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Bd. 10: Das Deutsche Reich
und die Vorgeschichte des Weltkrieges, Zweiter Teil


Hermann Oncken, ord. Professor an der Universität Berlin

Kapitel 1: Das Deutsche Reich
unter Kaiser Wilhelm II. (1890 - 1909)
  (Forts.)

3. Die Entscheidung des englischen Bündnisproblems (1898 - 1904).   (Forts.)

Aber noch bevor die ersten Wetterzeichen sichtbar wurden, hatten die frisch wieder hergestellten Beziehungen zwischen Deutschland und England eine kurze Periode ernster Spannung zu durchschreiten, die, so winzig auch das Objekt im Verhältnis zu den möglichen Folgen war, die beteiligten politischen Gewalten in charakteristischer Beleuchtung zeigt. Sie empfing ihren Anstoß - es schien das Gesetz des Zeitalters zu sein, einem springendem Wechsel der Anstöße über die Welt hin zu unterliegen - aus der Mitte der Südsee, von den Samoainseln.59 Hier hatte man durch den Berliner Vertrag vom 15. Juni 1889 ältere konkurrierende Ansprüche in dem Experiment einer Dreiherrschaft England - Amerika - Deutschland auszugleichen gesucht. Dieser zweifelhafte Versuch brach seit dem Januar 1899 rettungslos auseinander: die Rivalität der drei Nationen und noch mehr ihrer Beamten, die sich damit verknüpfenden Thronstreitigkeiten und Kämpfe unter den Eingeborenen, bereiteten der an sich unhaltbaren Ordnung ein Ende. Im einzelnen war man später einig darüber, daß Fehler auf allen Seiten begangen seien; an dem Schuldkonto hatte auch der deutsche furor consularis, den schon Bismarck mißfällig in den Tropen beobachtet hatte, seinen Anteil. Die Ereignisse führten dazu, daß englische und amerikanische Kriegsschiffe am 15. März vor Apia erschienen und den von den Rebellen gestörten Südseefrieden durch ein Bombardement wieder herzustellen suchten, bei dem auch das deutsche Konsulat beschädigt wurde - wie denn auch andere Begleiterscheinungen gerade die deutschen Interessen und Empfindlichkeiten schwer beeinträchtigten.

Die deutsche Regierung, der dieser entlegene Vorfall wie ein Ziegelstein auf den Kopf fiel (um ein Wort Holsteins zu wiederholen), war von vornherein entschlossen, den Tridominat durch eine reinliche Scheidung zu ersetzen; sie stieß auf amerikanischer Seite auf Geneigtheit, in irgendeiner Form zur Teilung zu ge- [492] langen. In London zeigte man sich zunächst gegen diese Möglichkeit ganz harthörig. Obgleich durch das einseitige Bombardement eine Lage geschaffen war, die der deutschen Regierung einen Anlaß zu gerechter Klage bot,60 schien von der Haltung Salisburys nichts zu erwarten zu sein.61 Es war noch immer die alte koloniale Verhaltungsweise, auf die Bismarck schon in den Anfängen der Kolonialpolitik gestoßen war. Salisbury und Chamberlain erklärten, eine Teilung, bei der die größte Insel Upolu an Deutschland falle, vor der öffentlichen Meinung Australiens nicht verantworten zu können: Neuseeland und Australien seien beide unabhängige Staaten, mit welchen England eine enge Allianz habe und deren Auffassung man berücksichtigen müsse. Das Kolonialamt berief sich darauf, die Inseln lägen auf dem Dampferwege von Neuseeland und Australien nach Nordamerika und Panama, während Bülow geltend machte, Samoa bedeute für England, das in den Fidschi-Inseln noch gute Häfen in der Nähe habe, sehr wenig, für Deutschland aber auch noch einen gewissen Gefühlswert aus der ersten Jugend unserer kolonialen Anläufe. Mit Recht betonte er, daß das Verhalten Englands gerade in der Samoa-Frage von entscheidender Bedeutung für die beiderseitigen Beziehungen sein werde.

Der Fortgang der Verhandlung ließ nicht erkennen, daß man diese Auffassung in London teile. Als nach dem Eintreffen der Nachrichten über das Bombardement in Washington vorgeschlagen wurde, eine dreigliedrige Untersuchungskommission nach Samoa zu entsenden, mit dem Rechte Entscheidungen mit Einstimmigkeit zu fällen, erklärten Amerika und Deutschland sich am 30. März zu diesem Wege bereit; dagegen hielt Salisbury an einer Vollmacht der Kommission zu Majoritätsbeschlüssen fest und lehnte die Forderung der Einstimmigkeit ab. Dieses dilatorische Verhalten erschien so feindselig oder hinterhältig,62 daß man in Berlin, unter dem Druck der erregten öffentlichen Meinung, schon den Abbruch [493] der diplomatischen Beziehungen erwog. Es bedurfte eines deutschen Vorgehens gegen den englischen Standpunkt im Schoße der ägyptischen Schuldenkommission, um Salisbury in der Einstimmigkeitsfrage zur Nachgiebigkeit zu bringen, aber auch jetzt noch setzten die Schwierigkeiten mit einer sachlich kaum erklärlichen Hartnäckigkeit wieder ein.

Gerade weil das Objekt es nicht lohnte und weil man, ohne davon zu sprechen, in dieser Zeit wieder nach dem Wege einer weiterreichenden Annäherung suchte, gab diese englische Politik zu denken. Wohl hatte der deutsche Botschafter wieder andeuten müssen, daß dieses Verhalten die ganze deutsche Politik zu einer anderen Wendung nötigen würde, aber selbst er, der seit anderthalb Jahrzehnten um Freundschaft oder Bundesverhältnis zu England rang, kam jetzt zu dem realistischen Ergebnis: "Diese unverblümte Drohung hat aber wenig Eindruck gemacht, und ich überzeuge mich immer mehr, daß sie nicht für ernst gehalten wird, vielleicht weil sie im Laufe der Jahre und schon zu Zeiten des Fürsten von Bismarck häufig als Druckmittel angewandt worden ist, ohne daß eine Handlung darauf gefolgt wäre, vielleicht auch weil man hier glaubt, eventuell immer noch einlenken und uns abfinden zu können."63 Drohungen würden keinen Erfolg haben, wenn England nicht nach irgendeiner Richtung den Anfang einer Ausführung sehen und an den Ernst der Sache glauben müsse. Die deutsche Aufgabe bestehe nach seinem Gefühl darin, England gegenüber weder Liebe noch Abneigung zu zeigen, weder Gefälligkeiten zu verlangen noch solche anzubieten, sondern ruhig abzuwarten, daß man die deutsche Freundschaft zu würdigen wisse und danach handeln wolle. Bis zu diesem Augenblick empfahl er nichts als nüchterne Festigkeit: "Sie können wirklich annehmen, daß ich die Menschen und das Terrain ziemlich genau kenne und mir daher glauben, wenn ich sage, daß nur eins hier Eindruck macht: kühle Ruhe und Zurückhaltung ohne jegliche Drohung und gleichzeitig gelegentliches Parteiergreifen in vorkommenden Fragen gegen England, wie neulich in Ägypten bezüglich gemischter Gerichte. In der Befolgung dieses Systems liegt nach meiner Überzeugung die einzige Aussicht, daß man hier einlenken und größeres Entgegenkommen zeigen wird. Was hier jetzt die Situation beherrscht und auch das Verhalten uns gegenüber erklärt, ist der schrankenlose Hochmut, welcher sich der Engländer, namentlich der Regierung und der Regierungspartei, seit der Flottenvermehrung,64 der Unterwerfung des Mahdi und dem Zurückweichen Frankreichs bemächtigt hat. Man ist fest überzeugt, daß keine Macht es wagen wird, ernstlich gegen England aufzutreten."64

Diese deutsch-englische Spannung, die zunächst durch die Tätigkeit der Dreier-Untersuchungskommission (13. Mai bis 18. Juli) in Samoa unterbrochen [494] wurde, hatte von der öffentlichen Meinung auch auf die Beziehungen der Dynastien übergegriffen. Der Kaiser glaubte, seinen zugesagten Besuch bei der Regatta in Cowes verschieben zu müssen, und nahm am 22. Mai einen Anlaß - es hatten sich auch noch Mißverständnisse zwischen den Höfen über die Einladungsfragen ergeben - der Königin Victoria sein volles Herz auszuschütten, über seinen guten Willen und die Ungebühr der anderen. Er war seit
Victoria, Königin von England, Kaiserin von Indien.
[480a]      Victoria, Königin von England, Kaiserin von Indien.
langem überzeugt, immer wieder auf seinen alten hartnäckigen Gegner Salisbury zu stoßen. Als die Kaiserin Friedrich der Königin Victoria im Sommer des Vorjahres schrieb,65 daß der Kaiser höchst begierig nach einer Annäherung an England sei und hoffe, man werde ihm auf halbem Wege entgegenkommen, hatte sie - wohl nach Verabredung mit Wilhelm II. - ausdrücklich betont: die wiederholten Äußerungen Chamberlains hätten den günstigsten Eindruck auf ihn gemacht, aber er fürchte, daß Salisbury sie sich aus verschiedenen Gründen nicht aneignen wolle oder könne: sie sei überzeugt, jeder entschiedene Schritt Salisburys würde wohl von dem Kaiser aufgenommen werden. Der Ministerpräsident aber, dem die Königin das Erbieten vorlegte, hatte sich, vermutlich gereizt über die Intervention, gestellt, als wenn er den Zweck nicht verstände, und auf die schwebende portugiesische Kolonialverhandlung verwiesen. Sein Verhalten in der Samoafrage hatte vollends den Zorn des Kaisers erregt. So verband er mit dem Schreiben an seine königliche Großmutter eine eindringliche Klage über Salisburys hochmütige und verächtliche Behandlung, die in den Worten schloß: Die Regierung Lord Salisburys muß lernen, uns als Ebenbürtige zu achten und zu behandeln.66 Die Grenze dessen, was einem Familienbrief erlaubt war, wurde damit ohne Frage überschritten und die Königin hatte schon recht, ihren Enkel zu tadeln, daß noch nie ein Souverän an einen Souverän in solchen Ausdrücken über ihren leitenden Minister geschrieben habe.

Auch wenn der Brief des Kaisers nur eine Augenblicksbedeutung hat - das unterschied ihn wesentlich von dem Schreiben Alexanders II. an Kaiser Wilhelm I. von 1879 -, so vertiefte er doch die persönliche Spannung, die zwischen dem Kaiser und Lord Salisbury bestand. Dieser gab seiner Königin zu verstehen, daß er Premierminister von Großbritannien und Irland und nicht "Ministre du Roi de Prusse" sei, und ließ die einzelnen Vorwürfe amtlich erledigen; er setzte sich zwar mit hochmütiger Gleichgültigkeit über den Angriff hinweg, aber zeigte um so mehr zugeknöpfte Gereiztheit in anderen Verhandlungen; eine Anspielung auf Marokko entlockte ihm sogar das auffallende Geständnis der grundsätzlichen Abneigung gegen alle Verträge, durch die das Besitztum noch lebender Eigen- [495] tümer im voraus geteilt werde - es war damals, daß er auch die Verantwortung von dem Portugal-Abkommen ganz von sich abzuschieben suchte.67 Erst bei der nächsten Gelegenheit ließ er sich wieder zu der Höflichkeit herbei, er würde sich freuen, bei einem Besuche Wilhelms II. in England "durch persönliche Aussprache die leider eingetretenen Mißverständnisse beseitigen zu können, da ihm nichts ferner liege, als eine den berechtigten Interessen des Kaisers feindliche Politik einzuschlagen".68

Denn die englische Regierung konnte es in Wirklichkeit nicht auf sich nehmen, in dem Augenblicke, wo das südafrikanische Gewitter sich immer dunkler zusammenzog, den Unwillen des Kaisers nicht zu begütigen.

Die deutsche Reichsregierung hatte, als seit dem Mai 1899 die Möglichkeit eines englisch-burischen Konfliktes nahte, hohen Wert darauf gelegt, die Linie eines korrekten und neutralen Verhaltens zu beobachten. Da sie sich durch den Vertrag vom 30. August 1898 gebunden fühlte, hatte sie alles daran gesetzt, den Ausbruch eines Krieges möglichst zu verhindern. Zunächst hatte man am 12. Mai durch Vermittlung Hollands auf den Präsidenten Krüger im Sinne der Mäßigung einzuwirken gesucht. Nach dem Abbruch der letzten Ausgleichsverhandlung über die schwebenden Streitfragen am 7. Juni hatte man den Standpunkt eingenommen, daß der Konflikt nur noch durch die Vermittlung einer dritten Macht beschworen werden könne, und da man selber seit dem portugiesischen Kolonialvertrag sich nicht mehr zu einer Vermittlerrolle eignete, im Haag den dringenden Rat erteilt, die Vermittlung der Vereinigten Staaten anzurufen. Dementsprechend hatte die holländische Regierung die Anrufung Amerikas empfohlen, aber Präsident Krüger, dessen Starrsinn mehr und mehr seinem Gegner in die Hände spielte, hatte diesen einzigen Rettungsweg abgelehnt. Seitdem er um Ende August die grundsätzliche Suzeränitätsfrage in den Vordergrund der Verhandlung rückte, begannen die Dinge ihren Lauf zu nehmen - von jetzt ab wurde es für die britische Seite zur Ehrensache, die Machtentscheidung zu suchen.

In diesem Augenblick hatte die Samoanische Untersuchungskommission ihre Arbeit an Ort und Stelle beendet und die Grundlagen einer neuen Ordnung geschaffen. Ihr Bericht, der den deutschen Beschwerden durchweg Recht gab, schlug als einzig mögliche Lösung die Teilung der Inseln vor. Und nun begann, schon völlig von dem nahenden Burenkriege überschattet, der zweite ebenso spannungsreiche Abschnitt der deutsch-englischen Verhandlung, der im September und Oktober 1899 zur stärksten Nervenprobe für beide Seiten wurde. Es handelte sich einmal um die Entschädigungsfragen, die schließlich einem Schiedsspruch des Königs von Schweden überlassen wurden (22. September), der im Jahre 1902 für Deutschland entschied. Sodann aber um die Frage der Teilung der Inseln. Der erste Lösungsversuch, auf deutscher Seite Samoa preiszugeben und dafür eine Reihe von Entschädigungen an anderen Stellen, in erster Linie [496] die Abrundung des Togogebietes durch das sog. Voltadreieck zu erhalten, stieß ursprünglich in Berlin auf Gegenliebe, dann auf den scharfen Einspruch von Tirpitz;69 es wurde dann die zweite Eventuallösung angenommen, die von den Samoainseln Upolu und Sawaii an Deutschland, dagegen die Tongainseln und den deutschen Teil der Salomoninseln an England gab. Die Künste der zähen Verschleppungstaktik Salisburys kamen schließlich gegen die deutsche Ausnutzung der günstigen Konjunktur nicht auf, die durch den drohenden Burenkrieg und den für November in Aussicht genommenen Besuch des kaiserlichen Paares in Windsor gegeben war. Die Einladung der Königin Victoria war von vornherein englischerseits gedacht als ein weithin sichtbares Zeichen der deutschen Sympathieerklärung für England. Eben wegen dieser starken Auswirkung, welche die Londoner Politik jetzt dringend brauchte,70 hatte man in Berlin die eigenen Samoawünsche unter allen Umständen vorweg sicherstellen wollen.

Das ganze Ergebnis, das dem Premierminister nur wider Willen abgerungen wurde, erfüllte in allem Wesentlichen das deutsche Programm; es heißt, daß Chamberlain, der die afrikanische Entscheidung immer näherrücken sah, entscheidend auf ein Entgegenkommen in der Südsee hingewirkt habe; nach einer anderen Quelle ist der Abschluß nur dadurch möglich geworden, daß Königin Victoria schließlich auf ihre Weise erklärte, daß sie es so haben wolle.71 So war die Ernte nur eben, bevor das Gewitter losbrach, in die Scheuern gebracht worden.

Seit dem März 1898 war immerhin ein gut Stück Weges der Annäherung zwischen England und Deutschland zurückgelegt worden. So sehr dieser Weg auch durch Spannungen und Ärgernisse, durch das Vorgefühl beginnender Rivalität hindurchführte, so war doch die Periode der Verstimmung von 1895 - 1897 überwunden und die laute Sprache des antideutschen Elementes wesentlich zum Schweigen gebracht worden.72 In dem Augenblick, wo das englische Weltreich an jenes Unternehmen ging, dessen Riesenumfang damals auch die kühnste Phantasie nicht voraussah, war man in London der freundlichen Haltung des Deutschen Kaisers sicherer als irgendeiner Macht.73

[497] An dieser Stelle schien die Neugruppierung der Mächte festere Formen anzunehmen. Zwar hatte der Zar einen Versuch gemacht, diesen Prozeß der Neugruppierung unter ganz ungewohnte Vorzeichen zu stellen und im Moment der höchsten Steigerung imperialistischer Welterraffung die liebliche Stimme des Friedens erschallen zu lassen. Schon am 28. August 1898 hatte er die Welt mit einem schwungvollen Friedensmanifest überrascht, das den Zusammentritt einer internationalen Konferenz über Fragen der Abrüstung und Schiedsgerichte anregte. Die russische Machtpolitik, die in gigantischen Plänen im fernen Osten erobernd ausgriff, hatte zu ihrer europäischen Rückendeckung die Arsenale des Pazifismus geplündert und in einem Zeitalter, wo alte Kolonialmächte in wenigen Wochen zersplittert zu Boden sanken, neue edle und friedliche Normen des Mächteverkehrs gefordert: ehrliche Utopien und verschlagener Machiavellismus verbündeten sich mit einem Male, um die Stunde zu nützen, wo die Großen scheinbar in sich gingen.74 Gerade in jenen Monaten, wo die Erhaltung des Friedens in Südafrika immer mehr die Menschen beunruhigte, hatte, vom 18. Mai bis zum 29. Juli 1899, die internationale Konferenz im Haag getagt, die zur Beglückung aller Freunde des Weltfriedens einen neuen Geist in die Formen und Methoden der Machtpolitik einzuführen berufen war - wir werden in einem anderen Zusammenhange noch einmal darauf zurückkommen. Aber es zeigte sich bald, daß die Mächte, die die neuen Gedanken und Einrichtungen doch nur wieder als Waffen in ihrem Machtkampfe vor der öffentlichen Meinung benutzten, im übrigen ihr Leben nach den harten Grundsätzen der Staatsräson fortsetzten. So schritt denn auch der russisch-französische Zweibund unmittelbar nach der Haager Friedenskonferenz zu einer vertragsmäßigen Vertiefung seines Bündniszweckes; während dieser sich ursprünglich auf die "allgemeine Friedenswahrung" beschränkt hatte, wurde jetzt die "Wahrung des europäischen Gleichgewichts", die stärker nach einem offensiven Lebenswillen schmeckte, an die Stelle gesetzt; und es fehlte nur noch der letzte Schritt, die Schauplätze des europäischen Gleichgewichts genauer zu bezeichnen. Die nächsten Weltereignisse stürmten über die Haager Schiedsgerichtsdebatten sehr bald hinweg. Wenn gegen die deutsche Reichspolitik häufig später der Vorwurf erhoben worden ist, sie habe sich bei dem Thema der Abrüstung und der Schiedsgerichte allzu militaristisch-zugeknöpft verhalten, so ist nicht zu leugnen, daß eine biegsamere und idealistische Staatskunst sich der Situation hätte gewachsener zeigen können. Aber was besagt das alles [498] gegen die Tatsache, daß das englische Weltreich sich gleichsam von den Beratungstischen des Haag erhob, um gegen ein weißes Volk von ein paar hunderttausend Köpfen einen Streit bis zur Vernichtung auszukämpfen, der zu einer schiedsgerichtlichen Lösung wie geschaffen gewesen wäre.

Der Besuch, den Kaiser Wilhelm II. und seine Gemahlin in der letzten Novemberwoche in Windsor und Sandringham abstatteten, leistete der englischen Politik einen unvergleichlichen Dienst, dessen volle Tragweite damals noch nicht vorauszusehen war. Der Kaiser hatte in seiner Umgebung, vor allem auch bei der Kaiserin, starke Widerstände zu überwinden gehabt und wußte, daß er bei der allgemeinen Volksmeinung seine Popularität in Deutschland auf das Spiel setzte.75 Während das deutsche Volk schon den ersten Gefechten in Südafrika mit unzweideutiger Sympathie für die Buren zusah, gab der deutsche Kaiser der Welt zu verstehen, daß er, der einst für die Buren eingetreten sei, jetzt dem englischen Imperium freie Hand lassen und, dieser Schluß ergab sich ohne weiteres, sich an keiner Intervention zu ihren Gunsten beteiligen werde. Gerade weil die englische Nation den Wert dieser symbolischen Handlung verstand, nahm der Besuch, dessen privater Charakter nach außen gewahrt wurde, einen sehr harmonischen Verlauf, der für den Kaiser bei seiner Fahrt durch London auch zu spontanen Huldigungen führte.76

Zu einer eigentlichen Förderung des deutsch-englischen Problems, das sich fortan auf dem weltgeschichtlichen Hintergrunde des Burenkrieges entfalten wird, sollte es infolge der eigentümlichen Konstellation Salisbury/Chamberlain im Ministerium nicht kommen. Hatzfeldt hatte ursprünglich dringend geraten, bei der Gereiztheit des Foreign Office über die Nebenverhandlung mit Chamberlain eine vertrauliche Verhandlung mit ihm so einzurichten, daß sie nicht zur Kenntnis Salisburys gelange; gleichzeitig hatte er bei dem Kaiser und Bülow darauf hingearbeitet, bei der ausgesprochenen Abneigung des Premierministers gegen Allianzen ihm in dieser Haltung lieber mit einem Worte zuzustimmen und ihn nicht mit Anträgen zu überfallen.77 Ein schicksalhafter Zufall wollte dann, daß Salisbury, der in diesen Tagen an dem Sterbebette seiner Gemahlin stand, überhaupt unsichtbar blieb. Er ließ Bülow wissen, er werde Chamberlain sehen, aber mit dem ausdrücklichen Hinweis, dieser spräche nur in seinem eigenen Namen und nicht für das Kabinett.78 In seiner Besprechung mit Bülow79 entwickelte [499] Chamberlain von neuem seine Ideen über ein Zusammengehen von England, Amerika und Deutschland, als eine die Welt beherrschende Gruppierung. Der Deutsche betonte gegenüber diesem Zukunftsbilde, man könne nur unter zwei Voraussetzungen davon sprechen, daß die Kombination keine direkte Spitze gegen Rußland haben dürfe, sondern bei dem verschiedenen Risiko bestimmte Bürgschaften aufweisen müsse, und daneben - das schien vielleicht auf eine innere Unsicherheit hinzudeuten - daß man Rücksicht auf die deutsche öffentliche Meinung zu nehmen habe.80 Nach seiner Art unterstützte Chamberlain das Gespräch mit einer öffentlichen Rede am 29. November 1899, in der er gegenüber der russischen Gefahr auf den Dreibund England - Amerika - Deutschland anspielte; da der Premierminister nach einer gewissen Zeit es für verfehlt und bedauerlich erklärte,81 wenn Redner öffentlich von Allianzen sprächen, so ließ sich nur erkennen, daß an der entscheidenden Stelle des Staates der Dualismus in der Frage der englischen Außenpolitik fortbestand.

Im übrigen schien auch in Einzelfragen weitere Verständigung möglich. Chamberlain hatte schon einige Wochen vorher dem Grafen Hatzfeldt eine geheime Verabredung über Marokko angeregt und sich bereit erklärt, die Sache in die Hand zu nehmen, aber unter unbedingter Geheimhaltung gegenüber Salisbury, der für die Karte Marokko auch andere Verwendung besaß. Auch dem Kaiser gegenüber kam Chamberlain auf die Marokkofrage zurück. Man war überall auf Verständigung bedacht. In diesen Tagen wurde die Erteilung der Generalkonzession für das Bagdadbahnunternehmen bekannt.82 Die Times bedauerte zwar, daß das vor einem halben Jahrhundert von England geplante Unternehmen schließlich in die Hände einer fremden Macht gefallen sei. Aber es gebe keine Macht, welcher England die Ausführung dieses Unternehmens lieber überlasse als Deutschland, das allein bedeutende Zugeständnisse in der Richtung [500] der von England verfolgten Handelspolitik gemacht habe. England werde sich schließlich an dem Unternehmen beteiligen können, und jedenfalls werde es sehr erfreulich sein, wenn ein Zusammenwirken Deutschlands und Englands, wie schon an mehr als einem Platze der Welt, in einem Gebiete stattfinde, das aus vielen Gründen sich Englands lebhaften Interesses erfreue.

Alles in allem, man sieht die Elemente, die einem dauernden und festen Zusammengehen auf beiden Seiten geneigt waren, im Fortschreiten begriffen, und den weltgeschichtlichen Moment, der seit dem Ausbruch des Burenkrieges geschaffen worden war, ihren Absichten günstig. Doch in dem labilen Element der Politik bleiben auch die Gegenkräfte, die sich einer ansteigenden Welle entgegensetzen, immer lebendig. Schon am 26. Dezember 1899 enthielt ein Bericht Hatzfeldts die Bemerkung: "In bezug auf Salisbury habe ich ein instinktives Gefühl, mehr ist es vorläufig nicht, daß er heute schon wieder daran denkt, sich den Russen und Franzosen zu nähern."83 Vor allem der unerbittliche Zwang des Krieges wirft die politischen Methoden der Kabinette unversehens aus ihren Bahnen, und die Leidenschaften, die ein Krieg entfesselt, tun das ihre, um die Entwürfe vernünftiger Berechnung zu zerstören.

So sollte schon nach kurzer Zeit die englische Kriegführung ernste Mißhelligkeiten hervorrufen. Am 28. Dezember 1899 wurde der Reichspostdampfer "Bundesrat" vor der Delagoa-Bai als der Kontrebande verdächtig nach Durban eingebracht; von deutscher Seite ergingen sofort Reklamationen, auf englischer Seite brauchte man Zeit, um das Ergebnis der Untersuchung mitzuteilen. Noch während der Notenaustausch hin und her ging, erfolgte ein zweiter, seerechtlich noch bedenklicherer Fall. Am 3. Januar 1900 wurde der Reichspostdampfer "General" in Aden angehalten, besetzt und zum Löschen der Ladung genötigt. Man bestritt auf deutscher Seite sofort die Berechtigung des prisenrechtlichen Verfahrens im Verkehr zwischen neutralen Häfen, verlangte sofortige Freigabe, Rückbringung der Ladung an Bord und Weiterfahrt, vor allem aber eine entsprechende Weisung an die britischen Schiffskommandanten.84 Von englischer Seite protestierte man gegen den deutschen Rechtsstandpunkt, erklärte sich aber bereit, die Sache in wenigen Tagen zu regeln. Die Stimmung wurde nunmehr in Berlin empfindlicher. Es waren die Tage, wo die ersten Erfolge der Buren schon lebhafte Sympathien im Volke auslösten - die englischen Übergriffe mußten Öl ins Feuer gießen. Man erinnerte sich im Auswärtigen Amte daran, daß es lediglich auf Deutschland zurückgehe, wenn England von Interventionsgelüsten anderer Mächte verschont bliebe; dem Verdachte, daß man sich beleidigen lasse, ohne irgendwie zu reagieren, könne die deutsche Regierung schon [501] deshalb sich nicht aussetzen, weil die amerikanische Regierung in der Frage der Kriegskonterbande denselben Standpunkt einnehme; "wenn unser bisheriges wohlwollend neutrales Verhältnis zu England nur unter der Bedingung aufrechtzuerhalten ist, daß wir uns vor aller Welt völkerrechtswidrig, d. h. geringschätzig behandeln lassen, so ist es eben unhaltbar". An dem Tage, wo Bülow diese Sätze niederschrieb, wurde der dritte Reichspostdampfer "Herzog" von den Engländern beschlagnahmt und nach Durban eingebracht.

Jetzt erst begann die englische Regierung einzulenken, nachdem sie in schwer begreiflicher Weise die Dinge hatte laufen lassen.85 Am 8. Januar teilte Salisbury dem deutschen Botschafter mit, daß er alle Streitfälle baldmöglichst aus der Welt schaffen werde; wenn er auch im ersten Falle den Rechtsstandpunkt nicht anerkenne, so werde er in den einzelnen Fragen im Sinne der deutschen Forderungen verfahren. Bülow hatte schon eine drohende Reichstagsinterpellation bis zum Ende der Woche verschieben lassen, nahm die einzelnen Vorschläge an, verzichtete auf die prinzipielle Seerechtsentscheidung, legte aber besonderen Nachdruck auf die Termine, bis zu denen sie durchgeführt sein müßten; er ließ die Engländer wissen, daß ihr Gewinn in gar keinem Verhältnis zu der Schädigung der guten Beziehungen stehe.

Salisbury nahm die versöhnliche deutsche Haltung dankbar auf und würdigte die deutsche Vertagung der Rechtsfrage als "eine Courtoisie, die er nicht hoch genug zu schätzen wisse". Die Erledigung ließ dann doch noch länger auf sich warten; der "General" und dann auch der "Herzog" wurden freigegeben, alles übrige aber schien einer Verschleppung zu verfallen, die in Berlin einen ungünstigen Eindruck machte. Der Sturm in der öffentlichen Meinung Deutschlands wuchs an, vor allem auch die persönliche Erregung des Kaisers, der sich in seiner englischen Politik mit Recht kompromittiert sah. Am 15. Januar war die Krisis auf das Höchste gestiegen. Am anderen Tage gelangten Salisbury und Hatzfeldt zu einem endgültigen Ausgleich. Auch der "Bundesrat", bei dem sich keine Konterbande gefunden hatte, wurde sofort freigegeben; die englische Regierung erklärte sich bereit, jede legitime Genugtuung zu leisten und die Entschädigungsfrage, wenn nötig, einem Schiedsspruch zu unterwerfen; in weiterer Entfernung vom Kriegsschauplatze sollten Anhaltungen von Schiffen unterbleiben, und Postdampfer überhaupt nicht auf bloßen Verdacht hin angehalten werden. In den nächsten Tagen ebbte die Erregung wieder ab, die öffentliche Besprechung der Interpellation im Deutschen Reichstage wurde vermieden.86

[502] Aber die Nachwirkung dieses Zwischenspieles ging tief. Eines der deutschfreundlichen Kabinettsmitglieder, der Herzog von Devonshire, hatte schon nach der ersten Beschlagnahme erklärt: Unsere Leute haben einen blödsinnigen Fehler begangen.87 Die burischen Sympathien in Deutschland, die durch die ersten siegreichen Gefechte überall aufgeflackert waren, erhielten einen allgemeinen Auftrieb, als man das eigene nationale Ehrgefühl, die nationale Flagge von demselben rücksichtslosen Gegner angefallen sah. Der Politik, die der Kaiser eingeschlagen hatte, waren die empfindlichsten Schwierigkeiten bereitet. Es war nicht nur die Kränkung des nationalen Ehrgefühls, sondern zugleich ein Gefühl der Ohnmacht zur See, der Abhängigkeit aller ihrer überseeischen Unternehmungen, das über die Deutschen kam - so unmittelbar und tief war es wohl noch nicht empfunden worden.

So setzte an dieser Stelle eine sofortige Reaktion ein, die Erweiterung des Flottengesetzes von 1898. Sie kam nicht unerwartet. Schon die Weltereignisse der Jahre 1898 und 1899 hatten den Entschluß zur Vorbereitung einer Flottennovelle erzeugt, die für das Jahr 1901 oder 1902 eingebracht werden sollte.88 Der Kaiser hatte, in schwer zu zügelnder Erwartung, gegen den Rat von Tirpitz bei einem Stapellauf in Hamburg das Schlagwort ausgegeben: Bitter not tut uns eine starke Flotte. In den nächsten Wochen trat er immer ungeduldiger als Dränger hinter den noch kaum ausgereiften Entwurf; man könnte sich denken, daß er in einer Flottenvorlage gleichsam eine Deckung für seine nicht populäre, englandfreundliche Politik sah.

Als nun die Beschlagnahmen erfolgten und die Entrüstungswelle durch das Land ging, schien ihm eine solche Gunst der Stunde nicht wiederzukehren; mit sicherer Witterung sagte er sich, daß die stark wachsende "Gasspannung" nach innen einen Ableiter patriotischer Betätigung finden müsse. Er wies den Staatssekretär Tirpitz am 10. Januar 1900 an, die Flottenvorlage binnen spätestens acht Tagen einzubringen, und schrieb an den Reichskanzler Hohenlohe:89 "In so großen politischen Augenblicken, wie es der jetzige ist, muß der große Strom des deutschen nationalen Gedankens, der endlich in Fluß gekommen ist, schnell ausgenutzt werden". Schon am 25. Januar 1900 ging die neue Flottenvorlage dem Reichstage zu und am 12. Juni 1900 wurde sie mit 201 gegen 103 Stimmen angenommen.

Das neue Flottengesetz sah nicht weniger als eine Verdoppelung des nach dem Gesetz von 1898 geplanten Flottenbestandes vor, die nach Ablauf von 16 Jah- [503] ren erreicht werden sollte. Man darf wohl sagen, daß diese Verdoppelung dem veränderten Umfang entsprach, den im Laufe der letzten Jahre die überseeischen Interessen und Ambitionen in der Außenpolitik des Reiches angenommen hatten. Diese Vergrößerung der Flotte vollzog sich nicht mit der Spitze gegen England,90 aber mit dem ausgesprochenen Gefühl, im Verhältnis zu England stärker und geachteter werden zu wollen. Die Marineleitung suchte dabei grundsätzlich jede gegen England zu deutende Front zu vermeiden, obgleich ihre Berechnungen sich fast ausschließlich mit dem Faktor England befaßten. Ihre Propaganda aber, deren sie sich mit einem unter deutschen Staatsbehörden unerhörten Geschick bediente, stieß naturgemäß in den das Volk durchwogenden Burensympathien auf eine wesensverwandte Disposition des Gemütes: an dieser Stelle fand sie den stärksten Widerhall. Die Burensympathien in Deutschland, unpolitisch und unreif wie sie waren, waren verschärft durch unberechtigte militärische Überheblichkeiten.91 Sie führten auch in anderen Ländern zu den gehässigsten Ausbrüchen in der öffentlichen Meinung, aber sie fanden dort keine Gelegenheit, sich mit einer starken Rüstungsagitation zu verbinden, und erschienen darum den Engländern belangloser und erträglicher. Aber in Deutschland verbanden sie sich mit einem ungeklärten Rivalitätsempfinden, das zwischen den beiden Völkern aufstieg. Und das bestehende Machtverhältnis zur See umgestalten zu wollen, gestanden die Motive der Flottenvorlage offen ein. Zum Schutze des deutschen Seehandels und der Kolonien gebe es nur ein Mittel: Deutschland muß eine Schlachtflotte haben, die so stark ist, daß selbst für den Gegner mit der größten Seemacht ein Krieg gegen sie die Gefahr mit sich bringt, seine Weltstellung zu gefährden. Darin lag noch keine ausgesprochene Angriffsfront enthalten. Darin konnte ebensogut ein Wille verborgen liegen, ein schon seit langem erstrebtes gutes Verhältnis auf dem Fuße der Ebenbürtigkeit wahrhaft herbeizuführen. Wie man auch über die "Risikotheorie" Tirpitzens urteilen mag: sie enthält in sich jedenfalls eine Stufenleiter von Möglichkeiten, die letzten Endes freilich, über alle Gebühr angespannt, auch die entgegengesetzte Möglichkeit auslösen und den Rivalen nötigen konnten, einem zu gefährlich werdenden Risiko durch Maßnahmen und Umgruppierungen auf dem Felde der allgemeinen Politik zu entgehen.

[504] Diese Bemerkungen treffen nicht für diesen Moment zu, der eine englische Sorge noch gar nicht kannte, sondern greifen nur in eine Zukunft, in der die allgemeinen Voraussetzungen sich änderten, voraus.92 Für den Augenblick konnte die Flottenvorlage vom Januar 1900 um so weniger Besorgnis in England erregen, als die kaiserliche Regierung gleichzeitig die andere Linie ihrer Politik innezuhalten fortfuhr, und die lautete: loyale Deckung Englands, so wie es bei dem Novemberbesuch des Kaisers vorgesehen worden war.

Diese Politik begann jetzt auf ihre Probe gestellt zu werden. Schon auf der Höhe des Beschlagnahmekonfliktes hatte der russische Botschafter in Berlin sich mit allerhand neugierigen Fragen dem Kaiser zu nähern versucht: wie Deutschland sich zu der brutalen Vergewaltigung des Seerechts durch die Engländer stelle und ob nicht dieser Anmaßung gegenüber eine Koalition gegen England möglich sei; aber obgleich er diese und andere Fragen mit der Sorge verband, die Verhältnisse in Afghanistan und Persien schienen sich zu komplizieren, hatte er nur eine kühle Abweisung seitens des Kaisers davongetragen.93 Am 3. März, nachdem die burischen Siege durch den ersten Erfolg der Engländer (Kapitulation Cronjes am 27. Februar) abgelöst waren, wagte Murawiew den Anlauf zu einem wirklichen Interventionsvorschlag: dem Burenkrieg durch eine gemeinsame Vermittlung von Rußland, Frankreich und Deutschland ein Ende zu machen.94

Die Entscheidung der Reichsregierung war nach den einst beim Krüger-Telegramm gemachten Erfahrungen einfach genug: keinen Schritt, solange man nicht der Haltung des französischen Nachbarn sicher sei. Also lautete die Antwort: "Diese Sicherheit würde nur durch eine Abmachung geboten werden, durch welche die vertragschließenden Mächte sich für eine längere Reihe von Jahren ihren europäischen Besitzstand gegenseitig garantieren".95 Daraufhin ließ Murawiew seinen Vorschlag sofort fallen und gestand freimütig ein: "Kein Ministerium in Frankreich würde 24 Stunden am Ruder bleiben können, wenn es dem deutschen Garantiewunsch entgegenkommen wollte: die elsaß-lothringischen Ansprüche lassen die Franzosen um keinen Preis fallen".96 Un- [505] mittelbar darauf, am 10. März, erbaten die Burenstaaten die freundschaftliche Vermittlung der Reichsregierung zur Herstellung des Friedens. Aber in Berlin war man zu einem derartigen Schritte nur dann bereit, wenn beide Gegner die Vermittlung wünschen sollten. Trotz der öffentlichen Meinung Deutschlands blieb Wilhelm II. fest bei der Stange und der Prinz von Wales konnte im Kreise der Parlamentarier den Kaiser nicht genug preisen, der die weltgeschichtliche Tragweite des Kampfes begriffen und sich, ebenso wie die Reichsregierung, in traurigen Tagen als treuer und zuverlässiger Freund Englands erwiesen habe.97 Niemals standen sich Onkel und Neffe so freundschaftlich wie in dieser Zeit, in der Wilhelm II., eigentlich nur um Zuverlässigkeit und Freundschaft noch eindrucksvoller zu beweisen, jene (von seinem intensiven Miterleben zeugenden) militärischen Betrachtungen nach London sandte, die ihm später so verhängnisvoll werden sollten. Diese Haltung wurde von dem Kaiser und der Reichsregierung während des ganzen Burenkrieges nicht verlassen.98

Als der Burenkrieg mit allen seinen weltpolitischen Spannungen abgelaufen war, berühmte sich Chamberlain von Anfang an daran festgehalten zu haben, daß England nichts zu fürchten brauche, da die Eifersucht unter den Kontinentalen es der englischen Politik ermöglicht haben würde, sich im Notfall mit der einen oder andern Macht oder Gruppe von Mächten auf Basis politischer oder kolonialer Kompensationen zu verständigen.99 Damals lag freilich über dieser Theorie das Dunkel eines ungewissen Ausgangs, das der Staatsmann lieber vermeidet. Und ebenso verborgen lag eine zweite Rechnung. Indem der Deutsche dem Engländer den Dienst leistete und damit die Überwindung der großen Krisis wesentlich erleichterte, hatte er die stärkste Karte, die er an sich der englischen Politik gegenüber besaß, zu deren Gunsten ausgespielt. Ein ganz realistischer Staatsmann hätte sich vielleicht sagen müssen, daß die deutsche Politik in London so hoch nicht wieder im Preise stehen würde wie in diesen Monaten.

Im Sommer 1900 schien die Weltlage sich einem Abschnitt zuzuneigen. Nachdem die Engländer in Johannesburg (31. Mai) und Pretoria (5. Juni) eingerückt waren, gewann es den Anschein, als wenn das Geschick der Burenstaaten besiegelt sei und auch die kriegerischen Ereignisse nur noch in letzten [506] Zuckungen zu erwarten sein würden. Der Stolz der Engländer erhob sich nach schwerer Prüfung - er war doch auch weltpolitisch durch große Spannungen hindurchgegangen - nur um so selbstbewußter. Man mußte schon mit einem anderen England rechnen, wenn der heftige Pulsschlag des Weltgeschehens sich jetzt wieder beruhigte und ein normaler Friedenszustand zurückkehrte.

Schon erwog man in Berlin, ob die Zeit nicht schon gekommen sei, wieder mit London zu "sprechen" oder wenigstens das Gespräch fortzusetzen, das im November 1899 begonnen worden war. Was man erfuhr, war wieder das übliche Bild: Mr. Chamberlain war wie im November bereit, die begonnenen kolonialen Besprechungen fortzusetzen, und er lenkte wiederum den Blick auf Marokko; um so mehr als es damals den Anschein hatte, als ob die Franzosen in den algerisch-marokkanischen Grenzgebieten zur Ausdehnung schreiten wollten. Lord Salisbury aber erwies sich in ausführlicher Besprechung mit dem Botschafter so zugeknöpft, daß er sogar das Wort Marokko vermied, wie er ihm denn schon seit längerer Zeit lieber aus dem Wege gegangen war - denn es war dasjenige weltpolitische Objekt, in dem er am ungernsten die freie Hand aufgab. Man war in Berlin im Zweifel, wie man richtig vorzugehen habe; obgleich Hatzfeldt dringend zum Ergreifen des Momentes riet,100 da man immer mit vollendeten Tatsachen rechnen müsse, meinte Bülow die Sache nicht übereilen zu sollen. Wohl beschlich ihn schon die Sorge, Salisbury beabsichtige auf den Pfaden der Schwarzenbergschen Undankbarkeitspolitik zu wandeln.101 Er entschloß sich jedoch, in diesem Augenblick - bevor er etwas Neues anfange - etwas dringlicher sich nach dem Schicksal des Vertrages über die portugiesischen Kolonien zu erkundigen (das ihn damals mit stärkerem Mißtrauen zu erfüllen begann) - aber man ließ auch diese Frage wieder liegen, weil andere Ereignisse sich dazwischen drängten.

In diesen politischen Erschütterungen tritt die Persönlichkeit des Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe mehr und mehr zurück, auch in den großen Entscheidungen gibt er nicht mehr den bestimmenden Ton an - es ist als wenn in diesen weltweiten Horizonten der Staatssekretär von Bülow eine lebendige persönliche Fühlung mit dem Kaiser gewinne. Man kann keinen bestimmten Zeitpunkt angeben, nach den Akten, wo die Entscheidung des Kanzlers seltener wurde (man hört ihn schon bei der Debatte über die englische Annäherung von 1898 wenig mitsprechen), aber man sieht seine ehrwürdige und feine Gestalt allmählich blasser werden, aus einer anderen Zeit hereinragend in die weltumspannenden Zukunftspläne, an denen seine müden Hände noch mitspinnen, ohne daß seine Phantasie ihm sagt, was seine Gewebe bedeuten. So beginnt er [507] fast unmerklich auszuscheiden.102 Als er am 12. Juli 1900 das Wort zur Flottenvorlage im Reichstage ergriff, sah er darin - seltsame Resignation für einen leitenden Staatsmann! - einen "ganz praktischen Weg, um wieder das Gedächtnis des deutschen Publikums aufzufrischen und die ewige Reklame Bülows abzuschwächen".

So hatte der Staatssekretär von Bülow seit seiner Ernennung im Herbst 1897 rasch festen Fuß in der obersten Macht gefaßt. Er schien, das war der allgemeine Eindruck, eine glückliche Hand zu haben, im Reichstage, im Kampfe aller gegen alle in den höchsten Behörden des Reiches und Preußens, in dem persönlichen Verkehr mit dem Kaiser, und selbst in der auswärtigen Politik. Wilhelm II. hatte ihn schon nach der Erwerbung der Karolinen mit dem Grafentitel geehrt und nach der Lösung der Samoafrage glaubte er ihn als den Zauberkünstler beglückwünschen zu dürfen. Daß seine Routine und Wendigkeit in der Außenpolitik die schwerere Hand seines Vorgängers Marschall übertraf, war zu erkennen. Er stand mit Holstein schon zu lange in vertrauter Beziehung, als daß er diese Fühlung nicht vor allem fortgesetzt hätte, und seine überreichen Gaben der Menschenbehandlung erleichterten es ihm, in seinem Ressort die beherrschende Stellung einzunehmen und die Eigenpolitik des Kaisers bei der Stange zu halten. Wenn man die Akten dieser Jahre, soweit sie seine persönliche Geschäftsführung erkennen lassen, auf diesen individuellen Ton nachprüft, begegnet eine doppelte Note stärker in die Staatsräson einzudringen, wie sie etwa Holstein immer wahrt: eine höchst gewandte Bemühtheit um das Wohlwollen des Monarchen und eine sichere Witterung für die öffentliche Meinung - mit ihnen und zwischen ihnen hatte er seinen Weg zu gehen, der nunmehr erst auf die Kammhöhe der Entscheidung führen wird.


59 [1/491]Große Politik 14, 2, S. 565 bis 575 und Brit. Dokumente 1, 1, 157 - 207. Dazu einige Papiere bei Frh. v. Eckardstein, deren Kommentar wie gewöhnlich mit Vorsicht zu benutzen ist. ...zurück...

60 [1/492]Als ein unparteiischer Zeuge mag Cecil Rhodes gelten, der zu Eckardstein äußerte: "I myself consider the English and American action in Samoa absolutely illegal and unfriendly to Germany. It is impossible for me to understand how the policy of the Foreign Office can be so shortsighted as to offend German susceptibilities and pride for three little islands in the Pacific, while English policy is trying to come to a perfect and friendly understanding with Germany in Africa. I authorise you to make use of my opinion as stated to you as much as you like, if you think it fit even to the Press in Germany." 15. April 1899. Große Politik 14, 2, S. 609 f. ...zurück...

61 [2/492]Hatzfeldt an Holstein 23. Februar 1899: "Daß Lord Salisbury nichts für uns tun wird, weder in Samoa, noch in Marokko noch in Sansibar oder sonstwo, und es empfiehlt sich, ihn ruhig und ohne weiten Lärm auf die Möglichkeit hinzuweisen, daß wir, wenn das so weiter geht, die Sicherstellung unserer Interessen auf anderen Wegen und zum Schaden von England suchen könnten." Große Politik 14, 2, S. 579 f. Schon verriet im April 1899 auch Chamberlain eine veränderte Haltung: "im vorigen Jahre haben wir Euch alles angeboten, und Ihr habt nicht gewollt, jetzt ist es zu spät." Ebenda, S. 612. ...zurück...

62 [3/492]Lord Sanderson hat in seinem Bericht von 1907 rückblickend die Berechtigung der deutschen Vorwürfe eingeräumt ("daß wir da nicht absolut sauber gehandelt haben"). ...zurück...

63 [1/493]Hatzfeldt an Auswärtiges Amt 1. April 1899, Große Politik 14, 2, S. 594 ff. ...zurück...

64 [2/493]Hatzfeldt am 22. April 1899. Große Politik 14, 2, S. 611. Man tut gut, sich dieses Bild einzuprägen: es ist dieses England, das bald den Buren den Krieg erklären und dann dem Deutschen als Verhandlungspartner in der großen Bündnisfrage gegenüberstehen wird. ...zurück...

65 [1/494]Vgl. S. 486. Schreiben der Kaiserin Friedrich vom 15. Juli 1898 und Salisburys an Königin Victoria: Buckle, Letters of Queen Victoria 3, 3. S. 258 f. (1932). ...zurück...

66 [2/494]Der Brief ist, nach Große Politik 14, 2, S. 616 mit Bülow besprochen worden, aber die Pflicht, dem Kaiser staatsmännisch die Feder zu führen, scheint Bülow doch nicht erkannt zu haben. ...zurück...

67 [1/495]Hatzfeldt an Holstein 8. Juli 1899. (Bülow Denkw. 1, S. 418 f.) ...zurück...

68 [2/495]Bülow an Kaiser Wilhelm II., 13. Juli 1899, Große Politik 14, 2, S. 623. ...zurück...

69 [1/496]Die Bemerkung von Tirpitz, Erinnerungen S. 141: "Unbeteiligt war ich z. B. an den Samoa-Händeln 1899" trifft nicht zu. Über sein Eingreifen: Denkwürdigkeiten Frh. v. Eckardstein 2, 39 f. Tirpitz an Bülow 11. Oktober 1899. Große Politik 14, 2. S. 660 ff. ...zurück...

70 [2/496]Chamberlain gab Eckardstein zu verstehen, daß die Transvaalhändel wirklich eine gute Gelegenheit seien, um etwas Sympathien zu zeigen und dabei die Reste früherer Spannung zu beseitigen: Eckardstein brachte am 12. September die Nachricht über Deutschlands wohlwollende Haltung. ...zurück...

71 [3/496]Bülow Denkw. 1, S. 310, 313. ...zurück...

72 [4/496]Jetzt schrieb sogar die Saturday Review: "Deutschland und die Vereinigten Staaten sind unsere guten Freunde, und wenn sie den Engländern auch in vielen Punkten den Rang abgelaufen haben, so wäre es töricht, sich wegen dieses freundschaftlichen Wettbewerbs zu streiten." (24. Dezember 1898.) ...zurück...

73 [5/496]Daran ändert nichts, daß Kaiser Wilhelm II. sich gelegentlich einmal, wenn sein Gesprächspartner dem entgegengesetzten Lager angehörte, zu scharfer Kritik der Engländer fortreißen ließ, so zum Marquis de Noailles am 29. Oktober, zur Königin von Holland am 27. März 1900. Aus naheliegenden Gründen lehnte Deutschland die Vertretung der englischen Interessen in Pretoria am 5. Oktober 1899 ab. ...zurück...

74 [1/497]Bei einem orthodoxen Pazifisten wie Hans Wehberg, Die internationale Beschränkung der Rüstungen (1919), S. 175 f. sind die entscheidenden russischen machtpolitischen Motive, wie sie aus den Memoiren Wittes und dem Buche Dillons sich ergeben, einseitig zugunsten eines idealistischen Antriebes des Manifestes in den Schatten geschoben. ...zurück...

75 [1/498]Harold Nicolson: "With courageous disregard of his own public opinion." ...zurück...

76 [2/498]Die Berichte Hatzfeldts anerkannten, daß das englische Volk und seine Organe in ihrer Mehrheit den kaiserlichen Besuch nicht mißverstanden, seine Bedeutung nicht aufgebauscht und gegenüber der afrikanischen Politik verwertet hätten, "daß sie vielmehr unsere Neutralität respektieren und nur unsere Nichteinmischung dankbar anerkennen". ...zurück...

77 [3/498]Hatzfeldt an Bülow 11. November, 19. November 1899. Bülow, Denkw. 1, S. 303, 309 ff. ...zurück...

78 [4/498]Ebenda 1, S. 314. ...zurück...

79 [5/498]Die Darstellung in Bülows Denkwürdigkeiten 1, S. 315 ff. ist zusammen zu verwerten mit seiner Aufzeichnung vom 24. November 1899 (Große Politik 15, S. 413 bis 420). Daß er eine gewisse Zurückhaltung übte, lag nach dem Vorspiel der Besprechung auf der Hand. Daß er "die ihm eigene hochmütige und mißtrauische Zurückhaltung gegen Chamberlain bewiesen habe", behauptet Graf Pückler. Front wider Bülow, S. 24. Auch Balfour schien in seiner Besprechung mit Bülow einem Zusammengehen aufrichtig geneigt, bemerkte aber auch, "daß ein solches bei der starken Konkurrenz, die wir der englischen Industrie und dem englischen Handel machten, schwieriger sei als ein Zusammengehen Englands mit Frankreich, das kaum noch ein ernster Rivale für England sei". ...zurück...

80 [1/499]Bülow bemerkt am Schluß seiner Darstellung: "Im allgemeinen ist es zweifellos, daß die Stimmung in England viel weniger antideutsch ist, wie die Stimmung in Deutschland antienglisch." ...zurück...

81 [2/499]28. Februar 1900. Große Politik 17, 2, S. 526. S. hielt an seinem Programm fest, daß England sich im Notfall auf die Seite derjenigen Macht stelle, deren Interessen mit den englischen übereinstimmten. Die Aufnahme der Rede Chamberlains war auch in der Opposition kritisch. Vgl. Spender, Campbell-Bannerman 1, S. 258: "His tactless incursion into the sphere of the Foreign Office", und Asquith' Rede vom 16. Dezember 1899: "To go about whistling for alliances among the Great Powers of Europe." ...zurück...

82 [3/499]S. o. S. 466. ...zurück...

83 [1/500]Hatzfeldt an Bülow 26. Dezember 1899. ...zurück...

84 [2/500]Die scharfe deutsche Note: Große Politik 15, S. 448 f. Eckardsteins Urteil über ihre "Unflätigkeit" spiegelt nur die Meinung Salisburys wieder ("geradezu beleidigende Ausdrücke"). Große Politik 16, S. 76. Der Ton der Note gibt keinen Anlaß zu diesem Tadel. ...zurück...

85 [1/501]Die Motive für das englische Vorgehen sind schwer erkennbar. Die Erklärung hat viel für sich, man habe in London anonyme Verdächtigungen erhalten, daß die deutschen Schiffe wirklich Kontrebande mit sich führten, und die Regierung habe anfangs den Beweis zu erbringen gehofft. Der Ursprung dieser Verdächtigung wäre dann in einem Lager zu suchen, das an der Verfeindung zwischen Deutschland und England interessiert war. ...zurück...

86 [2/501]Auch entschloß man sich auf deutscher Seite, kein Weißbuch herauszugeben. Von dem englischen Blaubuch meldete Metternich am 18. Februar, "es habe auf die Presse, besonders auf die Provinz einen Eindruck hervorgebracht, der demjenigen des Krüger-Telegramms kaum nachstehe". Lag es in der Absicht, den nationalen Aufschwung dadurch anzufeuern? ...zurück...

87 [1/502]Auch Eckardstein (der im übrigen auch diese Krisis mit Unzuverlässigkeiten anfüllt) spricht von "einer Dummheit nach der anderen". ...zurück...

88 [2/502]Entscheidung des Kaisers vom 28. September 1899. ...zurück...

89 [3/502]Denkwürdigkeiten 3, S. 555 f. Schlußsatz: "Graf von Bülow und Herr von Lucanus sind vollkommen informiert und teilen in jeder Beziehung Meine Auffassung". ...zurück...

90 [1/503]Ein unbefangenes Urteil ist das des englischen Botschafters Lascelles, der am 25. April 1902 an Lansdowne schrieb: "The naval development was not in my opinion intended by the German Government to be directed against England. The German Government wish for a powerful navy to be able to protect German interests all over the world, irrespective of any other Power. They no doubt made use of the animosity against England to obain the necessary votes in the Reichstag, but although they may wish to become the equal of England on the sea etc." Lord Newton, Lansdowne, S. 248. ...zurück...

91 [2/503]Randbemerkung Bülows zum 26. Dezember 1899: "Der weitaus überwiegende Teil der hiesigen Militärs glaubt, daß der Krieg in Südafrika mit einer vollständigen Niederlage der Engländer endigen werde." Große Politik 15, S. 434. ...zurück...

92 [1/504]In den acht Jahren von 1897 bis 1904 legte Großbritannien 27 Schlachtschiffe und 35 Panzerkreuzer auf (durchschnittlich 7,75 Schiffe jährlich); Deutschland baute 16 Schlachtschiffe und 5 Panzerkreuzer (durchschnittlich 2,62 jährlich, also ein Drittel). Im Jahre 1905 begann der englische Dreadnought-Bau, dem Deutschland erst im Juli 1907 folgte. ...zurück...

93 [2/504]Aufzeichnung Bülows vom 13. Januar 1900. Große Politik 15, S. 509 f. ...zurück...

94 [3/504]Bülow an Radolin 3. März 1900. Große Politik 15, S. 516 f. ...zurück...

95 [4/504]Murawiew hatte darauf nur die Antwort, daß die unvermeidlichen langwierigen Verhandlungen die schleunige Beendigung des Krieges unmöglich machen würden. Die Randbemerkung des Kaisers dazu lautete: "Unsinn! Ein Telegramm Delcassé's an Noailles genügt: Le Gouvernement reconnaît sans arrière-pensée les frontières d'Allemagne comme elles sont délimitées par le traité de Francfort." ...zurück...

96 [5/504]Im Juli 1908 suchte M. André Melvil, ein Freund Delcassés, die Dinge so darzustellen, als wenn der erste machiavellistische Anstoß vom Kaiser ausgegangen, aber bei Murawiew und Delcassé auf Menschenliebe und Loyalität gestoßen sei. Diese Giftmischerei (in der National Review) wurde aufgedeckt in "Deutsche Intriguen gegen England während des Burenkrieges. Von einem Wissenden" (Deutsche Revue, September 1908.) ...zurück...

97 [1/505]Große Politik 15, S. 518. Für den Kaiser charakteristisch die dankbar erfreuten Randbemerkungen. ...zurück...

98 [2/505]Auch im letzten Stadium des Krieges, als die russische Regierung im Oktober 1901 noch einmal sondierte, ob die Großmächte auf Grund der Haager Konvention ihre guten Dienste würden anbieten können, hielt man deutscherseits daran fest, daß von einem Kollektivschritt wegen seines bedrohlichen Charakters abgesehen werden und Rußland als Vormacht der Friedenskonferenz die Initiative ergreifen müsse. Große Politik 16, S. 189 ff. ...zurück...

99 [3/505]Eckardstein an Bülow 14. September 1902. Große Politik 17, S. 221. ...zurück...

100 [1/506]Hatzfeldt an Bülow 21. Mai 1900. Große Politik 17, S. 305. ...zurück...

101 [2/506]13. Juni 1900. Große Politik 17, S. 325. Auch die Randbemerkung Bülows zum 21. Mai (ebenda S. 307) verriet schon eine gewisse Beunruhigung. ...zurück...

102 [1/507]Als er sich die Motive für sein Entlassungsgesuch zusammenstellte (Denkw. III, S. 582), zählte er auf: "Die ganze chinesische Angelegenheit ist ohne meine Mitwirkung in Szene gesetzt worden, ich habe weder von den Rüstungen, noch von den Truppensendungen, noch von der Ernennung Waldersees zum Oberfeldherrn vorher Kenntnis erhalten." Das betrifft Vorgänge seit dem Juni 1900. Aber er fügt noch hinzu: "Alles, was auf die auswärtige Politik bezug hat, wird von S. M. und Bülow beraten und beschlossen." Das gilt schon vor dem Juni 1900. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte