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Das Saarland
Heinrich Hornung
Grenzland - Schicksalsland für seine Bewohner. Grenzland, das vom
französischen Nachbar im Laufe der Jahrhunderte vier kriegerische
Einfälle von längerer und kürzerer Dauer zu ertragen hatte, bei
denen die landfremde Soldateska stets mordend, brennend und plündernd
im Lande hauste. Der erste Überfall 1631-1650 in den letzten
Jahren des Dreißigjährigen Krieges. Es folgten bis in die neunziger
Jahre des siebzehnten Jahrhunderts noch drei solcher französischer
Invasionen in das deutsche Saarland. Die Kohlenschätze des deutschen
Gebietes ließen die französische Habgier bis heutigen Tages nicht zur
Ruhe kommen. Gar zu gern möchten unsere ewig auf diese Schätze
neidischen Nachbarn Rechtstitel auf das Gebiet erwerben. Der Versuch dazu ist
nach dem Weltkrieg die Schaffung des Begriffes Saargebiet.
Die südlichsten Teile der Rheinprovinz und der Bayrischen Pfalz,
rein
deutsches Land mit urdeutscher Kultur und urdeutschen Menschen, mußte
im Jahre 1919 laut Versailler Vertrag von Deutschland hergegeben werden
zugunsten des Völkerbundes, der als Treuhänder auftrat und
für den Deutschland auf die Regierungsgewalt verzichtete. Die
Kohlengruben wurden französisches Eigentum. Im Jahre
1935 - nach 15 Jahren - soll die Staatszugehörigkeit durch
Volksabstimmung festgestellt werden. Verwaltung: ein vom Völkerbund
ernannter Fünfer-Ausschuß: ein Franzose, ein Saarländer, drei
Mitglieder aus anderen Ländern als Deutschland und Frankreich.
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Burg Reuland in Malmedy.
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Ein knapper Riß aus der Frühgeschichte des Saarlandes, wie sie F. M.
Faßbinder gibt: "Nach der Völkerwanderung entsteht das Reich der
Franken, in dem die westgermanischen Stämme vereinigt waren. Im
Saarbecken kreuzen sich die Siedlungen der Franken und Alemannen, erst
feindlich, dann nach der Zülpicher Schlacht in friedlichem Nebeneinander.
Die Franken waren offenbar in der Überzahl, denn der saarländische
Dialekt ist bis auf den heutigen Tag ein Zweig der
rheinisch-fränkischen Gruppe mit mancherlei alemannischem Element
durchsetzt. Karl der
Große führte die fränkische Gaueinteilung
straff durch, die das Gebiet in sechs Teile gliederte, ohne daß die Grenzen
mit irgendwelchen heutigen zusammenfielen.
Der Vertrag von Mersen, der endgültig das französische und das
deutsche Reich voneinander abgrenzte, kennt bereits einen oberen und einen
unteren Saargau, einen Blies-, einen Nied- und einen Albgau, denen sich bald noch
der Rösselgau zugesellt. Die Gaugrafen wurden später
Landesfürsten...
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Trier. Porta Nigra (3. Jahrhundert nach Chr.)
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So gab es vom zwölften Jahrhundert ab in dem wegen der Kreuzung
wichtiger Straßen begehrtesten Saargau Grafen unter dem Familiennamen
»von Saarbrücken«, Lehnsträger [205=Foto] [206] des Bischof
von Metz. Ihre Namen führen sie nach der Hauptburg, die auf dem Felsen
des heutigen Saarbrücker Schlosses ragt und selbst so genannt wurde nach
einer von den Römern erbauten Brücke, die etwa eine halbe Stunde
oberhalb am Halberg lag und mindestens bis ins dreizehnte Jahrhundert
bestand."
Vor gut einhundertsechzig Jahren besuchte Goethe als Student von
Straßburg aus das Saarland. Reizvoll ist diese Schilderung. Noch reizvoller
wirkt sie aber durch die Gegenüberstellung einer im Sprachstil
unserer Zeit festgehaltenen Charakterisierung des Saarlandes und seines
Industriegebietes. Damals einfachste Art der
Kohlen- und Alaungewinnung, heute höchste technische Entwicklung der
Hochöfen des Bergwerkbaus und der Gießverfahren.
Von seiner Reise in die "Region der Saar und Mosel" erzählt Goethe in
Dichtung und Wahrheit:
"Wir gelangten über
Saargemünd nach Saarbrück, und diese kleine Residenz war ein
lichter Punkt in einem so felsig waldigen Lande. Die Stadt, klein und
hügelig, aber durch den letzten Fürsten wohl ausgeziert, macht
sogleich einen angenehmen Eindruck, weil die Häuser alle
grau-weiß angestrichen sind und die verschiedene Höhe derselben
einen mannigfaltigen Anblick gewährt. Mitten auf einem schönen
mit ansehnlichen Gebäuden umgebenen Platze steht die lutherische Kirche,
in einem kleinen, aber dem Ganzen entsprechenden Maßstabe. Die
Vorderseite des Schlosses liegt mit der Stadt auf ebenem Boden, die Hinterseite
dagegen am Abhange eines steilen Felsens.
Wir hörten von den reichen Dutweiler
Steinkohlengruben, von Eisen- und Alaunwerken, ja sogar von einem brennenden
Berge und rüsteten uns, diese Wunder in der Nähe zu beschauen.
Nun zogen wir durch waldige Gebirge, die demjenigen, der aus einem herrlichen
fruchtbaren Lande kommt, wüst und traurig erscheinen müssen, und
die nur durch den inneren Gehalt ihres Schoßes uns anziehen können.
Kurz hintereinander wurden wir mit einem einfachen und einem komplizierten
Maschinenwerk bekannt, mit einer Sensenschmiede und einem Drahtzug...
In der Alaunhütte erkundigten wir uns genau nach
der Gewinnung und Reinigung dieses so nötigen Materials, und als wir
große Haufen eines weißen, fetten, lockeren, erdigen Wesens
bemerkten, und dessen Nutzen erforschten, antworteten die Arbeiter
lächelnd, es sei der Schaum, der sich beim Alaunsieben offenbar werfe und
den Herr Stauf (Staudt) sammeln lasse, weil er denselben gleichfalls hoffe, zu Gut
zu machen.
..... Unser Weg ging nunmehr an den Rinnen hinauf, in
welchen das Alaunwasser heruntergeleitet wird und an dem vornehmsten Stollen
vorbei, den sie die Landgrube nennen, woraus die berühmten Dutweiler
Steinkohlen gezogen werden. Sie haben, wenn sie trocken sind, die blaue Farbe
eines dunkel angelaufenen Stahls, und die schönste Irisfolge spielt bei jeder
Bewegung über die Oberfläche hin.
..... Wir traten in eine Klamm und fanden uns in der
Region des brennenden Berges. Ein starker Schwefelgeruch umzog uns;
die eine Seite der Höhle war nahezu glühend, mit rötlichem,
weißgebranntem Stein bedeckt; ein dicker Dampf stieg aus den Klunsen
hervor und man fühlte die Hitze des Bodens auch durch die starken Sohlen.
Ein so zufälliges Ereignis, denn man weiß nicht, wie diese Strecke
sich entzündete, gewährt der [207] Alaunfabrikation den
großen Vorteil, daß die Schiefer, woraus die Oberfläche des
Berges besteht, vollkommen geröstet daliegen und nur kurz und gut
ausgelaugt werden dürfen..
..... Wir eilten, denn es war schon spät geworden,
der Friedrichsthaler Glashütte zu, wo wir eine der wichtigsten und
wunderbarsten Werktätigkeiten des menschlichen Kunstgeschickes im
Vorübergehen kennen lernten.
Doch fast mehr als diese bedeutenden Erfahrungen
interessierten uns junge Burschen einige lustige Abenteuer und bei einbrechender
Finsternis unweit Neukirch (Neukirchen) ein überraschendes Feuerwerk.
Denn wie vor einigen Nächten an den Ufern der Saar leuchtende Wolken
Johanniswürmer zwischen Fels und Busch um uns schwebten, so spielten
uns nun die funkenwerfenden Essen ihr lustiges Feuerwerk entgegen. Wir betraten
bei tiefer Nacht die im Talgrunde liegenden Schmelzhütten und
vergnügten uns an dem seltsamen Halbdunkel dieser Bretterhöhlen,
die nur durch des glühenden Ofens geringe Öffnung
kümmerlich erleuchtet werden. Das Geräusch des Wassers und der
von ihm getriebenen Blasbälge, das fürchterliche Sausen und Pfeifen
des Windstroms, der, in das geschmolzene Erz wütend, die Ohren
betäubt und die Sinne verwirrt, trieb uns endlich hinweg, um in Neukirch
einzukehren, das an dem Berg hinaufgebaut ist."
[208] Th. Vogel schildert
heut das Saarland und den Saarländer:
"Im Laufe des 19. Jahrhunderts
entwickelte sich das Gebiet zu einem der wichtigsten Industriezentren
Deutschlands. Wer einmal die Strecke von Frankfurt nach Metz gefahren ist,
erinnert sich des überraschenden Eindrucks, wenn er aus dem romantischen
Nahetal in das reizvolle Tal der oberen Blies kam und sich
plötzlich in einem Waldgebirge mitten in einem lebhaften
Industriegebiet sah. Rings auf den bewaldeten Höhen, an den
Hängen der Berge befinden sich die Eisenkonstruktionen der
Kohlenschächte und im Tal die gewaltigen Eisenwerke.
Das flammt und zischt allerorten. Ein Wald von Essen, aus denen das blutrote
Feuer leckt. Durch die mannigfaltigen Industriewerke erhält das Gebiet ein
eigenes Gepräge. Bei Tage sind es Seilscheibentürme, gewaltige
Schornsteine und Rohranlagen, die wuchtigen Massen der Hochöfen, das
Gitterwerk der Laufkrane, die den Horizont beschneiden und die Berghänge
beleben.
[209]
Industrie im Saarland. Völklingen, Röchling'sche Hütte.
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Bei Nacht aber bietet das ganze Gebiet ein
berückendes Bild einer zyklopischen Feuerwelt. Herausbrechende Flammen
der Hochöfen, ungeheure Feuergarben der
Thomas-Birnen flammen hoch auf, färben den Himmel blutrot,
20 - 30 Kilometer weit sichtbar wie Vulkane. Funkengarben,
Feuersäulen hier und dort. Der abgelassene Fluß geschmolzenen
Erzes und Stahls, die feurige Linie der gezogenen Eisenbänder, alles
glüht, prasselt und zischt. Die Perlenketten der Kokereien hängen an
den Berglehnen. Alles überschattet die dunklen Rauchfahnen der
Essen.
[205]
Eisenbahnviadukt im Moseltal.
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Das Eigenartige dieses
Gebietes ist die Einlagerung der Industrie in eine der
reizvollsten Landschaften. Die Gruben und Berghalden sind eingebettet in den
schönsten deutschen Buchenwald. Die Flußtäler sind reich an
Fruchtbarkeit. Gartenbau überall. Die weiten Fluren gesegnet mit bestem
Weizenboden. Reizvoll die Waldtäler mit ihren blumigen Wiesen, da und
dort romantische Felsenbildungen.
[209] Gerade diese
Mischung von Industrie und Bäuerlichkeit hat einen
eigenen Menschenschlag im Saargebiet hervorgebracht. Bis zum Kriege gab es
hier, vor allem unter den Bergarbeitern, keine zugewanderten Arbeiter. Der
Bergmann hat Haus und Hof, betreibt mit Frau und Kindern eigene
Landwirtschaft in den fruchtbaren Tälern und auf den Höhen des
Westrich und Hunsrück. Er wandert täglich durch die schönen
Wälder auf eigens dazu geschaffenen Bergmannspfaden zur Schicht nach
der Grube. Dort arbeitet er mit seinen erwachsenen Söhnen den Tagelohn
zusammen und kehrt zurück zur eigenen Scholle. Oder er kommt Montags
mit den Arbeiterzügen in Massen von den entlegeneren Teilen des
Hunsrück, bleibt die Woche über an der Arbeitsstätte, wohnt
in den Schlafhäusern und kehrt erst Sonnabends mit dem Lohngeld nach
Hause, um den Sonntag mit den Seinen zu verbringen und in Haus und Hof nach
dem Rechten zu sehen. Nur in den Dörfern, die sich an den Stätten
der anderen Industrien angesiedelt haben, wohnt der Hüttenarbeiter. Aber
auch er ist seßhaft. Hat meist sein eigenes Haus, ein Gärtchen und
besitzt Kleinvieh.
All das schuf im Saargebiet einen Arbeiterstand, wie er in
anderen Industriegebieten selten ist. Erst seit dem Kriege und besonders durch die
französische Grubenverwaltung ist der [210] sogenannte wandernde
Arbeiter im Saargebiet in größeren Massen aufgetreten. Der im
Saargebiet seßhafte Arbeiter ist nicht nur der Träger der neuen
Bestrebungen seines Standes, sondern auch der Bewahrer einer alten
Kulturtradition."
Wenn die Saar auch nicht mit so köstlichem Wein wie der Rhein, die Pfalz
und die Mosel aufwarten kann, so sind ihre Gewächse keineswegs
unbeachtlich. Auf den Hängen um Serrig wachsen ihre Reben.
Edelmarken, die neben dem besten Moselwein bestehen können. Die
staatlichen Domänen von Serrig und Ocksen haben wundervolle Lagen, bei
Saarburg, Wiltungen und Oberemmel, Ayl und
Canzem, vor allem aber werden genannt die Weine von
Scharzhofberg.
Im Saargebiet wächst nicht nur deutsche Arbeit in einer wundervoll
durchorganisierten Industrie und deutscher
Wein - sondern leben vor allem echte bodenständige Deutsche, die
im Jahre 1935 den Franzosen in der Volksabstimmung zurufen werden:
Deutsch ist die Saar!
[203]
Stadt und Burg Cochem an der Mosel.
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