II. Das Deutschtum in eigenen Staatsgebilden 1. Luxemburg Das Großherzogtum Luxemburg nimmt im Rahmen der deutschen Grenzlandprobleme eine Stellung ein, die der Elsaß-Lothringens (vgl. S. 50 ff.) in vieler Hinsicht verwandt ist. Auch hier haben wir es mit einer unzweifelhaft deutschen Bevölkerung zu tun, die aber kulturell zwischen den Nationen steht und bei der der französische Einfluß auf vielen Lebensgebieten beträchtlich ist. Die Geschichte des kleinen Großherzogtums ist sehr wechselvoll und bewegt. Im Mittelalter war Luxemburg mit dem Deutschen [19] Reiche fest verbunden. Das größere Luxemburg der Vergangenheit - dessen Grafengeschlecht mit Heinrich VII. sogar den deutschen Kaiserthron bestieg - war bis 1214 ein rein deutschsprachiges Gebiet, wurde dann aber durch Gebietserwerbungen doppelsprachig, jedoch blieb der deutsche Einfluß entscheidend. 1839 ging die größere wallonische Hälfte an Belgien verloren, mit ihr freilich auch das deutsche Sprachgebiet um Arel (vgl. S. 47); seither umfaßt das heutige Großherzogtum Luxemburg wieder ausschließlich deutschen Volksboden. Von den 261 000 Einwohnern im Jahre 1922 waren sicherlich wenigstens 240 000 deutschsprachig, da auch von den 33 000 im Lande ansässigen Ausländern etwa die Hälfte aus deutschsprachigen Ländern stammte. Nach 1839 blieb auch der politische Zusammenhang mit Deutschland zunächst noch gewahrt; das Großherzogtum war Mitglied des Deutschen Bundes und sandte seine Vertreter zur Nationalversammlung von 1848, die Stadt Luxemburg erhielt als Bundesfestung eine preußische Besatzung. Auch kulturell bestand damals im Lande eine starke Bewegung zum Deutschtum, die jedoch schwer mit dem seit langem herrschenden französischen Einfluß zu kämpfen hatte. 1867 jedoch, als nach der Auflösung des Deutschen Bundes die staatsrechtliche Stellung des Landes unsicher war und der Plan seiner Einverleibung in Frankreich fast einen preußisch-französischen Krieg hervorgerufen hätte, wurden die bisherigen staatsrechtlichen Bindungen zu Deutschland gelöst; die preußische Besatzung der Festung Luxemburg zog ab, das Land selbst wurde neutralisiert und seine Neutralität unter die Garantie aller Großmächte gestellt. Die Bindung zu Deutschland blieb jetzt lediglich noch wirtschaftlicher Natur; es bestand Zollunion mit dem Reich, und die luxemburgischen Eisenbahnen wurden von den elsaß-lothringischen Reichsbahnen verwaltet. Die Zollunion mit dem Reich ist namentlich für die luxemburgische Schwereisenindustrie, den wichtigsten Industriezweig des Landes, von großer Bedeutung gewesen. Grundlage dieser Schwereisenindustrie sind die Minettevorkommen, die sich außerdem auf Lothringen und Nordfrankreich (Longwy und Briey) verteilen und an denen auch Luxemburg Anteil hat. Ähnlich wie bei Lothringen entwickelte sich zwischen Luxemburg und der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie ein Austausch von Ruhrkohle und Ruhrkoks auf der einen, Minetteerzen bzw. Roheisen auf der anderen Seite (vgl. S. 62). [20] Der unglückliche Ausgang des Weltkrieges hat die bestehenden Bindungen zwischen Deutschland und Luxemburg noch weiter geschwächt, zumal der Durchmarsch deutscher Truppen und die Besetzung des Landes während des Krieges im Lande selbst eine stark antideutsche Stimmung ausgelöst hatten. Mit dem 31. Dezember 1918 trat Luxemburg aus der Zollunion mit dem Reiche aus, auch die deutsche Verwaltung der Eisenbahnen wurde aufgehoben. Da Frankreich ein Wirtschaftsbündnis mit Luxemburg ablehnte, schloß das kleine Land 1921 eine Zollunion mit Belgien.
Zu dem ungemischten deutschen Volkstum der Bewohner des
Großherzogtums steht die Rolle der französischen Sprache im
öffentlichen Leben in einem merkwürdigen Gegensatz: sie ist noch
eine historisch zu erklärende Erbschaft aus der Vergangenheit, in der das
alte Luxemburg auch Gebiete romanischen Volkstums umfaßte. Ganz
besonders zeigt sich dieser Gegensatz in der Staatsverwaltung und in der Schule.
Gesetze und Verordnungen werden zwar in deutscher und französischer
Sprache veröffentlicht, maßgebend ist aber der französische
Text. Ebenso sind bei den Beratungen der Abgeordnetenkammer beide Sprachen
zulässig, das Französische überwiegt aber. In der Volksschule
wird deutsch unterrichtet, dem französischen Unterricht ist jedoch bereits
vom zweiten Schuljahr ab breiter Raum gegeben. In den Mittelschulen ist in der
Unter- und Mittelstufe das Deutsche nur Hilfssprache, in der Oberstufe wird
ausschließlich Französisch unterrichtet. Dagegen spielt im
täglichen Leben die luxemburgische Mundart die Hauptrolle, und zwar
wird sie von allen Volksschichten, auch von den oberen, gesprochen. Aber leider
kann kein Zweifel daran bestehen, daß sich der kulturelle Einfluß
Frankreichs nach dem Kriege sehr verstärkt hat; der französische
Unterricht gewinnt immer mehr an Raum und Bedeutung. So muß
festgestellt werden, daß in Luxemburg, ebenso wie im Elsaß und in
Lothringen, der grenzpolitischen Stellung des Deutschtums [21] durch den unglücklichen Kriegsausgang
beträchtlicher Abbruch geschehen ist. Was von deutscher Seite heute zur
Verstärkung dieser Stellung getan werden kann, liegt wesentlich auf dem
Gebiet der kulturellen Beziehungen, die auszubauen eine nicht zu
unterschätzende Aufgabe der deutschen Kulturpolitik sein sollte.
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