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[351-352]
XVII. Verletzungen anderer Bestimmungen, die sich auf das Rote Kreuz beziehen.

("Rapport", Uebersicht 25.)

Bereits im deutsch-französischen Kriege 1870/71 mußte seitens der deutschen Regierung gegen das völkerrechtswidrige Verhalten der Franzosen schärfster Protest erhoben werden. So heißt es in einer Note vom 9. Januar 1871:

"Bereitwillig bei uns zugelassene Vertreter der europäischen und amerikanischen Presse haben beobachtet und bezeugen, wie der deutsche Soldat Tapferkeit und Menschlichkeit zu paaren weiß und wie zögernd die strengen, aber nach Völkerrecht und Kriegsgebrauch berechtigen Maßregeln zur Ausführung kommen, welche anzuordnen die deutsche Heeresleitung durch das völkerrechtswidrige Verhalten der Franzosen und zum Schutz der eigenen Truppen gegen Meuchelmord gezwungen worden ist."

"Auch der größten und ausdauerndsten Wahrheitsentstellung wird es nicht gelingen, die Tatsache zu verdunkeln, daß die Franzosen es sind, welche diesem Kriege den Charakter gegeben haben, den ein jeder Tag tiefer und breiter ausprägen muß. Schon vor mehreren Monaten, nachdem wiederholte Fälle uns die Ueberzeugung verschafft hatten, daß die französischen Truppen das allgemeine Völkerrecht, sowie die besonderen Abmachungen, an denen Frankreich teilgenommen hatte, grundsätzlich mißachteten, nachdem wiederholt, man darf fast sagen, regelmäßig gegen Aerzte und Ambulanzen vertragswidrige und rohe Feindseligkeiten verübt worden waren, habe ich Ew... ersucht, dieserhalb bei der dortigen Regierung Protest zu erheben."

"Während mehr als 100 französische Militärs hier am Sitze des Hauptquartiers als Aerzte und Krankenwärter sich mit der größten Freiheit bewegen, während französische Delegierte in Gefangenendepots in Deutschland zugelassen sind, so haben von französischer Seite die Angriffe auf Verbandplätze und Ambulanzen, die Mißhandlungen und Beraubungen von Aerzten, Delegierten, Lazarettgehilfen und Krankenträgern, die Ermordung von Verwundeten bis auf die neueste Zeit fortgedauert, und wo Aerzte in die Gewalt der feindlichen Truppen ge- [353-354] fallen sind, sind sie nicht selten mißhandelt und eingekerkert, im günstigsten Falle ihrer Effekten beraubt und auf beschwerlichen Wegen nach der Schweizer oder italienischen Grenze geschafft worden.
      Einer so konsequenten Mißachtung der Genfer Abmachung gegenüber werden die verbündeten deutschen Regierungen zu der Erwägung genötigt werden, ob oder in welchen Grenzen sie sich Frankreich gegenüber ferner an dieselbe gebunden erachten können."

Diese konsequente Mißachtung hat sich auf seiten der Ententetruppen auch während des Krieges gezeigt.

In den Abschnitten A 3, B 3 und C 3 konnten nur einzelne charakteristische Fälle angeführt werden. Die Fülle des vorhandenen Materials ist erdrückend! Aber diese wenigen angeführten Fälle beweisen bereits vollauf, wie auf fast allen militärischen Gebieten die Rote-Kreuz-Flagge von den Truppen der Entente absichtlich und in durchdachter Weise mißbraucht wurde.
      Ob nun weittragende Geschütze durch Einstellung in Lazarettzüge, ob Munitionslager durch Hissung der Genfer Flagge oder absichtlich in ihrer unmittelbaren Nähe angelegte Lazarette gedeckt wurden, ob Transportdampfer als Hospitalschiffe verkleidet ungefährdet Kampfmaterial an seinen Verwendungsort brachten, in all diesen Maßnahmen zeigt sich die bewußte Spekulation der Entente, die tatsächlich vorhandene Achtung des deutschen Heeres vor dem Roten Kreuz, diesem Sinnbild christlicher Nächstenliebe, für ihre eigenen selbstsüchtigen Zwecke auszunutzen.

Was wollen diesem erdrückenden Belastungsmaterial gegenüber die fadenscheinigen Vorwürfe der Entente bedeuten, die den Deutschen gemacht werden!

In welchem Sinne die Entente die Genfer Abmachungen einzuhalten gedachte, erhellt am klarsten aus dem Antrag des Vorsitzenden des amerikanischen Roten Kreuzes, der die amerikanischen Vertreter des Roten Kreuzes auffordert, den verwundeten und hilflosen Deutschen auf den Kampffeldern nicht mehr beizustehen, sondern sie ihrem Elend zu überlassen.

Und bei dieser Sachlage klagt man das deutsche Heer der Barbarei und der Herzlosigkeit an!

[355-356]
Anlage zu XVII

A 1.
Deutschen Truppen vorgeworfene Vergehen.

19. 4.18 Beauverhain. Deutsche Truppen:
      Aus einem deutschen, mit einer Roten- Kreuz-Flagge versehenen Wagen, in dem 4 Mann saßen, wurde geschossen.

A 2.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Vor dem Weltkriege.

Aus der Note Bismarcks an die französische Regierung vom 9. 1. 1871:
      "Nur ein Zeugnis kann ich mich nicht enthalten, gleich hier ausführlicher mitzuteilen, des Schweizer Arztes Dr. Burckhard, datiert aus Puiseaux vom 18. 12.:
      "Die Genfer Konvention ist in den Gefechten in den Wäldern von Orleans vielfach verletzt worden. Ich sah am 30. 11. einen französischen Militärarzt, von dem nicht nur französische Gefangene behaupteten, sondern der es selbst offen eingestand, daß er mit seinem Revolver viele preußische Gefangene erschossen hätte."

A 3.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Während des Weltkrieges.

September 1914 Erviller. Englische Truppen:
      Im September 1914 bei Erviller beschoß ein englisches mit dem Genfer Abzeichen versehenes Automobil eine deutsche Kavalleriepatrouille mit Maschinengewehrfeuer.

18. 11. 16 Anzin. Englische Truppen:
      Bei Anzin benutzten die Engländer zweimal die Genfer Flagge, um zwei Maschinengewehre in Stellung zu bringen und dann die getäuschten Deutschen meuchlerisch zu überfallen. Die Bedienungsmannschaften wandten hierbei noch die Hinterlist an, sich als Krankenträger und Verwundete auszugeben oder zu gebärden.

A 4.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Nach dem Waffenstillstand.

Nach dem Waffenstillstand bot sich zu derartigen Vergehen keine Gelegenheit mehr.

[357-358]
B 1.
Deutschen Truppen vorgeworfene Vergehen.

22. 8. 14 Ethe. Deutsche Truppen:
      Ungerechtfertigtes Blutbad unter Sanitätsmannschaften und Verwundeten.
      Ein deutscher Leutnant kontrollierte einen Sanitätsposten und erklärte, alles sei in Ordnung. Darauf aber befahl ein feindlicher Unteroffizier, der von einigen Leuten begleitet war, den Aerzten, Krankenträgern und in einem der Zimmer anwesenden Verwundeten, herauszutreten, um erschossen zu werden. Als man ihm zu erklären suchte, daß es sich um Sanitätspersonal und Verwundete handele, ließ er das Feuer trotzdem eröffnen, zerschmetterte einem verwundeten Leutnant den Schädel, während seine Leute mehrere Aerzte töteten oder verwundeten. Später schossen Schildwachen, die an den zwei Türen einer brennenden Scheune standen, in der sich 60–80 Verwundete befanden, auf diejenigen, die sich zu retten versuchten. Einige Verwundete, die ins Freie gelangt waren, wurden wieder eingefangen und an der Kirchhofsmauer erschossen.

B 2.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Vor dem Weltkriege.

1. 9. 71 Floing und St. Albert. Französische Truppen:
      1. San.-Detach. des XI. A.-K. wird beim Aufladen von Verwundeten mit der blanken Waffe angegriffen.

30. 11. 70 Nuits. Französische Truppen:
      Der bayerische Stabsarzt Dr. Klein wird, während er mit dem Verbinden Verwundeter beschäftigt war, von feindlichen Truppen überfallen und durch Gewehrschüsse sowie durch Kolbenschläge auf den Kopf getötet. General Cremer bestätigt diesen Mord.

18. 8. 71 Gravelotte. Französische Truppen:
      Das 2. San.-Detach. des III. A.-K. wird beim Verbinden und Abfahren Verwundeter unter Infanteriefeuer genommen. 3 Mann verwundet.

1. 9. 71 Balan. Französische Truppen:
      Die 3. bayerische San.-Komp. wird aus den Häusern von Infanterie beschossen. 2 Krankenträger gefallen und geplündert.

2. 10. 70 Bellevue. Französische Truppen:
      Das 3. San.-Detach. des VII. A.-K. erhält auf dem Sammelplatz der Verwundeten Feuer.

11. 12. 70 La Fère. Französische Truppen:
      Die ganze Ambulanz mit etwa 100 Verwundeten und Kranken wird gefangen nach Calais geführt.

Dezember 70. Französische Truppen:
      Auf dem Rückzuge von Orleans nach Blois im Dezember ließen die Franzosen mehrere tausend Verwundete ohne allen ärztlichen Beistand zurück.

B 3.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Während des Weltkrieges.

Ungerechtfertigtes Blutbad unter Sanitätsmannschaften.

18. 7. 18 Nähe von Soissons:
      Der Verbandsplatz eines deutschen Truppenteils befand sich in einer Höhle in der Nähe von Soissons. Obwohl draußen am Eingange eine große
[359-360] Rote-Kreuz-Flagge hing, bauten die Gegner am Höhleneingang ein Maschinengewehr auf und bestrichen die Höhleneingänge. Wehrfähige Leute außer Sanitätspersonal waren nicht in der Höhle. Nachdem der Feind noch eine ganze Anzahl von Handgranaten in den Innenraum geworfen hatte, wodurch noch mehrere verwundet wurden, drang er endlich ein und beraubte zunächst die sämtlichen Verwundeten.

12. 9. 14 Chalons. Französische Truppen:
      September 1914 drangen französische Kolonialtruppen in ein Lazarett zu Chalons ein und schossen zwischen die Verwundeten. 2 Tote und mehrere Wiederverwundete waren die Folge.

Die unter dem Schutz des Roten Kreuzes stehenden Sanitätspersonen sind in zahlreichen Fällen feindlich angegriffen, insbesondere beschossen worden, obwohl sie durch ihre Abzeichen, Geräte und ihre Tätigkeit deutlich als Sanitätspersonen zu erkennen waren. Viele haben auf diese Weise den Tod gefunden.

Einige Beispiele seien angeführt:

7. 9. 14 Schloß d'Automne bei Meaux. Französische Truppen:
      Das im Schloß d'Automne in der Gegend von Meaux befindliche deutsche Lazarett war am 5. 9. 14 von den Franzosen gefangengenommen. Das deutsche Sanitätspersonal verblieb vorerst im Schloß, welches auf dem Dach und an den Eingängen durch mehrere Rote-Kreuz-Fahnen als Lazarett deutlich gekennzeichnet war. Am Nachmittag des 7. 9. wurde das Schloß von etwa 50 Marokkanern oder Senegalnegern unter Führung eines weißen französischen Offiziers überfallen, die blindlings auf die Lazarettinsassen, insbesondere auf eine Abteilung deutscher Krankenträger, die im Garten neben dem Schloß abkochten, ein heftiges Gewehrfeuer eröffneten, wodurch 3 Krankenträger getötet und 3 schwer verwundet wurden. Das Lazarettaufsichtspersonal war vorher unter Hin- und Herschwingen von Genfer Flaggen den Marokkanern entgegengelaufen. Der französische Offizier kümmerte sich aber hierum nicht. Er gab vielmehr selbst den Befehl zum Feuern.

10. 9. 14 Boissy-Fresnoy. Französische Truppen:
      Bei Boissy-Fresnoy wurden am 10. 9. 14 mehrere Bauernwagen, die Fahnen mit dem Roten Kreuz trugen und in denen etwa 25 Verwundete lagen, durch eine französische Kavalleriepatrouille beschossen, wodurch ein Verwundeter tödlich getroffen und ein Krankenträger verletzt wurde.

14. 9. 14 Charlemont. Französische Truppen.
      Landwehrmann S. war Zeuge eines mit planmäßiger Ueberlegung und viehischer Roheit ausgeführten Mordes an einem deutschen Militärarzt; er berichtet unter Eid:
      "Ich saß am 14. September 1914, nachmittags gegen 5 Uhr, als französischer Gefangener am Fenster des Empfangszimmers des Schlosses zu Charlemont. Ich sah, wie ein deutscher Arzt, wahrscheinlich ein Oberarzt oder Stabsarzt – genau kann ich dies nicht sagen – er war jedenfalls als Arzt durch die Rote-Kreuz-Binde kenntlich, durch den Park auf das Schloß zuritt. Plötzlich wurde ihm das Pferd unter dem Leibe weggeschossen. Der Arzt erhielt einen Schuß durch die Brust. Ich habe das Blut aus der Uniform sickern sehen. Als der Arzt am Boden lag, stürzten 2 französische Infanteristen – das Regiment kann ich nicht angeben, auf den Arzt zu, rissen ihre Seitengewehre von den Gewehren und bohrten dem Arzt beide Augen aus."

In gleicher Weise gingen auch die Engländer vor.

25. 9. 15 Loos. Englische Truppen:
      Engländer warfen in einen Sanitätsunterstand, trotzdem er deutlich durch eine Genfer Flagge gekennzeichnet war, eine Handgranate, erschossen einen Krankenträger und bedrohten andere.
      Bei demselben Angriff warfen Engländer in den Unterstand des Assistenzarztes Dr. Schönlank Handgranaten und schossen hinein, trotz kenntlicher Genfer Flagge. Sie verwundeten Sanitätspersonal. Einem Sanitätsunteroffizier spalteten sie mit der Axt oder Kreuzhacke den Schädel. Alle mit dem Eisernen Kreuz Dekorierten wurden besonders schlecht behandelt.

16. 5. 15 La Bassée. Englische Truppen:
      Musketier L., Krankenträger, erlitt bei La Bassée durch Verschüttung einen Bruch des linken Oberschenkels und blieb in einem deutschen Laufgraben liegen. Am 17. 5. wurde der Graben durch Engländer gestürmt. Ein betrunkener Schotte schoß auf 3 Meter Entfernung – trotzdem er sehen mußte, daß L. das Genfer Abzeichen trug – und verwundete ihn.

[361-362]
B 4.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Nach dem Waffenstillstand.

1919 Belgien. Belgische Truppen:
      Ein deutscher Sanitätssoldat wurde auf einem Gefangenentransport, obwohl er die Begleitmannschaft auf den Knien um Schonung bat, durch Bajonettstich verwundet, so daß die Spitze auf der anderen Seite herauskam. Trotzdem mußte er noch 5 Stunden weiter marschieren, ehe er verbunden wurde. Ein anderer, Bollak, wurde von belgischen Soldaten so verwundet, daß er liegen blieb.

Dezember 1918 Wulveringhem:
      Im Lager Wulveringhem war ein Sanitätsunteroffizier ausgetreten und hatte einen hinter der Baracke stehenden Zaun benutzt, um seine Notdurft zu verrichten. Ein dort patrouillierender Belgier sagte ihm, er solle wo anders hingehen. Daraufhin machte der Unteroffizier eine Aeußerung. Er ging darauf in die Baracke zurück. Bald darauf kam der Belgier mit einem Gewehr, welches er sich geholt hatte und forderte den Sanitätsunteroffizier auf, die Baracke zu verlassen. Auf Zureden der Barackeninsassen tat dies auch der Sanitätsunteroffizier. Darauf feuerte der Belgier sein Gewehr ab und traf den Unteroffizier derartig in den Unterleib, daß er kurze Zeit darauf verstarb.

 
C 1.
Deutschen Truppen vorgeworfene Vergehen.

1914 La Neuville. Deutsche Truppen:
      Während einer Gefechtspause wurden Krankenträger des 267. Infanterie-Regts. auf das Kampffeld geschickt, um die Verwundeten aufzulesen und die Toten zu holen. Die Deutschen ließen sie zuerst gewähren, eröffneten dann aber, als 6 Krankenträger draußen waren, das Feuer.

C 2.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Vor dem Weltkriege.

6. 8. 71 Spichern. Französische Truppen:
      Auf das 2. San.-Detach. des III. A.-K. wurde beim Aufsuchen und Abtragen der Verwundeten das Feuer durch französische Infanterie eröffnet.

1. 9. 70 Charly.
      Das gleiche geschah beim 3. San.-Detach. des IX. A.-K.

19. 9. 70 Villa Conbley.
      Das gleiche geschah beim 1. und 2. San.-Detach. des V. A.-K.

1. 9. 70 Sedan.
      Das gleiche geschah den Krankenträgern vom 5. bayerischen Jäger-Bataillon.

30. 9. 70 vor Fort Jory.
      Das gleiche geschah den Krankenträgern des IV. A.-K.

1. 9. 70 Bazeilles.
      Das gleiche geschah den Zivilkrankenträgern durch Kleingewehrfeuer aus den Häusern.

Vielfach sind im Bereiche des XIV. A.-K. Fälle vorgekommen, daß Aerzte und Krankenwärter gefangen genommen und entweder gar nicht oder erst nach tagelangen Mißhandlungen verschiedener Art, als Steinwürfe des Pöbels in den Städten, durch die sie geführt wurden, wieder in Freiheit gesetzt worden sind.
      Stabsarzt Dr. Bürgh stellte fest, daß dem General Cremer die Bestimmungen der Genfer Konvention, seinem eigenen Zugeständnis nach, gänzlich unbekannt waren.
      Einem Arzte, Dr. Müller, wurde, als er seinen neutralen Charakter geltend machte, von einem französischen Major erwidert, Berufungen auf die Genfer Konvention würden nicht respektiert.
[363-364]   Viele Franktireurs zogen bei rückwärtigen Bewegungen Genfer Binden aus der Tasche. Das Schießen auf Verwundete kam öfters vor.

C 3.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Während des Weltkrieges.

17. 9. 14 bei Laitre. Französische Truppen:
      Während einer Gefechtspause ging der Sanitätsunteroffizier W. mit der Genfer Binde am Arm und ohne Gewehr freiwillig vor die Schützenlinie, um den vielen vor der Front liegenden verwundeten Franzosen zu helfen. Nachdem er, ohne beschossen zu werden, vorgegangen und schon 4 bis 5 verwundete Franzosen verbunden hatte, half er noch einem weiteren Franzosen, verband auch ihn und wollte mit ihm zur deutschen Stellung zurückkehren, indem er den Franzosen unter den Schultern stützte. Er hatte aber kaum einige Schritte gemacht, als die Franzosen aus ihren Stellungen zu feuern begannen und ihn erschossen; er fiel also, während er getreu dem Sinne des Genfer Abkommens den verwundeten Feinden Hilfe brachte, als Opfer des maßlosen Hasses der Franzosen, die nicht einmal hier das Rote Kreuz achteten.

25. 9. 16 Le Transloy. Englische Truppen:
      Bei Le Transloy schossen englische Sanitätsmannschaften mit Karabinern auf deutsche Gefangene, die Verwundete aus dem Kampfgebiet zurückschaffen mußten.

Der Haß ging sogar so weit, daß deutsches Sanitätspersonal, das verwundete Franzosen verbunden und versorgt hatte, zum Lohn dafür von diesen hinterher heimtückisch erschossen wurde.

20. 8. 14 Lucy-Fremery. Französische Truppen:
      Der Krankenträger H. bekundet unter Eid: "Während der Schlacht von Lucy-Fremery am 20. 8. 14 kam ich an französischen Verwundeten vorbei, die nach Wasser riefen. Ich kniete beim ersten, der eine Verwundung am Munde trug, nieder und labte ihn. Als ich mit dem nächsten beschäftigt war und ihm Wasser einflößen wollte, schoß der erste auf mich, so daß die Kugel hart an mir vorbeiging. Da ich ihn sofort wieder im Anschlag auf mich sah, sprang ich hinzu und machte ihn unschädlich."

26. 9. 14 Französische Truppen:
      Der Sanitätsunteroffizier Z. wurde am 26. 9. 14 durch einen verwundeten Franzosen, den er gerade auf dem Schlachtfelde verband, durch einen Revolverschuß verwundet.

Daß dieses unmenschliche, völkerrechtswidrige Verhalten dem Sanitätspersonal gegenüber durch die Weisungen der Kommandobehörden geradezu gefördert wurde, geht aus nachstehenden Befehlen hervor:
      a)
Befehl des englischen Generals Horne, der im Juli 1918 den Deutschen an der Vimyfront übermittelt wurde:
            "Ab 4 Uhr nachmittags Pariser Zeit am 8. Juli wird jede Truppenbewegung in der vorderen Kampfzone, ob unter dem Zeichen des Roten Kreuzes oder nicht, unter Feuer genommen."
            Der kommandierende General der britischen Truppen an der Vimyfront.
      b) Tagesbefehl vom 8. Februar des 11. französischen Divisionsstabes Nr. 3341, gezeichnet von General Vuillemot:
            "Der Divisionskommandeur befiehlt ausdrücklich, daß jeder Deutsche, wann und wo es sei – auch bei der Bergung von Verwundeten – sofort unter Feuer zu nehmen sei..."

18. 8. 14 Reiningen-Oberburnhaupt. General Vautier, VII. A.-K., 14. Div.:
      Dr. Vosselmann aus Pfastatt fuhr mit seinem Kraftwagen mit Genfer Flagge und Passierschein beim ersten Franzoseneinfall nach Reiningen. General Vautier riß die Genfer Flagge vom Auto, letzteres wurde als Kriegsbeute einbehalten. Dr. Vosselmann wurde als Spion behandelt und gekettet in das Gemeindewachtlokal eingesperrt.

C 4.
Gleichgeartete von den Truppen der Entente begangene Vergehen.
Nach dem Waffenstillstand.

Nach dem Waffenstillstand bot sich zu derartigen Vergehen keine Gelegenheit mehr.

[365-366]
D

Die Entente wirft in dieser Uebersicht Deutschland vor, sich in verschiedenen Fällen gegen die Bestimmungen der Genfer Konvention vergangen zu haben.

Daß die Behörden und Truppen der Feindmächte dies ganz allgemein, absichtlich und vielfach in planmäßiger Weise taten, sollen nachstehende Kapitel zeigen.

1.
Während des Weltkrieges.

Einer der grundlegendsten Sätze des Genfer Abkommens (Artikel 9) besagt, daß das Sanitätspersonal unter allen Umständen geachtet und geschützt werden muß, und daß es nicht als "kriegsgefangen" behandelt werden darf. Hiergegen ist nicht nur in Einzelfällen, sondern allgemein und systematisch, sowohl von der französischen Heeresleitung und den Truppen, als auch von der Zivilbevölkerung verstoßen worden.
      Zahllos sind die Fälle schlechter Behandlung, Mißhandlung und Beschimpfung des deutschen Sanitätspersonals.
      Zahllos die Fälle der Ausplünderung, der unzulässigen Zurückhaltung und der Beschäftigung mit unzulässigen Arbeiten. (Vergl.
Uebersicht XXII.) Man lese hierüber die Denkschrift: "Frankreich und die Genfer Konvention."

Mehr als 600 Belege über den Mißbrauch des Roten Kreuzes für kriegerische Zwecke durch die Verbündeten liegen vor:

Züge und Lastwagen, die Munition und anderes Kriegsmaterial geladen hatten, führten das Genfer Abzeichen.

Englische Aussage:
      1916 waren östlich Gorre (westlich Bethune) 2 Marinegeschütze in einen Lazarettzug eingeschoben, der den Artilleriebedienungsmannschaften als Wohnraum diente. Die Genfer Abzeichen an den Waggons dienten den Geschützen als Schutz.

März 1917 St. Nazaire. Französische Behörden:
      Anfang März 1917 wurden im Hafen von St. Nazaire Lazarettschiffe mit Eisenerz beladen.

Mai 1917 Mikra. Französische Behörden:
      Mai 1917 wurden im Hafen von Mikra aus Schiffen, die das Abzeichen des Roten Kreuzes trugen, Patronen und Granaten ausgeladen.

September 1914 Reims. Französische Truppen:
      September 1914 war auf den Nordtürmen der Kathedrale von Reims eine Rote-Kreuz-Flagge gehißt. Dabei war auf dem Turm ein französischer Posten, der mit Leuchtsignalen arbeitete, wie deutsche Flieger und Artilleriebeobachter einwandfrei festgestellt. Selbst französische Zeitungen bestätigten den Mißbrauch des Turmes zu militärischen Zwecken.

Besonders gebräuchlich war die Verschleierung großer Munitionslager durch die Genfer Flagge. Im Frühjahr 1917 explodierte die Plus. Douré Ferme, östlich von Wulveringhem, die durch die Genfer Flagge als Lazarett gekennzeichnet war, als ein Schuß hineinging.

Lazarette wurden vielfach in unmittelbarer Nähe großer Munitionslager angelegt, um diese zu schützen.

2.
Nach dem Waffenstillstand.

Ueber Verwendung von Sanitätssoldaten zu unzulässigen Arbeiten im Widerspruch mit der Genfer Konvention. (Siehe Uebersicht XXII.)

Nach dem Waffenstillstande ist in zahlreichen Fällen Sanitäts- oder Schwesternpersonal in nicht erforderlichem Umfange zurückgehalten worden.

Die Genfer Konvention schreibt vor: "Sobald die Mitwirkung des Sanitätspersonals nicht mehr unentbehrlich ist, soll es zu seinem Heere oder in seine Heimat zurückgeschickt werden."

[367-368] 1918/19 Sidi-Bishr. Englische Behörden:
      In Sidi-Bishr (Aegypten) sind vom Oktober 1918 bis Oktober 1919 durchschnittlich von 35 Sanitätsoffizieren nur 5 ärztlich tätig gewesen.
      Im Mannschaftslager Sidi-Bishr waren etwa 200 Mann Sanitätsunterpersonal unbeschäftigt.
      Wiederholte Eingaben des ältesten Sanitätsoffiziers waren ohne Erfolg, führten im Gegenteil zu seiner Bestrafung.

November 1918 bis Februar 1919 Belgien. Belgische Behörden:
      In Antwerpen und Brüssel wurden nach dem Waffenstillstand sämtliche dort befindlichen Sanitätspersonen und Schwestern zurückgehalten, trotzdem nur ein Teil zur Pflege deutscher Verwundeter und Kranker benötigt wurde. In einer Eingabe an das belgische Kriegsministerium vom Dezember 1918 wurde die Zahl des in Antwerpen entbehrlichen Sanitätspersonals auf mindestens 200 beziffert. Der Abtransport des deutschen Sanitätspersonals aus Belgien erfolgte erst im Februar/März 1919.

Juli bis August 1919 Frankreich. Französische Behörden:
      Im Juli und August 1919 waren zahlreiche Sanitätspersonen in den Lazaretten Nancy, Lunéville und St. Nicolas nicht im Sanitätsdienst beschäftigt (im Lager Nancy allein 49); teils waren sie überhaupt unbeschäftigt, teils wurden sie bestimmungswidrig auf französischen Krankenstationen beschäftigt. Gleiches geschah auch in anderen französischen Lagern und Lazaretten.

In zahlreichen Fällen wurde dem festgehaltenen Sanitätspersonal die in Artikel 13 des Genfer Abkommens vorgeschriebene Besoldung ganz oder teilweise vorenthalten, so z. B. in rund 1500 Fällen seitens der französischen Regierung, in rund 460 Fällen von der englischen Regierung, in rund 200 Fällen von der belgischen Regierung.
      Diese Ansprüche wurden zum Teil schon vor Jahren bei den betreffenden Feindstaaten geltend gemacht, ohne daß bisher die Auszahlung erfolgte.

Ein Beispiel, das die bestimmungswidrige schlechte Behandlung des deutschen Sanitätspersonals und der deutschen Verwundeten und Kranken besonders erhellt, sei ausführlicher behandelt.

In den Lazaretten in Antwerpen lag eine sehr große Anzahl verwundeter deutscher Soldaten aus den schweren Rückzugsgefechten. Der Abtransport des größten Teiles dieser Verwundeten gelang den deutschen Militärbehörden innerhalb der in den Waffenstillstandsbedingungen festgesetzten Räumungsfrist nicht mehr. Die Aerzte sowie das gesamte Sanitätspersonal einschl. der Schwestern hielten es daher für ihre Pflicht, im Interesse der Verwundeten zu deren Behandlung und Pflege zurückzubleiben. Sie vertrauten hierbei auf die Genfer Konvention. Die ersten Tage nach der Räumungsfrist stand das Personal unter der Fürsorge des belgischen Roten Kreuzes, das sich ihrer gewissenhaft annahm, nach dem Einzug der belgischen Truppen kamen jedoch die Lazarette unter den Befehl und die Verwaltung der belgischen Militärbehörden. Sofort wurden die Verwundeten und das Sanitätspersonal als Gefangene behandelt. Es wurden militärische Wachtkommandos, angeblich nur zur Sicherheit, in jedes Lazarett gelegt. Dem gesamten Sanitätspersonal wurde strengstens verboten, die Gebäude zu verlassen. Es wurde sogar untersagt, die Fenster nach der Straße zu zu öffnen, obwohl dieses eine Notwendigkeit war, um die Räume sachgemäß ventilieren zu können.
      War an sich schon der völlige Abschluß von der frischen Luft sowohl für das Sanitätspersonal als auch für die Verwundeten äußerst gesundheitsschädlich, so kam als weiterer Mißstand noch eine Ernährung hinzu, die nicht den Anforderungen der Hygiene genügte. Als Kost wurde sowohl für die Verwundeten als auch für das Sanitätspersonal tagtäglich die gleiche Verpflegung von den Belgiern im fertigen Zustande geliefert. Morgens ein kaffeeähnliches Getränk, mittags die sogenannte Komitee-Wassersuppe, bestehend aus einer dünnen Suppe mit etwas Kraut und Bohnen, und abends ein Kartoffelbrei mit Zwiebeln und Brot. Anfangs gab es kein Fleisch, später solches unregelmäßig und in kleinen Portionen. Das Essen war vielfach schon am Tage vorher zubereitet und kam dann in einem übelriechenden Zustand ins Lazarett. Die Mehrzahl der Lazarettinsassen war bald nicht mehr fähig, diese Kost zu genießen und kam daher körperlich schnell herunter. Hinzu kam noch, daß die Belgier weder [369-370] den Verwundeten noch dem Sanitätspersonal Löhnung auszahlten, so daß eine Beschaffung von Nahrung aus eigenen Mitteln bald nicht mehr möglich war, zumal das deutsche Geld sehr bald außer Kurs gesetzt wurde. Ein von den Belgiern amtlich zugelassener Einkäufer durfte zwar zu unerhört hohen Preisen in beschränktem Maße Lebensmittel besorgen, doch war diese sogenannte Erleichterung bald illusorisch, da die Geldmittel fehlten.
      Auf die schriftliche Anfrage der deutschen Chefärzte, in welchem rechtlichen Verhältnis sich die Verwundeten und das zurückgebliebene Sanitätspersonal in Belgien befanden und weshalb beide zurückbehalten würden, erteilte der Kommandant von Antwerpen die Antwort: "Die Verwundeten und Kranken sind Kriegsgefangene; das zurückgebliebene Sanitätspersonal ist weder kriegsgefangen noch interniert, müsse aber solange in Belgien verbleiben, bis es für die verwundeten und kranken Deutschen nicht mehr gebraucht werde."
      Trotz dieser Zusicherung wurde das Sanitätspersonal in gleicher Weise wie die kranken und verwundeten Gefangenen gehalten und auch das inzwischen überflüssig gewordene und nicht gebrauchte Personal (Aerzte, Schwestern und Sanitätspersonal) weiter zurückbehalten. Anfang Januar 1919 wurde dieses überflüssige Sanitätspersonal gesammelt, im Hotel Fortuna streng bewacht und abgeschlossen gegen jeden Verkehr mit der Außenwelt untergebracht. Zehn Tage lang mußten die Schwestern auf Steinfußböden und Stroh liegen. Am 14. Januar 1919 erfolgte der Abtransport dieses vorerwähnten überflüssigen Sanitätspersonals, bestehend aus etwa 30 Aerzten, 76 Schwestern und zahlreichen Sanitätsmannschaften, zunächst nach Brüssel. Beteiligte berichten hierüber folgendes:
      Sie seien unterwegs in völlig unzureichender Weise gegen die Wut des Pöbels geschützt worden. Der Pöbel hätte die Schwestern mit Steinen beworfen, ihnen die Schwesternhauben vom Kopf gerissen, sie angespuckt, mit Fußtritten, Stößen in den Rücken mißhandelt. Der Pöbel habe ihnen das Gepäck aus der Hand gerissen und sogar eine Schwester zu Boden geworfen. Das Personal wurde in ärgster Weise beschimpft, man johlte und pfiff. In Brüssel sind 76 Schwestern in eine kalte, zugige Sattelkammer mit defekten Fenstern bei Winterkälte eingesperrt worden. Als Nachtlager diente der mit etwas Stroh belegte Steinboden. Zur Verrichtung der Notdurft wurden jedesmal je 4 Schwestern von einem Posten in einen offenen Pferdestall geführt, wo sie in dessen Gegenwart ihre Notdurft verrichten mußten. Die Aerzte und das männliche Sanitätspersonal wurden zur selben Zeit in einer kalten Reitbahn eingesperrt gehalten. Stroh wurde zum Nachtlager nur in unzureichendem Maße gewährt, der Erdboden war feucht, außerdem war das Stroh verlaust. Im gleichen Raume standen zur Verrichtung der Notdurft zwei offene Kessel.
      Von dort aus erfolgte der Weitertransport nach dem Gefangenlager Wulveringhem. Unterwegs erfolgte in Mecheln ein Aufenthalt von 13 Stunden. Die Belgier befahlen zunächst, die Wartezeit auf dem Bahnsteig in der Winterkälte zu verbringen. Auf Bitten hin wurde schließlich das Betreten des Wartesaals erlaubt. Auch hier wurde das deutsche Personal nicht gegen die Wut des Pöbels geschützt, der den Wartesaal stürmte, so daß das Personal gezwungen war, 12 Stunden in einem kalten Schuppen zu verbringen. Am 7. 2. 19 befand sich das gesamte vorerwähnte männliche Sanitätspersonal gleichfalls noch im Gefangenlager Wulveringhem. Die 76 deutschen Schwestern wurden von Brüssel aus nach dem "Hôspital civil" in Schaerbeke bei Brüssel geschafft, wo sie zum größten Teil in einem großen Keller unter den unwürdigsten und unhygienischsten Verhältnissen untergebracht waren und sich noch am 7. 2. 19 befanden.

Ein Arzt, Stabsarzt Dr. B., der die Vorgänge teilweise selbst miterlebt hat, berichtet hierüber: "Ich habe die ärztliche Ueberzeugung, daß die deutschen Schwestern, welche in unvergleichlicher Opferfreudigkeit und Liebe, ohne Unterschied, ob Freund oder Feind, auch für die verwundeten Belgier ihr Bestes getan haben, zum größten Teile einen dauernden körperlichen oder seelischen Schaden durch die unmenschliche Behandlung an ihrer Gesundheit erlitten haben. Ich selbst habe in meiner Tätigkeit als beratender Chirurg bei der Armeegruppe A sehr häufig beobachtet, welche Dankbarkeit die verwundeten und feindlichen Pfleglinge für [371-372] die deutschen Schwestern zeigten. Die oben erwähnte Behandlung ist eine unwürdige Undankbarkeit für diese Aufopferung. Auch Aerzte und das männliche Sanitätspersonal sind meiner Ansicht nach durch die oben erwähnte Behandlung sowohl seelisch als auch in körperlicher Beziehung für längere Zeit an ihrer Gesundheit geschädigt."






Die Wahrheit über die deutschen Kriegsverbrechen:
Die Anklagen der Verbandsmächte
in Gegenüberstellung zu ihren eigenen Taten.

Otto v. Stülpnagel