[7]
Vorbemerkung
Der vorliegende Band bringt einhundertsechs Dokumentenstücke in
deutscher Sprache. Naturgemäß war es nicht möglich,
sämtliche Dokumente im vollen Text zu bringen. Es wäre dadurch
nicht nur der Umfang des Bandes unverhältnismäßig
angewachsen, sondern auch die mit ihm verfolgte eigentliche
Absicht - lediglich die deutsch-englischen Beziehungen im politischen
Gesamtzusammenhang der Jahre
1933-1939 darzustellen - vereitelt worden. Infolgedessen sind im
wesentlichen nur diejenigen Fälle der Dokumente veröffentlicht
worden, die mehr oder weniger unmittelbar das
deutsch-englische Verhältnis betreffen. Wo der zum Abdruck gebrachte
Auszug den Zusammenhang nicht deutlich genug erkennen ließ, ist versucht
worden, im Zwischentext ergänzend das Notwendige zu sagen. Die
einzelnen Dokumente tragen laufende Nummern, die am Seitenrand
[Scriptorium merkt an: in diesem online-Nachdruck direkt vor
dem Dokumententitel] verzeichnet sind.
Die im Urtext fremdsprachigen Dokumente sind in deutscher Übersetzung
gebracht worden, und zwar ist, soweit bereits eine getreue Übersetzung
vorlag, diese übernommen, andernfalls eine eigene Übersetzung
vorgenommen worden. Die Dokumente sind nach Möglichkeit amtlichen
Quellen entnommen; nur soweit solche nicht vorlagen, sind andere, nach
Möglichkeit primäre Quellen benutzt.
Bei fremdsprachigen Dokumenten bedeutet "E" oder "F", daß an dem
angegebenen Fundort das betreffende Dokument in englischer oder
französischer Sprache vorliegt. Durch "D" wird die deutsche
Übersetzung nachgewiesen.
Bisher unveröffentlicht waren die nachfolgend aufgeführten
Dokumente: 3, 8, 10, 13, 39, 41, 45, 49, 54, 55, 56, 61, 78.
Zahlreiche Dokumente werden zum ersten Male in deutscher Sprache veröffentlicht.
[8=Trennblatt] [9]
Einleitung
Als im Herbst 1918 das im Felde unbesiegte deutsche Volk sich zu
Friedensverhandlungen bereit erklärte, hatten die Alliierten und
insbesondere ihr wichtigster und aktivster Teil, Großbritannien, die
Neuordnung Europas nach ihren eigenen Grundsätzen, Kriegszielen und
Deklarationen frei in der Hand. Insbesondere Deutschland gegenüber hatten
sie nunmehr, nach dem Sturz der kaiserlichen Regierung und nach der Errichtung
eines demokratischen Systems, die Möglichkeit, ihre in Millionen von
Flugblättern vertretene Propagandathese, ihr Kampf gelte nicht dem
deutschen Volke, sondern nur der deutschen Führung, in die Wirklichkeit
umzusetzen und Deutschland als in jeder Hinsicht gleichberechtigten Partner in
die neue europäische Staatengemeinschaft aufzunehmen. Daß nichts
dergleichen geschah, daß vielmehr das deutsche Volk in
schmählicher Weise hintergangen und seiner primitivsten Lebensrechte
beraubt wurde, ist die allseitig anerkannte eindeutige Ursache all der Leiden und
Verwirrungen, die den europäischen Kontinent in den letzten zwanzig
Jahren heimsuchten und die schließlich zu einer erneuten Entfachung des
erst so kurze Jahre gelöschten Kriegsbrandes führten. Damit ist aber
zugleich die eindeutige Schuld derjenigen, die für dieses Versagen und
für diesen Verrat verantwortlich waren, festgestellt.
Es wird für kommende Generationen, die die Ereignisse der letzten
zwanzig Jahre aus historischem Abstand betrachten werden, immer ein
verwunderliches Rätsel sein, wie sich die Friedensmacher von 1919 denn
eigentlich die weitere Regelung des von ihnen geschaffenen Zustandes vorstellten.
Denn über seine Unzulänglichkeit, ja Unmöglichkeit waren
sich eigentlich alle einig. Aber sie legten träge die Hand in den Schoß
und warteten auf die heilende Kraft der Zeit, auf eine Entwicklung, die diesen
ungesunden Zustand zur Normalität zurückführen
würde, auf ein Wunder.
Und dieses Wunder, das herbeizuführen diese Schuldigen nichts, das zu
verhindern sie alles taten, ereignete sich. Die in den Feindländern
längst als Reaktion auf ihre unsinnigen Maßnahmen
gefürchtete innere Entwicklung Deutschlands trat ein: der
Nationalsozialismus ergriff in Deutschland die Macht. Zugleich
aber - und darin lag das Wunder - stellte diese zur Macht
gekommene Regierung ein
ausgesprochenes Friedensprogramm, ein Programm
der friedlichen Revision, des peaceful change auf, statt, was nicht verwunderlich,
sondern natürlich gewesen wäre, eines Programms des Hasses, der
Gewalt, der [10] Revanche. Das war die
zweite große Chance der "Sieger" des Weltkrieges seit 1919: in enger
Zusammenarbeit mit dem nationalen, aber friedliebenden Deutschland für
die Beseitigung der gröbsten Sinnlosigkeiten und Härten des
Versailler Systems,
für die Wiederaufrichtung einer europäischen
Ordnung zu wirken, sich den eigenen Völkern gegenüber für
die Notwendigkeit der Maßnahmen auf die veränderte Machtlage wie
auf die hoffnungslos gewordene internationale Wirtschaftslage zu berufen und die
Gerechtigkeit der elementaren deutschen Forderungen durch die eigene Teilnahme
anzuerkennen. Italien ist unter der Führung seines genialen Staatschefs
Mussolini diesen Weg gegangen. England, das diesem Weg friedlicher Revisionen
allein volle Wirksamkeit verleihen konnte, hat sich ihm versagt. Und dabei war es
gerade die Freundschaft
mit England, auf die das ganze außenpolitische
Programm des Führers hinzielte.
Adolf Hitler ergriff die Macht in Deutschland mit dem festen und eindeutigen
außenpolitischen Programm, das er bereits 1924 in seinem Kampfbuche
niedergelegt hatte: wenn irgend möglich ein Bündnis mit Italien und
mit England zu erreichen. Dadurch war nach seiner Überzeugung sowohl
den deutschen Interessen wie dem Weltfrieden am besten gedient. Sechs Jahre
lang hat er dieses Ziel durch immer erneute Vorschläge und Angebote zu
verwirklichen gesucht und Friedenspolitik getrieben. Daß sie endlich
gescheitert ist, ist einzig und allein Englands Schuld. England hat alle die Jahre
hindurch eine wahre Verständigung zwischen den beiden Völkern
abgelehnt und hintertrieben, England hat die immer wiederholten deutschen
Vorschläge für einen dauernden Frieden als zu radikal und als zu
kühn empfunden, während doch die völlig verfahrene
europäische Situation nur mit radikalen und kühnen
Maßnahmen gerettet werden konnte. Es hat in hochmütiger
Verblendung auf die deutschen
Vorschläge nur mit halber Aufmerksamkeit
und mit halbem Herzen hingehört, während doch ein
Zusammenkommen der beiden so verschiedenen Partner nur bei konzentriertester
Aufmerksamkeit auf die gemeinsame Aufgabe möglich gewesen
wäre. Es hat jede ihm dargebotene Möglichkeit viel zu langsam
begriffen und immer zu spät ergriffen, statt blitzschnell bei dieser
einzigartigen Chance, aus dem selbstverschuldeten Wirrwarr ohne einen neuen
Krieg herauszukommen, zuzugreifen. Es hat den Sonderbotschafter des
Führers, Ribbentrop, mit Unverständnis empfangen, statt in der
Entsendung des engsten außenpolitischen Vertrauten des Führers die
eminente Geste der Freundschaft zu sehen. Seine Presse hat die von englischen
Vorstellungen vielfach abweichenden inneren deutschen Verhältnisse mit
feindseligem Hohn und mit giftiger Kritik überschüttet, statt alles zu
tun, um die beiden Völker, von deren gegenseitigem Verstehen die Zukunft
des Kontinents abhing, in Freundschaft einander näherzubringen. England
hat sich, statt die lebendige Kraft des deutschen Volkes anzuerkennen und sich
mit ihr zu verbinden, auf die antiquierte und schemenhafte Lehre vom
Gleichgewicht der Mächte zurückgezogen, die ihm die
ständige Intervention auf dem Kontinent gegen jede
er- [11] starkende Macht gebot. Es hat schließlich
im Verfolg dieser Doktrin sich dem unter seiner genialen Führung
zusehends erstarkenden Deutschland in den Weg gestellt, wo immer es konnte,
hat auf seine berüchtigte Tradition der Einkreisung zurückgegriffen,
hat überall den Widerständen gegen Deutschland den Rücken
gesteift und damit schließlich jenen Brand heraufgeführt, den gerade
England im Interesse seiner so leicht verletzlichen Herrschaft überall in der
Welt unter allen Umständen hätte vermeiden sollen.
Die einzelnen Etappen dieses verhängnisvollen Weges seit 1933 sind in der
nachfolgenden Sammlung dokumentarisch nachgewiesen. Dabei kommen in
wissenschaftlicher Objektivität beide Seiten gleichmäßig zu
Wort. Das englische Versagen, die englische Schuld tritt damit nur um so
deutlicher in Erscheinung. Die britische Linie stellt sich dabei trotz allen
Schwankens im einzelnen als eine durchaus geradlinige heraus: Deutschland
sollte nicht stark werden, Deutschland sollte schwach bleiben, Deutschland sollte
in den Fesseln von Versailles bleiben. Angesichts dieser dokumentarisch
nachgewiesenen Linie erscheint das heute mit immer größerer
Offenheit verkündete englische Kriegsziel, Deutschland zu Versailles
zurückzuführen, ja ihm noch weit über Versailles
hinausgehende Fesseln anzulegen, als Konsequenz der allzu häufig durch
tönende Phrasen getarnten wahren britischen außenpolitischen Linie.
Das deutsche Volk wird dafür sorgen, daß dieses britische Programm
diesmal nicht in Erfüllung geht.
Berber
|