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Nr. 47:
Das Auswärtige Amt an die Deutsche
Gesandtschaft in Stockholm
(Telegramm)
Berlin, den 16. September
1939
Bitte Schwedische Regierung umgehend ersuchen, über ihre Gesandtschaft
in Paris Französischem Außenministerium auf Schreiben vom 7.
September 19391 folgendes Schriftstück zu
übergeben:
"Die Reichsregierung hat von der gemeinsamen Erklärung der
Französischen und Britischen Regierung2 Kenntnis
genommen, worin diese Regierungen gewisse Grundsätze anführen,
die sie bei der Führung des Krieges, insbesondere des Luftkrieges,
beobachten zu wollen behaupteten.
Die Reichsregierung weist darauf hin, daß sie nach dem Scheitern der
Abrüstungskonferenz als erste den Vorschlag gemacht hat, die
gemeinsamen Bemühungen der Mächte auf das Zustandekommen
bindender Vereinbarungen über eine möglichst weitgehende
Humanisierung der Kriegführung zu richten.3 Diese
Vorschläge haben damals bei den anderen Mächten keinerlei
Widerhall gefunden. Gleichwohl hat der Deutsche Reichskanzler bei Beginn der
Deutschland aufgezwungenen Aktion gegen Polen in seiner Reichstagsrede vom
1. September4 öffentlich bekanntgegeben,
daß die Kampfhandlungen von deutscher Seite in Übereinstimmung
mit jenen deutschen Vorschlägen durchgeführt und nicht gegen
Frauen und Kinder gerichtet werden würden. Zugleich hat der Deutsche
Reichskanzler bei dieser Gelegenheit den der deutschen Luftwaffe erteilten Befehl
mitgeteilt, ihre Angriffe auf militärische Objekte zu
beschränken.
Dementsprechend hat die Deutsche Regierung auch den Appell des
Präsidenten Roosevelt begrüßt und in positivem Sinn
beantwortet.5 Sie hat ferner der Britischen Regierung
auf deren besondere Anfrage die Mitteilung zugehen lassen, daß
Deutschland die Bestimmungen des Genfer Abkommens vom Jahre 1925
über das Verbot der Verwendung erstickender, giftiger und ähnlicher
Gase befolgen werde.
Die deutschen Streitkräfte haben sich zu Lande, zur See und in der Luft auf
das strikteste an diese deutschen Erklärungen gehalten.
Selbstverständlich standen aber diese Erklärungen, wie schon bei
ihrer Abgabe betont wurde, unter der Voraussetzung, daß die Gegner
Deutschlands die gleichen Regeln der Kriegführung beobachten
würden. In dieser Beziehung muß die Reichsregierung feststellen,
daß die Gegner Deutschlands ihre feierlichen Zusicherungen und
Verpflichtungen schon jetzt vielfach in flagrantester Weise gebrochen haben.
Die Britische Regierung hat sich in krassestem Widerspruch mit der in ihrer
Erklärung enthaltenen feierlichen Versicherung, die
Zivilbevölkerung schonen zu wollen, durch die von ihr verkündeten
Bestimmungen über die Konterbande [87] über alle
anerkannten Regeln der Seekriegführung hinweggesetzt und damit in aller
Form die Hungerblockade gegen Frauen und Kinder eröffnet. Ferner hat die
Polnische Regierung ohne jede militärische Notwendigkeit viele offene
Städte zum Stützpunkt ihrer militärischen Operationen und
damit zum Kampfgebiet gemacht. Sie hat darüber hinaus durch ihre Organe
öffentlich ihre Zivilbevölkerung zum schrankenlosen
Franktireurkrieg gegen die deutsche Armee aufrufen lassen. An vielen Stellen hat
die polnische Zivilbevölkerung diesem Aufruf Folge geleistet und sich die
furchtbarsten Grausamkeiten gegen deutsche Soldaten zuschulden kommen
lassen. Endlich haben polnische Truppen bei ihren Maßnahmen, wie
authentisch nachgewiesen wurde, entgegen ihren vertraglichen Verpflichtungen
Gelbkreuzgas verwendet.
Die deutschen Streitkräfte werden auch künftig den vom
Führer verkündeten Grundsätzen ritterlicher und humaner
Kriegführung treu bleiben. Die Reichsregierung muß sich aber
vorbehalten, jeden von ihren Gegnern begangenen Rechtsbruch in der ihr geeignet
erscheinenden Weise zu vergelten und im Hinblick auf den von England mit der
Waffe der Hungerblockade gegen Frauen und Kinder geführten Krieg mit
denjenigen Waffen zu beantworten, die ihr hierfür zur Verfügung
stehen und die auch dem Gegner die furchtbaren Folgen der von ihm gewollten
Methoden vor Augen führen. Ribbentrop."
Albrecht
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