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Englands politische Moral in Selbstzeugnissen. Friedrich 
Hussong.

Englischer Bankerott in Amerika

So in Europa, so in Asien, so - wir wollen auch dorthin noch blicken - in Amerika, in Afrika, in Australien.

William Pitt, Earl of Chatham
Wm. Pitt, Earl of Chatham
[The Carnegie Library of Pittsburgh]
Der Abfall Amerikas von England ist schon gestreift. Frankreich hat heute vergessen, daß Englands Amerikapolitik ihren Hauptantrieb erhielt aus dem englischen Bedürfnis, dem "unvermeidlichen und natürlichen Feinde", Frankreich, seine Kolonien zu rauben. Über diese Politik des älteren Pitt urteilt Lecky in seiner Geschichte des 18. Jahrhunderts: "Nicht zufrieden damit, Frankreichs Flotten beinahe vernichtet zu haben, wünschte er, dieses Land seines ganzen Kolonialbesitzes zu berauben und ihm jeden Anteil an der Fischerei in Neufundland abzuschneiden, die in seinen Augen die Brutstätte für Frankreichs Seeleute war. Vor einiger Zeit, sagte er inmitten seiner Triumphe, wäre ich noch zufrieden gewesen, Frankreich auf die Knie zu beugen; jetzt werde ich nicht ruhen, bis es auf dem Rücken liegt... Von dem Elend, das der Krieg hervorruft, scheint er sich niemals eine Vorstellung gemacht zu haben" - natürlich nicht, da England damals wie es auch heute noch möchte, Krieg immer nur in fremden Ländern mit fremden Soldaten führte.

Auffallend, wie völlig man im Amerika Franklin Roosevelts und der Frankfurter, Morgenthau, Brandeis und Baruch vergessen hat, welcher Art die "politische Moral" war, die
Edmund Burke
Edmund Burke
[Web of English History]
England dort bis zur Losreißung der USA. praktiziert hatte. Ihm war Amerika nichts als eine Melkkuh, ein Steuerobjekt, das man mit Hilfe eines "kommerziellen Systems" ausquetschte, auf dessen Früchte England sich ein Monopol vorbehielt. Edmund Burke sagte darüber in einer bis heute berühmt gebliebenen Rede des Jahres 1744:

"Kein Geschäft wurde von diesem Zwang (des 'kommerziellen Systems' zum monopolisierten Vorteil Englands) freigelassen, außer etwa, um die Kolonisten in den Stand zu setzen, über das zu verfügen, was wir doch nicht nehmen konnten, oder um sie in den Stand zu setzen, uns die Artikel abzunehmen, die wir ihnen aufzwangen, und die sie ohne ein gewisses Maß von Freiheit nicht bezahlen konnten. Dieser Grundsatz des kommerziellen Monopols zum ausschließlichen Vorteil Englands geht durch nicht weniger als 29 Parlamentsakte von 1660 bis zu der unseligen Periode von 1764 hindurch."

Denselben älteren William Pitt aber, der im Kampf gegen Frankreich das amerikanische Kolonialreich Englands schuf, hören wir 1777 als greises Mitglied des englischen Parlaments über die britische Kriegführung gegen die um ihre Befreiung vom britischen Joch kämpfenden Nordamerikaner ein merkwürdiges Zeugnis ablegen:

    "Wie kann man unsere Gegner im Felde den feilen Söldlingen, den Söhnen des Raubes und der Plünderung ausliefern, indem man sie und ihre Habe der Raubgier und Grausamkeit von Mietlingen preisgibt? Und wer ist der Mann, der zur Schändung unseres Heeres es angeordnet oder nur erlaubt hat, daß sich unseren Waffen das Skalpmesser der Wilden zugesellt? Wer wagt es, unser Bündnis mit den Wilden und unmenschlichen Rothäuten zu verantworten? Wie kann man die Schrecken einer solchen barbarischen Kriegführung gegen unsere christlichen Brüder loslassen? Diese Ungeheuerlichkeiten schreien nach Abstellung und Strafe; sie werden ein Schmutzfleck auf unserem nationalen Charakter sein. Oder wäre militärisches Ehrgefühl vereinbar mit Rauben, Brennen und Morden? Die Amerikaner sind keine Rebellen, sie sind keine wilden, vogelfreien Banditen, deshalb muß ich die sinnlose Härte unserer Strafandrohungen beklagen, unsere Proklamation, die die Gegner für Verräter und Rebellen erklärt, mit all den verhängnisvollen Folgen, mit Kriegsgericht und Gütereinziehung. In einem gerechten und notwendigen Kriege würde ich für Ehre und Recht meines Vaterlandes mir das Hemd vom Leibe ziehen lassen; aber zu einem solchen Kriege, wie dieser, ungerecht in seiner Grundlage, ungeschickt in seiner Durchführung und verderblich in seinen Folgen werde ich auch nicht einen einzigen Schilling beitragen."

Sir George Otto Trevelyan
Sir George Otto Trevelyan
[Detail: Gemälde von Lady Fanny Holroyd]
Ein anderes Urteil über die politische Moral Englands, wie es sie während des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges praktizierte. In starker Zusammendrängung die Quintessenz der Auffassung, die G. O. Trevelyan in seiner Amerikanischen Revolution ausführlich darlegt.

    "Als im Sommer 1778 die englische Regierung es als aussichtslos aufgegeben hatte, die Nord- und Mittelstaaten der Union wiederzugewinnen, änderte sie 'die ganze Natur des Krieges', d. h. sie führte ihn von da ab vor allem gegen die bürgerliche Bevölkerung des Gegners und suchte dessen Land zu verwüsten. Ein Mitglied der Regierung bewies im Parlament, daß das Niederbrennen unbefestigter Städte vollständig im Einklang mit den völkerrechtlich anerkannten Grundsätzen der Kriegführung sei, da diese ja doch 'die Pflanzschulen der Soldaten' seien. Als wirksamstes Werkzeug für diese Kriegführung benutzten die Engländer die Indianer. Und zwar ließen sie diese nicht gegen die bewaffnete Macht der Union, sondern gegen die friedlichen Farmer los. Die Indianer plünderten und schlachteten und skalpierten ihre Opfer, ohne viel Rücksicht auf Geschlecht, Alter und politische Ansichten. Da die Engländer aber die Humanität in keiner Lage vergessen, so ermahnte ihr General Bourgogne seine Indianer, die er aus 17 Stämmen zusammengezogen hatte, zu menschlicher Kriegführung. Er tat es auf Englisch, weil er nicht Indianisch konnte - und wenn die Indianer kein Englisch verstanden, war es nicht seine Schuld. Er ermahnte sie also bei ihrer Ehrfurcht für die christliche Religion und bei ihrer wohlbekannten und wohldurchdachten Überzeugung von dem Rechte des englischen Parlamentes, ihre Tomahawks zu ergreifen und sich um die Standarte Seiner Majestät zu scharen; er beschwor sie, bei denselben menschlichen und göttlichen Gesetzen, nicht ein Haar auf dem Haupt von Mann, Frau oder Kind zu berühren, solange diese lebten; über die Skalps der Toten wollte er mit sich reden lassen... 'Laßt uns doch diese christliche Ermahnung und christliche Einschärfung', sagte Burke darüber in einer seiner berühmtesten Reden, 'durch ein Bild deutlich machen, das uns vertrauter ist. Nehmen wir an, es gäbe einen Aufstand in Towerhill. Was würde der Hüter der königlichen Löwen (die damals im Tower gehalten wurden) tun? Würde er nicht die Käfige der wilden Bestien öffnen und so zu ihnen sprechen: Meine edlen Löwen, meine menschlichen Bären, meine sanftherzigen Hyänen, zieht aus gegen den aufrührerischen Pöbel zur Unterdrückung und zur Sühne; aber ich ermahne euch, da ihr doch Mitglieder einer zivilisierten Gesellschaft seid, gebt acht, daß ihr weder Mann noch Frau noch Kind verletzt!'"

England hat nach der Losreißung der USA. nicht aufgehört, sich weiter in deren eigenste Angelegenheiten einzumischen; seltsam genug, daß die New Yorker Maßgeblichen heute dennoch eher von den Deutschen und den Saturnbewohnern*** als von den Engländern Einmischung und Einfall glauben befürchten zu müssen. Mehr als einmal war die englische Regierung im Begriff, tätig und tätlich für die Sklavenhalter des Südens gegen den abolitionistischen Norden Partei zu ergreifen. "Gründe" dafür waren ja immer so billig zu haben wie Brombeeren, aristokratische Gründe und liberale, freihändlerische, politische, ethische und religiöse "Gründe". Die Times berief sich für das englische Eintreten gegen die Sklavenbefreiung darauf, daß ja "die Sklaverei in der Bibel nirgends ausdrücklich verboten" sei. Das zeitweilige Mißgeschick Lincolns und seiner Freunde im Kampfe für die Sklavenbefreiung war den englischen Staatsmännern und Journalisten, war vor allem auch den Geistlichen der englischen Kirche und war der englischen "guten Gesellschaft" ein Gegenstand schadenfrohen Hohnes. Als nachher dennoch die Siege Grants und Meades über die Südstaaten gewonnen wurden und nicht mehr nach dem heute noch geübten und zur Vollendung ausgebildeten englischen "Nachrichtensystem" verheimlicht werden konnten, wurden sie in London sehr übel aufgenommen. "In einigen Clubs wurde geradezu sittliche Entrüstung laut, daß so etwas telegraphiert und in den Zeitungen gedruckt werden durfte." Streitverfahren wegen der englischen Kaperschiffe schleppten sich noch zehn Jahre lang hin. Ein Genfer Schiedsgericht machte noch im September 1872 England für die durch die "Alabama" und zwei andere Kaperschiffe den Nordstaaten verursachten Verluste verantwortlich. England mußte eine Entschädigung (samt Zins und Zinseszinsen) von 15½ Millionen Dollars "wegen Bruch der Neutralität" an die Vereinigten Staaten zahlen. Im Weltkrieg aber sah man die englischen Freibeuter unter amerikanischer falscher Flagge mit dem Beifall Amerikas fahren, und heute muß die Welt gewärtig sein, dasselbe Schauspiel zu erleben, ja hat es schon erlebt.

Englische Tatsachen das, die nicht minder als die Zeugnisse der besten Männer Englands grelles englisches Licht auf die englische politische Moral werfen.




 
Gebrochene Verträge

In Amerika, wo der Präsident in fashionablem Gottesdienst für den Sieg Englands betet und um Stärke für Englands König, die dieser in der Tat wird brauchen können, sollte man doch nicht so viel und laut von der Heiligkeit der Verträge sprechen, für welche der Krieg gegen Deutschland angeblich geführt wird. In Amerika sollte man, wenn sich's um England handelt, nicht zu viel von gebrochenen Verträgen sprechen. Denn das heißt im Hause des Gehenkten vom Strick reden. Der deutsche Außenminister hat in seiner Auseinandersetzung mit Herrn Chamberlain, der auch so gern vom "Wortbruch" spricht, an den Londoner Vertrag von 1915 zwischen England und Italien erinnert. Wer hat den gebrochen? Wer hat zur Beschönigung dessen den Kulturträger Haile Selassie gegen den Barbaren Mussolini auf den Schild gehoben? Wer freilich hat sich dabei eine Weltblamage und eine Weltniederlage trotz der Gebete Roosevelts zugezogen? Herr von Ribbentrop hat auch an den Wort- und Vertragsbruch Englands gegen die Araber erinnert, der hier schon gebrandmarkt wurde, und der den stur alle Wirklichkeit und Wahrheit der Dinge leugnenden Engländern freilich auch nichts anderes einbrachte, als zwanzig Jahre blutiger Lächerlichkeit und grotesker Hilfslosigkeit gegen das in Palästina revolutionierende Weltjudentum, dem England sich verschrieb und das nun ganz nach Shylock-Weise auf seinem Schein besteht.

Wie die Hilfe der Araber, so hat England - wir sahen es - im Weltkrieg auch die Inder durch einen ungeheuerlichen Wortbruch erkauft und betrogen und versucht, heute erneut die Hilfe Indiens um denselben Preis zu erkaufen.

Amerika aber brauchte sich nur eigenen Erlebens zu erinnern, um zu wissen, was englisches Wort und englischer Vertrag bedeuten. Noch warten zwar nicht seine jüdischen Kriegsgewinnler, die ihre Schäfchen im Trocknen haben, aber die amerikanischen Gojim auf den ersten Pfennig englischer Rückzahlung auf die Milliardenschulden für die amerikanischen Kriegslieferungen an England im Weltkrieg. Sie warten umsonst.

Und wenn Amerika weiter zurückdenkt, muß es in der Geschichte seiner Beziehungen zu England seit mehr als 150 Jahren eine Geschichte englischer Wort- und Vertragsbrüche erkennen. Denn wer brach ihm den Friedensvertrag von 1783? Wer verweigerte die vertraglich vereinbarte Räumung der Stadt New York? Wer verschleppte ihm seine Sklaven, das Privateigentum seiner Bürger? Wer brach 1794 seine Hoheitsrechte durch militärischen Einfall? Wer brach 1795 den englisch-amerikanischen "Jay Treaty", einen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrts-Vertrag, durch Überfall auf amerikanische Kriegsschiffe? Wer brach den "Treaty of Gheat" vom Jahre 1815, indem er seine Erfüllung bis 1828 verweigerte und bis dahin mit widerrechtlichen Sklavenverschleppungen fortfuhr? Wer brach den "Clayton-Bulwer-Vertrag" von 1850 aus machtpolitischen Ansprüchen in Amerika? Wer bestand auf diesem Vertragsbruch bis 1894? Und wer ist heute der einzige amerikanische und der einzige Staat der Welt überhaupt, der trotz der Monroe-Doktrin als Nichtamerikaner seine Machtansprüche in Amerika aufrechterhält? England, immer England. Dasselbe England, das zu gleicher Zeit das dumm-gefährliche Gefasel von deutschen Eroberungsabsichten in Amerika pflegt und fördert und in Amerika dafür Ohren findet, die willig sind, zu hören. Major John Bigelow errechnet, daß England, der Verfechter der Heiligkeit der Verträge, von 1783 bis 1913 von 30 Verträgen mit den USA. nicht weniger als acht gebrochen hat.




 
Peitsche und Galgen auf Jamaica

Sollte in Amerika jemand daran interessiert sein, andere Beispiele für englische politische Moral auf amerikanischem Boden sich zu vergegenwärtigen, so erinnere er sich der Vorgänge des Jahres 1865 auf Jamaica. Dort war die Sklaverei im Jahre 1838 zwar aufgehoben, der grausame Druck auf die Negerbevölkerung aber nicht leichter, sondern schwerer geworden. Das führte zu einem Tumult der Gequälten. "Es ist noch heute streitig", sagt der hier berufenste englische Historiker MacCarthy, "ob etwas mehr vorlag als der unvorbereitete Putsch einer aufgeregten Menge." Der Gouverneur aber verhängte den Belagerungszustand. Der Negerabgeordnete Gordon, der in durchaus gesetzlicher Weise für seine Rassegenossen eintrat, wurde verhaftet, seinem ordentlichen Gericht entzogen, vor ein
Sir Alexander James Edmund Cockburn
Sir Alexander James Edmund Cockburn
[National Portrait Gallery, London]
Kriegsgericht aus zwei jungen Seeoffizieren und einem Infanteriefähnrich gestellt, zum Tode verurteilt und hingerichtet. "Der ganze Prozeß", schreibt MacCarthy und weist das im einzelnen nach, "war schlechthin ungesetzlich von Anfang bis zu Ende. Jeder einzelne Schritt darin eine Verhöhnung des Rechts. Wenn der tragische Ausgang nicht wäre, würde man das Ganze eher für eine Posse halten als für nüchterne Wirklichkeit." Der englische Oberrichter Cockburn stellte fest, daß von den erhobenen Zeugenaussagen neun Zehntel nach den Regeln des bürgerlichen und des militärischen Rechtsverfahrens hätten verworfen werden müssen.

Der Putsch selber hatte an einem Tag begonnen und geendet. "Kein Soldat hatte einen bewaffneten Aufständischen mit Augen zu sehen bekommen;" - immer nach dem Zeugnis des guten Engländers und gewissenhaften Historikers MacCarthy, - "dennoch wurde nun wochenlang das Hängen, Peitschen, Brandstiften fortgesetzt im Namen der englischen Regierung", und des Rechtes, welches "im englischen Blute das Lebenselement ist". - "Männer wurden gehängt, Frauen ausgepeitscht, lediglich weil sie verdächtig waren, verdächtig zu sein." 439 Personen wurden getötet, über 600 ausgepeitscht; 1000 Häuser verbrannt. Die Peitschen für den "Strafvollzug" wurden eigens aus Klavierdraht hergestellt; eine eingesetzte Untersuchungskommission erklärte, es sei grauenhaft zu denken, daß Menschen ein solches Werkzeug für die Marterung von Menschen könnten gebraucht haben. - All das in der Blütezeit der victorianischen Aera.




 
Englische Segnungen auf Neufundland

Geradezu ein Musterbeispiel für die Segnungen britischer Kolonialtätigkeit auf amerikanischer Erde ist seit 350 Jahren Neufundland. Trotz des Reichtums an Bodenschätzen ernähren sich die Einwohner Neufundlands immer noch kläglich vom Fischfang; wir hörten ja den älteren Pitt erklären, daß ihm nur deshalb daran lag, Neufundland den Franzosen zu entreißen, weil diese Fischerbevölkerung ihnen die Seeleute für ihre Kriegsflotte lieferte. Für die Entwicklung der reichen Schätze Neufundlands zugunsten seiner Bewohner hat England nicht einen Finger gerührt. Über den infolgedessen grauenhaft zurückgebliebenen Zustand Neufundlands berichtet der Engländer Morley Richards im Londoner Daily Express vom Frühjahr 1939: "In Britanniens ältester Kolonie stehen Tausende von arbeitslosen Fischern und ihre Angehörigen vor dem Verhungern; ihre Kleidung besteht aus zerschnittenen Säcken, und ihre Kinder laufen in der arktischen Kälte halb nackt umher." Die Eskimos und Grönländer, sieht man, haben es ohne die Europäer weiter gebracht. - "Ein Viertel der Bevölkerung, über 70.000, lebt von der Fürsorge. Sie wird nicht bar, sondern in Lebensmitteln im Werte von 80 Pfennigen am Tage, bei Kindern unter fünf Jahren im Werte von 9 Pfennigen ausgezahlt. Weitere 50.000 Menschen verdienen nur wenig über diesen Unterstützungssatz hinaus. Viele Frauen und Kinder verlassen im Winter überhaupt nicht ihre Behausung, weil sie nichts anzuziehen haben und in ihren Wohnungen so gut wie nackt herumlaufen. Tausende leben auf einsamen Felsen, von denen der Weg zum nächsten Arzt Hunderte von Meilen beträgt, und selbst der Weg zum Friedhof führt weit über eisige weglose Berge. Es besteht kein Schulzwang, noch ist der Schulbesuch frei. 14.000 Kinder gehen überhaupt nicht zur Schule, vier Fünftel von allen verlassen sie im Alter von zwölf Jahren... Kinder von zehn Jahren werden zusammen mit erwachsenen Verbrechern in das Gefängnis geworfen. Die Hauptnahrung der Säuglinge ist Büchsenmilch. 20.000 Menschen leiden an offener Tuberkulose, aber in ganz Neufundland gibt es keine Lungenheilstätte."

Der Economist vom 17. Juni 1939 nennt Neufundland einen "Morast". Er findet es unmöglich, daß die Dinge so weitergehen sollten. Die Times schrieb am 24. August 1939 noch: "Viele leben tatsächlich nur von der Hoffnung. Am Ende des Winters bekamen 85.000 von 290.000 Bewohnern Unterstützung, und zwar 3 Pence pro Tag (etwa 15 Pfennige). Zahlreiche Familien sind ohne ausreichende Nahrung und Kleidung; ein amtlicher Bericht hat Zustände zugegeben, 'die in einem britischen Gemeinwesen nicht zugelassen werden sollten'. Nach dem Zensus von 1925 gab es 14.000 Kinder, die nicht zur Schule gingen. Die Schulen sind schlecht eingerichtet, die Lehrer unwissend und schlecht bezahlt. Die Eltern oft nicht in der Lage, die Schulbücher zu kaufen. Die Wohnverhältnisse sind oft erschreckend, die Hygiene primitiv. So ist es kaum überraschend, daß die Kindersterblichkeit 102,8 auf 1.000 Lebendgeburten beträgt und 18 Menschen von 10.000 an der Schwindsucht sterben. Vor zwei Jahren stellte der Gouverneur fest, daß 60 v. H. der Bevölkerung weder ärztliche Hilfe noch Krankenpflege erhalten konnten." Welcher Hohn, daß Herr Chamberlain am 3. Oktober 1939 im Unterhaus bei seiner "Abrechnung" mit Deutschland das englische Volk dadurch zu ermutigen suchte, daß er ihm mitteilte, Großbritannien habe eine "großartige Hilfe" durch Neufundland und Südrhodesien in Aussicht. In Südrhodesien leben 53.000 Weiße, und was von den 290.000 Bewohnern des Neufundländischen "Morastes" zu erwarten ist, läßt sich an den Fingern abzählen.

Stanley Baldwin
Stanley Baldwin
[Probert Encyclopaedia]
Welche Ernte aus 350 Jahren englischer Kolonisationstätigkeit! Wer hat nun recht, der damalige britische Ministerpräsident Baldwin, der auf dem "Empire Day" 1925 das britische Reich ein brüderliches "Gemeinwesen britischer Nationen" nannte, oder der oppositionelle Abgeordnete Wedgwood, der noch im Juni 1939 erklärte, die Kolonialpolitik Englands stehe "auf einem so niedrigen Niveau, daß es allenthalben in den Kolonien zu Unruhen komme; die Engländer sollten sich den Wahn aus dem Kopf schlagen, daß sie die göttlichen Lenker der niedrigeren Völker seien".



Bereit zum Kampf gegen die Marsmenschen

Anmerkung

***Eine sarkastische Bezugnahme auf Orson Welles' Radiosendung "War of the Worlds" vom 30. 10. 1938. Die äußerst realistisch gestaltete Sendung (wohl als Hallowe'en-Scherz gedacht) löste Panik unter der amerikanischen Bevölkerung aus, die allen Ernstes glaubte, die Erde würde von Marsmenschen angegriffen. (Anm. d. Scriptorium.) ...zurück...

Rechts: Bill Dock, ein Farmer aus New Jersey, trifft Vorbereitungen zur Abwehr der Eindringlinge vom Mars. Foto aus dem Life Magazine vom Nov. 1938.


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