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Wie Ägypten gestohlen wurde
Blicken wir nach Afrika. Wählen wir dort drei Schauplätze britischer
Tätigkeit, um an ihr die englische politische Moral in englischem Lichte zu prüfen:
Ägypten, den Sudan und Südafrika.
Henry John Temple, Lord Palmerston
[Spartacus Educational]
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Mit der eigentümlichen, oft geradezu stumpfsinnig wirkenden englischen Blindheit
für neue, zukunftsträchtige Wirklichkeiten erklärte Lord
Palmerston noch im Jahre 1864, daß "nach Ansicht der britischen Regierung der Bau
des Suezkanals
eine physische Unmöglichkeit sei; wenn er aber gebaut würde, würde er die
britische Suprematie schädigen".
Fünf Jahre später war der Suezkanal gebaut und wurde zum Angelpunkt
aller
britischen Orient- und Fernostpolitik. 1875 kaufte England dem ägyptischen Khediven
Ismael
seine Suezkanal-Aktien ab und nistete sich von da an neben Frankreich in Ägypten ein,
um es von dort zu verdrängen und allein diese entscheidende Flankenstellung zum
Suezkanal
zu beherrschen. Welche Bedeutung das Eindringen in Ägypten für die Entwicklung
einer englischen Hegemonie in Afrika haben würde, sagte kein Geringerer als
Gladstone voraus, indem er 1877 klipp und klar schrieb: "Unsere erste Baustelle in
Ägypten, sei's,
daß wir sie durch Diebstahl oder Kauf erwerben, wird todsicher das Brutei eines
nordafrikanischen Reiches sein, das wachsen und wachsen wird, bis wir es schließlich mit
Natal und Kapstadt jenseits des Äquators verbinden, zu schweigen
vom Transvaal- oder Oranje-Freistaat, oder von Abessinien und Sansibar, die etwa als
Reisezehrung unterwegs mitzunehmen und zu schlucken wären..." Man sieht, die
Proklamation eines nackten Eroberungsprogramms für einen ganzen Erdteil. Ein
Räuberprogramm,
das - von Abessinien etwa abgesehen - restlos und mehr als das in wenigen Jahrzehnten
durchgeführt wurde. Lassen wir von englischen Zeugen uns sagen, mit welchen Mitteln
und unter Praktizierung welcher politischen Moral.
John Bright
[Spartacus Educational]
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Als der so prophetische Gladstone selber als
englischer Ministerpräsident das Bombardement von Alexandria zu verantworten hatte,
Prof. Goldwin Smith
[Picture History]
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schied der lautere Charakter John Bright voller Scham und Entrüstung aus
Gladstones Kabinett aus. Der gewesene Oxforder Geschichtsprofessor Goldwin
Smith - auch solche Geschichtsprofessoren gab es einmal in
Oxford - schrieb damals an Bright: "Dies ist ein Krieg der Staatsgläubiger." Bright selbst
erklärte im Unterhaus Englands Vorgehen "verstoße gegen das Völkerrecht
und gegen das Sittengesetz". Zusammen mit dem tugendhaften Liberalen Gladstone, der so
bereit
war, die Eroberung Ägyptens und Afrikas auf einen Diebstahl zu gründen,
kämpfte damals der spätere Führer der Konservativen und Burenbekrieger
Wilfrid Scawen Blunt
[William Morris Society]
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Joseph Chamberlain, der Vater des tugendhaften Schützers der kleinen Völker und
Staaten, Neville Chamberlain, für diesen Verstoß gegen Völkerrecht und
General Charles Gordon
[BBC]
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Sittengesetz. Ihr eifrigster Widersacher im Interesse der Ehre Englands war Wilfrid Scawen
Blunt. An ihn schrieb im Jahre 1882 aus Kapstadt der edle General Gordon, der
später in den Kämpfen um den Sudan so tragisch ums Leben kam, voll bitteren
Spottes: "Konnten die Dinge (in Ägypten) ein übleres Ende nehmen? Keine
Finanzkontrolle mehr; keine Beamten mehr, die jährlich 373.000 Pfund Sterling
herauspressen; kein Einfluß von Generalkonsuln mehr; eine Nation, die uns haßt;
keine Zinsen mehr; eine bombardierte Stadt
Alexandria - das sind die Ergebnisse der erhabenen geheimen Diplomatie;
Arabi" - der ägyptische Gegenspieler der
Engländer - "wird für Jahrhunderte fortleben im Volke; die Ägypter werden
niemals wieder 'eure gehorsamen Diener' sein."
Sir Henry Campbell- Bannerman
[Fotoarchiv Scriptorium]
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Daß es noch danach englische Menschen und sogar englische Staatsmänner gab, die
das Unsittliche der englischen Politik in Ägypten erkannten, beweist die
Mahnung Campbell-Bannermans, der im Jahre 1894 als Minister bekannte : "Wir
können nicht unbestimmt lange in Ägypten bleiben, ohne unsere feierlichsten
Verpflichtungen zu verletzen und unseren Charakter vor den Augen Europas verächtlich
zu machen." - Nun, die Engländer ließen's auf die Verachtung Europas ankommen
und blieben in Ägypten und werden bleiben, bis man sie, wie einst auch aus
Indien, hinauswerfen wird.
Noch 1895 setzte jener Blunt in der Vorrede zu einer Aktenveröffentlichung
über
das Treiben der Engländer in Ägypten warnend auseinander, es könne "sehr
wohl sich ereignen, daß die ägyptische Frage, obgleich sie jetzt ruht, auf
unerwartete
Weise in einer dringenden Form wieder gestellt wird; sie werde dann von den Engländern
eine neue Prüfung ihrer ägyptischen Stellung fordern, der politischen wie der
moralischen". 1907 spricht derselbe Blunt in einem neuen Vorwort zu seiner
Aktenveröffentlichung von den "trügerischen Urkunden der englischen
Blaubücher" über die Entwicklung der ägyptischen Dinge und das "ganze
Drama finanzieller Intrigen und politischer Schwäche", das sie darstellten und dessen
Betrachtung ihn zu dem Schluß bringt: "Englands Verfall beruht auf Ursachen, die weit
allgemeiner sind, als daß irgend ein einzelner oder eine Partei dafür verantwortlich
sein könnte. Wir haben Unglück, weil wir nicht mehr ehrlich, nicht mehr gerecht,
nicht mehr Leute sind, auf die man sich verlassen
kann." - Siehe die Benesch-Tschechei, siehe das Beck-Polen!
Evelyn Baring, 1st Earl of Cromer
[National Portrait Gallery, London]
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Auch der Widersacher Blunts, Lord Cromer, zweifellos der bedeutendste unter den
verantwortlichen Sachwaltern der englischen Politik in Ägypten und Begründer
einer
ganzen englisch-ägyptischen politischen Schule, aus der auch der Oberst Lawrence
hervorging, bestätigt am Schluß seines Standardwerkes über Ägypten
mit besonderer Beziehung auf dieses das Wort, das nach der Annexion des indischen Pandschab
eingestand: "Wir sind nirgends beliebt."
Als im Juni 1906 der unreife Übermut englischer Offiziere den Zwischenfall von
Denshawai herbeiführte, verteidigte der eben Außenminister gewordene Edward Grey
es, daß nicht etwa die schuldigen englischen Offiziere gerügt, sondern eine ganze
Anzahl der schwerbeleidigten Ägypter zum Tode, zu langen Gefängnisstrafen und
zu
schamlosen Auspeitschungen verurteilt wurden. Mustafa Pascha Kamel, der Führer der
Ägyptischen Nationalpartei, stellte darauf an England die beschämende Frage: "Ist
es
Englands würdig, des Landes, das Menschlichkeit, Gerechtigkeit und Zivilisation
vertreten
will, die Taten derer zu billigen und sich zu eigen zu machen, die mit den Exekutionen von
Denshawai der Welt ein so melancholisches und furchtbares Schauspiel von Barbarei
gaben?"
Nur ein mit englischem Griffel gezeichnetes Bild aus den Schreckensszenen des
"Gerichts" von Denshawai: "Der Sohn des ersten Mannes, der gehängt werden sollte, bat
um die Erlaubnis, seines Vaters letzte Wünsche zu hören. Die Erlaubnis wurde
verweigert... Ein Mann wurde gehängt. Seine Familie, seine Angehörigen, alle
Dorfbewohner standen dabei und erfüllten die Luft mit ihren Schreien. Die
nächsten zwei wurden vor dem Leichnam ausgepeitscht, und dieselbe Szene wiederholte
sich dreimal, bis vier gehängt und
acht ausgepeitscht waren. Ein barbarisches und empörendes Schauspiel, das den
Europäern" - man denke, selbst englischen
Europäern! - "Tränen des Mitleids und des Schreckens entlockte. Jeder wiederholte
beim Fortgehen die Worte, die einer der Gehängten als seine letzten ausgestoßen
hatte: 'Verflucht die
Tyrannen - verflucht die Tyrannen!'"
Die seitherige Praxis der Engländer in Ägypten hat die Dinge um nichts gebessert,
so daß selbst die englische Presse, sonst zu jeder Heuchelei bereit, feststellen muß,
daß England sich an Ägypten immer neu schuldig macht. "Dem König der
Hedschahs", schrieb Freemans Journal im März 1919, "räumt man das
Recht ein, seine Interessen in Paris zu vertreten; aber als Staatsverbrechen sieht die englische
Regierung es an, wenn Vertreter der ägyptischen Regierung mit ihr über die
Zukunft Ägyptens beraten wollen". Fast zur selben Zeit gestand der Manchester
Guardian ein, daß "Ägypten der Revolution in die Arme getrieben wurde, weil
England ihm nicht erlaubte, das ihm aufgezwungene Regierungssystem in Paris zu
erörtern".
Blut und Brand im Sudan
Herbert Spencer
[Duke University]
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Die Sudanpolitik ist nur eine Frucht der bösen Tat in Ägypten, die fortzeugend
Böses gebären mußte. Nur eine englische Stimme darüber. Es ist der
große Philosoph Herbert Spencer, der kurz vor seinem Tode traurig schreibt:
"Die
Liebe zu meinem Vaterlande wird bei mir nicht gefördert, wenn ich mir den Tatbestand in
die Erinnerung zurückrufe, daß unser Premierminister erklärt hat, wir seien
ehrenhalber verpflichtet, den Sudan für den Khediven zurückzuerobern; nach der
Rückeroberung aber begannen wir eilends den Sudan im Namen der Königin und
des Khediven zu verwalten, d. h. ihn zu annektieren." Sie haben ihn annektiert und behalten, wie
sie bis heute Ägypten behalten haben trotz des
Zeugnisses Campbell-Bannermans, daß sie das nicht tun könnten, ohne sich "vor
den Augen Europas verächtlich zu machen".
Im Sudan und bei dieser Gelegenheit war es, daß Lord Kitchener sich den "Ehrennamen" des "Schlächters von Omdurman"
erwarb. Über die Art, wie hier englische "politische Moral" praktiziert wurde, schrieb
1899 Ernest E. Bennet, der dabei war, in der Londoner Contemporary Review:
"Für die Abschlachtung von Unbewaffneten und sichtlich hilflosen Menschen gibt es
keine
Entschuldigung, und doch geschah sie nach der Schlacht von Omdurman. Obgleich man sah,
daß Derwische mit zerschossenen Gliedmaßen dalagen und keine Waffen hatten,
erschoß oder erstach man sie doch erbarmungslos. Nicht nur, daß die schwarzen
Truppen das taten, nein, auch unsere eigenen britischen Truppen nahmen Anteil daran...
Hunderte
von Derwischen, die sich nicht vom Schlachtfeld schleppen konnten, überließ man
ihrem Schicksal, obgleich es eine Kleinigkeit gewesen wäre, ihnen zu helfen... Die
Straßen in Omdurman waren voller Flüchtlinge: Männer, Frauen und Kinder,
Kamele, Pferde und Esel, mit armseligem Hausrat bepackt, alles drängte in großer
Eile vorwärts; da wurde befohlen, in diesen Flüchtlingsstrom zu schießen.
Besonders in eine Straße, die zum Fluß hinabführte, fiel ein Hagel von
Geschossen, so daß die armen Flüchtlinge nur so hingemäht wurden... Am
nächsten Tage lagen 500 Tote in den Straßen von Omdurman, auch Leichname von
Frauen und kleinen Kindern. Zwei Frauen beugten sich über einen toten Derwisch, als ein
Unteroffizier vorbeikam und eine von ihnen mit dem Revolver erschoß."
Nicht etwa nur eine verrohte Soldateska spielte hier ihre scheußliche Rolle.
Scheußlicher noch die englische "Gesellschaft", die sich an diesen Unmenschlichkeiten
unter Beifall erfreute. Eine Engländerin erzählt in ihren Aufzeichnungen, wie die
Frau eines hohen Offiziers sie zu
einer Peitschen-Exekution auf dem Marktplatz von Omdurman einlädt, wie in ein
Theater: "Die Majorin zeigte mir eine
Anzahl schwarz- und gelbhäutiger Mädchen und Frauen, die zur Peitsche verurteilt
waren. Die Exekution besorgten Soldaten. Sie schwangen dabei ziemlich lange, derb geflochtene
Peitschen. Es war schrecklich anzusehen, wie die straffe Haut aufsprang unter den furchtbaren,
weithin schallenden Hieben. Mir wurde übel. Ich mußte zurückreiten. Soviel
konnte ich jedoch sehen und hören, daß sich die Zuschauer dieses unheimlichen,
barbarischen Schauspiels an den Qualen der armen Mädchen und Frauen
ergötzten."
Dieselbe englische Beobachterin erzählt, wie nach der Hinrichtung von Mahdisten
Negerinnen zuerst ausgepeitscht und dann dadurch zu Tode gemartert wurden, daß man
ihnen spitze Pfähle in den Körper trieb.
Volksmord in Südafrika
Was der Schlächter Kitchener hier gelernt hatte, brachte er nachher im Burenkrieg in ganz
großem Stil zur Anwendung. So wurde denn der Burenkrieg zum schamlosesten Kapitel
englischer Politik in Afrika. Ein Kapitel, geeignet, die grellsten Lichter auf Englands politische
Moral zu werfen. Nicht im Waffenkrieg gegen Männer, sondern im Hungerkrieg gegen
Frauen und Kinder gelang endlich nach zahllosen Niederlagen und Blamagen Englands die
brutale Unterdrückung der Selbständigkeit und Freiheit der südafrikanischen
Burenrepubliken. Handelte es sich hier doch nicht um verachtete Fellachen, nicht um Neger von
Sierra Leone, denen man nach dem Eingeständnis des arbeiterparteilichen
Kolonialministers MacDonald die Steuern austreibt, indem man sie auspeitscht und ihnen
Pfeffer
in die Augen streut. Handelte es sich hier doch um blutsverwandtes Volkstum, das man
unsauberen Interessen jüdischer Diamantenhändler aufopferte.
Bücher könnte man schreiben, und Bücher sind von den Engländern
selbst geschrieben worden über die mörderische Straßenräuberpolitik
der Engländer in Südafrika, von dem
schamlosen Jameson-Raid bis zu den Massenmorden der Engländer unter Kitchener an
den
Frauen und Kindern der Buren. Doch wollen wir hier nur einen Zeugen hören, den
Mann, der, einst einer der Führer im Freiheitskampf der Buren, heute mit dem widerlichen
Übereifer des Renegaten sein Volk gegen dessen Willen an der Seite Englands in den
Krieg gegen Deutschland zu treiben sucht. General Smuts, heute das Werkzeug
der englisch-jüdischen Partei in Südafrika, schrieb im Januar 1902 in einem
amtlichen Bericht an den Präsidenten Krüger:
"Lord Kitchener hat eine Kriegsmethode, welche sich durch eine unerhörte Barbarei und
Grausamkeit und die Mißachtung der elementarsten Grundsätze des internationalen
Kriegsrechtes auszeichnet. Die Folge dieser barbarischen Kriegführung ist ein Zustand der
Verwüstung und ein Elend in Land und Volk, das über jede Beschreibung geht. Die
englische Kriegführung ist eine Verleugnung all dessen, was Recht, Sittlichkeit und
Menschlichkeit heißt. Eines der anstößigsten Kampfmittel, die England gegen
uns gebraucht, ist seine
Lügnerei." Und
heute gegen Deutschland, Herr Smuts?
Herr Smuts fährt fort:
"Ich meine damit nicht allein die lügenhaften Proklamationen
und Bekanntmachungen, durch die unser Volk in Verwirrung gebracht und seiner Pflicht
abwendig gemacht werden
soll" - ganz, wie heute wieder bei uns, Herr Smuts -, "sondern auch die Berichte, welche offiziell
und inoffiziell durch die britische Presse über die Welt hin verbreitet werden. Alles wird
darin verdreht, und die Lügen werden absichtlich fabriziert." Oh, unheiliger
MacMillan! - "Wir haben einen Brief eines Stabsoffiziers des Generals French aufgefangen, worin
dieser einem Kameraden den 'guten Witz' mitteilt, daß man in dem offiziellen Bericht
über ein soeben stattgehabtes Gefecht eine große Anzahl gefallener, verwundeter
und
gefangener Feinde angegeben habe, obwohl man wisse, daß der Feind überhaupt
keine Verluste gehabt
habe." Ja, sprechen Sie von 1902, Herr Smuts, oder von 1939?
Herr Smuts schreibt des weiteren amtlich an den Präsidenten Krüger:
"Als selbst
durch die Verwüstung ihrer Wohnstätten und ihres Eigentums der Mut der Buren
nicht gebrochen werden konnte, suchte und fand der Feind ein neues Foltermittel in der
Gefangennehmung
und Mißhandlung von Frauen und Kindern. Hier dachte der Feind die
verwundbarste Stelle unseres Volkes zu finden. Selbst mehr als sein Land und seine Freiheit
liebt
der Bur Frau und Kind; nehmt ihm diese weg, so muß er sich ergeben; so überlegte
man, und danach handelte man. Keine Feder wird jemals beschreiben können, was unsere
Heldinnen gelitten haben. Auf der Flucht sich bergend vor dem Feinde in Busch und Berg, wo
manches bleichende Gebein eine" - von Ihnen, Herr Smuts, heute offenbar
vergessene - "Anklage zum Himmel schreit gegen den barbarischen Bantu und den noch
barbarischeren Briten; Schutz suchend mit ihren Kleinsten im dichten Ried des Schoonspruit
und des Mooirivier, wo sie knietief im Wasser standen,
mit Lee-Metford- und Maxim-Geschützen herausgeschossen, nach monatelanger
vergeblicher Flucht endlich in den Gefangenenlagern ankommend, wo sie, selbst auf den Tod
krank, ihre Kinder zu Grabe tragen; Hunger leidend, weil man ihnen schlechtes Fleisch und noch
schlechteres Mehl gibt; ohne Brandholz zur Bereitung warmen Essens; so Woche für
Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr dasitzend in der Verlassenheit, in der
Ungewißheit um Gatten und Söhne, die vielleicht längst gefallen sind... Den
Häuptlingen in Waterberg und Zontpansberg gab der Feind Waffen und Geschenke; kurz
darauf hatten wir das entsetzlichste Blutbad seit den Tagen Dschingiskhans. Im Zwazieland
wurden Frauen und Kinder ermordet, die vor den Mordbanden des General French dahin
geflüchtet waren, und zwar durch Eingeborene, die uns bis dahin freundlich gesinnt, aber
durch Agenten des Feindes aufgehetzt waren. Auch die Zulus hat man auf unsere Greise, Frauen
und Kinder gehetzt... Diese Verbrechen der Schwarzen sind unter Mitwissen der britischen
Regierung verübt worden... Die Kaffern, die sich auf ihren Plätzen ruhig verhielten,
wurden gefangen genommen und mit ihren Familien in die Gefangenenlager geführt. Dort
drohte man ihnen, sie verhungern zu lassen, wenn die Männer nicht Kriegsdienst
nähmen. Den Farbigen der Kapkolonie schwindelte man vor, die Buren würden im
Fall ihres Sieges die Sklaverei wieder einführen und die Farbigen vor die Pflüge
und
Wagen spannen; wenn aber die Engländer siegten, könnten sich die Eingeborenen
die Farmen und Frauen der Buren nehmen, und die Buren müßten als Knechte bei
ihnen arbeiten,... die größte Missetat, die jemals gegen die weiße Rasse
begangen worden ist,... der Krieg artet immer mehr in gesetzlose Barbarei aus. Kriegsgefangene
Bürger werden unter allerhand Vorwänden zu entehrenden Strafen verurteilt,
erschossen und aufgehängt. Man erhebt gegen sie Anklagen wegen Verbrechen, von
denen
sie überhaupt nichts wissen; sie werden verurteilt und kaltblütig umgebracht... In
vielen Fällen haben wir unsere Verwundeten auf den Schlachtfeldern in einem Zustand
schrecklicher Verstümmelung aufgefunden, oder wir haben sie später ausgegraben,
Beine und Arme zerbrochen, und die Schädeldecken eingeschlagen... Über viele
derartige Fälle ließ ich beeidigte Aussagen
aufnehmen..." - Bromberg, Herr Smuts! - "Der
Krieg ist längst in ein Unternehmen zur Ausrottung des afrikanischen Volkes ausgeartet...
Der Feind hat jedes Gefühl für Recht und Tugend verloren... "
Jan C. Smuts
[SouthAfrica-Infoweb]
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So schrieb im Januar 1902 Jan C. Smuts, damals Oberster Staatsanwalt der Buren, in
einem amtlichen Bericht an den Präsidenten Krüger. Fast zur selben Zeit schrieb er
an Mr. Steyn, den Präsidenten
des Oranje-Freistaates: "Ich fühle mich unfähig, die Verwüstungen, die der
Feind bei uns angerichtet hat, zu schildern oder auch nur in nackten Umrissen darzustellen.
Schmerz und Kummer haben wie Dolche die Herzen unserer Frauen und Kinder
durchwühlt... Die schönsten, fruchtbarsten und zivilisiertesten Landschaften
Südafrikas... nun eine welke, nackte Wüste. Alle Felder verwüstet, die
Bäume der Gärten abgehauen oder samt den Wurzeln ausgerissen, die
Heimstätten niedergebrannt, die Häuser vielfach nicht nur durch Feuer
zerstört, sondern mit Dynamit in die Luft gesprengt, so daß nicht ein Stein auf dem
andern blieb. Sie sind jetzt Zufluchtsstätten für Nachteulen und Aasgeier..."
Derselbe Mann dies, der all diese seinem Volke angetane blutige Schmach und Marter so
vergessen hat, daß er dieses weniger vergeßliche Volk gegen dessen Willen in den
Krieg an Englands Seite hineinzuhetzen sucht. Welch anderes
Zeugnis - es könnte dessen aus englischem Munde und englischer Feder noch viele Seiten
lang angeführt
werden - kann diesem für die Engländer moralisch so vernichtendem etwas
abbrechen oder hinzutun? Die grauenhaften englischen Schilderungen des an Frauen und
Kindern
in den Gefangenenlagern Kitcheners planmäßig betriebenen Volksmordes sind
herzaufwühlend. Nur Herr Smuts, heute Ministerpräsident von englischen und
jüdischen Gnaden, hat sie vergessen.
Howard Spring
[Spartacus Educational]
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Und die englische politische Moral aus dieser Geschichte? Der Engländer Howard
Spring hat noch im Jahre 1938 ein Buch erscheinen lassen, in dem er ein Gespräch
eines
englischen Vaters mit seinem Sohn über den Burenkrieg gibt. Darin sagt der englische
Vater über die Entstehung und den Sinn dieses Krieges: "Siehst du, die Buren sind
einfache
holländische Bauern. Sie sind in das Land gezogen, in dem sie jetzt wohnen, weil es ein
gutes Land für Bauern war, und dagegen hatten wir gar nichts. Dann aber stellte sich
heraus, daß es in diesem Lande viel Gold und Diamanten gab, und die habgierigen
Engländer wollten das Gold und die Diamanten für sich haben. Sie fingen deshalb
Streit mit den Buren an, um einen Vorwand zu finden, ihnen ihr Land wegzunehmen. Die Buren
aber sind tapfere Männer und versuchen, ihr Land für sich zu behalten."
Cecil Rhodes
[Probert Encyclopaedia]
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Cecil Rhodes, nächst den englischen Diamantenjuden der Haupturheber des
Burenkrieges, erklärt brutal: "Nachdem ich die Geschichte anderer Länder gelesen
hatte, erkannte ich, daß die Ausdehnung alles sei, und da die Erdoberfläche
beschränkt ist, muß es also unsere große Aufgabe sein, so viel von ihr zu
nehmen, als wir irgend können."
Winston
Churchill
[Fotoarchiv Scriptorium]
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Und Winston Churchill, auch damals schon ein böser Geist Englands, wenn
auch erst in der bescheideneren Stellung eines Kriegskorrespondenten der Morning Post,
in Südafrika, schrieb mit herzerfrischender Offenheit und bei ihm seither so ganz
Lord George Curzon
[Spartacus Educational]
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geschwundener Aufrichtigkeit: "Es gibt nur ein Mittel, den Widerstand der Buren zu
brechen; das ist die härteste Unterdrückung. Mit anderen Worten, wir
müssen die Eltern töten, damit ihre Kinder Respekt vor uns
haben." - Allen Respekt, Herr Winston Churchill.
Lord Curzon aber, von Oxforder Geschichtsprofessoren besser erzogen als der
Selfmademan Rhodes, erklärte mit hochkirchlichem Zungenschlag: "Das britische
Weltreich ist das durch die Vorsehung berufene größte Werkzeug zum Guten, das
die Welt gesehen hat."
Der Erdteil der Deportierten
Es bleibt auf unserem Gang durch die "überall die Spuren der Freiheit und des
Völkerglücks zurücklassende" und das Rechtsbedürfnis als den Motor
alles englischen Tuns und Lassens angeblich erweisende Geschichte englischer Politik nur noch
Sir George Grey
[Roger Vaughan Collection]
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der in unserem Bewußtsein jüngste Kontinent zu streifen: Australien.
Ein ganzer Erdteil eine Verbrecherkolonie. Wie die besten Männer Englands über
Sir Robert Peel
[Probert Encyclopaedia]
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das System der Deportation dachten, wodurch die Engländer Australien sich erst
aneigneten, zeigt der Bericht, den im Jahre 1838 dem britischen Unterhaus ein Ausschuß
erstattete, der beauftragt war, die Verhältnisse in der Strafkolonie zu untersuchen und zu
beurteilen. Der Ausschuß, dem Sir Robert Peel, Sir George Grey und Lord
John Russell angehörten, kam zu dem Schluß, daß "die ganze
Lord John Russell
[Probert Encyclopaedia]
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Deportation eine Kette
seelischer und physischer Leiden in sich schließt, die davon Betroffenen gewöhnlich
vollständig demoralisiert und sie so zu Sklaven herabwürdigt, daß das System
zu verwerfen ist."
Da dieser Bericht den Interessen der englischen Regierung nicht entsprach, ließ sie sich
vom Gesetzgebenden Rat von Sidney einen anderen erstatten, der denn auch
wunschgemäß judizierte, nach seiner Ansicht sei "kein Strafsystem so billig,
wirksam
und erzieherisch", wie das der Deportation. Das war's, was man in London hören wollte.
Man konnte nun mit gutem Gewissen dabei bleiben, den geschäftlichen Nutzen aus dem
"erzieherischen" System der Deportation zu ziehen.
Englands politische Moral in Selbstzeugnissen
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