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Vorwort
Mit dem Gesetz vom 12.
November 1918 hat die Nationalversammlung
Deutsch-Österreichs den Anschluß an die Deutsche Republik
beschlossen. Nicht nur ein Traum unserer Vorväter von 1848, sondern auch
ein Ziel, das Liebknecht, Bebel, Adler und Pernerstorfer erstrebten, soll nun
verwirklicht werden. In der tiefen Niedergeschlagenheit des Herbstes 1918 ist der
Gedanke an die Realisierung des alten großdeutschen
Gedankens - der wahrhaftig nichts zu tun hat mit dem
alldeutschen - der einzige helle Punkt am grauen Firmament. Aber der
Beschluß
der deutsch-österreichischen Nationalversammlung ist vorerst nur Vorsatz
und Wille. Die große Versammlung, die am 17. November in der
Hochschule für Musik in Berlin abgehalten wurde, sollte ein erstes Mittel
sein, die Verwirklichung zu beschleunigen. In dieser dunklen Stunde muß
aus allen Teilen des Deutschen Reiches der Ruf ertönen: "Öffnet die
Tore den Brüdern, die in unserer schwersten Zeit zu uns wollen". Das Ziel
der
Einigung Deutsch-Österreichs ist aus dem Herzen des politisch denkenden
Deutschen nicht mehr herauszureißen.
Mögen die hier folgenden Reden reichsdeutscher
und deutsch-österreichischer, sozialistischer und bürgerlicher
Sprecher in Millionen Deutschen hellen Widerhall finden.
Der letzte Beitrag dieses Heftes, die staatsrechtliche Skizze von Professor
Heinrich Triepel, ist keine Rede. Die Arbeit wurde unserem engeren Ausschusse
vorgetragen.
Berlin, Weihnachten 1918.
Stefan Großmann.
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Geleitwort
Der verehrliche Verlag Richard Mühlmann (Max Grosse) in Halle an der
Saale, mit dem mich enge schriftstellerische Beziehungen verknüpfen, hat
an mich die Anfrage gerichtet, ob ich ihm das Material zu einer Broschüre
liefern könnte, die einige Stimmen aus dem
geistigen Deutsch-Österreich wiedergäbe, die den Anschluß
dieses Staates an die großdeutsche Republik wünschen.
Obgleich ich über allem Weltbürger und Pazifist bin, stellte ich mich
dem verehrlichen Verlage für diesen Zweck zur Verfügung. Denn
sein Wunsch erweckte keinen Widerstreit in meinem Innern. Wie man seine
Familie lieben und doch seinem Volkstum treu sein kann, so schließt die
Liebe zur Nation auch nicht die Treue zum Brudergedanken der Menschheit
aus.
Ferne von allem Nationalhaß, ein glühender Anhänger der Idee
der Völkerverständigung, ein Hasser des Krieges und Kämpfer
für das Recht und den Geist, fühle ich mich gleichwohl als treuer
Deutscher.
Als solcher aber fragte ich mich: Wenn schon der Grundsatz,
Stammesangehörige zusammenzufassen, das sogenannte
Nationalitätenprinzip, als eine wichtige Voraussetzung des Weltfriedens
hingestellt wird, weshalb soll dieses Prinzip gerade vor
den Deutsch-Österreichern haltmachen?
Weshalb soll es ihnen allein verwehrt sein, von dem Grundsatze des
Selbstbestimmungsrechtes der Völker Gebrauch zu machen, wenn sie sich
an ihre Stammesgenossen anschließen wollen?
Ich frage: Wenn es sich darum handelte, daß zehn Millionen Polen,
Tschechen oder Italiener sich an siebzig Millionen Volksgenossen
anschlössen, wäre ein einziger unter jenen Minderheiten, der den
Anschluß an seine Stammesbrüder nicht wollte?
Und sollten nur die Deutsch-Österreicher zögern, einen solchen
Schritt zu tun, wenn es sich um ihre Stammesgenossen, wenn es sich um das
[4] deutsche Volk der Denker und Dichter, dieses
fleißige und tüchtige Volk handelt?
Daß Deutsch-Österreich wirtschaftlich nicht allein bleiben kann, ist
heute allgemeine Überzeugung.
Wenn das Nationalitätenprinzip und das Selbstbestimmungsrecht auch
für Deutsch-Österreich gelten soll, dann muß ihm beim
Friedensschlusse, wenn es sich an Deutschland anschließt, auch die
Möglichkeit geboten werden, wirtschaftlich zu bestehen.
Und so wahr das Deutsche Reich wirtschaftlich gedeihen wird, so wahr wird
auch Deutsch-Österreich gedeihen, wenn es zu Deutschland gehört.
Wer jenes bezweifelt, der kennt die Kraft des deutschen Volkes nicht.
Die Frage des Anschlusses ist eine Frage zweier Weltanschauungen: politischer
Idealismus oder politischer Materialismus.
Möge sich Deutsch-Österreich in der großen Stunde, wo es
sich endgültig für oder wider den Anschluß zu entscheiden hat,
zum politischen Idealismus bekennen.
Und nun lasse ich einige geistige Führer Deutsch-Österreichs, die
mir leicht erreichbar waren, das berufene Wort zur Sache ergreifen.
Mögen sie die Freunde des Anschlusses erfreuen, die Zweifler auf den
rechten Weg weisen und die Verneiner nachdenklich stimmen.
Die Beiträge sind in dieser Broschüre nach dem Zeitpunkt ihres
Einlangens geordnet. Unter den geistigen Führern, die hier zum Worte
kommen, gibt es keinen Unterschied des Ranges.
Und ohne Unterschied sage ich allen diesen Bekennern zum politischen
Idealismus für ihre Mitarbeit den gleichen herzlichen Dank.
Und so mögen denn diese Blätter hinausflattern mit dem
hoffnungsfrohen Titel, den ich ihnen gab:
"Deutschland, wir kommen!"
Wien, im Januar 1919.
Dr. Alfred Christ,
d.-ö. Regierungsrat und Schriftsteller
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