SucheScriptoriumBestellenArchiv IndexSponsor


Brünn
Bericht Nr. 8
read this report in English translation
Todesmarsch nach Pohrlitz
Berichterin: M. v. W. Bericht vom 22. 2. 1951

Lage von BrünnIch erinnere mich noch genau an den etwa zwei oder drei Tage vor Ankunft der Russen in Brünn durch das Radio den hörbaren Aufruf Benes's von Kaschau aus. Seine Worte verstand ich, weil ich die tschechische Sprache perfekt beherrsche und ich erinnere mich an die von Benes feierlich ausgesprochenen Worte genau: "Wehe, wehe, wehe, dreimal wehe den Deutschen, wir werden sie liquidieren!" Es war am 25. April 45, etwa 4 bis 5 Uhr nachmittags, wo sich mit den einziehenden Russen auf den Straßen von Brünn Verbrüderungsszenen abspielten. Ich ging am Abend in meine Wohnung und konnte schon beobachten, wie direkt öffentlich Vergewaltigungen von Frauen, Prügeleien und Mißhandlungen und Beschimpfungen die gesamte deutsche Bevölkerung in höchste Erregung und Gefahren brachte.

Schon am darauffolgenden Morgen mußten sich auf Grund des Anschlages an Plakattafeln alle Deutschen zur Arbeit melden. Ich wurde in das Krankenhaus St. Anna befohlen, weil man feststellte, daß ich Rot-Kreuz-Schwester bin. Nur zu den niedrigsten Arbeiten wurde ich angewiesen. Erst auf Intervention eines in diesem Spital schon länger tätigen tschechischen Arztes wurde ich wieder als Rot-Kreuz-Schwester in Verwendung genommen, sollte aber meinen Dienst nur im Bunker, im Keller vollziehen, wohin man alle deutschen Patienten des großen Spitales in unmenschlicher Weise einfach auf Strohsäcke hinwarf, ohne ihnen Decken und Polster zu geben und ohne ihnen eine ärztliche Betreuung zuteil werden zu lassen. Für diese Deutschen wurde auch kein Medikament und kein Hilfsmittel bereitgestellt. Der Keller war nur mit einem Lämpchen notdürftig beleuchtet und ich vermochte diesen Schwerstkranken höchstens durch Umschläge und durch Reichen von Wasser zu helfen. Schon am zweiten oder dritten Tag meiner Tätigkeit lieferte man furchtbar verstümmelte, halbtot geprügelte und fast zu Tode gemarterte Menschen in dieses Kellerverließ ein, denen ich leider nur mit tröstenden Worten Hilfe bringen konnte, da mir überhaupt keine Mittel zur Verfügung gestellt wurden. Das große Sterben begann. Was aus dem Kaunitz-Kolleg eingeliefert wurde, starb fast ausnahmslos und diese Einlieferung ging am laufenden Band. Ich erinnere mich insbesondere an folgende Fälle:

Der erste Tote war ein Mann, der mit einer furchtbaren Verletzung in der Geschlechtsgegend, schon sterbend eingeliefert wurde. Seinen Namen konnte ich nicht erfahren, denn er kam nur vor seinem Sterben einige Augenblicke zu Bewußtsein und konnte mir meine Frage, die folgend gestellt war, kurz beantworten: Ich fragte: "Wie sind Sie zu dieser schrecklichen Verwundung gekommen?" Er antwortete: "Durch einen Fuß, weil ich ehedem für die Gestapo Gemüse verkauft hatte." Mit diesen Worten endete seine Kraft und ich konnte mehr von ihm nicht erfahren, er starb.

Ich erinnere mich an einen anderen Fall und zwar an den Sollizitator Venklarczik, 63 Jahre alt, wohnhaft in Brünn, Stiftgasse. Dieser Mann wurde eingeliefert und konnte mir folgendes Erlebnis schildern: Er wurde unter fadenscheinigem Grund in das Kaunitz-Lager von Partisanen geschleppt und wurde dort in grausamster Weise so verprügelt, daß sein Rücken eine einzige klaffende Wunde war. Für diese grausame Mißhandlung mußte er sich noch bei seinen Peinigern bedanken. In halb ohnmächtigem Zustand brachte man ihn in das 2. Stockwerk, wo er in seiner Verzweiflung einen unbeobachteten Augenblick ausnützte und seinem Leben ein Ende zu machen versuchte, durch einen Todessprung aus dem Fenster. Er blieb aber in dem schon belaubten Baum unter dem Fenster vor den Folgen eines so tiefen Sturzes bewahrt und wurde nicht getötet, schlug sich aber eine Niere ab. Als er eingeliefert wurde, war Stuhl und Harn nur pures Blut. Als ein zweiter Deutscher mit durchschnittenen Pulsadern eingeliefert wurde, sah ich zum ersten Mal einen Arzt in diesem Kellerlager der unzähligen Verwundeten. Der Selbstmörder sollte nämlich durch eine Bluttransfusion wieder zum Bewußtsein gebracht werden, um ihn dann bei vollem Bewußtsein hinrichten zu können. Der Arzt, selbst ein Tscheche, sah den Unglücklichen Venklarczik und stellte selbst mit Entsetzen die grausame Mißhandlung mit den Worten fest: "Das haben Sie aber nicht von dem Fenstersturze!" Der Schwerverletzte durfte nämlich auf die Frage, wovon seine Verwundung herrührt, keinerlei Beschuldigung gegen einen Tschechen aussprechen, das hätte die unmittelbare Todesstrafe zur Folge gehabt.

Einen weiteren Fall habe ich in Erinnerung: Eine Geschäftsfrau aus Brünn, von der Wiener Straße, etwa 50 Jahre alt, wurde eingeliefert und war in tiefster Bewußtlosigkeit. Man brachte sie in den dunkelsten Winkel des Kellers und eine ganze Gruppe von Partisanen und ein GPU-Kommissar (Tscheche) mißhandelten diese ohnmächtige Frau. Mir wurde befohlen, sie splitternackt zu entkleiden, wonach sie von diesem tschechischen Kommissar in brutaler Weise mit Fußtritten zum Bewußtsein gebracht werden sollte. Ich erinnere mich, wie einer Klosterschwester von dem tschechischen GPU-Kommissar als Grund dieser schrecklichen Mißhandlungen angegeben wurde, die Frau hätte eine russische Offiziersuniform samt Orden gestohlen. (Bildlich ausgedrückt.) Ich selber mußte der sterbenden Frau eine ganze Serie von Coramin-Injektionen geben, um sie zum Bewußtsein zu bringen. Es nützte aber alles nichts, der Zustand war hoffnungslos. Immer wieder kehrte der Kommissar zurück, fluchte über diese Frau in unmenschlichster Weise, nannte sie Schwein, deutsche Sau, deutsche Hure, Bestie usw. und befahl mir, sie durch künstliche Atmung zum Sprechen zu bewegen. Ich selbst wünschte dieser gepeinigten Person nur ein schnelles Ende, weil ich ahnen mußte, was man mit ihr getan hätte, falls sie wirklich das Bewußtsein erlangt hätte. Allem Dafürhalten nach war diese Frau einem Wüstling nicht zugänglich gewesen und hatte sich gewehrt. Aus Rache dafür wurde sie in gräßlichster Weise mißhandelt und hat noch Gelegenheit gehabt, Gift zu nehmen, sodaß sie in schwerste Ohnmacht verfiel. Als sie nach Mitternacht ihr Leben ausgehaucht hatte, kam der Kommissar und stieß sie noch mit dem Stiefel vom Strohsack herunter, aus Wut, daß sie nicht mehr sprechen konnte.

Ein weiterer Fall, Gastwirt Schlesinger aus dem Neugasse-Viertel in Brünn. Er war Gastwirt und bei ihm verkehrten auch die Parteigenossen, selbstverständlicherweise auch Tschechen. Als Geschäftsmann sah er sich veranlaßt, beitragendes Mitglied der Partei zu werden. Dies gab Veranlassung, daß dieser schwächliche Mann, etwa 40 Jahre alt, unter grauenvollen Mißhandlungen zu schwerster Arbeit gezwungen wurde, insbesondere zum Säckeabtragen. Da er unter der Last dieses Übergewichts des öfteren zusammenbrach und durch Mißhandlungen zur Weiterarbeit verpflichtet wurde, erlitt er einen Magenwanddurchbruch, da er schon früher an Magengeschwüren gelitten hatte. Nach seiner Einlieferung wurde er ohne Narkose operiert und einer Magenresektion unterzogen. Unter Brüllen und Jammern traf ich den Mann in der von mir betreuten Abteilung und er flehte mich um ein schmerzstillendes Mittel an. Ich entschloß mich, selbst verängstigt, zu einem Bittgang in die chirurgische Abteilung. Dort trug ich meine Bitte der Ordensschwester (etwa 60 Jahre alt, Oberschwester) vor und bekam dort folgende Antwort: "Ich höre den Menschen brüllen, ich gebe ihm nichts, denn für Deutsche haben wir nichts, so wie ihr für uns nichts gehabt habt." Auf meine Entgegnung, daß mir in meiner 11jährigen Tätigkeit als Rot-Kreuz-Schwester im Felsberger und Brünner Krankenhaus kein einziger Fall bekannt wurde, wo einem Tschechen die Hilfe versagt wurde, schrie mich die Schwester an: "Deklamieren Sie nicht, ein Deutscher bekommt nichts, sagen sie es ihm!" Auf meine Entgegnung, daß ich dies ihm nicht zu sagen wage, entgegnete sie mir, dann werde ich es ihm selber sagen. Und richtig, kam nach einigen Minuten dieselbe Schwester, diese Oberschwester der Chirurgischen Abteilung in den Keller und schrie den sich in Schmerzen windenden Kranken mit folgenden Worten an: "Schämen Sie sich, Sie sind ein Übermensch und brüllen wie ein Tier! Sie bekommen nichts, wir haben für Euch nichts!" Der Kranke faltete die Hände und bat sie um Gottes Barmherzigkeit Willen um Hilfe. Auf ihre Ablehnung hin sagte er: "Dann geben Sie mir ein Gift, damit ich dem Leiden ein Ende machen kann." In diesem Augenblick sprang ein Partisane herbei und brüllte dem Unglücklichen entgegen: "Das möchte Dir so passen, Du Schwein, doch ein Gift zu nehmen, um dem Galgen zu entgehen. Wenn Deine Wunde vernarbt ist, wirst Du gehenkt, der Galgen wartet schon!" Und tatsächlich wurde der Mann am 6. Tage in der Nacht weggeschleppt und nach Aussage des Partisanen Schneider im Kaunitz-Kolleg gehenkt.

Um nach außen hin bemänteln zu können, daß diese Opfer nicht ermordet wurden, war es Gewohnheit, auch die auf den Straßen ermordeten Menschen in den Spitalskeller einzuliefern, um dann eine Registrierung von Verstorbenen des Spitales zu besitzen.


Der Todesmarsch.

Anm. d. Scriptorium vom April 2003:
Es ist interessant, daß viele Menschen, die wirklich die Hölle erlebt haben, das einfach verdrängen. Lesen Sie hier einen Augenzeugenbericht dieses "Zeichens der Zeit"!
Ich erlebte den Todesmarsch nach Pohrlitz am Fronleichnamstag in folgender Verfassung: Um 9 Uhr abends am 30. Mai 1945 wurden wir aus den Wohnungen gejagt. Die ganze Nacht über standen wir in Massen, Frauen, Männer und Kinder im Alt-Brünner Klostergarten. Beim Morgengrauen wurden wir aus dem Klostergarten herausgetrieben und am Klosterhof in drei Zügen aufgestellt. Nun kam ein Stabskapitän mit einer Horde von Partisanen und Gendarmen heran und schrie: "Gold, Geld und Sparkassenbücher abgeben!" Auf diesen Ruf hin stürzten sich alle Partisanen, Gendarmen und er selber auf die wehrlosen Frauen und Greise und rissen ihnen allen Schmuck, Geld und alle Wertsachen, kurzum alles was ihnen wertvoll erschien, vom Leibe und aus den Koffern. Jeder der Partisanen hatte Koffer voll Gold und Silbersachen und Schmuckstücken. Stabskapitän Holatko führte den Befehl. Während dieser Szenen tagte der Nationalausschuß unter Vorsitz des Matula, Vorsitzender des Nationalausschusses in Brünn. Seine Frau besaß einen Selcherladen in Brünn, er selbst war ab 1945 Bürgermeister von Brünn. Folgende Szene hat sich dabei vor unseren Augen abgespielt: Eine alte Dame wurde von einem Partisanen des gesamten Schmuckes beraubt. Sie trug wertvolle Brillanten. Als ihr der Partisan noch den Ehering rauben wollte, bat sie ihn mit folgenden Worten: "Mein Herr, ich bitte Sie, lassen Sie mir diesen einzigen Ring, er hat keinen Wert für Sie, denn bald sind es 55 Jahre, wo mir ihn mein Mann vor dem Altar gegeben hat und ich wollte mit diesem Ring begraben werden." Darauf sagte er: "Du altes Schwein, Du sprichst wie ein Buch, aber sag mir das tschechisch, denn wir sind in der freien tschechoslowakischen Republik und bei uns wird nur tschechisch gesprochen!" und er zog ihr den Ring vom Finger.

Nun verkündete der Stabskapitän Holatko laut vernehmlich, daß derjenige, bei dem Verstecktes vorgefunden wird, auf der Stelle erschossen wird. Da trat eine junge Mutter, die im Kinderwagen zwei kleine Kinder hatte, mit 2 Sparkassenbüchern zu dem Stabskapitän und überreichte ihm die 2 Sparkassenbücher mit zitternden Händen und sagte dabei: "Ich wollte diese Sparkassenbücher meinen kleinen Kindern zum Andenken an ihren gefallenen Vater aufheben. Weil Sie uns aber sagen, sie würden uns erschießen, so gebe ich sie Ihnen auch noch," und hat diese 2 Bücher überreicht. Und er blätterte in den Büchern, warf sie dann der jungen Mutter ins Gesicht mit folgenden Worten: "Du niederträchtige Hure, Du Schwein Du elendes. Du willst Dir einen Narren aus mir machen!" (Wörtlich übersetzt, denn ich beherrsche die tschechische Sprache perfekt.) Die junge Frau hob geängstigt die Bücher auf und flüsterte zu uns gewendet die wenigen Worte: "Wir sind arm, mein Mann hat nicht mehr gehabt, es sind nur 20 Kronen in jedem und das ist ihm wahrscheinlich zu wenig!"

Da die Menschenmassen die ganze Nacht hindurch schon auf der Straße und in dem Klostergarten unter freiem Himmel stehen mußten, brachen viele von ihnen schon nach wenigen Kilometern Marsches zusammen. Der Weg führte gegen Pohrlitz. Es war ein erschütternder Zug und die Stimmung war geradezu treffend von einer verzweifelten Frau ausgedrückt, die mit zum Himmel erhobenen Armen rief: "Du lieber Herrgott, so eine Fronleichnamsprozession wirst Du wohl noch nie gesehen haben!" Etwa 15 Kilometer Weges bei der Ortschaft Raigern wurden jene Müden und Erschöpften, die nicht mehr weiter konnten, in das Lager Raigern getrieben. Dort wurden sie von Partisanenweibern überfallen, nackt ausgezogen und Frauen und Männer durchsucht nach Schmuck und Geld. Es wurden ihre Kleider buchstäblich zerschnitten beim Suchen nach versteckten Wertgegenständen. Zahllose wurden dort zu Tode geprügelt und nach den Aussagen vieler, die nach Pohrlitz gekommen sind, erschossen. Unbeschreibliche Szenen haben sich auf der Straße nach Pohrlitz abgespielt, umsomehr als am Nachmittag ein fürchterliches Gewitter niederging und die Straßengräben überflutete. Die müden und erschöpften Menschen rutschten am aufgeweichten Boden aus, wurden wohl mit Prügeln und Peitschenhieben traktiert, waren aber im allgemeinen nicht mehr auf die Füße zu bringen. Die Straßengräben waren gefüllt mit Kleidungsstücken, Koffern, Lebensmitteln, die die Erschöpften abwarfen und dazwischen saßen die Erschöpften, die auch an Erschöpfung gestorben sind.

Ein großer Teil schleppte sich bis nach Pohrlitz, dort aber starben Tausende.

Der Zug der Brünner zog sich über Pohrlitz gegen die österreichische Grenze zu hin, ich selbst kam mit Tausenden in den Abendstunden des Fronleichnamstages in Pohrlitz an. Ich war derart erschöpft, daß ich mir ein Plätzchen zur Ruhe suchte und kam in der Finsternis in eine Autowerkstätte, wo ich mich erschöpft hinkauerte und die Nacht über dort zubrachte. Ich hörte die ganze Nacht Hilferufe von Frauen, die vergewaltigt wurden, am frühen Morgen wurden die Marschfähigen mit Peitschenhieben und Mißhandlungen wieder auf die Straße getrieben und mußten gegen Österreich zu weiter wandern. Die Erschöpften und Nichtmarschfähigen, es waren etwa 6.000, wurden in den vielen Getreidesilos untergebracht und mußten dort auf blankem Betonboden ihr Lager aufschlagen. Auch nicht einmal den Schwerstkranken wurde Stroh zugebilligt für ihr Nachtlager.

Ich war in der Baracke IV als Krankenschwester beauftragt, obgleich ich allen diesen erschöpften Menschen kaum helfen konnte, weil mir weder Medikamente noch andere Hilfsmittel zur Verfügung standen und ich schwer erkrankt war. Durch diese Einteilung aber hatte ich einigermaßen Bewegungsfreiheit und konnte die unglaublichsten Grausamkeiten mit ansehen, die sich in diesen Silos zugetragen hatten. Als erster Todesfall ist mir folgender in Erinnerung: Ein Soldat verfolgte eine Frau, die vor ihm flüchtete. Er übersprang die liegenden, erschöpften Frauen und dabei sprang er einem 8jährigen Mädchen mit beiden Füßen auf den Kopf, welches sofort dadurch getötet wurde.

Die zweite Tote, die mir in Erinnerung ist, war eine etwa 30jährige Frau, die mit 2 Kindern, einem etwa 3jährigen Mädchen und einem einige Wochen alten Säugling am Beton lagerte. Beim Morgengrauen hörten wir das 3-jährige Kind wimmern und nach der Mutter rufen und mußten feststellen, daß diese Frau durch Gift Selbstmord begangen hat. Ihr Gesicht war blau geworden. Aber auch der Säugling war von der toten Frau so fest an die Brust gedrückt, daß das Kind auch tot war. Ein vorübergehender tschechischer Gendarm fragte mich, warum die Frau so blau sei, worauf ich die Bemerkung machte, daß sie höchstwahrscheinlich Gift genommen hat. Darauf begann er entsetzlich zu fluchen. Er nannte die Tote eine Nazihure, Drecksau, deutsches Schwein, die nach 2 Tagen Lager schon mit Selbstmord endet und gab mir den Befehl: "Werfen Sie die Drecksau samt dem Bankerten in die Latrine!" Auf meine Einwendung hin, daß ich Rot-Kreuz-Schwester bin, unter Eid stehe und eine solche Tat nicht ausführen kann und auch nicht will, auch wenn er mich selbst erschießen würde, beschimpfte er mich mit "Deutsches Schwein und deutsche Hure", rief aber dann drei andere Frauen, die er eher gefügig machen konnte, weil sie den Drohungen keinerlei Argumente entgegenzusetzen wagten und zwar waren dies Frau Agnes Skalitzky, Straßenbahnerswitwe aus Leskau, 63 Jahre alt, eine 30jährige Franziska Wimetal und eine dritte Frau, die mir dem Namen nach unbekannt ist. Diese Frauen mußten nun die tote Mutter mit dem toten Säugling in die offene Latrine werfen. Partisanen zwangen dann die Insassen des Lagers, diese Latrine zu benützen, damit, wie sie riefen, "die Drecksau mit dem Bankert so schnell wie möglich unsichtbar wird". Und das vollzog sich auch.

Nach Tagen, ja noch Wochen später konnte man noch immer das Köpfchen des Kindes und den Arm der Mutter aus dem Unrat herausragen sehen.

Am 18. Juni 1945 ereignete sich noch folgender Rohheitsfall:

Der Befehl, das Lager Blaschek in Pohrlitz zu räumen, sollte von einer Reihe Gendarmen durchgeführt werden.

Eine hochschwangere junge Frau mit zwei kleinen Kindern kauerte am Boden und bat mit erhobenen Händen den Gendarmen, sie von dem Transport auszuschalten, da sie schwere Krämpfe hatte und mit der Niederkunft rechnen mußte. Der Gendarm brüllte sie in brutalster Weise mit folgenden Worten an: "Du deutsche Sau, du wirst hier nicht niederkommen, du kannst dein Kind ausschütten, wo du es willst, aber nicht hier", und die Frau mußte an dem Massentransport teilnehmen. Ich vermute sehr, daß die Frau mit dem Leben nicht davongekommen ist, da sie ja in einem gottjämmerlichen Zustand war.

Auch ein zweiter Fall ist mir in Erinnerung: Die Mütter kleiner und kleinster Kinder versuchten, ihre Kinder zu ernähren und sie vor dem Hungertod zu retten, indem sie für diese auch halbverfaulte Kartoffeln und Rüben, ebenso trockenes Brot zu einem genießbaren Brei verkochten. Da ja eine Kochgelegenheit nicht vorhanden war, so bauten sie sich im Freien in primitivster Weise mit Ziegeln und einer Blechplatte einen Notherd auf. Als Brennmaterial suchten sie nach allen möglichen brennbaren Stoffen, da weder Holz noch Kohle zur Verfügung gestellt wurde. Es mußte daher Gras, altes Leder, Fetzen usw. Verwendung finden. Unter anderem hatten sie verstohlen von einem beschädigten Barackendach ein Stück Teerpappe abgerissen und sie zum Heizen verwendet. Ein Gendarm kam dazu und war roh genug, diese so mühsam erzeugten Lebensmittel für die fast verhungerten Kinder durch einen Fußtritt in den Notherd zu vernichten. Dabei fluchte er in der denkbar gemeinsten Weise und diese Schimpfworte klangen fast immer aus in "deutsche Sau, Nazihure" usw.

Nacht für Nacht wurden alle Frauen, die Kranken, die Alten und auch 70-jährigen Frauen vergewaltigt. Und zwar wurden von den Partisanen die Soldaten hereingelassen und die Frauen kamen jede Nacht zwei- oder mehrmals an die Reihe. Ich konnte beobachten, wie ein Soldat ein zartes 11-jähriges Mädchen mißbrauchen wollte, wobei sich die entsetzte Mutter mit übermenschlichen Kräften dagegen wehrte und sich dem Soldaten selbst anbot, um das Kind zu retten. Die Mutter wurde von dem Soldaten blutig geschlagen, trotzdem aber ließ sie das Kind nicht frei. Mein eigenes Dazwischentreten erfolgte in dem Momente, wo der Soldat mit der Pistole die Frau bedrohte. Da ich gebrochen russisch sprach, konnte ich dem Soldaten Vorwürfe machen, sodaß er schließlich von dem Kinde ließ. Die entsetzte Mutter wendete nun alle Mittel an, um ihr Kind vor einem neuen Überfall zu verbergen. Unmittelbar darauf wurde aber ich von den Partisanen gerufen, ich mußte Folge leisten und ging zur Türe. Dort übergab man mich an diesen einen Wüstling, der mich in die Zuckerfabrik schleppte, wo ich von 5 Russen vergewaltigt wurde. Als ich mich in einem entsetzlichen Zustande zum Selbstmord entschloß und nach einer solchen Möglichkeit suchte, wurde ich Zeuge des Selbstmordes eines alten Ehepaares. Diese zwei Personen endeten durch Erhängen in einem leeren Getreidesilo, wo ich auf einem Sägespänehaufen ermattet gelegen bin. Ich konnte daher beobachten, wie tschechische Gendarmen dem Ehepaar die Dokumente und Wertsachen raubten und ihnen dann ein Stück Karton ans Handgelenk gebunden hatten, auf welchem verzeichnet war in tschechischer Sprache: Unbekannt, ohne Dokumente. Das war die Gepflogenheit bei allen den Tausenden, die hier den Tod fanden. Täglich starben in den Baracken je 60 bis 70 Menschen, die alle, ihrer Schuhe und vielfach auch der Oberkleider beraubt, auf einen Haufen geschlichtet wurden, wo sie in der Sonne stundenlang, bedeckt von Schmeißfliegen, gelegen sind. Vor den Baracken lagen vielfach am Rasen Sterbende und Verhungerte, die bereits von Maden der Schmeißfliegen bedeckt waren. Den Massen wurde nämlich keine Nahrung zugeführt, nur was diese Unglücklichen mitgebracht hatten oder sich aus ursprünglichen Kartoffelprismen aus dem Boden gegraben hatten, war ihre Nahrung. Hungertyphus war daher fast durchwegs die Todesursache. Eine Baracke war als sogenanntes Krankenrevier eingerichtet. Die Hygiene dieses Revieres ist am besten illustriert durch folgende Tatsache: Die Kranken lagen auf verfaultem Stroh, welches vielfach durch die Typhuskranken verschmutzt war. Statt eines Abtrittes stand in der Mitte der Baracke ein Mörteltrog, der als Latrine benützt werden mußte. Er war so unzureichend, daß er täglich überfloß, weil ihn die Schwerkranken selbst entleeren sollten, was sie nicht konnten. Es war bestialischer Gestank in dem Raume und überall wimmelte es von Fliegen, Läusen und Flöhen. Trotzdem aber wurde keinerlei Anstalt getroffen, dieser Seuche und diesem Ungeziefer Herr zu werden. In diesem Revier schaltete und waltete eine Schwester namens Schubert. Sie selbst rühmte sich vor Zeugen, daß sie bereits über 2000 Deutschen ins bessere Jenseits verholfen hat und wohl dafür die tschechische Staatsbürgerschaft verdient hätte. Allem Anscheine nach war sie wohl Tschechin von Geburt, aber mit einem Deutschen verehelicht gewesen. Sie hatte viele tschechische Verwandte, denen sie immer wieder Schmuck und Wertsachen, die sie den unglücklichen deutschen Kranken und Sterbenden geraubt hatte, zukommen ließ. Die minderwertigen Schmuckstücke schenkte sie den Partisanen. Eine Hauptzeugin für diese Verhältnisse ist Frau Engelberta Höllriegel aus Brünn, Ingenieursgattin, die mir bestätigte, daß am 12. Juni 1945 außer den alltäglichen 60-70 Toten, noch von Früh bis Mittag 56 Menschen allein im Revier gestorben sind, sie nannte den 12. Juni "unseren schwarzen Tag". Frau Höllriegel half im Revier mit, ohne Schwester zu sein. Ihr Gatte und ihr Sohn wurden im Kaunitz-Kolleg in Brünn zugrunde gerichtet.

Um Pohrlitz herum war natürlich ein Feld von Massengräbern entstanden. Die Leichen wurden nur ganz seicht verscharrt, sodaß sich bald eine Atmosphäre von Leichengeruch überall bemerkbar machte. Nun begannen die neuzugewanderten Tschechen dagegen zu demonstrieren, sie sagten, "wir wollen diese deutschen Schweine nicht hier haben, sie verpesten die ganze Gegend und verbreiten womöglich Seuchen". Daher entschloß man sich am 18. Juni die Kranken und Mütter mit Kleinkindern, die auch fast durchschnittlich am Verhungern waren, mit Wagen abzutransportieren, während man uns, die noch arbeitsfähig waren, noch einen Tag im Lager belassen hat. Dieser Krankentransport wurde bis an die österreichische Grenze in die Niemandszone geführt, dort wurden die Unglücklichen im Walde, im Überschwemmungsgebiet der Thaya abgesetzt und den Schwärmen von Mücken überlassen. Niemand wußte von ihrem Vorhandensein, sodaß diese Unglücklichen dort fast alle verhungerten und erst aufgefunden wurden, als sie bereits aufgedunsen und von Gelsen zerfressene Kadawer darstellten. Diese Situation soll fotografiert und auch in Kinos Englands oder Amerikas vorgeführt worden sein. Zumindest wurde mir hiervon einige Monate nachher von dem Zwangsverwalter des Hofes Neuhof bei Grafendorf, Antonin Safar, Mitteilung gemacht und unter Fluchen diese Tatsache erzählt. Seine Mitteilung gipfelte in dem Fluche: "Diese österreichischen Schweine haben uns was Schönes eingebrockt."

Ein spezieller Fall ist mir in Erinnerung. Frau Kopriva aus Brünn war im Pohrlitzer Lager verhungert, ihre Tochter Hermine Kopriva, ca. 38 Jahre alt, wurde auf Grund ihrer Hungersymptome und Vergewaltigungen irrsinnig. Als ich hiervon einem Gendarm Meldung machte, richtete er an sie einige Fragen, die sie verworren und ganz irre beantwortete, worauf er meinte, zum Arbeiten ist sie doch gut genug und tatsächlich mußte diese Frau mit mir am 19. Juni mit vielen anderen nach Grußbach, wo wir als Arbeitssklaven auf die verschiedensten Gutshöfe verteilt wurden. In ihrem Jammerzustand mußte sie dennoch die schwersten Arbeiten leisten.

Der Zwangsverwalter am Hofe hieß Antonin Safar, der 25jährige Adjunkt hieß Miroslav Tvrdík und war eine ausgesprochene Bestie, vor dem sich sogar der Verwalter fürchtete. Sein Ausspruch ist bezeichnend: "Ihr deutschen Schweine, hier wird gearbeitet, die Arbeitsunfähigen bekommen zweimal 48 Stunden Diät, damit sie krepieren. Die Arbeitsfähigen werden solange arbeiten, bis sie mit den Mäulern auf dem Boden liegen!" Wie er sagte, so handelte er auch. Es gingen fast alle Kranken zugrunde und dagegen mußten die Arbeitsfähigen bis zur Erschöpfung die schwersten Arbeiten leisten, obwohl fast keiner in landwirtschaftlichen Arbeiten und Strapazen abgehärtet war.

Der Ausspruch des Arztes Dr. Skrasek aus Grußbach ist bezeichnend: Als er den Stall, wo unsere Leute auf verfaultem Stroh, Schwerkranke und Halbverhungerte lagen, rief er von der Tür aus: "Was soll ich mit euch machen, ich habe nichts außer Tierkohle! Ihr seid ein Volk, das den Krieg verloren hat und ihr dürft nicht erwarten, daß wir euch mit Handschuhen anfassen!" Das war alles, was er für die Kranken und Erschöpften getan hat. Erst meiner Bitte entsprechend, entschloß er sich, uns das Entlausungspulver zu beschaffen, da wir in einem entsetzlichen Zustande von Läusen und Flöhen geplagt waren und außerdem Mäuse und Ratten sogar unsere Schuhe und Kleider zerfressen hatten. Die Rattenplage nahm derart überhand, daß vor unseren Augen die letzten Eßwaren weggefressen wurden.

Uns mußten Grußbacher deutsche Bauern mit ihren Fahrzeugen am 19. Juni 1945 in der Frühe sehr zeitlich aus dem Lager Pohrlitz abholen und wir wurden von ihnen nach Grußbach gefahren. Knapp vor Grußbach passierten wir eine mächtige Kirschenallee, die voll reifer Früchte hing und es konnte nicht Wunder nehmen, daß wir nach diesen Hungerqualen und durstend nach einigen Früchten lechzten. Das beobachtete auch der uns fahrende Bauer und versprach uns in einem Augenblick, wo wir unbeobachtet waren, daß er uns von seinen eigenen Kirschbäumen, die wir auf dieser Straße passieren mußten, welche pflücken werde. Dies tat der Bauer tatsächlich, als wir an seinem Besitz vorbeifuhren. Eben als er uns die Kirschen reichen wollte, bemerkte dies ein Gendarm, zog seine Lederpeitsche und schlug dem Bauern über das Gesicht und über den Kopf, daß die Striemen sofort zu bluten begannen. Dabei fluchte er: "Du deutsches Schwein, wenn du es nochmals wagst, noch eine Kirsche abzureißen, schieß ich dich wie einen räudigen Hund nieder." Auf das erwähnte der Bauer, daß er nicht für sich, sondern für die hungrigen Frauen und Kinder von seinen eigenen Bäumen geben wollte und deutete dabei an, daß dies sein eigener Besitz sei. Darauf brüllte der Gendarm: "Du deutsches Schwein, das hat einmal dir gehört, heute gehört es uns!" Mit mir fuhren Frau Skalitzky, Frau Wimetal und Fräulein Kopriva Hermine und noch ca. 15 Personen, deren Namen mir nicht in Erinnerung sind.


Am Hofe Neuhof bei Grafendorf.

Frau Emilie Kurz wurde unter Rücksichtnahme auf ihr Leiden von dem Verwalter Antonin Safar zur Küchenarbeit bestimmt. Diese Frau hatte ein schweres Drüsenleiden und neigte zur Wassersucht. Sie vermochte sich schwer auf den Füßen zu halten, konnte aber in der Küche sitzende Arbeit leisten. Ende Juni 1945 war die Ernte der Frühkartoffeln (Juniperle). Bei einer Inspektion durch den Lagerkommandanten von Grußbach - einem jungen Mann, etwa 30-jährig - ereignete sich folgender Vorfall: Ich selbst wurde vom Felde gerufen und mußte den Inspektor bezw. Kommandanten bei der Besichtigung führen. Er beschaute nur die Unterkünfte der deutschen Zwangsarbeiter. Bei dieser Gelegenheit sah er die Frau Kurz bei einem Tisch im Vorraum sitzen und Hülsenfrüchte ausklauben. Sofort brüllte er die Frau an, warum sie nicht auch am Felde arbeite. Sie antwortete: "Ich bitte schön, ich bin krank und habe daher diese Arbeit hier zu verrichten!" Er schrie wie ein Besessener, "stehen Sie auf, wenn Sie mit mir sprechen!" Die 63-jährige Frau versuchte es auch mühselig und wurde von ihm jetzt angeschrien: "Du elendes deutsches Schwein, du wagst zu sagen, daß du krank bist! Ich werde dir sagen, was du hast, überfressen bist du und nicht krank, überfressen von dem Fleisch und Butter, die du unseren Frauen und Kindern weggefressen hast! Und marsch aufs Feld, sofort!" Die kranke Frau schleppte sich nun auf den Kartoffelacker, vermochte aber nicht normal Kartoffel aufzulesen, sondern ist hinter dem Pflug knieend gekrochen und hat Kartoffel aufgeklaubt, natürlich weinend unter jämmerlichen Schmerzen. Er stand dabei neben dem Verwalter und weidete sich an den Schmerzen und Qualen dieser unglücklichen Frau. Nachdem er weggegangen war, erbarmte sich der Verwalter Safar und sagte zu ihr, sie könne wieder in die Küche gehen. Er erkannte, daß diese Frau diese Arbeit wirklich nicht leisten konnte.

Unsere Kost bestand in der schwersten Arbeitszeit aus folgenden Mahlzeiten: In der Früh bitteren, schwarzen Kaffee, ohne Brot, mittags Kartoffel ohne Salz im Wasser gekocht, ohne Fett und sonstigen Gewürzen, am Abend schwarzen, bitteren Kaffee, am nächsten Tag zu Mittag wieder ungesalzene Bohnen und als dritte Abwechslung ungesalzene Erbsen in Wasser gekocht. Diese Mahlzeiten-Reihenfolge wiederholte sich drei Wochen lang. Es gab also niemals ein Stück Brot dazu. Endlich wurden Lebensmittelkarten zugewiesen, sodaß sich die Kost etwas gebessert hat. Vor allem bekamen wir ein Stück Brot, von nun ab wurden auch 7 dkg Margarine für uns pro Woche und Kopf gefaßt, also ein Dekagramm pro Tag. Kein Wunder, daß fast bei allen Hungertyphuserscheinungen auftraten, die vielfach schon von Pohrlitz her bestanden haben. Bei der Inspektion des Kommandanten wurde ich über die Krankheit eines im Stalle liegenden Mannes befragt, und als ich zur Antwort gab, daß er an Hungertyphus erkrankt sei, brüllte er mich in gemeinster Form an und sagte: "Reden Sie keinen Blödsinn, die Blutungserscheinungen rühren von dem her, daß sich die Darmwände aneinanderreiben." Auf das hin sagte ich, "das ist eben der Hungertyphus, bei einem satten Menschen kommt so etwas nicht vor", worauf er mich auf das gemeinste beschimpfte.

Ich mußte als einstmalige Rot-Kreuz-Schwester Samariterdienst auch im Meierhofe leisten, die Verstorbenen registrieren und auch begraben. Ich erinnere mich also an folgende im Meierhof verstorbene Deutsche. Die 58-jährige Theodora Maria Moczinsky, stammend aus Breslau, die 2-jährige Krista Hoffmann, den 65-jährigen Raimund Bernatschek, dessen Frau, Bernatschek Franziska, geb. Schlosser aus Zebrovic bei Brünn, Ing. Rudolf Nejeschleb, geb. in Stockerau, dessen Gattin schon in Pohrlitz verstorben war, Herrn Karl Kurz, Kaufmann, geb. 1879 in Mährisch- Schönberg, Herrn Ludwig Spitzer, Disponent, Pensionist, geb 1876 in Brünn, Maria Hloucha in Brünn, geb. 1885, gest. 8. 9. 1945, die Witwe eines Korvettenkapitäns, Anna Duba, 58 Jahre alt. Alle diese waren an Hungertyphus und aus Anstrengung gestorben, bei allen aber hatte ich am Sterbezettel zu vermerken: "Marasmus - Altersschwäche", sogar bei dem 2-jährigen Kind. Bei diesem 2-jährigen Kind habe ich in Erinnerung, daß dieses kleine Würmchen tatsächlich vertrocknet war, denn die Händchen glichen dem Fuße eines Schwimmvogels, da zwischen den Knochen die Haut völlig durchsichtig war und einer Schwimmhaut glich. Das Kindlein hatte wochenlang schier überhaupt keine Ernährung bekommen und es wurde ihm höchstens dieselbe Kost geboten, wie den Erwachsenen.

In meiner Eigenschaft als Evidenzführerin der Zwangsarbeiter auf den Höfen Neuhof, Karlhof und im Zuckerraffinerie-Fabrikshof in Grußbach erlebte ich folgendes: Eine junge Frau begegnete mir am Karlhof mit offenen Armen und begrüßte mich weinend. Ich erinnerte mich ihrer nicht mehr, da ich ja mit Tausenden das Schicksal bisher teilen mußte. Diese Frau aber verwies mich auf folgendes Zusammensein in Leskau und rief daher meine Erinnerung wach: Anläßlich der Ankunft des Präsidenten Benes in Brünn mußten alle Deutschen Brünn verlassen und ich wurde mit Tausenden nach Leskau dirigiert. Dort sperrte man mich mit 59 Personen und zwar 52 Frauen und 7 Kindern in eine Geschirrkammer des stark hergenommenen Militärerholungsheimes Leskau ein. Mir ist in Erinnerung, wie wir in dieser Kammer von einem Gendarmen inspiziert wurden. Er befahl, daß jeder Insasse bei Ankunft bezw. Betreten des Raumes durch eine Amtsperson Habtacht zu stehen hätte. Ein junges, etwa 15 Jahre altes Mädchen spielte mit einem Säugling und lächelte dem Kinde zu. Das empörte den Gendarmen derart, daß er dieses Mädchen zu sich befahl, es jämmerlich beschimpfte und trotz Einspruch und Bitten der Mutter dieses Kind wegführte. Die Mutter wurde ohnmächtig, da sie ahnte, was mit dem Kinde geschehen werde. Nun kam das Mädchen erst wieder am nächsten Tag morgens in einem gottsjämmerlichen Zustand in das Zimmer. Es war nachts über nicht nur vergewaltigt, sondern in furchtbarster Weise geschlagen worden, sodaß es nicht imstande war, auch nur ein Wort zu sprechen, und zitternd und stöhnend tagelang am Bauche liegen blieb. Der Rücken und die Beine waren voll schwerster Wunden.

Als Samariterin war mir der Befehl gegeben, alle auftretenden Krankheiten den Wachen zu melden. Am darauffolgenden Tag kam eine junge Frau zu mir und meldete mir ihre schwere Erkrankung. Sie war unzähligemale von russischen Soldaten vergewaltigt worden und an Gonorrhoe erkrankt. Ich führte diese Frau zu einem inspizierenden Wachorgan und meldete es dort. Er verwies uns an ein Organ des Gesundheitsamtes, das nachmittags ins Lager komme. Wir warteten und ich meldete diesem Mann die Erkrankung der Frau. Bei seiner Gegenfrage, wieso ich die Krankheit als Gonorrhoe erkennen könne, erklärte ich ihm, daß die Frau ja vergewaltigt wurde und daß die Symptome auf Gonorrhoe deuten. Daraufhin mußte ich die schändlichsten Beschimpfungen über mich ergehen lassen, er drohte mir mit dem Erschießen und nannte mich deutsche Hure, Bestie und Schwein und wendete ein, daß man nicht wisse, woher sich diese deutsche Hure die Krankheit geholt hätte. Daraufhin entgegnete ich, daß ich nicht 100%-ig behaupten will, daß es die Krankheit sein müsse, denn dies sei die Feststellung eines Arztes. Seine Erwiderung lautete folgend: "Ich werde diese Bestie unter Eskorte nach Brünn schicken. Sollte es sich aber dort herausstellen, daß es bloß eine Finte ist, und daß dieses deutsche Schwein nur nach Brünn will, weil es weiß, daß unser Präsident gerade in Brünn weilt, dann lasse ich Euch beide erschießen!" Zu dieser Eskorte ist es gar nicht gekommen, die Frau aber wurde von keinem Arzte behandelt und mußte in ihrem Zustande auch noch monatelang die Zwangsarbeit auf dem Karlhof bei Grußbach verrichten. Dort traf ich sie in einem gottsjämmerlichen Zustand, denn ihre Krankheit war bereits in ein entsetzliches Stadium getreten. Es handelte sich ja dort um die asiatische Gonorrhoe.

In dem obengenannten Lager Leskau waren vor der Einkerkerung der Deutschen Russen quartiert. Der Zustand des Lagers war daher unbeschreiblich. Kein Winkel war nicht Klosett, auch war das gesamte Geschirr entweder zerschlagen oder beschmutzt. Auch die eingebauten Kästen waren als Klosett benützt, dagegen war die Klosettanlage völlig zerschlagen. Die Verschickung in das Lager Leskau sollte nur auf drei Tage bemessen sein und zwar für die Zeit des Aufenthaltes Benes's in Brünn. Nun aber blieb er um zwei Tage länger und unsere Tortur verlängerte sich daher ebenfalls um 2 Tage. Da alle nur Lebensmittel für 3 Tage vorgesehen hatten, so trat natürlich der Hunger ein und besonders die Mütter von Kindern suchten in den zerstörten Räumen nach Lebensmitteln. Unter Geschirrscherben fanden sie drei 5-Liter-Einsiedegläser mit Marmelade gefüllt. Allem Anscheine nach waren diese Gläser von den Tschechen in raffinierter, viehischer Weise für die hungernden Deutschen verdorben worden. In diesen Gläsern wurde ein Teil der Marmelade abgehoben, dann wurde in die Gläser Menschenkot gegeben und wieder Marmelade darauf. Die hungernden Kinder versuchten trotz dieses Gestankes von der Marmelade zu nehmen und kamen bald auf diese bestialische Kost.

Wie sich unsere sanitären Verhältnisse bewerten lassen, zeigt am deutlichsten, daß alle Lagerinsassen während des 5-tägigen Benes-Besuches in Brünn, die 19 Tage in Pohrlitz und die Monate im Zwangsarbeitslager in Neuhof, niemals aus den Kleidern herausgekommen sind. Daß dadurch Ungeziefer und Krankheit überhand nahmen, kann nicht Wunder nehmen.

Nach Rückkehr von der Arbeit bestellte mich der 25-jährige Adjunkt Miroslav Trvdík zu sich und befahl mir, ihm einen Termophor zu überbringen, da er sich unwohl fühle. Es war dies gewiß nur ein Vorwand, denn seine Absicht war, mich zu vergewaltigen. Da ich mich wehrte, riß mir der Adjunkt das Kopftuch herab und entdeckte dabei, daß ich im Zipfel des Tuches drei Schmuckstücke eingebunden hatte. Ich wurde von ihm in dieser Nacht mehrmals vergewaltigt, aber die Schmuckstücke beließ er mir in der Voraussicht, daß ja an der von ihm bestimmten Durchsuchung am nächsten Tage diese Schmuckstücke an und für sich von den Partisanen abgenommen werden würden. Um etwa 4 Uhr früh des zweiten Tages kam er mit einer Reihe von Partisanen und ließ die gesamten Lagerinsassen, die noch auf ihren Strohsäcken lagen, durchsuchen. Wer nicht das Letzte an Schmuck und Wertgegenständen herauszugeben gewillt war, wurde mit dem Erschießen bedroht, wobei die Partisanen mit ihren Pistolen umherfuchtelten. Auch die Schwerstkranken wurden nicht geschont, sie wurden in brutalster Weise vom Lager gerissen, die Kleider gleichfalls herabgerissen und bis ins Kleinste durchsucht. Dabei verlor jeder noch das allerletzte. Mir sind in Erinnerung ein Ehepaar Zach, denen eine Platinuhr mit Brillanten abgenommen wurde, dem Manne eine goldene Herrenuhr und außerdem noch kleinere Schmuckstücke, das Ehepaar Spitzer wurde ebenfalls des letzten Schmuckes beraubt. Am übelsten betroffen war eine arme verkrüppelte Frau Kadera, die nur ein paar Kronen gehabt hatte und auch um diese letzten Werte samt dem Geldbörsel gekommen ist. Frau Kadera lebt noch hier in Wien.

Dem sterbenden Ing. Nejeschleb raubte man aus einem Leinensäckchen, welches er um den Hals hängen hatte, seine letzten Wertgegenstände. Am zweiten Tag war er tot. Diese Beraubung des Sterbenden erfolgte in brutalster Weise, indem man ihn vom Lager warf und auch das Stroh durchsuchte, auf dem er gelegen war.

Da der Verwalter sich bemühte, auch die Häftlinge korrekt zu behandeln, wurde er besonders von diesem Adjunkten Trvdík angefeindet, der wegen der Erlaubnis, eine hl. Messe in der Kapelle am Emmerhof zu hören, den Ausspruch tat: "Dieses Schwein von Verwalter wird bestimmt noch einmal als Kollaborant im KZ enden." Die Häftlinge hatten alle den Eindruck, daß der Verwalter gerecht sein wollte, daß er aber auf höheren Befehl auch Handlungen vollziehen ließ, die unmenschlich waren.

Im Dezember bekam ich vom Verwalter den Auftrag, die gesamten Lagerinsassen zu verzeichnen, weil sie in das Schloß Grußbach abtransportiert werden. Dieses Schloß Grußbach stand im übelsten Rufe, weil von dort dauernd Begräbnisse der Verhungerten stattfanden.

Ich selbst konnte mich aus meinem Elendszustand endlich durch die Flucht nach Österreich retten. Ich verdanke diese Rettung in der Hauptsache einem geistlichen Herrn, der sich nicht nur meiner, sondern auch der anderen Flüchtlinge stets annahm und unser Los erleichterte. Auch er lebt derzeit in Österreich, nachdem er trotz Krankheit auch in das KZ Znaim eingeliefert wurde, vermutlich sogar wegen der Hilfe, die er uns angedeihen ließ.

Die Flucht über die Grenze wurde von einem Tschechen zu einem außerordentlich günstigen Geschäft benützt, indem er die erdenklichsten Entlohnungen für die Hilfe beim Überschreiten der Grenze einforderte. Er verlangte für diese Hilfe Kleider, Schmuck, Geld und teilte diese Werte mit dem Schaffer vom Trawinghof. Beide machten aus dem Elend noch ein einträgliches Geschäft.


Seite zurueckInhaltsuebersichtSeite vor

Dokumente zur Austreibung der Sudetendeutschen
Überlebende kommen zu Wort