SucheScriptoriumBuchversandArchiv IndexSponsor


[299]
Die echten deutschen Minderheitsgebiete (Teil 6)

Das Deutschtum im früheren und im jetzigen Ungarn (Teil 3)

Siebenbürger Land und Volk

Siebenbürgen ist, wie wir sahen, ein Teilstück von Ungarn, aber es ist trotzdem eines der am deutlichsten durch die Natur selbst abgegliederten Gebiete im Innern von Europa, und es erinnert einigermaßen an Böhmen innerhalb seiner Umwallung. Im Süden hat der Altfluß den hohen Karpathenwall durchsägt, fließt jenseits als rumänischer Oltu weiter und mündet schließlich in die Donau. Nach Westen verläßt die Maros, der stärkste Nebenfluß der Theiß, und nach Norden die Szamos, gleichfalls ein Tributär der Theiß, Siebenbürgen.

Auf diese Weise entstehen verschiedene Zugänge, durch die wiederum die Lage der wichtigsten siebenbürgischen Orte bestimmt ist. Das Tal der Szamos im Norden ist eng und für eine Straße wenig bequem. Von den beiden Hauptzugängen von der ungarischen Seite her führt daher der eine, etwas nördlichere, über eine Senke in der westlichen Umwallung auf Klausenburg, der südliche dagegen im Tal der Maros auf Karlsburg. Schon der Name Klausenburg deutet auf die schließende Stellung dieser Ortslage im Verkehr zwischen Ungarn und Siebenbürgen. Karlsburg, früher Ungarisch-Weißenburg genannt, hat schon in alter Zeit eine ähnliche Bedeutung gehabt. Es steht an der Stelle der alten
Blick auf Kronstadt

[396a]
      Blick auf Kronstadt.
römischen Militärkolonie Apulum. Im Mittelalter führte der Platz den lateinischen Namen Alba Julia. Von Süden, vom Donautiefland her, ist Siebenbürgen über zwei Haupt- und mehrere Nebenpässe zugänglich. Der berühmteste ist der Rote-Turm-Paß, der durch das Tal des Alt auf Hermannstadt führt. Für den modernen Eisenbahnverkehr ist der Predealpaß wichtiger geworden, der auf der Linie von Budapest über Klausenburg und Kronstadt nach Bukarest liegt. Etwas westlich von ihm führt der landschaftlich schöne Törzburgerpaß und östlich der Bodzaipaß durch die Südkarpathen. Die Verbindung nach Osten endlich ging in alter Zeit hauptsächlich über den Paß von Dorna-Watra aus dem oberen Szamos-Gebiet nach der Bukowina; heute dagegen hat die Eisenbahn weiter südlich den Übergang von Gyimes gewählt.

Rathaus in Hermannstadt, Hofseite

[324a]
      Rathaus in Hermannstadt, Hofseite.
Die Geschichte von Siebenbürgen ist bedingt durch die geographische Gestaltung des Landes und speziell durch die Lage seiner Zugänge. Die Karpathen bilden den großen Wall zwischen dem mittleren und dem östlichen Europa. Alles, was je von Osten gegen das Herz unseres Erdteils herangestürmt ist, hat die Karpathen übersteigen müssen. Für den Angriff wie für den Widerstand hat daher die Siebenbürger Eckbastion eine besondere Rolle gespielt. Seit dem Aufhören der römischen Herr- [300] schaft, die übrigens von der Walachei nur den kleineren Teil in das Reich einbezogen hatte, war das untere Donauland durch viele Jahrhunderte den asiatischen Nomadenvölkern preisgegeben, die nacheinander das Steppengebiet am Schwarzen Meer beherrschten. Die letzten davon vor dem großen Mongolensturm waren die Rumänen, die im 11. Jahrhundert erschienen und den Mongolen erlagen. Rumänen, Mongolen und Türken sind nacheinander gegen die Karpathenmauer gebrandet, haben die Pässe überflutet oder sind zurückgeschlagen worden. Die Verteidigung Ungarns mußte daher vor allen Dingen in Siebenbürgen geführt werden. Die festen und wichtigen Punkte Siebenbürgens liegen alle auf der Innenseite des Karpathenbogens vor der Mündung der Paßstraßen, die aus dem Gebirge hervorkommen, und an den Ausgangsstellen von Siebenbürgen nach Ungarn. Die Lage von Klausenburg und Karlsburg wurde schon erwähnt. Hermannstadt beherrscht die Ebene vor dem Roten-Turm-Paß, durch den, wie gesagt, im Mittelalter die wichtigste Verbindung nach der Balkanhalbinsel ging. Wer von dort nach Ungarn vordringen wollte, mußte Hermannstadt nehmen, - und es ist nie von einem Türkenheer bezwungen worden.

Bauernburg Rosenau und Blick ins Burzenland

[348a]
      Bauernburg Rosenau und Blick ins Burzenland.

Ganz in der südöstlichen Ecke Siebenbürgens liegt eine mittelgroße Ebene von hoher Fruchtbarkeit, ein alter Seeboden, das Burzenland. Hier hinein führen der Törzburger-, der Predeal- und der Bodzaipaß. Das Burzenland und die drei Pässe beherrscht Kronstadt. Vor dem Paß von Dorna-Watra endlich, der Hauptpassage über den siebenbürgischen Abschnitt der östlichen Karpathen, liegt Bistritz. Indem man diese Namen nennt: Hermannstadt, Kronstadt, Bistritz, Klausenburg, nennt man die Namen der alten sächsischen Städte in Siebenbürgen. Klausenburg wurde seit dem Ausgang des Mittelalters erst halb, dann ganz madjarisiert. Die sechs anderen sächsischen Orte dagegen haben ihren deutschen Charakter bis heute teils ganz, teils überwiegend bewahrt.

Hermannstadt, Pfarrkirche Brukentalsches Palais, Hermannstadt
[332b]      Brukentalsches Palais, Hermannstadt.

[372b] Hermannstadt, Pfarrkirche.

Die Törzburg bei Kronstadt
[348b]      Die Törzburg bei Kronstadt.
Rathaus in Kronstadt
[324b]      Rathaus in Kronstadt.

Siebenbürgen ist in mehr als einer Beziehung von der Natur bevorzugt. Es hat Metalle, sogar Gold, das schon von den Römern ausgebeutet wurde. Es hat fruchtbaren Ackerboden, von dem allerdings auf den sächsischen Besitz nur ein Teil entfällt. Viele sächsische Bauern haben Land von nur mittelmäßigem Werte, das sehr fleißige Arbeit fordert. Groß ist der Waldreichtum, groß auch der an Wasserkräften. In neuester Zeit sind auch reichliche Mengen von Erdgas aufgeschlossen worden, mit dessen Hilfe sich bei Mediasch eine bedeutende Industrie zu entwickeln anfängt. Von altersher ist Siebenbürgen auch als ein gutes Weinland bekannt, namentlich in seinen südlichen Tälern.

Das Innere hat ursprünglich eine Hochfläche gebildet, die aber von den vielen Wasserläufen wie ein Netz zergliedert und zersägt worden ist. Die obere Fläche bilden junge Gesteine, die leicht zerreibbar sind; daher herrschen gerundete Formen, Mulden und verbreiterte Talböden vor. Es gibt nirgends eine zentrale Landschaft und daher auch keine natürliche Hauptstadt. Alle bedeutenden Städtelagen sind durch den mannigfachen Zug der Verkehrswege und durch Rücksichten der Verteidigung bedingt.

Siebenbürgisch-sächsische Bauern in Festtracht
[372b]      Siebenbürgisch-sächsische Bauern
in Festtracht.
Siebenbürgisch-sächsische Frauentrachten aus Stadt und Land
[340b]      Siebenbürgisch-sächsische Frauentrachten
aus Stadt und Land.

[301] Merkwürdig ist das Völkergemisch. In den Ortsnamen Siebenbürgens steckt dakische, d. h. thrakische Überlieferung, denn die Daker waren Verwandte der alten Thraker, ferner keltisches, gotisches, römisches, slawisches, madjarisches, wahrscheinlich auch griechisches Erbe. Wann Kelten hier gesiedelt haben, wissen wir nicht; die Goten aber waren es, vor denen die Römer ihre Provinz Dakien räumen mußten. Alle diese Völker haben sich auf dem Boden Siebenbürgens abgelöst; von jedem sind größere oder kleinere Bestandteile sitzen geblieben und vom nächstfolgenden aufgesogen worden. Heute wohnen in Siebenbürgen in der Mehrzahl Rumänen, die sich noch etwas über das westliche Gebirgsland hinaus und fast bis in das eigentliche ungarische Tiefland vorschieben. Ganz vom Rumänentum umschlossen sitzt in der Mitte von Siebenbürgen ein madjarischer Stamm, die Szekler, nicht ganz eine halbe Million stark. Über die Herkunft der Szekler gibt es mancherlei Hypothesen, aber noch keine sichere. Vielleicht sind sie, ähnlich wie die Sachsen und schon vor diesen, in der ersten ungarischen Königszeit als Grenzwächter angesiedelt worden. Die neuerdings geäußerte Vermutung, daß sie ursprünglich identisch mit dem germanischen Volk der Gepiden und später madjarisiert seien, ist schwerlich richtig. Das Szeklervolk ist tapfer und hat im alten Ungarn verschiedene Vorrechte. Jeder Szekler, auch wenn er Bauer war, galt z. B. als adlig. Nennenswerte Städte gibt es im Szeklerland keine.

Siebenbügisch-sächsische Familie in Festtracht
[340a]      Siebenbügisch-sächsische Familie
in Festtracht.
''Bokelung'', das Anlegen des Kopfputzes
[340a]      "Bokelung"
(Anlegen des Kopfputzes).

Das eigentliche ethnographische Problem Siebenbürgens sind aber nicht die Sachsen, auch nicht die Szekler, sondern die Rumänen. Der wissenschaftliche Streit über die Herkunft des rumänischen Volkes ist schon seit vielen Jahrzehnten im Gange, und er ist noch keineswegs entschieden. Seit der Eingliederung Siebenbürgens an das rumänische Königreich hat er eine gewisse aktuell-politische Bedeutung dadurch gewonnen, daß die Rumänen ihre Ansprüche auch auf den nichtrumänischen Volksboden in Siebenbürgen damit begründen, daß sie die ursprünglichen Bewohner des ganzen Landes gewesen seien. Wenn sie das waren - wir werden von der Frage noch zu reden haben - so vermochten sie jedenfalls nicht, ihr Land und das Abendland vor den Einbrüchen der nomadischen Räuber, die jenseits der Karpathenmauer hausten, zu verteidigen. Um das zu leisten, mußte die Sachsensiedelung erfolgen. Hermannstadt, die stärkste der sächsischen Festungen, wurde noch von Papst Eugen IV. in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts "nicht nur des ungarischen Reiches, sondern auch der gesamten Christenheit schirmendes Bollwerk und Schild gegen die Ungläubigen" genannt.

Heltau bei Hermannstadt
[332b]      Heltau bei Hermannstadt.
Töpferturm in Hermannstadt
[324b]      Töpferturm in Hermannstadt.

Seite zurückInhaltsübersichtnächste
Seite


Das Versailler Diktat.
Vorgeschichte, Vollständiger Vertragstext, Gegenvorschläge der deutschen Regierung


Deutsches Land: Das Buch von Volk und Heimat, Kapitel "Die Siebenbürger Sachsen."

Seite zurückInhaltsübersichtnächste
Seite

Deutschtum in Not!
Die Schicksale der Deutschen in Europa außerhalb des Reiches.
Paul Rohrbach