rechten der Alliierten und Assoziierten Mächte in Einklang zu bringen war, um Deutschland die Wahrung seiner wirtschaftlichen Interessen und seines Kredits zu gestatten.

Außerhalb des Reiches haben die Alliierten und Assoziierten Mächte davon Abstand genommen, die Übertragung deutschen Eigentums und deutscher Interessen in neutralen Ländern zu verlangen; sie fordern einzig und allein die Abtretung der Güter, die nicht unentbehrlich für das Bestehen Deutschlands sind und die abgegeben werden können, ohne tiefgehende Störungen im inneren Leben Deutschlands hervorzurufen.

Mit einem Wort, angesichts der Lasten, die Deutschland auf sich nehmen muß, schonen die finanziellen Bestimmungen, die von den Alliierten und Asso- [45] ziierten Mächten aufgestellt sind, im Ausmaß des Möglichen die wesentlichen Interessen Deutschlands.

1. Die Alliierten und Assoziierten Mächte betonen nochmals ihr Recht, die Zahlung der Wiedergutmachung und sonstigen Lasten, die auf dem Vertrage beruhen, mit Vorrecht vor der Regelung aller anderen Schulden des Reiches und der deutschen Bundesstaaten zu erhalten. Nichtsdestoweniger halten sie es für angemessen, für bestimmte besondere Fälle die Bewilligung von Ausnahmen von diesem allgemeinen Grundsatz, der vorstehend niedergelegt ist, vorzusehen, und sind bereit, am Anfang des Artikels 248 folgenden Satz einzuschieben:

      "Unter Vorbehalt der Ausnahmen, die von der Wiedergutmachungskommission etwa bewilligt werden, haften an erster Stelle......."

Diese neue Bestimmung wird es namentlich gestatten, soweit als möglich Maßnahmen zum Schutze von Deutschlands Kredit zu ergreifen.

2. Die Bestimmung, die die Ausfuhr von Gold verbietet, ist eine Garantie für die Alliierten und Assoziierten Mächte; diese beabsichtigen jedoch nicht, ihr Recht rücksichtslos auszunutzen. Sie haben vielmehr vorgesehen, daß Deutschland Gold nach Ermächtigung der Wiedergutmachungskommission ausführen darf.

Diese wird also zuständig sein, der Reichsbank in allen ihr angemessen erscheinenden Fällen "das Recht der Ausfuhr zu bewilligen, sobald es sich um Garantien handelt, die die Bank übernommen hat und die sie mit anderen Mitteln nicht erfüllen kann".

3. Die militärische Besetzung bildet für die Alliierten und Assoziierten Mächte eine der wesentlichen Garantien; sie kann daher nicht zur Diskussion gestellt werden.

Die Kosten des Unterhalts der Besatzungsarmeen sind immer von der Nation getragen worden, der die Besatzung auferlegt worden ist; Deutschland selbst hat diesen Grundsatz im Jahre 1871 angewandt, als es Frankreich die Kosten der deutschen Besatzungsarmeen auferlegt hat (Konvention von Ferrières vom 11. März 1871).

4. Ein Unterschied zwischen dem Kriegsmaterial, das der Feind im Verlauf militärischer Operationen verloren hat und dem Kriegsmaterial, das in Ausführung eines Waffenstillstandes, der diese Operation beendet hat, ausgeliefert worden ist, kann nicht gemacht werden.

Mit Fug und Recht wird daher die Wiedergutmachungskommission Deutschland den Wert dieser Auslieferung nicht gutschreiben.

5. Die Bestimmung des Absatz 2 des Artikels 251 sieht zugunsten der Lebensmittelversorgung Deutschlands eine Ausnahme von dem Vorrecht, das in dem ersten Absatz desselben Artikels festgesetzt wird, vor.

Diese Ausnahme findet ausschließlich auf die Lebensmittelversorgung Anwendung, die durch staatliche Organe bewirkt wird, da für die Güter der deutschen Staatsangehörigen kein Vorzugsrecht vorgesehen ist.

Diese Klausel ist zugunsten Deutschlands festgesetzt worden, und wenn sich die Alliierten und Assoziierten Mächte ein Kontrollrecht über die deutsche staatliche Lebensmittelversorgung vorbehalten haben, so ist dies aus dem Grunde geschehen, weil es unmöglich erscheint, eine so wichtige Ausnahme von dem Grundsatz des Artikels 248 ohne Kontrollrecht zu bewilligen.

[46] 6. Bei der Verteilung der Vorkriegsschuld des Deutschen Reiches und der deutschen Bundesstaaten wird auf die steuerliche Leistungsfähigkeit (facultés contributives) der einzelnen abgetretenen Gebiete Rücksicht genommen werden. Die Festsetzung dieser steuerlichen Leistungsfähigkeit ist offenbar angesichts der Verschiedenheit der fiskalischen Systeme in den verschiedenen deutschen Bundesstaaten sehr heikel (délicat). Deshalb ist davon abgesehen worden, schon jetzt diejenigen Einkünfte Deutschlands zu bestimmen, die einen Vergleich der Einnahmequellen der abzutretenden Gebiete mit denen des Reiches erlauben würden. Man hat vielmehr deren Beurteilung der Wiedergutmachungskommission überlassen.

Andererseits können die Alliierten und Assoziierten Mächte nicht die Überbürdung eines Teiles der deutschen Kriegsschuld auf die befreiten Gebiete zulassen. Diese Teilung würde in der Tat die Folge haben, daß diejenigen Mächte, die Rechtsnachfolger dieser Gebiete werden, einen Teil der deutschen Kriegsschuld übernehmen würden, was nicht zugelassen werden kann.

7. Es ist unmöglich, zuzugeben, daß Polen mittelbar oder unmittelbar die Lasten einer Schuld tragen soll, die zu dem Zwecke eingegangen war, den preußischen Einfluß auf Kosten der polnischen Überlieferung und Rechte auszubreiten.

8. Da die deutschen Kolonien Zuschußgebiete sind, können sie keinesfalls einen Teil der deutschen Schuld übernehmen.

Es ist übrigens zu bemerken, daß ein wesentlicher Teil der Ausgaben, die in den deutschen Kolonien gemacht wurden, einen militärischen und unproduktiven Charakter hatten.

Unter diesen Umständen würde es ungerecht sein, daß der Staat, der Mandatar des Völkerbundes wird, eine Schuld übernehmen soll, die die Kolonie nicht aufbringen kann.

9. Die Alliierten und Assoziierten Mächte sind nach den seit 1914 eingetretenen Ereignissen berechtigt zu fordern, daß Deutschland nicht mehr an ihrem finanziellen und wirtschaftlichen Leben näher interessiert ist, ebensowenig wie an dem seiner ehemaligen Verbündeten und an demjenigen Rußlands.

Außerdem erscheint es annähernd sicher, daß Deutschland, um die Lasten, der Wiedergutmachung tragen zu können, genötigt sein wird, den größten Teil der ausländischen Werte zu veräußern, die seine Staatsangehörigen besitzen. Die Interessen der deutschen Eigentümer werden durch diese Tatsache so sehr verringert, daß die Notwendigkeit ihres Schutzes die Teilnahme Deutschlands an internationalen Organisationen nicht mehr rechtfertigt.

10. Die Deutsche Delegation hat sowohl im Anhang II ihrer Bemerkungen, als auch in ihrer besonderen Note vom 29. Mai 1919 eine Anzahl von Bemerkungen vorgebracht.

Die ersten beziehen sich auf die Übertragung von in Deutschland auf den Namen der Dette ottomane, der Kaiserlich Ottomanischen Regierung und der Österreich-Ungarischen Regierung hinterlegten Beträgen.

Die Einzelheiten, die die Deutsche Delegation über gewisse in Deutschland vorgenommene Übertragungen gegeben hat, machen zwei redaktionelle Änderungen erforderlich. Die Alliierten und Assoziierten Mächte halten jedoch die Grundsätze des fraglichen Artikels aufrecht.

Erstens: Die Alliierten und Assoziierten Mächte haben die Tatsache nicht übersehen, daß der Verpflichtung, die die Deutsche Regierung der Türkei gegen- [47] über übernommen hat, die Verpflichtung der türkischen Regierung gegenübersteht, Deutschland später die vorgeschossenen Summen zurückzubezahlen. Artikel 259 muß im Zusammenhang mit Artikel 261 behandelt werden. Letzterer sieht vor, daß Deutschlands Guthaben auf die Alliierten und Assoziierten Mächte übertragen wird.

Zweitens: Die Alliierten und Assoziierten Mächte sind im Besitz von Beweisen darüber, unter welchen Bedingungen Gold- und Silberüberweisungen im November 19164 an das türkische Finanzministerium gemacht worden sind.

Drittens: Die Alliierten und Assoziierten Mächte sind der Ansicht, daß, wenn "für die Vorschüsse, die Österreich-Ungarn durch die Vermittlung deutscher Banken erhalten hat, kein Betrag in Gold als Pfand weder an die Deutsche Regierung noch an die interessierten Banken übertragen worden ist", die im § 5 vorgesehene Bestimmung gegenstandslos wird und infolgedessen keinerlei Einspruch seitens der Deutschen Delegation rechtfertigt.

Die anderen Bemerkungen beziehen sich auf den Verzicht Deutschlands auf die Verträge von Bukarest und Brest-Litowsk.

Die Deutsche Delegation fordert, daß die Verpflichtungen, die Deutschland aus diesen Vertragen erwachsen, ebenso annulliert werden, wie die Vorteile, die darin zu seinen Gunsten aufgeführt waren.

Diese Bemerkungen sind nicht begründet.

Tatsächlich hebt Artikel 292, den die deutsche Finanzdelegation anscheinend übersehen hat, einfach diese Verträge auf, von denen die Deutsche Delegation übrigens in den allgemeinen Bemerkungen, Teil VII, erklärt, "hierüber sei keine weitere Erörterung nötig, da Deutschland bereits auf den Vertrag von Brest-Litowsk verzichtet hat und da der Friede von Bukarest niemals ratifiziert worden ist".

Die Alliierten und Assoziierten Mächte haben übrigens im Friedensvertrag von Bukarest vergebens nach "Verpflichtungen, die durch Deutschland übernommen waren", gesucht.

11. Die Alliierten und Assoziierten Mächte sind der Ansicht, daß die Abtretung der Rechte und Interessen deutscher Staatsangehöriger an den Unternehmen von öffentlicher Wichtigkeit und an den Konzessionen in Rußland und in den früher mit Deutschland verbündeten Ländern für die Zwecke des Schutzes und der Wiedergutmachung unerläßlich ist.

Die Alliierten und Assoziierten Mächte konnten im Laufe des Krieges würdigen, welchen Gebrauch Deutschland von der Kontrolle zu machen in der Lage war, die es über seine Verbündeten und über Rußland besaß: sie fühlen sich daher berechtigt, Deutschland jeden Anteil an der öffentlichen Gewalt in diesen Ländern zu entziehen.

12. Die Alliierten und Assoziierten Mächte behalten sich das Recht vor, von Deutschland die Übertragung aller seiner Guthaben in Österreich, Ungarn, Bulgarien und in der Türkei zu verlangen.

Aber Artikel 243 sieht vor, daß der Betrag dieser Guthaben in der Wiedergutmachungsrechnung Deutschland zu einem Werte gutgeschrieben werden soll, den die Wiedergutmachungskommission als angemessen ansehen wird.

[48] 13. Die Verpflichtung, in bar zu zahlen, ist nicht als eine Verpflichtung auszulegen, wonach tatsächlich in Gold bezahlt werden muß.

Andererseits können die Alliierten und Assoziierten Mächte nicht zulassen, daß Deutschland "in der Währung desjenigen Landes" bezahlen darf, "in dem der Schaden begangen worden ist".

Die Länder, die schweren Schaden erlitten haben, müssen, um ihre Ruinen wieder aufzubauen, in weitem Maße auf die Hilfe der Alliierten und Assoziierten Länder zurückgreifen, und sie werden große Ausgaben im Auslande zu machen haben; es würde unzulässig sein, ihnen nicht die Wahl zu lassen, Zahlung in denjenigen Währungen zu fordern, die sie etwa benötigen.

Im übrigen müssen die Schuldverschreibungen, die Deutschland als Abschlagszahlungen der für die Wiedergutmachung geschuldeten Summen auszugeben hat, einen sehr großen Markt haben und die Zinsverpflichtungen in mehreren Währungen ausgefertigt werden.

Immer, wenn eine Zahlungsverpflichtung klargestellt werden soll, ist es erforderlich, diese in einer festen Währung zu bestimmen.

14. Die Deutsche Delegation hat in einer Note vom 29. Mai 1919 bestimmte Bemerkungen bezüglich des Artikels 263 formuliert.

Da der Erlös des Verkaufs des Sao Paolo-Kaffees in Triest bei dem Bankhause Bleichröder hinterlegt worden ist, können die Alliierten und Assoziierten Mächte das Ansinnen der Deutschen Delegation nicht annehmen, wonach diese Beträge von Artikel 263 nicht betroffen würden.

Immerhin erkennen die Alliierten und Assoziierten Mächte an, daß die Worte "mit einer Verzinsung von 5 v. H. vom Tage der Hinterlegung an", wie folgt geändert werden müssen: "mit Zinsen zu dem Satze oder zu den Sätzen, die vereinbart waren".

Die Alliierten und Assoziierten Mächte stimmen der Streichung des Wortes "erzwungen" in Artikel 263 zu.

Da die Deutsche Regierung abgelehnt hat, die Zurückziehung dieser Summen zu genehmigen und zugestimmt hat, sie bei Beendigung des Krieges voll zu ersetzen, müssen die Alliierten und Assoziierten Mächte darauf bestehen, daß die Zurückzahlung zum Wechselkurs desjenigen Zeitpunktes geschieht, an dem die Hinterlegung erfolgt ist.



4Im englischen Text: "1918". ...zurück...


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Vollständiger Text der Mantelnote
und der Antwort auf die deutschen Gegenvorschläge.

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