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Sie alle bauten Deutschland.
Ein Geschichtsbuch für die Volksschule.


Das Erste Deutsche Reich
bis zum Westfälischen Frieden (Teil 3)

Die Kämpfe zwischen Kaiser und Papst

Papst Gregor VII.

Von Otto dem Großen ab waren die Kaiser die Herren über die Kirche. Sie setzten die Bischöfe ein und hatten entscheidenden Einfluß bei der Wahl der Päpste.

Im 11. Jahrhundert wurde Gregor VII. Papst. Er steckte sich das Ziel, die Macht des Kaisers zu brechen und den Staat unter die Herrschaft der Kirche zu zwingen. Das Papsttum sollte die Weltherrschaft erlangen. Er stellte folgende Forderungen auf:

1. Der Papst wird von den Bischöfen in Rom (den Kardinälen) gewählt. Der Kaiser hat keine Entscheidung bei der Ernennung der Päpste.

2. Alle Geistlichen müssen unverheiratet bleiben und sollen in erster Linie dem Papst gehorchen.

3. Die Bischöfe erhalten ihr Amt nur vom Papst.

Mit diesen Forderungen rüttelte der Papst an den Grundlagen der Kaisermacht. Die geistlichen Fürsten beherrschten fast die Hälfte des deutschen Landes und waren dem Kaiser zur Heeresfolge verpflichtet. Ohne sie war der Kaiser fast machtlos. Darum entbrannte ein heftiger Kampf zwischen Kaiser und Papst, der jahrhundertelang die Geschicke des deutschen Volkes stark beeinflußt hat.

 
Kaiser Heinrich IV.

König Heinrich IV. trat den Machtgelüsten Gregors scharf entgegen. Die deutschen Bischöfe standen ihm bei und erklärten Gregor für abgesetzt. Darauf wurde der König vom Papst in den Bann getan. Gregor sagte, kein deutscher Fürst und kein Untertan brauche dem mit dem Bannfluch belegten König zu gehorchen. Einige deutsche Herzöge benutzten diese Gelegenheit, sich gegen Heinrich zu erheben. Sie riefen sogar den Papst als Schiedsrichter zwischen König und Fürsten an und verlangten, daß sich der König vom Banne befreie. Heinrich ging 1077 nach Kanossa in Oberitalien und veranlaßte Gregor, den Bannfluch aufzuheben.

 
Der Gang nach Kanossa

Krachend fiel am 28. Januar des Jahres 1077 die schwere Tür der Burg Kanossa hinter dem deutschen König Heinrich IV. ins Schloß. Hastig warf er das rauhe Büßergewand ab, legte die Ritterrüstung an und gürtete sich das Schwert um. Dann ritt er nach Norden. In einem kleinen Orte machte er endlich halt, um dort die Nacht zu verbringen.

Aber lange hielt es der König in den dumpfen Räumen des Wirtshauses nicht aus. Ihm war zumute, als brächen die Mauern über ihm zusammen. Der Herrscher befahl, sein Roß zu satteln. Mutterseelenallein ritt er hinaus in den sinkenden Tag. In dichten Wolken wirbelte der Schnee herab. Nach einer Stunde planlosen Rittes sah der König in der Ferne Feuerschein.

Er hielt darauf zu und fand ein armseliges Gehöft. Ein Greis öffnete ihm die Tür. Gedankenlos fragte Heinrich nach dem Rückweg. Erstaunt starrte der Alte den Besuch an, der hier mitten im italienischen Lande Deutsch sprach. "Ein Ritter aus Deutschland? Ich war Krieger im Heere König Heinrichs III. Vor 20 Jahren blieb ich in diesem Lande zurück. Seitdem hause ich hier allein mit meinen Ziegen und Hühnern. Erzählt von Deutschland, Herr, tretet ein."

Bald saß der König auf der Holzbank in der verräucherten Stube neben dem offenen Herde und wärmte seine starren Glieder an den prasselnden Flammen. Der Greis stellte einen Krug feurigen, dunklen Weines vor den Gast auf den derben Tisch.

"Es sind böse Zeiten im Deutschen Reich," begann der König nach langem Schweigen, "niemand will gehorchen. Als König Heinrich mit 16 Jahren an die Regierung kam, hatten sich die Fürsten und Bischöfe angewöhnt, zu tun, was sie wollten. Jeder nahm an Schlössern, Burgen, Land, Reichsgütern und königlichen Rechten so viel, wie er bekommen konnte. Die Großen und Mächtigsten streckten die Raubkrallen am weitesten aus und wirtschafteten am meisten in die eigene Tasche. Aber der junge König schuf rücksichtslos Ordnung."

"Da gleicht er seinem Vater, meinem verstorbenen Herrn," unterbrach ihn begeistert der Bauer, "dem mußten die Fürsten ohne Widerspruch gehorchen." - "Aber sein Sohn hatte es schwerer," fuhr der Unbekannte seufzend fort, "denn zu den Feinden im Reich erwuchs ihm in Italien noch ein ganz gefährlicher Gegner. In Rom kam durch eine faule Wahl der Papst Gregor VII. auf den Thron, der behauptete: der Papst ist der Stellvertreter Gottes auf Erden. So, wie Gott über der Welt steht, so bekommt der König seine Macht vom Papst. Er kann Könige absetzen und Untertanen von der Treue gegen Fürsten entbinden, die sich den Geboten des Papstes nicht fügen wollen. Alle Königreiche der Welt sind Eigentum oder doch Lehen der römischen Kirche."

Der Hirt warf wütend ein Holzscheit in die Glut. Seine blauen Augen funkelten: "So eine Dreistigkeit! Der Papst soll sich um die Kirche kümmern. Dort hat er genug zu tun, um Ordnung zu halten. Die Länder zu regieren, ist nicht Pfaffensache."

Heinrich lachte bitter auf: "Aber damit nicht genug. Gregor VII. gebot außerdem noch: kein Priester darf heiraten. Kein geistliches Amt darf verkauft werden. Nur der Papst hat das Recht, Bischöfe zu ernennen und ihnen als Zeichen ihrer Würde Ring und Stab zu geben."

"Und was tat der König?" forschte der Alte atemlos. - "Unser König kümmerte sich nicht weiter um den herrschsüchtigen und zänkischen Papst. Als jedoch Heinrich den Bischof von Mailand belehnen wollte, schickte ihm der Heilige Vater einen Brief: 'Du hast kein Recht dazu. Den Bischofsstuhl besetze ich selbst.' - Die widerspenstigen Fürsten horchten auf. 'Nun bekommt der König Streit mit dem Papst!' frohlockten die Reichsverräter. Aber die deutschen Bischöfe standen ihrem Herrscher bei. Obgleich der Papst dem König drohte: 'Ich spreche den Bann über dich, wenn du nicht bis zur nächsten Fastensynode Beweise deiner Sinnesänderung gegeben hast', gab König Heinrich nicht nach. Da war der Streit im Gange: der König wollte oben sein und der Papst desgleichen." - "Da ist es klar und verständlich, daß der König das größere Recht hat", warf der Alte ein.

"Nun riß unserem König doch die Geduld. Er rief die 26 deutschen Bischöfe in Worms zusammen. Dort wurde die Absetzung des Papstes beschlossen. König Heinrich gebrauchte in seinem Schreiben nach Rom deutliche Worte: 'Ich, Heinrich, König der Deutschen, sage dir mit allen deutschen Bischöfen, steige herab vom Stuhle der Apostel für alle Zeiten, Verfluchter.' Aber Gregor war ein zäher Gegner, lieber Freund. - Er tat den König und seine Getreuen in den Bann und sprach alle Untertanen vom Eide der Treue und des Gehorsams los. Aber du weißt nicht, was es in Deutschland bedeutet, gebannt zu sein. Unter den räudigsten aller Hunde stehen, von allen gemieden, von allen verflucht werden. Wo ein Gebannter in der Kirche erscheint, hört der Gottesdienst auf, als sei der Teufel selbst gekommen; er wird nicht kirchlich begraben; seine Kinder bleiben ungetauft. Seine Seele gilt dem Teufel verfallen.

Heinrich kümmerte sich nicht weiter um den Bannstrahl. Aber die Fürsten waren Verräter. Unter ihnen wurde nun gemunkelt, 'um des Heils der Seele willen' dürfe man keinen König haben, der im Banne sei. Gregor selbst schrieb einen Brief, in dem er den König wie einen Knecht abkanzelte."

Jäh sprang der Alte von dem klobigen Schemel auf. "Wie gerne wäre ich ihm zu Hilfe geeilt, dem deutschen König. Herr, ich war dabei, als des Königs Vater auf einer Kirchenversammlung in Sutri drei Päpste auf einmal absetzen ließ. Das waren Zeiten! Niemand wagte auch nur zu niesen in der Versammlung."

"Hätten die deutschen Fürsten doch nur so gedacht wie du, Landsmann", entgegnete Heinrich. Er verstummte und blickte düster und sinnend auf die gefalteten Hände. Sein schönes Gesicht schien zu verfallen, und seine Lippen zuckten, als er weitersprach: "Das war das erstemal, daß ein Papst es wagte, den König der Deutschen zu bannen. Aber es kam noch schlimmer. Die untreuen Fürsten hielten ihre Zeit für gekommen. Sie trafen sich in der Stadt Tribur und vereinbarten auf dieser Verräterversammlung: wenn Heinrich nicht innerhalb vier Monaten vom Banne befreit ist, kann er nicht mehr unser König sein. Der Papst soll dann nach Augsburg kommen und als Schiedsrichter das Absetzungsurteil über ihn sprechen!

Die Bischöfe, die noch vor wenigen Wochen die Absetzung des Papstes beschlossen hatten, fielen auch ab. Die bangten um ihre fetten Pfründen in diesem 'irdischen Jammertal', und auch sie krochen alle vor dem Papst elendig zu Kreuze."

"Das war das schamloseste Stück der Reichsuntreue. Deutschland hatte seinen Herrn verraten! Aber was tat der König in diesen schweren Stunden?" fragte grollend der Alte, "um den Plänen des obersten Kirchenfürsten, will sagen Gregors, zuvorzukommen?" - "Was sollte der König tun!" - "Er hätte den Heiligen Vater fangen und ihn an seinem eigenen Höllenfeuer braten sollen! Sagt, Ritter, tat er das?"

"Alle hatten ihn im Stich gelassen. Fast niemand stand noch zu ihm. Dem König blieb nur noch ein einziger Ausweg übrig. Er ging mit Weib und Kind und einigen wenigen getreuen Schwertgesellen über die Alpen, um sich in Kanossa als reuiger Sünder dem Papst zu Füßen zu werfen. Drei Tage lang ließ Gregor den König aller Deutschen in Schnee, Wind und Wetter stehen. Erst am vierten rief der Erzgrausame den Büßer zu sich. Es war ein kläglicher Anblick, als der König vor dem Papst im Staube lag, und manchem deutschen Ritter stieg die Wut im Herzen auf, als er die Erniedrigung des Reiches mit ansehen mußte. Aber der König hatte doch klug gehandelt. Denn nach seiner Ordensregel durfte der Papst als Priester dem reumütigen Sünder die Lossprechung vom Banne nicht verweigern, sonst konnte er nicht Papst bleiben. So sprach er nach langem Zögern Heinrich vom Banne frei.

Wäre Heinrich nicht nach Kanossa gegangen, hätte der Papst für alle Zeiten die Macht über die deutschen Könige behalten. Er brauchte sie nur zu bannen, dann mußten sie abdanken. Das Deutsche Reich wäre ein Spielball in der Hand des Papstes geworden. Diese Lossprechung vom Banne geschah gestern. Ich sah sie mit an."

Der Hirt war an den Herd getreten und warf neue Holzscheite in die Flammen, daß es in dem dämmerigen Raum taghell wurde. Ehrfurchtsvoll musterte nun der Greis den ritterlichen Gast. Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. "Herr," stammelte er, "wo ließ ich meinen Verstand? Ihr seht ihm ähnlich, dem großen König Heinrich. Ihr seid es selbst. Der König der Deutschen steht vor mir!"

Seine Blicke schweiften über den Tisch. Er griff den gefüllten Krug, hob ihn und sprach: "Diesen Trunk bringe ich dir und deinem Geschlecht. Mögest du wie dein Vater aller Feinde Herr werden und des Reiches Glanz und Herrlichkeit doch noch erneuern!"

König Heinrich stand auf, reichte dem Hirten die Hand und warf den Kopf in den Nacken: Jetzt reite ich heim über die Alpen nach Deutschland. Verlasse dich darauf, dieses Mal bleibe ich Sieger."


Nach seiner Rückkehr schlug Heinrich den Aufstand seiner Gegner nieder. Als Gregor ihn daraufhin wieder in den Bann tat, zog er mit einem Heere nach Rom und vertrieb den Papst. Der neue Papst krönte König Heinrich zum Kaiser. Die Rechte des Kaisers gegenüber der Kirche blieben erhalten.

Unter den Nachfolgern Heinrichs IV. ging der Kampf weiter. Die Macht des Papstes nahm auf Kosten der Kaisermacht ständig zu. Die deutschen Fürsten benutzten diese Zeit, sich mehr und mehr vom Kaiser unabhängig zu machen. Sie schwächten dadurch die Reichsgewalt.

 
Die Kreuzzüge

Ein Zeichen der päpstlichen Macht waren die Kreuzzüge im 11. bis 13. Jahrhundert. Die Türken hatten Palästina, das man einst das heilige Land der Christen nannte, erobert. Der Papst forderte die Christenheit auf, das Land mit Waffengewalt der Kirche zu gewinnen. Fürsten, Ritter und Bauern aus ganz Europa folgten dieser Aufforderung, darunter auch sehr viele Deutsche. Auf dem ersten Kreuzzug wurde ein Königreich Jerusalem gegründet. Lehnsherr desselben war der Papst. Die Kreuzzüge waren Kämpfe für die Weltherrschaft einer fremden Macht, an denen selbst Kaiser teilnehmen mußten. Viel kostbares deutsches Blut ist dafür zwecklos vergossen worden. Die Türken blieben im Besitz Palästinas.

Während der Kreuzzüge entwickelte sich ein reger Handel zwischen dem Morgenlande (Asien) und dem Abendlande (Europa). Städte in Oberitalien (Venedig, Genua) und Deutschland (Augsburg, Nürnberg) gelangten zu hoher Blüte, weil sie an den Straßen dorthin lagen.

Die Hauptkampftruppe in den Kreuzzügen waren die Ritter. Sie schlossen sich in Palästina zu festen Gemeinschaften zusammen, den Ritterorden. Der bedeutendste für Deutschland war der Deutsche Ritterorden. Die Mitglieder der Orden mußten sich verpflichten, in Armut zu leben, nicht zu heiraten und gegen die Ungläubigen zu kämpfen.



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