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Englands politische Moral in Selbstzeugnissen. Friedrich 
Hussong.

Eine Verbrecherkolonie in Nord-Australien

Um auch hier, wie überall, die Spuren der Freiheit und der Volksbeglückung zurückzulassen, wurden in der nordaustralischen Verbrecherkolonie Vandiemensland die Eingeborenen völlig ausgerottet; das war nicht so schwer unter dem gütigen Fittich eines "Strafgesetzes", nach dem "mit einigen Peitschenhieben bestraft wurde, wer einen farbigen Knaben verstümmelt, ihm Ohren und Nase abschneidet, oder einem Eingeborenen den kleinen Finger abhackt, um ihn als Pfeifenstopfer zu gebrauchen". Was konnten ein paar Peitschenhiebe für Schrecken haben für einen Mann, der sich in London oder Liverpool vielleicht durch einen Mord oder durch gewerbsmäßig betriebenen Straßenraub als Erzieher und Kulturträger in einem neuen Erdteil qualifiziert hatte?




 
Ausrottungspolitik in Tasmanien

Noch im Jahre 1906 schrieb der schon anderwärts zitierte gelehrte Sir W. W. Strickland: "Nutzlos, viel von Tasmanien und Australien zu sprechen. In Tasmanien sind die Ureinwohner seit langem sämtlich von den Briten hingeschlachtet worden; die arischen Ureinwohner Australiens, die in den Händen ihrer rassemäßigen Verwandten sind, wird bald das gleiche Schicksal treffen... In Neuseeland wünscht die britische Mehrheit heimlich aber begierig die Vernichtung der edlen Maoris... In Australien sprechen die importierten weißen Wilden offen ihren Haß gegen alle Rassen mit Ausnahme der ihrigen, nicht aber der ihnen rassisch verwandten australischen Eingeborenen aus und machen kein Hehl daraus, daß es ihr größter Wunsch ist, sich der Eingeborenen zu entledigen..."




 
Englische Kolonialschande

Fügen wir allen diesen englischen Selbstzeugnissen eines noch hinzu, den erst im Juli 1939 ergangenen Bericht eines von der englischen Regierung eingesetzten Wirtschaftsberatungsausschusses, der sich zwei Jahre lang mit den Ernährungsverhältnissen in den britischen Kolonien beschäftigte, und der nun in seinem Bericht eine Darstellung gibt, welche die ganze englische Presse zu so vernichtenden Kritiken veranlaßte, daß wir - ein gewiß seltener Fall - ihnen in nichts zu widersprechen und kaum etwas hinzuzufügen haben. Was sollten auch wir noch sagen, wenn der Daily Express ohne Vorbehalt erklärt: "Nur ein Kommentar möglich: Schande!" Was sollten wir noch raten, wenn die Times rät, England sei es seiner Ehre schuldig, Abhilfe zu schaffen? Und sollen wir noch Reue und Buße predigen, wenn schon die Daily Mail ausruft, niemand mehr könne stolz sein auf das englische Kolonialreich, solange dort solche Zustände herrschen? Was sollen wir noch Steine aufheben gegen diese Zustände, wenn der Daily Express selber schreibt, die Engländer müßten ihre Augen niederschlagen und sich schämen über das Elend in den britischen Gebieten, die sie stolz das englische Empire nennen?

Was für Zustände sind das? Nach dem amtlichen englischen Berichte selber Zustände, welche denen nichts nachgeben, die von der englischen Zweckhumanität seinerzeit aus zweifelhaften Motiven, aber mit unzweifelhaftem sachlichen Grunde im Kongostaat so beflissen aufgedeckt und zum Gegenstand eines angelsächsischen Humanitätsfeldzuges über die ganze Welt hin gemacht wurden. Zustände, [die] Lebensverhältnisse von 55 Millionen Menschen in 48 Kolonialgebieten des britischen Weltreiches, bei deren Anblick sich selbst dem Betrachter der Daily Mail die Haare sträuben, selbst dem Kolonialkritiker des Daily Express die brennende Scham aufsteigt, und sogar die pharisäische Selbstgerechtigkeit der Times der Gedanke anwandelt, England könne vielleicht gut daran tun, einmal vor seiner eigenen Tür ein bißchen zu kehren.

Die meisten der 55 Millionen Menschen in den untersuchten 48 Kolonialgebieten des Empires hungern - so stellt der amtliche Bericht unumwunden fest. Sie sind nicht genügend bezahlt, um sich und die Ihren ausreichend ernähren zu können; viele von ihnen haben niemals Milch, Butter oder Eier gesehen. Säuglinge und kleine Kinder werden mit Reiswasser und Tee aufgezogen, falls sie dabei am Leben bleiben; Seuchen und Hunger auch bei den Erwachsenen sind die Folgen davon, daß das Einkommen der Bevölkerung unter dem allernotwendigsten Existenzminimum liegt, der Zustand der Lebensmittel für die Ernährung unzureichend und die Unwissenheit der Eingeborenen in Ernährungsfragen katastrophal ist. Die englische Verwaltung gibt sich nicht die Mühe oder ist unfähig, für eine halbwegs vernünftige Ausnützung des reichlich zur Verfügung stehenden Bodens zu sorgen. In den Städten ist es noch schlimmer als auf dem Lande. Die Löhne der Eltern reichen zur Ernährung der Familie bis zum Mittwoch, danach hält der Hunger haus. Allgemeine Kränklichkeit, Arbeitsunfähigkeit und eine horrende Kindersterblichkeit sind die Folgen dieser Unterernährung. All das keine Behauptungen bösartig erscheinender Mißgunst; amtliche Feststellungen einer von der englischen Regierung eingesetzten Untersuchungskommission nach dreijähriger Arbeit! Das erspart uns jede Kritik. Und das ist nun der Zustand in den Kolonien einer Nation, die uns Deutschen unsere Kolonien stahl und ihre Rückgabe verweigert mit der Begründung, daß unsere Kolonialverwaltung nicht den hohen sittlichen Ansprüchen genügt habe, die angelsächsische Humanität an die Träger kolonialpolitischer Tätigkeit stelle.

Unser Grenzbegang um die Bereiche des Empires ist beendet. Er hat uns überall bestätigt, was der Engländer Strickland sagt, daß es "schwer ist, zu glauben, daß die Engländer wirklich meinen, was sie sagen, wenn sie erklären, daß sie allein das Geheimnis besitzen, weniger entwickelte Völker zu leiten und sie dem Wohlstande und dem Glück entgegenzuführen... Diese Verblendung durch Eigenliebe hat ein solches Ausmaß angenommen, daß... geeignete Maßnahmen für die Ausrottung der Eingeborenen getroffen werden und doch bis zur Vernichtung ihres letzten Vertreters die feierliche Behauptung aufgestellt wird, daß sich die Völker 'sprunghaft' vermehren".

Earl of Rosebery
Earl of Rosebery
[Getty Images]
Wer hat nun recht: Lord Rosebery, der sagt: "Wir haben in Betracht zu ziehen, nicht, was wir jetzt gebrauchen, sondern was wir in Zukunft gebrauchen werden... und wir haben zu
Richard Cobden
Richard Cobden
[Speeches on Questions of Public Policy by Richard Cobden, M.P. London: Unwin, 1908.]
erinnern, daß es einen Bestandteil unserer Verantwortlichkeit und unserer Erbschaft" - von wem? - "bildet, daß die Welt, so weit sie von uns geformt werden kann, den angelsächsischen und keinen anderen Charakter erhalte" - oder Richard Cobden,* der meint, "wenn je es ein Land gab, das durch den Finger Gottes für den Besitz einer von anderen getrennten Nation vorbezeichnet war, so ist das England... Aber unzufrieden mit den (uns zuteil gewordenen) Segnungen und mißachtend die natürliche Grenze unseres Reiches, sind wir in der Unverschämtheit unserer Macht und ohne auf die Angriffe neidischer Feinde zu warten, auf Eroberung und Raub ausgegangen und haben Blutvergießen in alle Winkel des Erdballs getragen".

(*Dies und eine Anzahl vorhergehender Zitate nach dem reichhaltigen Buch England ohne Maske von Wolfgang Loeff.)




 
Die Schurkerei des Weltkrieges

Wir haben die letzte ungeheuerliche Entfaltung der verlogenen politischen "Moral" Englands vor 25 Jahren um den Ausbruch und während der Führung des Weltkrieges erlebt. Es fehlte auch damals nicht an englischen Stimmen, welche die Unwahrhaftigkeit der Kriegsmache der Asquith und Grey geißelten. Erinnern wir uns nur der leidenschaftlichen Artikel gegen den Krieg, die man vor dem August 1914 im Manchester Guardian, im New Statesman, sogar in der halbamtlichen Westminster Gazette lesen konnte. In der Times selbst, im Organ des Deutschenhasses, konnte man noch am 8. März 1915 lesen:

    "...es scheint noch immer englische Männer und Frauen zu geben, die sich in einem großen Irrtum über die Gründe befinden, die England gezwungen haben, das Schwert zu ziehen. Sie denken, daß es Deutschlands Verletzung der belgischen Neutralität war. Sie bedenken nicht, daß unsere Ehre und unser Interesse uns gezwungen haben würden, Frankreich und Rußland beizustehen, selbst wenn Deutschland gewissenhaft die Rechte seines kleinen Nachbars geachtet hätte... Warum haben wir Belgiens Neutralität verbürgt? Aus Selbstinteresse, aus dem Grunde, der uns immer dem Aufkommen irgendeiner Großmacht uns widersetzen hieß, die unserer Ostküste Gefahr bedeutete. Aus demselben Grunde, der uns die Niederlande gegen Spanien verteidigen ließ und gegen das Frankreich der Bourbonen und Napoleons... Wir beabsichtigen nicht, internationale Don Quixotes zu sein, immer bereit, Unrecht wieder gut zu machen, das uns keinen Schaden tut"; - Welche Ohrfeige für den Polen-Chamberlain! - "Herr von Bethmann-Hollweg hat ganz recht: Selbst wenn Deutschland nicht in Belgien eingedrungen wäre, würden wir uns mit Frankreich vereinigt haben... Wir fielen auf unsere historische Politik des Kräfteausgleichs zurück, und wir taten dies aus denselben Gründen, aus denen unsere Vorfahren sie aufnahmen. Es waren weder für sie noch für uns Gefühlsgründe, es waren selbstische, ja selbstsüchtige Gründe."

Charles Trevelyan   John Burns
Charles Trevelyan       John Burns
[Spartacus Educational]
Damals gab es in Oxford Professoren, die - anders als die sechs Mitglieder der Fakultät für neuere
John Morley
John Morley
[Spartacus Educational]
Geschichte - einen Krieg gegen Deutschland eine Versündigung an der Kultur nannten, und drei Mitglieder des Kabinetts Asquith - es sei ihnen nicht vergessen - Morley, Trevelyan und Burns legten ihre Ämter nieder, um an dem Verbrechen der Kriegsentfesselung keinen Anteil zu haben. Die unabhängige Arbeiterpartei protestierte, der schottische Arbeiterführer Keir Hardie
Henry Noel Brailsford
Henry Noel Brailsford
[Spartacus Educational]
und der Führer der Labour Party, Ramsay Macdonald. Auch Bernard Shaw war schon damals unter den Protestlern, und H. N. Brailsford machte auf die diplomatischen Fälschungen und Unterschlagungen aufmerksam, mit denen England den Krieg vorbereitete, und stellte fest: "Es gab ein Wort Englands an Rußland, das den Frieden gerettet hätte;... Sir Edward Grey hat das Wort nicht gesprochen." Er konnte es nicht sprechen, weil er den Krieg wollte. Wohl aber hat der Mann, der auch heute wieder der wüsteste Kriegshetzer in England ist, wohl hat Herr Winston Churchill, damals schon in einer Rede vom 11. September 1914 verraten, daß der Weltkrieg eigentlich "bereits im Jahre 1909 durchgeführt werden sollte, wenn Rußland sich damals nicht so weit erniedrigt hätte, den deutschen Drohungen nachzugeben".




 
Das letzte Bubenstück

Gilbert Keith Chesterton
Gilbert Keith Chesterton
[The American Chesterton Society]
Unter der Führung dieses Weltverbrechers Winston Churchill erleben wir heute nun die allerletzte und ungeheuerlichste Kriegslügenorgie Englands, auch sie schon - siehe Bernard Shaw - mit englischer Geißel gegeißelt, in englischem Spiegel gespiegelt. Und damals wie heute greint der englische Cant, wie in G. K. Chestertons Pamphlet Die Barbarei von Berlin aus dem Jahre 1915: "Wir kämpfen für die Treue und das Halten von Verträgen; für festes Gedächtnis und die Möglichkeit menschlichen Verkehrs... In diesem Kampfe haben wir das Recht, ebensogut mit krummen orientalischen Säbeln zu kommen wie mit unseren eigenen, mit dem Schießbogen ebenso wie mit Gewehren, mit dem Wurfspieß der Kaffern und Zulus, mit der Streitaxt der Indianer und dem Bumerang, denn in allen diesen ist wenigstens ein Keim von Zivilisation, den (die Barbaren von Berlin) töten wollen."

Glaubt man nicht Bernard Shaw über Chamberlain sprechen zu hören, wenn man heute nachliest, was im Jahre 1911 der nachher mit der "Titanic" untergegangene W. S. Stead, nicht gerade ein Deutschlandfreund, über die damals schon betriebenen englischen Machenschaften zur Entfesselung eines Krieges gegen Deutschland über Sir Edward Grey schrieb:

    "Das offene Geheimnis dieses fast unglaublichen Verbrechens gegen Verträge, gegen britische Interessen, gegen den Weltfrieden ist die unglückselige Tatsache, daß Sir Edward Grey, seit er im Amte sitzt, umgeben und beherrscht ist von Männern, die von dem Glauben besessen sind, daß Deutschland unser eingefleischter Feind ist, daß Krieg mit Deutschland in naher Zukunft so unvermeidlich ist wie das Aufgehen der Sonne und daß deshalb alle anderen Erwägungen der einen, der höchsten Pflicht weichen müssen, Deutschland bei jeder Gelegenheit entgegen zu sein, sollten deshalb auch Verträge, britische Interessen und der Weltfrieden mit Füßen getreten werden. Diese verdammenswerte fixe Idee Sir Edward Greys färbt alle seine Taten und Worte."

Unmittelbar nach dem Kriegsausbruch schändeten jene sechs Mitglieder der Oxforder Fakultät für neue Geschichte sich, ihre Wissenschaft und ihr Vaterland mit jener ekelhaften Heuchelei von dem "Volk, in dessen Blut die Sache des Rechtes das Lebenselement" sei. Aber noch unmittelbar vor Kriegsausbruch hatte die Times sich genötigt gesehen, einen Protest hervorragender englischer Gelehrter gegen den Gedanken an einen Krieg mit Deutschland als gegen eine ungeheuerliche Unsittlichkeit abzudrucken. "Krieg gegen Deutschland in Serbiens Interesse ist", so hieß es da, "eine Sünde gegen die Gesittung." Und Krieg gegen Deutschland im - angeblichen - Interesse Polens?

Als damals der Angler Grey England "durch seine Ehre" zum Krieg gegen Deutschland verpflichtet fand, sagte Ramsay Macdonald: "Es gibt wohl keinen Krieg, auch nicht den verbrecherischsten, für den nicht Staatsmänner die Ehre ihres Landes berufen hätten. So war es mit dem Krim-Krieg, so mit dem Buren-Krieg, und so ist es jetzt wieder." Und so ist es auch heute wieder, wie leidenschaftlich auch Shaw oder Lloyd George es ablehnen, daß es irgendwie Ehrensache für England sein solle, sich und die Welt wegen Polen in den Krieg zu stürzen.

Arthur Ponsonby
Arthur Ponsonby
[Spartacus Educational]
Und könnte Frage und Antwort eines Ponsonby in The Nation vom 22. August 1914 nicht heute geschrieben sein?:

    "Geht aus den im englischen Weißbuch niedergelegten Aktenstücken, die den Ursprung des Kriegs erläutern, nicht hervor, daß unsere seitherige Politik uns zur Übernahme einer Menge von Verpflichtungen geführt hat, die uns in ein schwieriges Netz verwickelten, in ein Netz, das wir uns selbst gesponnen haben?

    Ja!

    Ist es möglich, und wenn ja, ist es wünschenswert, die natürliche Entwicklung Deutschlands für die Dauer zu unterbinden?

    Nein!

    Wird Deutschland für die Zukunft ein untergeordneter, gleichgültiger Staat, falls es jetzt seine Kolonien ohne Ausnahme verliert?

    Nein!

    War das britische Volk irgendwie feindlicher Stimmung gegen Deutschland, als der Krieg ausbrach?

    Nein!

    Liegt dagegen Grund zu der Annahme vor, daß die britische Regierung schon seit geraumer Weile eine Politik betreibt, die sich gegen Deutschland richtete?

    Ja!"

Auch was Archibald R. Cusden im Oktober 1914 über die englische Heuchelei aus Anlaß des Gegreines über die belgische Neutralität schrieb, bedürfte nur geringer Redaktion, um heute Wort für Wort auf die englische Heuchelei im Fall Polen zu passen:

    "Welches ist denn nun die Hauptursache dieses furchtbaren Krieges Englands gegen Deutschland? Angeblich die Verletzung der Neutralität Belgiens durch Deutschland. Diese Behauptung ist aber einfach Humbug; jeder vernünftige Engländer weiß es, und jeder ehrenhafte Engländer erkennt es an. Die jetzt enthüllten Umstände, unter denen Belgiens Neutralität verletzt wurde, und von welchen die englische Regierung schon im voraus längst Bescheid wußte, sind derart, daß es jedem klar ist, England habe diese Ausflucht nur gebraucht, um seine macchiavellistische Kunst damit zu verdecken. Seit wann ist England der Hüter der verletzten Länder der Erde? Und mit welchem Recht? Weg mit solcher Heuchelei!... Das Volk ist von den Staatslenkern betrogen worden, und nun muß es die Zeche bezahlen... Die Art der englischen Kriegführung ist Beweis genug, daß England sich nicht so sehr um Belgiens Integrität kümmert, als daß es Deutschlands Handel völlig lahmlegen möchte... Jahrelang ist es unsere Klage, daß die auswärtige englische Politik stets in einen blauen Dunst gehüllt ist, bis die führenden Männer über ihre eigenen Fehler stolpern und uns das Tragen der schweren Folgen überlassen. In dieser Beziehung hat die Demokratie kein Wort zu sagen."

Houston Stewart Chamberlain
Houston Stewart Chamberlain
[Briefe 1882-1924, München: F. Bruckmann, 1928.]
H. St. Chamberlain hat dadurch, daß er alle Häßlichkeiten des englischen Charakters, insbesondere die englische Heuchelei, wie Schlacken von sich abtat, nicht aufgehört, einer der edelsten englischen Charaktere zu sein. Auch sein Zeugnis zeigt uns daher England im eigenen Spiegel. Er schreibt:

    "... Daß Deutschland an Krieg nicht dachte, am allerwenigsten an Krieg gegen England, mit dem es sich berufen glaubte, als mit dem ihm nächstverwandten Volke, edelste germanische Kultur über die Welt zu verbreiten, das ist nie jemandem gelungen, einem Engländer beizubringen. Denn die politische Theorie Englands lautet seit zwei Jahrhunderten: Wir Inselvolk haben nur so lange Macht, als wir die Allmacht besitzen... Die Hauptsache ist, daß jedem Engländer von Kindesbeinen an beigebracht wird, sein Vaterland sei von Gottes Gnaden zur Weltherrschaft berufen, und daher sei auch jedes von England an andern Ländern verübte Unrecht, jeder Verrat, jeder Raub, jeder Vertragsbruch in Wirklichkeit die Ausübung eines Rechtes."

Freilich müssen in England alle Stimmen des Anstands und der Ehrlichkeit schweigen, sobald es seinen regierenden Verführern gelungen ist, das Volk dahin zu treiben und zu zerren, wohin sie es haben wollten, in den Krieg gegen Deutschland. Dann sorgt eine gewissenlose "Propaganda" dafür, daß bei allen Engländern mit Ausnahme ganz weniger, die nun schweigen müssen, jener schäbige Grundsatz Geltung erhält, den Winston Churchill auch 1914 proklamierte und den schon im September 1897 die Saturday Review verkündete: "Wenn Deutschland morgen aus der Welt vertilgt würde, so gäbe es keinen Briten, der nicht übermorgen um so viel reicher wäre."

Nun, das erwies sich schon 1914 als ein grausamer Irrtum der Engländer. Er würde sich diesmal noch viel grausamer erweisen. Wir aber haben uns, bis England durch den Krieg zu besserer Erkenntnis gebracht ist, damit abzufinden, daß jetzt der englische Cant alles andere überkleistert, und daß jetzt drüben der Satz gilt, den im Jahre 1937 der Peel-Report über Palästina mit etwas unvorsichtiger Offenheit aussprach: "Das britische Gefühl fällt mit dem britischen Interesse zusammen." Darin ist, bei Lichte besehen, die ganze englische "politische Moral" in ihrer ganzen Unwahrhaftigkeit enthalten.




Wir sahen England in seinem eigenen Spiegel. Müßte es nicht, wenn es selbst sich darin erblickte, tödlich erstarren, wie die Meduse vor dem gorgonischen Schild? Denn es ist immer noch, ja es ist heute in der Entfesselung seines niederträchtigsten und verlogensten Krieges erst recht das England, das ihm schon Thomas More und Jonathan Swift zeigten. Es ist mehr als je das England, von dem Bernard Shaw schon lange sagte: "Unser nationaler Trick, mit tugendhafter Entrüstung zu prunken, ist schon in friedlichen Parteikämpfen widerlich genug; im Kriege ist er gänzlich unedelmütig und unerlaubt."

Ganz das England haben wir vor uns, von dem selbst die Times einst bezeugte: "Es ist unmöglich, einen Ort zu finden, vom Tajo bis zu den Dardanellen, von Sizilien bis zum Nordkap, wo wir etwas getan hätten, um Vertrauen zu verdienen", und: "Es gibt keine gesetzmäßige Regierung in Europa, mit welcher wir nicht Streit angefangen, keine Volkserhebung, die wir nicht verraten hätten." Mehr als je sind es heute die Engländer, denen einer ihrer lautersten Geister zurief: "Elende, keine Nation, sondern ein geldmachender Mob... ich sage Euch, daß wir Engländer unsere Sporen als ritterliche Nation verloren haben. Wo wir nicht hätten kämpfen sollen, haben wir gekämpft um des Gewinnes willen; wo wir nicht unbeteiligt hätten bleiben sollen, haben wir müßig zugesehen aus Furcht."

Das ist das England, über dessen Los dieser wahre englische Edelmann, Ruskin, schon vor Jahrzehnten sich und den Seinen den bitteren "Trost" spendete: "Sorgen wir uns nicht um dieses England; in hundert Jahren zählt es zu den toten Nationen!"

Schon fast die Hälfte dieser hundert Jahre ist um.



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