Die Bemäntelung des Betruges durch die koloniale Schuldlüge Es soll zunächst gezeigt werden, daß es sich bei diesem Verfahren der Alliierten um die Aufstellung und Benutzung unwahrer Behauptungen zu dem Zwecke handelt, der vertragswidrigen Wegnahme der deutschen Kolonien durch Gewaltdiktat einen moralischen Mantel umzuhängen. Hätte Deutschland tatsächlich seine Eingeborenen so schlecht behandelt, wie nach dem Kriege der Welt weisgemacht werden sollte, wären solche Fehler und Mängel vorhanden gewesen, wie sie die Noten zum "Friedensvertrag" und sonstige amtliche Kundgebungen der Entente [Scriptorium merkt an: z. B. hier!] behaupten, so müßte dies doch schon vor dem Kriege in den Berichten ausländischer Beobachter hervorgetreten sein. Die fremde Kritik pflegt, wenn wirklich Greueltaten im großen Stil begangen werden, nicht zurückhaltend zu sein. Die ganze Welt hallte jahrelang wider von den entsetzenerregenden Berichten über die belgischen Kongo-Greuel. Hat sich vor dem Kriege irgendwo in der Welt eine ähnliche Bewegung gegen deutsche Kolonisation erhoben, wie seinerzeit gegen die belgische und französische im Kongo? Wenn man die Berichte fremder Kolonialsachverständiger und Reisender über deutsche Kolonien durchblättert, so findet man nichts Derartiges, sondern im Gegenteil häufig genug anerkennende Urteile über deutsche Kolonialtätigkeit. [24] Es sollen aus der Fülle solcher Äußerungen hier nur einige wenige angeführt werden:1 In der Sitzung des Royal Colonial Institute vom 13. Januar 1914 sagte Viscount Milner als Vorsitzender nach einem Vortrag eines deutschen Professors:
"Großbritannien hatte eine lange und sehr vielseitige Erfahrung als kolonisierendes Land. Deutschland ist verhältnismäßig ein Neuling auf kolonialem Gebiet und hat sich, nachdem es eingetreten ist, seiner ungewohnten Aufgabe mit charakteristischer Gründlichkeit und Energie unterzogen. Es würde ein großer Fehler sein zu glauben, daß wir von seiner Erfahrung auf diesem Gebiet nichts zu lernen haben, wie auch Deutschland viel, auf jeden Fall aber etwas zu lernen hat von unserer langen Geschichte als Kolonialvolk." Bei derselben Gelegenheit sagte George Foster, Parlamentsmitglied und Handelsminister von Kanada: "Die Kraft und Stärke und das System, mit dem Deutschland sich in den letzten Jahren der Arbeit der ausländischen Kolonisation unterzogen hat, ist sehr beachtenswert gewesen." Robert Melville sagte: "Achtung sei der wissenschaftlichen Art und Weise, mit der Deutschland seine Hilfsquellen entwickelt hat, bereits gezollt worden; es sei keine Frage, daß Deutschland weitere gewaltige Fortschritte gemacht hätte. Die Arbeitsmengen, die Deutschland im Kolonisieren geleistet hat, gereichten ihm zur Ehre." Der frühere englische Kolonialgouverneur Sir Harry Johnston sagte kurz vor dem Kriege in einem Kolonialvortrag, den er in Stuttgart hielt: "Wenn von den großen Kolonialvölkern der Welt gehandelt wird, ist es schwierig, zwischen den Deutschen und den Engländern einen Unterschied zu machen!" Nur 2 Jahre vor dem Kriege befürwortete der Rev. J. H. Harris in seinem Buch Dawn in darkest Africa (1912) die Vermehrung des deutschen Kolonialreichs in Afrika, indem er die Übertragung des Oberen Kongo und des Belgischen Kongo auf Deutschland vorschlug. Er schrieb:
"Großbritannien hat ein volles Maß von Verantwortlichkeiten in dem afrikanischen Kontinent. Frankreich, Belgien und Portugal haben, selbst wenn sie wünschen würden, ihre tropischen Besitzungen zu vergrößern, noch nicht eine Rechtfertigung dafür gegeben. Ganz im Gegenteil. Eine Macht allein - Deutschland - ist nicht nur fähig, sondern offenbar auch begierig, seine kolonialen Besitzungen zu vermehren..." (S. 301). Sein Gedanke war, daß Belgien in barem Geld bezahlt werden sollte und daß zugunsten Frankreichs eine Rektifikation der Grenze von Elsaß-Lothringen stattfinden sollte oder daß diesem Autonomie gegeben werden sollte. In der Monatsschrift United Empire vom Juli 1913 schreibt L. Hamilton in einem Artikel über die deutschen Kolonien: "Wo immer der Deutsche sein mag, der Schulmeister ist immer dabei; in Verbindung mit den Missionaren haben die Kolonialregierungen die Erziehung der Eingeborenen zu einer geradezu bewundernswerten Größe entwickelt." Zwei englische Beamte aus Nord-Rhodesia, Frank H. Melland und Edward H. Cholmeley, reisten 1907 durch Deutsch-Ostafrika. Sie fassen ihr Urteil in ihrem Buch Through the Heart of Africa, London 1912, wie folgt zusammen:
"Der allgemeine Eindruck, daß wir nicht viel von der deutschen Verwaltung Ostafrikas zu lernen fänden, ist auf eine oberflächliche oder rückständige Kenntnis der Tatsachen gegründet.... Natürlich beurteilten wir das deutsche System nach unserem eigenen und fanden in einigen Dingen Mängel daran; als eine Nation haben wir eine viel größere Erfahrung in der Beherrschung tropischer Länder gehabt und wir bemerkten schnell das, was wir als schwache Punkte in der deutschen Verwaltung betrachteten; aber zu gleicher Zeit sahen wir viel Bewundernswertes und das allgemeine Urteil muß, denken wir, eines der Beglückwünschung unserer Nachbarn sein (S. 93)... Im ganzen, wenn man berücksichtigt, wie neu die Kolonialarbeit für die deutsche Nation ist, haben sie allen Grund, stolz auf das zu sein, was sie in ihrem ostafrikanischen Schutzgebiet tun." (S. 101.) Schließlich noch zwei amerikanische Urteile. Der frühere Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, Theodore Roosevelt, schreibt in seinen Afrikanischen Wanderungen eines Naturforschers und Jägers, 1910, über die deutschen Pflanzer, Zivilbeamten und Offiziere: "Es waren Männer von unzweifelhafter Fähigkeit und Tatkraft; wenn man sie sah, so verstand man leicht, warum Deutschland in Ostafrika so zusehends emporgeblüht ist. Es sind [26] erstklassige Menschen, diese Engländer und Deutschen; beide verrichten in Ostafrika ein Werk, das der ganzen Welt zugute kommt." Sein Landsmann E. A. Forbes, der längere Zeit in Afrika geweilt hat, schreibt 1911 in der amerikanischen Review of Reviews:
"Von allen Schutzherren in Afrika hat der Deutsche die reinsten Hände und die besten Aussichten. Sein Eindringen in Afrika war charakterisiert durch die geschickteste Diplomatie, aber selbst seine bittersten Feinde würden kaum sagen können, daß er nicht fair handelte. Ich habe die Deutschen in ihrem Verhalten gegenüber ihren halbwilden Protégés an der Westküste aus der Nähe beobachtet. Verwaltung und Regierung auf dem dunklen Kontinent sind in weitem Maße eine Frage des Temperamentes, und allem Anschein nach sind die Deutschen weniger geneigt als andere Weiße, dem Ärger und der Aufregung nachzugeben. Ich habe alle weißen Rassen studiert, welche in der Arbeit, Afrika zu erwecken, tätig waren, und ich kann mich der Überzeugung nicht verschließen, daß der deutsche Eingeborene sich ebenso hoch wie die anderen, wenn nicht höher entwickeln wird." Wenn im übrigen die deutsche koloniale Wirksamkeit so übel gewesen wäre, wie sie in den Noten zum Versailler "Frieden" dargestellt wird, wie wäre es dann erklärlich, daß die englische Regierung dem Deutschen Reich vor dem Kriege große weitere Kolonialgebiete vertragsmäßig zu überlassen im Begriff war? Auf Grund längerer Verhandlungen zwischen den beiden Mächten wurde unmittelbar vor Ausbruch des Krieges ein deutsch-englischer Vertrag vereinbart, welcher Deutschland große Teile der portugiesischen Besitzungen in Afrika für den Fall zusprach, daß die Portugiesen aus finanziellen Gründen sich genötigt sehen sollten, diese Kolonien aufzugeben. Wäre tatsächlich, wie es in der Mantelnote vom 16. Juni 1919 heißt, das Verfahren Deutschlands in seinen Kolonien ein derartiges gewesen, daß man ihm unmöglich die Verantwortung für die Ausbildung und Erziehung eingeborener Bevölkerungen wieder übertragen könnte, so müßte doch das Verhalten Englands bei den erwähnten Vertragsverhandlungen, durch die es zahlreiche weitere Eingeborenenstämme eben demselben Deutschland überantworten wollte, in einem recht merkwürdigen Licht erscheinen. In Wirklichkeit zeigt auch dieser Vorgang, daß es sich bei den Beschuldigungen deutscher Kolonialtätigkeit um eine nachträglich zum bestimmten Zwecke aufgebrachte Lüge handelte. Die koloniale Schuldlüge wurde im Weltkrieg allmählich erst von privater, dann von amtlicher Seite aufgenommen, bis sie bei der Aufzwingung des Versailler "Friedens" als wesentliche Stütze der kolonialen Bestimmungen desselben verwendet wurde. Eine private Agitation in England für Aneignung deutschen [27] Kolonialbesitzes und im Zusammenhang damit Angriffe gegen Deutschlands koloniale Tätigkeit traten schon frühzeitig während des Krieges auf, aber die englische Regierung hielt sich während der ersten Kriegsjahre zurück. Erst 1917, als mit dem Eintritt der Vereinigten Staaten von Amerika in den Krieg die Aussicht auf die Erringung des Sieges näher zu rücken schien, trat auch die englische Regierung mit Erklärungen vor die Öffentlichkeit, welche auf die Wegnahme deutscher Kolonien und deren Rechtfertigung durch Diskreditierung der deutschen Kolonialverwaltung abzielten. Im März 1917 wurde ein Sonderausschuß von Vertretern der Wissenschaft und anderen geeigneten Persönlichkeiten eingesetzt, der das Material für die englischen Delegierten bei den künftigen Friedensverhandlungen vorbereitete. Von diesem Ausschuß wurden auch die Angriffe gegen die deutsche Kolonialverwaltung in einseitigster Weise zusammengestellt. Ganz entschlossen wurde das Auftreten des amtlichen Englands in dieser Angelegenheit, als im Juli 1918 mit der Gegenoffensive der Entente das Kriegsglück sich gegen Deutschland wendete. Auch dieser historische Rückblick läßt erkennen, daß die koloniale Schuldlüge aufgebracht und ausgestaltet wurde als Werkzeug zur Erzielung politischer Zwecke.
|