Bd. 8: Die Organisationen der Kriegführung,
Dritter Teil:
Die Organisationen für das geistige Leben im
Heere
Kapitel 3: Die Fürsorge
für die Kriegsgefangenen
(Forts.)
[182] 3. Die deutschen Kriegsgefangenen in
Rußland.8
Von Margarete Klante9
Einleitung.
165 000 deutsche Soldaten und 2 082 deutsche Offiziere, neben 2 330 296
Soldaten und Offizieren der Verbündeten, insgesamt
2 497 378, kamen im Lauf des Weltkrieges in russische
Gefangenschaft.
Da Rußland eine der Signatarmächte der Haager Landkriegsordnung
war, lag ihm die Pflicht ob, diese Kriegsgefangenen wie die eigenen Soldaten zu
behandeln. Im Geist dieser Landkriegsordnung waren auch bis auf wenige
Ausnahmen die ersten allgemeinen russischen Bestimmungen über
Kriegsgefangene vom 14. Oktober 1914 erlassen. Sie sprachen von einer
Behandlung der Kriegsgefangenen als "den berufenen Verteidigern ihres Landes".
Sie gaben als Richtschnur die Gleichstellung mit den eigenen Soldaten in bezug
auf Unterbringung, Ernährung und Behandlung und überließen
alles andere bis auf detaillierte Transportvorschriften den örtlichen
Behörden. Aber schon im Februar 1915 ergingen weitere Bestimmungen,
die eine bedeutende Verschärfung brachten, und von da ab jagte ein Befehl
den anderen, häufig entgegengesetzt den internationalen Abmachungen, so
daß sich bald keine der ausführenden Behörden durchfand.
Für die Kriegsgefangenen selbst sind diese Gesetze trotz zäher
Bemühungen ein Buch mit sieben Siegeln geblieben.
Eine eigene Verwaltungsorganisation war für diese große Anzahl
Gefangener nicht geschaffen worden. Sie wurde der Heeresorganisation des
Landes eingefügt, mit dem Kriegsministerium an der Spitze, den
Militärbezirken und den diesen unterstellten
Ortsmilitärbehörden und Lagerkommandanten als
ausführenden Organen. Das Kriegsministerium in Petersburg hatte eine
eigene Abteilung für Kriegsgefangene. Eine besondere Kontrolle für
die Durchführung seiner Befehle im Lande gab es nicht. Auf dem weiten
Wege von der Zentrale in Petersburg durch das 22,55 Millionen
Quadratkilometer große Riesenreich bis hinunter zu den
Lagerkommandanten zerbröckelten die Befehle oder wurden
willkürlich geändert.
Gleichzeitig setzte eine beispiellose Preßhetze gegen das Deutschtum im
Lande ein. Überall waren sogar Abbildungen von deutschen Greueltaten zu
[183] finden, deren
lächerliche Übertreibungen mit der allgemeinen Unbildung des
Russen rechneten. Während in der Verordnung vom 14. Oktober 1914 der
deutsche Kriegsgefangene als der "berufene Verteidiger seines Landes"
angesprochen wurde, ließ die unter behördlicher Genehmigung
schrankenlos arbeitende Propaganda kein Mittel unversucht, um ihn als den
Barbaren zu brandmarken, der sich durch seine Schandtaten selbst
außerhalb aller menschlichen Rechte gestellt habe. Besonders von seiten der
städtischen Bevölkerung waren häufig Beschimpfungen und
Mißhandlungen, wie die Zerstörung der deutschen Botschaft in
Petersburg und der Deutschenpogrom in Moskau, Ufa usw., die Folge, bis
der deutsche Kriegsgefangene durch seine Haltung die Lügen aufdeckte.
Tiefergehend wirkte die Verbitterung nach, die in Rußland durch die
Propaganda über die angeblich schimpfliche Behandlung der russischen
Kriegsgefangenen in Deutschland Platz griff.
Transport.
Wenn die Gefangennahme mit ihrer anschließenden Ausplünderung
bis zum letzten Pfennig, bis zur Uhr, zum Trauring und dem als
Siegestrophäe so begehrten deutschen Helm hinter den Kriegsgefangenen
lag, begann der "Transport". Er hat die Kriegsgefangenen vom ersten bis zum
letzten Augenblick der Gefangenschaft verfolgt, gleichgültig, ob verwundet
oder unverwundet. Es war selbst für diese ein unaufhörliches
Hin- und Herschieben von Lazarett zu Lazarett, von Stadt zu Stadt, von Lager zu
Lager. Gefangene aus Przemysl kamen von Kiew über Pensa, Petersburg
nach Omsk.
Die unverwundeten und leichtverletzten Gefangenen wurden gewöhnlich
im Fußmarsch durch das Etappengebiet befördert; dann nahmen
Güterwagen sie auf, in die Holzpritschen eingebaut waren. Im Winter sollte
ein kleiner eiserner Ofen diese fahrenden Wohnungen erwärmen. Bei den
weiten Entfernungen in Rußland mußten die Kriegsgefangenen
wochenlang, ja manchmal Monate bis zu 40 Mann in diesen Waggons leben. Sie
sehnten sich nach einer warmen Mahlzeit, für die das
Verpflegungsgeld - je 25 Kopeken für den Tag und
Mann - in der Tasche des russischen Transportführers lag. Im Winter
schlug sich die feuchte Luft als Eis an Decke und Wänden nieder. Zu dem
Bewußtsein der Unfreiheit kamen Hunger und Kälte, und die einzige
Beschäftigung bildete das Lausen. Verschmutzt und entkräftet kamen
sie in den Gefangenenlagern an.
Für die Transporte bestanden sehr genaue Vorschriften von Petersburg,
unter anderem auch über die Registrierung. Da nach der letzten russischen
Statistik nur 21% der Bevölkerung schreiben können, blieben die
Registrierungsvorschriften illusorisch. Ungezählte Kriegsgefangene wurden
nie oder unter falsch geschriebenem Namen in die Gefangenenlisten
aufgenommen, und erst nach Monaten, manchmal erst nach Jahren gelang es
ihnen, selbst ein Lebenszeichen in die Heimat zu senden.
[184] Den kürzesten
Weg hatten die Schwerverwundeten. Von den Lazaretten der Front kamen sie teils
in Lazarettzügen, teils in Güterwagen in die Hospitäler der
großen Städte oder in die Provinz.
Lazarette.
In den Lazaretten war nie genügend Platz vorhanden; waren die Betten
belegt, so wurde der Fußboden selbst in den Korridoren zu Hilfe
genommen. Eine Trennung der Verwundeten von den Erkrankten oder eine
Absonderung übertragbarer Krankheiten fand nicht statt.
Bademöglichkeit gab es so gut wie nie; Betten, d. h. Strohsack und
Decke, und Hospitalswäsche strotzten von Ungeziefer. Die russischen
Ärzte taten nur selten gewissenhaft ihre Pflicht. Es fehlte an Personal und
Material. Die Beköstigung war im Anfang reichlich, jedoch
einförmig und ohne Rücksicht auf die Art des Leidens. So lagen die
verwundeten Kriegsgefangenen in überfüllten Räumen,
verlaust, in verbrauchter Luft, da nie ein Fenster geöffnet werden durfte, oft
auf fauligem Stroh und wurden durch Unkenntnis und Gewissenlosigkeit der
Ärzte und des Pflegepersonals für immer zum Krüppel. Neben
einem am Oberschenkel Amputierten, der einen Fußschuß gehabt
hatte, lag ein augenkranker Arzt und wartete vergeblich auf die Operation, die ihn
vor völliger Blindheit retten konnte.
Wie seltene Oasen in der Wüste gab es unter den Lazaretten auch solche,
die durch tüchtige Ärzte europäischen Begriffen entsprachen,
z. B. in Kiew.
Eine Erhöhung der Leiden bildeten die unausgesetzten Verlegungen der
Kranken. Die eigene Habe war bis auf wenige Lumpen in den
Krankenhäusern abhanden gekommen, und aus diesen warf eine
verbrecherische Gier nach Bereicherung die Gefangenen auf Wagen und
Eisenbahn, um Verpflegungsgelder in den Taschen der Beamten verschwinden zu
lassen. So gehörten Gefangene, die durch neun und mehr Hospitäler
in Moskau geschleppt wurden, um nach Wochen wieder im ersten anzukommen,
zur Regel. Schließlich mußten diese Verlegungen in der Nacht vor
sich gehen, weil die Bevölkerung sich gegen die Roheit auflehnte, wurden
doch Schwerverwundete mit Schenkel- und Beinbrüchen, frisch
Amputierte, Hochfiebernde, sogar Sterbende nicht geschont. An einem Wintertage
1914 krochen in Moskau Schwerverwundete auf Händen und
Füßen durch den Schnee zur nächsten Haltestelle, die
½ km vom Hospital entfernt lag.
An einigen wenigen Orten war es deutschen Zivilisten gelungen, einen Hilfsdienst
in den Lazaretten und bei den Verschickungen einzurichten. Zwar gestattete eine
Verordnung ausdrücklich die Bildung von Hilfsgesellschaften für die
Gefangenen; aber ein anderer Erlaß hob dies für Deutsche dadurch
auf, daß ihnen jede Vereinigung verboten war. So zog die Hilfsarbeit
für die Kriegsgefangenen schwere Strafen nach sich. Trotzdem wurde sie
viele Monate [185] lang im Baltikum, in
Moskau, Wiatka, Ufa usw. begeistert fortgesetzt, bis die Führer die
Liebe zum Vaterlande in den Gefängnissen bezeugten und die Mittel
versiegten.
In Petersburg sorgten für sie vom Herbst 1914 an unter den
größten Erschwerungen die beiden Damen der schwedischen
Gesandtschaft, deren Namen seitdem wie ein heller Stern über dem Elend
der deutschen Kriegsgefangenen in Rußland stehen: Elsa
Brändström und Ethel von Heidenstam.
Landesverräterische Propaganda.
Im europäischen Rußland wurden die Kriegsgefangenen in kleineren
Gruppen in allen Arten leerer Gebäude zusammengezogen. Nur
ausnahmsweise entstanden hier auf Truppenübungsplätzen und
dergleichen große Lager. Das europäische Rußland war zudem
den bevorzugten slawischen Nationalitäten vorbehalten, die hier durch
Propaganda dazu gebracht werden sollten, Landesverrat zu begehen und in
besonderen Regimentern die Waffen gegen ihr altes Vaterland in den Reihen der
russischen Armee zu führen. Es gab Lager für Tschechen, Polen,
Serben, Italiener, Elsaß-Lothringer. Nur die Propaganda unter den
Tschechen ist dabei auf wirklich fruchtbaren Boden gefallen. Die Zentrale befand
sich anfangs in Kiew, später in Petersburg. Ende 1916 gab es bereits ein
tschechisches Korps von etwa 35 000 Mann. Auch die nicht in das
kämpfende Heer eingetretenen Verräter genossen eine
Vorzugsstellung durch größere Freiheit und
Arbeitsmöglichkeit. Von den Elsaß-Lothringern ist nur ein
verschwindend geringer Prozentsatz freiwillig zum Verräter geworden;
andere hielten der bald freundlichen, bald überaus harten Behandlung in
Nischni-Nowgorod, Dronjkowka, Kromi, Kaschiera nicht stand. Viele Hunderte
sind gezwungen mit den Verrätern zusammen nach Frankreich transportiert
und dort, ebenso wie die in Rußland verbliebenen, in Zwangslagern
für ihre Treue "bestraft" worden. Der Führer dieser
hochverräterischen Propaganda unter den Kriegsgefangenen in
Rußland war ein französischer General namens Janin.
Die Gefangenenlager.
Die deutschfühlenden Kriegsgefangenen kamen, ebenso wie die Ungarn,
fast ausschließlich in die Garnisonen längs der Sibirien
durchschneidenden Bahnlinie von Omsk bis Wladiwostok. Die Steinkasernen und
Holzbaracken dieser Garnisonen konnten jedoch nicht in dem Umfang
geräumt werden, um allen Gefangenen Unterkunft zu bieten. Ställe,
Schuppen, auch Schulen, Zirkusse und leerstehende Wohnhäuser wurden
zu Hilfe genommen. Dann ging Rußland zum Bau neuer Barackenlager
über, wobei die tief in die Erde eingegrabene sogenannte Erdbaracke die
gebräuchlichste wurde. Der Bau der Lager gab [186] Gelegenheit für
Unterschlagungen großen Stils. Der Kommandant von Semipalatinsk baute
1915 anstatt für 5000 Mann nur Baracken für 900, unterschlug das
Geld und nahm 5000 auf.
Diese Gefangenenlager wurden von einem hohen Zaun mit Wachttürmen
umschlossen.
Die Plankenzäune ließen nur selten größeren
Bewegungsraum. Gewöhnlich lagen die Kasernen oder Baracken so eng
umschlossen, daß nur ein Teil der Gefangenen auf einmal frische Luft im
Hof schöpfen konnte.
Die Lager unterstanden einem russischen Offizier als Lagerkommandanten, dem
für die Verwaltung und Bewachung russische Militärkräfte zur
Verfügung standen; außerdem wurden die Kriegsgefangenen zum
Lagerdienst herangezogen. Von einer geordneten Verwaltung dieser bis
30 000 Gefangene fassenden Lager durch die Russen kann jedoch nicht
gesprochen werden. Die zu Kommandanten der Lager bestellten
Persönlichkeiten haben sich fast ausschließlich als zu ihrer Aufgabe
unfähig gezeigt. In den Lagern herrschte ein Chaos sondergleichen, und
nicht russischer Initiative ist es zuzuschreiben, wenn es sich langsam zu lichten
begann.
In die Räume waren als einzige Einrichtung Holzpritschen in mehreren
Stockwerken übereinander eingebaut; Strohsäcke oder Decken gab es
nicht, und viele Gefangene haben jahrelang auf den kahlen Holzpritschen leben
müssen, ohne auch nur einen Mantel zum Bedecken zu besitzen.
Die Baracken waren während der langen Wintermonate nie wirklich
durchwärmt, da nicht genügend Brennmaterial geliefert und von
diesem russischerseits noch entwendet wurde.
Bade- und Waschvorrichtungen fehlten ganz oder genügten nicht für
die große Menschenmenge; zudem mußte das Wasser meist von
größerer Entfernung geholt werden und war deshalb immer
äußerst knapp. - Kleidung und Wäsche waren bald
verschlissen, Ersatz wurde nicht geliefert. Ein Waschen oder gar Wechseln der
Wäsche wurde zum erstrebenswerten Luxus.
Die Ernährung war zwar im ersten Kriegsjahr der Menge nach für
normale Verhältnisse ausreichend, aber die verwendeten Waren waren
minderwertig. In Omsk, Nowo Nikolajewsk, Krasnojarsk zählten
Köpfe und Hufe als vollwertiges Fleisch. Zudem war die Verpflegung ohne
Rücksicht auf das Klima festgesetzt: in Sibirien galt dieselbe Norm wie im
tropischen Turkestan. Wenn genügend Lebensmittel vorhanden waren,
fehlte es an Kochmöglichkeit oder Feuerung. Außerdem stahl die
russische Lagerverwaltung große Mengen. Von Frühjahr 1915 ab war
die tägliche Ration auf Befehl aus Petersburg als Repressalie für die
den deutschen Ernährungsverhältnissen (Blockade!) angepaßte
Ernährungsmenge der russischen Kriegsgefangenen in Deutschland
völlig unzureichend - und zu dieser Zeit herrschte dabei in Sibirien
Überfluß an Nahrungsmitteln.
[187] Unter solchen
Verhältnissen ging das wenige, den Gefangenen etwa noch gebliebene Geld
bald zu Ende, und Hilfe aus der Heimat blieb aus, weil eine geregelte
Postverbindung nicht zustande kam. Die russische Post und Zensur standen als
unüberwindliches Hindernis zwischen den Gefangenen und der Heimat. Es
war erlaubt, im Monat einen Brief und
3 - 4 Karten zu schreiben, aber nur wenige davon erreichten ihr Ziel.
Da alle ein- und ausgehende Gefangenenpost mehrfach zensiert wurde, waren die
Zensuren überlastet und vernichteten zur Beschleunigung ganze
Stöße von Briefschaften. Noch im Dezember 1916 mußte die
russische Regierung die vielen Klagen als berechtigt anerkennen und versuchte
Abhilfe zu schaffen. - Paket- und Geldsendungen aus Deutschland kamen
abhanden oder wurden den Adressaten völlig ausgeplündert
zugestellt.
Die Behandlung der Kriegsgefangenen war abhängig von der Ansicht oder
Laune des Lagerkommandanten, daher willkürlich und brutal.
Mißhandlungen gehörten zur Tagesordnung. So war in Rasdolnoje
das Spießrutenlaufen durch Kosakenpeitschen täglicher Brauch. Die
geringsten Versehen führten zu
Arrest- und Gefängnisstrafen, die in Zuchthäusern gemeinsam mit
russischen Verbrechern verbüßt werden mußten, da es nie
genügend Arrestzellen gab. Auch warteten viele Gefangene monatelang auf
ein Urteil, ohne daß diese Vorhaft irgendwie angerechnet worden
wäre. Fluchtversuche wurden mit Haft bis Kriegsende bestraft, und erst
nach Jahren war eine Änderung dieser Bestimmung möglich.
Zu Hunger und Entbehrungen trat die erzwungene Beschäftigungslosigkeit,
denn außer dem Lagerdienst gab es im Anfang keine
Arbeitsmöglichkeit. Weigerten sich doch sogar die Bauern, diese
unaufhörlich als Verbrecher gebrandmarkten Deutschen als Arbeiter
aufzunehmen. Bücher in deutscher Sprache gab es kaum zu kaufen; auch
unterlagen sie der Zensur oder waren ebenso wie die Zeitungen, selbst die
russischen, verboten. An die Einrichtung von
Sport- und Spielplätzen hat nie ein Russe gedacht.
Eine tiefe Niedergeschlagenheit mußte sich der Kriegsgefangenen
bemächtigen und hielt den gesunden Lebenstrieb nieder. Die von Hunger
und Schmutz zermürbten Körper besaßen keine
Widerstandskraft mehr und wurden eine leichte Beute der Epidemien, die das
Ungeziefer ihnen zutrug. Flecktyphus, Bauchtyphus, Cholera, Ruhr, Pocken
hielten Einzug in den Lagern, dazu traten
Erkältungs- und Magenkrankheiten aller Art. Es starben beispielsweise in
Krasnojarsk im Winter 1914/15 1300 der Gefangenen (54%), davon etwa 1000 an
Flecktyphus; in Nowo Nikolajewsk blieben von 1100 Insassen einer Baracke nur
70 am Leben; in Totzkoje starben 1915 von den dort internierten 25 000
Kriegsgefangenen 17 000.
Jede Pflege war unmöglich, denn selbst da, wo eine Isolierung der Kranken
von den Gesunden durchgeführt wurde, unterschieden sich die
Kranken- und Genesungsbaracken in der Einrichtung nicht von den
übrigen. Es fehlte an [188] Pflegepersonal, an
Medikamenten, Hygiene und Krankendiät. Die kriegsgefangenen
Ärzte mußten sich den Zutritt zu ihren erkrankten Landsleuten
ebenso bitter erkämpfen, wie Kameraden, die die Pflege übernehmen
wollten. Die Lage der Kriegsgefangenen, wie Rußland sie gestaltet hatte,
wird am besten durch die Worte einer deutschen Schwester charakterisiert:
Sie hungern alle,
sie gehen alle in Lumpen,
sie verkommen in Krankheit und Schmutz.
Den typischen Verlauf eines Gefangenendaseins gibt folgende Tabelle:
9. |
Juni |
gefangen bei Prohatin, unverwundet, |
17. |
" |
Kiew, |
21. |
" |
Moskau, |
26. |
" |
Jaroslaw, |
20. |
Aug. |
Mologa, |
3. |
Sept. |
Rybinsk, |
26. |
Okt. |
Nerechta, |
6. |
Nov. |
Abreise nach Sibirien, |
17. |
" |
Omsk, |
21. |
" |
Nowo Nikolajewsk, |
24. |
" |
Krasnojarsk, |
1. |
Dez. |
Stretensk, |
30. |
" |
gestorben an Flecktyphus. |
Der Anfang zu einer Besserung dieser furchtbaren Zustände ging von den
kriegsgefangenen Offizieren und Ärzten aus.
Offiziere und Ärzte.
Die Offiziere wurden sofort von den Mannschaften abgesondert, was besonders
bei den Reichsdeutschen streng durchgeführt wurde. Nach der Haager
Landkriegsordnung hatten sie Anspruch auf offiziermäßige
Lebenshaltung. Rußland stellte ihnen leere Räume in denselben
Kasernen oder Baracken wie den Mannschaften zur Verfügung und gab ein
Gehalt, das nach Vereinbarung zwischen Deutschland und Rußland 50
Rubel für den Subalternoffizier, 75 Rubel für Stabsoffiziere und 125
Rubel für Generale im Monat betrug. Von diesem Gehalt waren
Verpflegung, Bekleidung, Bedienung, Wäsche, kurzum das ganze Leben zu
bestreiten, und außerdem sollten auch die nötigsten Möbel
beschafft werden. Man zimmerte und darbte, bis Bett und Stuhl angeschafft
waren. Oft erhielten Offiziere monatelang kein Gehalt, sondern wurden vor dem
Zahltage in ein anderes Lager abgeschoben und ihr Gehalt unterschlagen. Zudem
mußten viele Hände gestopft werden, um überhaupt zu
Lebensmitteln zu kommen, oder die Verpflegung war Monopol des
Kommandanten und seiner Gehilfen und mußte teuer bezahlt werden.
Trotzdem gab jeder monatlich einen Teil seines Gehalts für einen
Mannschaftsfonds ab, aus dem Medikamente, Desinfektionsmittel, Verbandstoffe
eingekauft wurden. Die Offizierküchen gaben täglich eine Anzahl
Freimahlzeiten an besonders bedürftige Mannschaften.
[189] Mittler zwischen den
Offiziers- und Mannschaftslagern waren in der Hauptsache die kriegsgefangenen
Ärzte.
Die Genfer Konvention von 1906 behandelt das Schicksal der in Feindeshand
gefallenen Angehörigen des Sanitätskorps in so dehnbarer Weise,
daß ihre Bestimmungen in jedem der kriegführenden Länder
anders ausgelegt wurden. Nur zwei Punkte der Konvention sind klar
ausgedrückt: 1. daß die Ärzte nur zur Pflege
ihrer Landsleute zurückzuhalten sind, und 2. daß sie
nicht wie Kriegsgefangene behandelt werden dürfen. Gegen beide
Bestimmungen hat Rußland von vornherein verstoßen.
Während beispielsweise in Omsk, Samara, Liwny kriegsgefangene
Ärzte beschäftigungslos konzentriert waren, herrschte in den
verseuchten Kriegsgefangenenlagern bitterster Ärztemangel. Nur
besonderer Energie, richtiger Einschätzung des russischen Charakters und
einem glücklichen Zufall war es zuzuschreiben, wenn deutsche Ärzte
bereits in der ersten Zeit ihre Landsleute behandeln durften. Gewöhnlich
waren sie mit den Offizieren völlig als Kriegsgefangene zusammengelegt.
Erst als die Epidemien überhand nahmen, führte man sie in die
verseuchten Lager und überließ ihnen dort ohne jedes Hilfsmittel die
Bekämpfung der Epidemien. Selbst die primitivsten Anforderungen an
Sauberkeit und Desinfektion wurden nicht erfüllt. Schutzlos waren diese
Ärzte der Ansteckung preisgegeben, und viele von ihnen starben in der
Ausübung ihres Berufs. Ende 1916 wurde nach langwierigen
Verhandlungen zwischen Deutschland,
Österreich-Ungarn und Rußland ein Abkommen geschlossen, nach
dem auf je 2500 Kriegsgefangene ein Arzt und 10 Sanitätsmannschaften in
Rußland zurückblieben. Etwa 30 ältere oder kranke deutsche
Ärzte kamen Frühjahr 1917 in die Heimat zurück.
Österreichische Ärzte hatten infolge der großen Anzahl
österreichisch-ungarischer Kriegsgefangener keinen Anspruch auf
Heimtransport.
Hilfsbestrebungen für die Gefangenen.
Gleichzeitig mit den von den Offizieren ausgehenden materiellen Hilfsversuchen
entstanden in den Lagern Bestrebungen zur Selbsthilfe.
Energische Persönlichkeiten unter den Kriegsgefangenen
übernahmen die Führung, wobei ihnen der Ordnungssinn des
deutschen Soldaten zu Hilfe kam. Es wurde versucht, durch eine feste
Lagerordnung und Zusammenschluß in Kompagnien das Zusammenleben
auf so engem Raume erträglich zu gestalten. Die Lagerarbeiten wurden
geregelt, Flick- und Schuhmacherstuben
entstanden - in Beresowka wurde sogar ein Gemüsegarten
angelegt -, eine namentliche Registrierung ermöglichte schnellere
Austeilung der eingehenden Post, und in einigen Lagern, wie Tschita, Sauria,
entstanden sogar Postanstalten nach europäischem Muster.
[190] Wenn diese ersten
Hilfsbestrebungen auch aus Mangel an Mitteln und Bewegungsfreiheit ein
Notbehelf blieben, so bildeten sie doch den Wegweiser für die große
Hilfsaktion, die langsam aus dem Zusammenschluß der Heimat, der
Neutralen und der Gefangenen entstand.
In dem Sibirien benachbarten China wurde die furchtbare Lage der
Kriegsgefangenen zuerst bekannt. Dort bildete sich unter der warmherzigen
Initiative von Frau Elsa v. Hanneken, einer Deutschen, die "Hilfsaktion
für deutsche und
österreichisch-ungarische Kriegsgefangene in Sibirien" in Tientsin, die von
1914 an Geld und Kleidung an die Gefangenen teils durch die Post, teils durch
Mittelspersonen sandte.
Später erst erreichten die Nachrichten über das Los der deutschen
Kriegsgefangenen die deutsche Heimat; aber sie blieben auf einen kleinen Kreis
Beteiligter beschränkt. Viele Angehörige verblieben weiter in banger
Sorge und suchten Hilfe bei der Heeresverwaltung und dem Roten Kreuz.
Die amtliche Fürsorge für die Kriegsgefangenen in feindlicher Hand
war dem Unterkunftsdepartement des Kriegsministeriums in Berlin unter der
tatkräftigen Leitung des Generals Friedrich übertragen und gliederte
sich in Länderreferate. In unendlicher Kleinarbeit wurde dort mit einer
Sammlung der Nachrichten aus Rußland begonnen.
Neben der amtlichen Tätigkeit bildeten sich schon früh in allen
größeren Orten Deutschlands lokale Komitees und Schreibstuben, die
den Angehörigen helfend zur Seite standen. Alle diese getrennt arbeitenden
Vereinigungen schlossen sich im Januar 1915 zu einer über ganz
Deutschland reichenden einheitlichen Organisation des Roten Kreuzes in den
"Hilfen für kriegsgefangene Deutsche" zusammen. Für
Rußland übernahm der Hamburgische Landesverein vom Roten
Kreuz die Führung, da er durch Handelsbeziehungen seiner Leiter zu
Skandinavien und Rußland über die besten Hilfsmöglichkeiten
verfügte und diesen Weg bereits erfolgreich beschritten hatte. Er
unterrichtete die angeschlossenen Hilfen über alle Nachrichten aus
Rußland und alle Hilfsaktionen.
Die Hilfsaktion in Tientsin nahm die Verbindung mit der Heimat auf, und
Mitteilungen der in Petersburg arbeitenden Damen der schwedischen
Gesandtschaft erreichten Deutschland über Schweden.
Das natürlichste Bindeglied zwischen den Hilfsbestrebungen der Heimat
und den notleidenden Gefangenen wäre die Schutzmacht gewesen, die die
Interessen Deutschlands nach internationalen Gesetzen in Rußland vertrat.
Amerika hatte sich bereit erklärt, dieses Amt zu übernehmen. Die
amerikanische Vertretung in Rußland zeigte jedoch einen
Deutschenhaß, der sie für jede Vermittlertätigkeit, die ihr nicht
durch ihre Schutzmachtstellung unbedingt übertragen werden mußte,
ganz ungeeignet machte. So blieb die amerikanische Botschaft in Petersburg in
der Hauptsache die Vermittlerin des Notenwechsels, der sich in Gegenseitigkeit
über die Lage der Kriegsgefangenen entwickelte. [191] Die von ihr als
Schutzmacht geforderten Besuche der Gefangenenlager wurden anfänglich
zögernd, später gründlicher und häufiger durchgeführt.
Selbst diese amerikanischen Berichte mußten den Mangel an Nahrung,
Kleidung, Unterkunft und die ausgebreiteten Epidemien bestätigen; sie
bilden eine der Grundlagen der vorangegangenen Lagerschilderung.
Für die als notwendig erkannte durchgreifende Hilfsaktion mußte
deshalb ein Träger gefunden werden, der tatkräftig und unbeirrt unter
den Kriegsgefangenen in Rußland selbst zu arbeiten gewillt war. Wie in der
Haager Landkriegsordnung vorgesehen, konnte nur das Rote Kreuz neutraler
Länder für eine derartige Aufgabe in Frage kommen. Nach langen
diplomatischen Verhandlungen einigten sich Deutschland,
Österreich-Ungarn und Rußland dahin, alle Liebesgabensendungen
durch Mitglieder des schwedischen Roten Kreuzes zu verteilen. Das
dänische Rote Kreuz übernahm die Bücherfürsorge und
den Schutz der Schwestern, die in Gegenseitigkeit die Gefangenenlager besuchen
durften.
Im September 1915 reisten erstmalig 6 Abgesandte des dänischen Roten
Kreuzes in Begleitung von 3 deutschen und 3
österreichisch-ungarischen Schwestern nach Rußland. Die
Delegationen hatten das Recht, die Gefangenen an allen Unterbringungsorten
ungehindert aufzusuchen, wobei ihnen die Auswahl der Reisewege freistand. Sie
durften die Gefangenen ohne Ohrenzeugen in ihrer Muttersprache in
persönlichen Angelegenheiten sprechen, ihre Wünsche
entgegennehmen und Adressen für die Angehörigen sammeln. Vor
allem durften die Delegationen Geld und Liebesgaben persönlich an die
Gefangenen verteilen. Der Hauptwert dieser Inspektionsreisen
lag - neben der praktischen, unbedingt das Ziel erreichenden
Hilfe - in den Berichten, die schonungslos die von Rußland
geleugnete Wahrheit enthüllten. So schreibt der Kommandeur Drechsel
über die Besichtigung in Turkestan:
"Wenn auch die Behandlung im
allgemeinen in Turkestan keine schlechte ist und die Gefangenen eine gewisse
Freiheit genießen, so ist die Beköstigung ebenso ungenügend
wie anderswo. Was nützt es aber, wenn die Leute auch besser behandelt
werden und doch in solchen Massen sterben! Wir glauben, die große
Sterblichkeit erklärt sich aus der gänzlich falschen Art der
Ernährung, sowie auch aus der Unterernährung. In den heißen
Monaten betrug die durchschnittliche tägliche Zahl der Sterbefälle
auf 1000 Lazarettkranke etwa 30 - 40, jetzt in der guten Jahreszeit
etwa 10."
In dem Bericht des Obersten Muus über Sibirien heißt es:
"Die Bekleidung war mehr als
mangelhaft. Meist besaßen die Soldaten nur die Kleider, die sie auf dem
Leibe trugen; keiner hatte etwas in Reserve. Aber häufig hatten sie
überhaupt kein Unterzeug, einzelne sogar kein Hemd, 20%
buchstäblich keine Stiefel, dagegen einige Lappen um den Fuß
gewickelt. Eine Decke besaß keiner."
[192] Der Kammerherr de
Vind schreibt:
"Trotz der normierten Brotration von
2 Pfund täglich muß die Delegation die den Kriegsgefangenen
zugestandene Verköstigung als unzulänglich bezeichnen und den
vielfach von diesen geäußerten Klagen beistimmen. Die
außerordentlich große Anzahl von Krankheitsfällen mit nicht
geringer Sterblichkeitsziffer scheint in beredter Weise hiervon Zeugnis zu
tragen."
Während der Reisen verteilten die deutschen Schwestern 1 235 000 Mark
und die österreichisch-ungarischen Schwestern 4 500 000
Kronen. 37 000 Grußkarten der Gefangenen konnten den
Angehörigen in Deutschland zugestellt werden; im ganzen wurden von
dieser ersten Schwesternreise etwa 48 000 deutsche und 273 000
österreichisch-ungarische Kriegsgefangene erfaßt.
Im Sommer und Winter 1916 wurden diese Inspektionsreisen, allerdings unter
strengeren Vorschriften, in Gegenseitigkeit wiederholt. Es reisten 6
dänisch-deutsche und 5
dänisch-österreichisch-ungarische Delegationen in Rußland
und verteilten neben großen Mengen von Medikamenten
1 710 000 Mark und 15 500 000 Kronen. Eine
offizielle Berichterstattung unterblieb dieses Mal auf russisches
Verlangen - das spricht für sich selbst.
Liebesgabenversorgung über Schweden.
Um dem Mangel an Kleidung und Wäsche abzuhelfen, sammelten die
Hilfen für kriegsgefangene Deutsche unter Leitung des Hamburgischen
Landesvereins im Sommer 1915 binnen vier Wochen 100 000 Pakete nach
einheitlichem Muster. Die deutsche und die
österreichisch-ungarische Heeresverwaltung lieferten Uniformen,
Mäntel, Decken und Stiefel. Der erste Zug mit diesen Liebesgaben,
ausschließlich deutschen Ursprungs, traf im November 1915 in Sibirien ein,
und seitdem ist die heimatliche Hilfe bis März 1918 ununterbrochen
aufrechterhalten worden; sie hat im ganzen 41 Züge mit 1016
Güterwagen umfaßt. Der Wert dieser Liebesgaben beziffert sich zum
Friedensstand für Deutschland auf 19 339 950 Mark und
für Österreich-Ungarn auf 85 572 990 Kronen.
Die Verteilung durch die schwedischen Delegierten sollte sich nach den
Bestimmungen auf das europäische Rußland, Turkestan und Sibirien
bis zum Baikalsee erstrecken. Für Ostsibirien wurde sie gemeinsam mit
Österreich-Ungarn der Hilfsaktion in Tientsin übertragen; für
den Winter 1915 sowie für 1916 sind von Tientsin aus insgesamt
215 000 vollständige Ausrüstungen, einschließlich
Decken und 150 000 Paar Lederschuhe, nach Ostsibirien gesandt worden,
außer den laufenden Paketen der Hilfsaktion, die ungefähr weitere
20 000 vollständige Ausrüstungen umfaßten. Durch
mangelhafte Unterstützung seitens der amerikanischen Vertreter konnte von
der für den Winter 1916 bestimmten Sendung von 140 000
Ausrüstungen nur ein Teil den Gefangenen rechtzeitig zugestellt [193] werden. Als Amerika
im Februar 1917 auf die Seite der Gegner trat, lagerte der größte Teil
der Liebesgaben unter Zollverschluß in Wladiwostok, entgegen den
internationalen Gesetzen. Die schwedischen Delegierten übernahmen von
da ab auch die Arbeit in Ostsibirien, die nunmehr in einer Hand vereinigt
blieb.
Die Hilfsaktion in Tientsin hat von 1914 bis Mai 1918, als sie auf Betreiben der
Entente liquidieren mußte, einschließlich der ihr von Deutschland und
Österreich-Ungarn für Ausrüstungen gesandten Gelder im
ganzen 8 033 617 mexikanische Dollar für Gefangene
aufwenden können. In der Hauptsache ist ihr dies durch die
Opferfreudigkeit der Deutschamerikaner, sowie der Deutschen in China, Japan
und der Südsee ermöglicht worden.
Neben der gerechten Verteilung der Liebesgaben hatte die schwedische Arbeit
noch eine andere Bedeutung. Die ihr zur Verfügung gestellten großen
Geldmittel ermöglichten eine durchgreifende Verbesserung der Lager. Es
wurden Lazarette eingerichtet und mit allem nötigen Material
ausgerüstet, Waschräume eingerichtet und für Zufuhr des
nötigen Wassers gesorgt. Schneider- und Schuhmacherwerkstuben
entstanden, um die gewaschenen alten Sachen brauchbar zu machen. Aus den
zerlumpten, verschmutzten Gefangenen wurden wieder deutsche Soldaten.
Hatten so die Heimatländer amtlich und privat getan, was in ihren
Kräften stand, um die materielle Grundlage für die Hilfe zu schaffen,
so fiel der schwierigere Teil der Aufgabe den schwedischen Delegierten zu.
Ließen sie sich die Verhältnisse von den Russen verschleiern, so war
der größte Teil der Gaben im russischen Sumpf verloren. Fanden sie
nicht den rechten Weg zum Verständnis der Gefangenen, blieb die Hilfe auf
der Oberfläche. Die meisten Gefangenen schämten sich in ihrem
soldatischen Ehrgefühl der Gefangennahme; dazu kam, daß nach
einem Befehl vom Oktober 1914 Kokarden und Gradabzeichen zu entfernen
waren und ihnen oft in rohester Weise abgerissen wurden, also eine Art
Degradation erfolgte. Das saß wie ein Stachel in ihnen und verstärkte
die durch die furchtbaren Verhältnisse und die Nachrichtenlosigkeit
wachgerufene Ansicht, sie seien Menschen niederen Grades geworden, und die
ganze schimpfliche Behandlung sei Absicht und nicht russische Art. Die
schwedischen Delegierten, allen voran die bereits genannten beiden Damen der
Gesandtschaft, gaben den Gefangenen durch die Art der Liebesgabenverteilung
die Selbstachtung zurück. Die Begleiter der ersten Liebesgabenzüge
haben die Fürsorgearbeit in die einzig richtige Bahn geleitet und sich den
Willen der Gefangenen in dem Kampfe mit Seuchen und Korruption zum Helfer
gemacht.
Die Seuchen erloschen allmählich und haben seitdem die Gefangenenlager
nicht mehr in gleich verheerendem Maße heimgesucht. Das Interesse an
Zerstreuung aller Art und geistiger Beschäftigung nahm zu. Nach vielen
Bemühungen war es gelungen, die Erlaubnis zur Versendung von
Büchern, die [194] vor 1914 erschienen
waren, von Rußland in Gegenseitigkeit zu erlangen. Das dänische
Rote Kreuz hat seitdem insgesamt etwa 800 000 Bücher teils in
Bibliotheken, teils in Einzelpaketen nach Rußland gesandt, von denen der
größte Teil vom Deutschen Studentendienst von 1914 in Berlin
stammte. In Stockholm bildete sich ein Büchersammelkomitee, das in
Schweden 98 000 Bücher sammelte und an die Gefangenen nach
Rußland sandte. Die Hilfsaktion in Tientsin hat im ganzen mehrere
100 000 Bücher nach Sibirien geschickt. Die Hälfte aller
Büchersendungen war wissenschaftlichen Inhalts.
Neben dem schwedischen und dänischen Roten Kreuz übernahm der
Weltverein christlicher junger Männer durch amerikanische
Sekretäre einen Teil der Arbeit in den Lagern. Er sorgte vor allem für
Baracken zu kirchlichen und Schulzwecken und stiftete die Einrichtungen. Auch
Turn- und Sportgeräte waren ihm zu danken. An erster Stelle unter seinen
Einrichtungen standen seine Hilfsküchen, in denen eine kräftige
Mahlzeit für geringes Entgelt gegeben wurde, und seine Verkaufsstellen.
Auch vermittelte er später den Verkauf von Schnitzereien und anderen
Handarbeiten der Gefangenen.
Zu dieser fortgesetzten Hilfsarbeit unter den Gefangenen traten
vorübergehende Aktionen, wie die Expeditionen dänischer
Ärzte und einer Ambulanz des amerikanischen Roten Kreuzes.
Kriegsgefangenenarbeit.
Inzwischen machte sich in Rußland ebenso wie in den anderen
kriegführenden Ländern Mangel an Arbeitskräften bemerkbar.
Anfänglich waren die Kriegsgefangenen nur zu unbezahlter Lagerarbeit
herangezogen worden. Dann kamen Kommandos zu
Wege- und Bahnbauten in der Nähe der Lager oder der Handwerker in die
Städte. Bereits im Sommer 1915 wurde eine größere Anzahl
Kriegsgefangener, besonders Slawen, der Landbevölkerung als Ersatz der
einberufenen Männer überwiesen. Auch der südrussische
Bergwerks- und Industriebezirk benötigte Arbeitskräfte, und Ende
1915 stand bereits mehr als die Hälfte der Gefangenen in Arbeit.
Nach der Haager Landkriegsordnung soll die Arbeit der Gefangenen bezahlt
werden und nicht übermäßig sein.
Der russische Staat beanspruchte für sich nach einer Verordnung vom 7.
Oktober 1914 die Gefangenenarbeit unentgeltlich und übergab die
Gefangenen vollständig an die Leitungen seiner Werke. Die Bewachung
ging in diesen Fällen von der Militärbehörde an die
berüchtigte Gendarmerie über. In der Hauptsache handelte es sich
dabei um den Bau von Bahnen, der Unternehmern übertragen worden war,
wie die sogenannte Murmanbahn von Petersburg zum Eismeer, die
Schwarzmeerbahn, Verbindungsstrecken im Ural und den [195] Bau von Zweigbahnen
in Sibirien, sowie um Forstarbeit. In beiden Fällen wohnten die Gefangenen
häufig in Baracken, die sie aus frischem Holz primitiv selbst zimmerten
und die vor Feuchtigkeit schimmelten. Die Arbeit war schwer und lang, 18
Stunden Arbeitszeit oft die Norm. Dieser schweren Arbeit stand keine
genügende oder kräftige Ernährung gegenüber; eine der
Arbeit entsprechende Kleidung wurde nicht geliefert. Die Behandlung war brutal
und nur vom Gesichtspunkt rücksichtsloser Ausbeutung diktiert. Skorbut
und andere Folgen der Unterernährung mehrten sich und führten
häufig, verbunden mit Rheumatismus, zu Verkrüppelungen. Die
Militärbehörden weigerten sich oft, derartig kranke Kriegsgefangene
zurückzunehmen, weil sie sie gesund den Werkleitungen übergeben
hatten. Dann war ein langsames Sterben die Folge, bis der Körper der
Krankheit und den Entbehrungen erlag. Andere Erkrankte kamen in die Lager des
europäischen Rußlands oder in die russischen Provinzlazarette, wo
kaum etwas zu ihrer Pflege geschah. Sie waren durch Tuberkulose,
Magenkrankheiten, Rheumatismus und Skorbut für immer
arbeitsunfähig geworden. Besonders die Städte des Gouvernements
Wiatka und Perm mit ihren großen Forsten, ferner die Lazarette am
Schwarzen Meer und die Uralstädte haben diese Kranken
aufgenommen.
Ganz gleichem Schicksal waren die Kriegsgefangenen anheimgegeben, die
Unternehmern zu ähnlicher Arbeit überlassen wurden. Für sie
hatte der Unternehmer an den Staat ein örtlich festgesetztes Entgelt zu
zahlen und für den Lebensunterhalt zu sorgen. Auch hier übernahm
die Gendarmerie die Bewachung. Die Kriegsgefangenen waren dem Arbeitgeber
völlig ausgeliefert, sie hatten keine Beschwerdeinstanz, und es erfolgte nie
eine Kontrolle. Der ihnen zukommende Lohn wurde oft bei weitem
überholt durch die Schulden, die sie für den Ankauf schlechter
Kleidung bei der Werksleitung machten.
Auch die den städtischen Verwaltungen, den Semstwos,
überlassenen Kriegsgefangenen traf häufig kein besonderes Los. Von
dem für sie bestimmten Lohn erhielten sie einige Kopeken, die nicht zum
Ersatz der abgearbeiteten Kleidung ausreichten. Sie hatten in den Städten
den Reinigungsdienst zu verrichten, waren dabei in baufälligen
Häusern oder in den Bettlerasylen und Gefängnissen einquartiert und
meist schlecht verpflegt. Die bei Straßenbauten oder auf den Gütern
der Semstwos arbeitenden Gefangenen kamen im Winter in die Stadt
zurück, wo keine Wohngelegenheit für sie zur Verfügung
stand und mußten dann monatelang dicht zusammengepfercht in den
gleichen elenden Quartieren hausen.
Besser hatten es die Gefangenen da, wo ein persönliches Interesse die mit
der Besserstellung verbundenen Kosten aufwog, wie bei den Handwerkern und
vor allem den Bauern, denen gegenüber sich das Verhältnis schnell
umkehrte; hier wurde der Kriegsgefangene der Herr durch seine unbedingte
Überlegenheit. Aber auch auf großen Gütern, die vom Besitzer
selbst bewirtschaftet wurden, [196] ebenso in gewerblichen
Kleinbetrieben, wurde die Gefangenenarbeit geschätzt. Eine Ausnahme
zum Guten bildete auch das Grubengebiet Südrußlands mit belgischer
und französischer Leitung, wo europäische Arbeitsverhältnisse
vorlagen. Hier haben die deutschen Kriegsgefangenen nur unter den meist
tschechischen Vorgesetzten zu leiden gehabt.
Bei der Heranziehung der Kriegsgefangenen zur Arbeit, für die 1916 die
sibirischen Lager fast geräumt wurden, wurde niemals auf die Vorbildung
Rücksicht genommen. Dadurch mußte die Arbeit der Gefangenen, die
ohnedies nur da, wo sie mit einer gewissen Freiheit des Schaffens verbunden war,
gern geleistet wurde, noch mehr entwertet werden.
Wenn man die Arbeit der Kriegsgefangenen in Rußland an vielen Orten als
Sklaverei bezeichnen muß, so trifft dies ganz besonders für den Bau
der Murmanbahn zu. Zu den dort arbeitenden Strafgefangenen, Chinesen und
Finnen traten vom Sommer 1915 ab etwa 70 000 Kriegsgefangene. Der
Bau lag in den Händen von Unternehmern, die die Kriegsgefangenen nur
als Ausbeutungsobjekt ansahen - sowohl in bezug auf ihre Arbeitskraft, die
sie durch frische Gefangene ersetzten, wenn die ersten erledigt waren, als auch in
bezug auf ihren persönlichen Vorteil. Wo es nur anging, wurde der
Gefangene bestohlen, vom Wachtmann bis hinauf zum Werksleiter, und je
abgelegener die Arbeitsstelle, desto drückender war die Behandlung. Die
Wachmannschaft, in der Hauptsache Tscherkessen, unterstützte dieses
Raubsystem. Zu härtester langer Arbeit bei ungenügender
Ernährung und Unterkunft trat ein gesundheitsschädliches Klima, da
ein großer Teil der Bahn durch Sumpfgelände führt.
Rheumatismus, Skorbut und 1916 auch Flecktyphus forderten von den
70 000 Kriegsgefangenen 25 000 Todesopfer, während im
Herbst 1916 von den übrigen bereits 32 000 schwer erkrankt waren.
Die Berichte von Flüchtlingen wurden durch Ärzte bestätigt,
die Februar 1917 den Abtransport der Kranken an der Murmanbahn erlebten.
Um diesen furchtbaren Zuständen ein Ende zu machen, schritt die deutsche
Regierung Oktober 1916 nach vielen vergeblichen Protesten zu
Gegenmaßregeln und brachte 1000 russische Offiziere in ein Moorlager.
Als Antwort brachte Rußland alle kriegsgefangenen deutschen Offiziere
und Ärzte in Mannschaftsbehandlung und drohte mit weiteren
Zwangsmaßnahmen. Durch Vermittlung der Vorsitzenden des
schwedischen und dänischen Roten Kreuzes, der Prinzen Karl von
Schweden und Waldemar von Dänemark, gelang es im Dezember 1916,
eine Verständigung herbeizuführen. Der Zar verfügte den
Abtransport aller deutschen Gefangenen von der Murmanbahn bis Neujahr 1917,
die gegenseitigen Repressalien traten außer Kraft. (Die Murmanbahn war
inzwischen beendet worden.) Viele der Überlebenden starben
während des Transports, so von 202 Mann im Gefängnis von Orlow
62 und von 40 auf der Fahrt nach Moskau befindlichen unterwegs bereits 15.
[197] Wenn auch das
Hauptaugenmerk aller Hilfsbestrebungen auf örtliche Arbeit gelegt werden
mußte, so wurde doch manche Besserung auf diplomatischem Wege
erzielt.
Das für die Gefangenen wichtigste Ergebnis der Verhandlungen mit
Rußland ist das im Sommer 1915 getroffene Abkommen über den
Austausch der Schwerverwundeten und Kranken, deren Gebrechen und Leiden
ihre militärische Verwendung im Heeresdienst dauernd oder für
absehbare Zeit ausschloß. Die Anzahl der zum Austausch berechtigten
deutschen Kriegsgefangenen war groß; trotzdem wurden gerade Deutsche
am häufigsten zurückgestellt. Die Invaliden wurden in einigen
Lagern gesammelt, wie Atschinsk in Ostsibirien, Omsk in Westsibirien,
Taschkent für Turkestan, Samara, Pensa, Moskau u. a. im
europäischen Rußland, und ärztlich geprüft. Waren sie
für den Austausch anerkannt, kamen sie in Transporten nach Petersburg.
Oft fand auch eine Sammlung und Untersuchung innerhalb der
Militärbezirke als Zwischenstation statt, wobei Kasan besonders
gefürchtet war. In Petersburg erfolgte die endgültige Festsetzung,
und besonders deutsche Kriegsgefangene wurden mit Vorliebe wieder nach
Sibirien zurückgeschickt, nachdem sie gründlichst bestohlen worden
waren. Im ganzen konnten auf diesem Austauschwege, der von Petersburg
über Schweden und Saßnitz führte, immerhin 3617 deutsche
Invaliden, Ärzte und Schwestern und 22 551 Invaliden, Ärzte
und Schwestern der Verbündeten in die Heimat geholt werden.
Anfang April 1916 traten die Kriegsministerien in Berlin und Wien mit der Bitte
an Dänemark heran, in Gegenseitigkeit mit Rußland kranke
Kriegsgefangene in Pflege zu nehmen. Dänemark trat sofort in
Unterhandlungen mit Rußland; doch erst Ende 1916 gab Rußland sein
Einverständnis dahin, Kriegsgefangene, die für mindestens ein Jahr
zum Militärdienst untauglich waren, in Dänemark zu internieren; ein
ähnliches Abkommen wurde mit Norwegen geschlossen. Das Abkommen
über den Schwerverwundetenaustausch wurde später auch auf die
Internierten ausgedehnt. Im ganzen sind in Dänemark und Norwegen 696
deutsche und 1226 Kriegsgefangene der Verbündeten interniert
worden.
Im November 1915 fand auf Einladung des Prinzen Karl als dem Vorsitzenden
des schwedischen Roten Kreuzes die erste Konferenz über
Gefangenenfragen zwischen kriegführenden Ländern in diesem
Weltkrieg statt. Alle Fragen des Gefangenenwesens, wie Unterbringung,
Ernährung, Kleidung, wurden dabei erörtert. Die Erlaubnis für
die Gefangenen, unter sich Wohlfahrtskomitees zu gründen und vor 1914
gedruckte Bücher zu lesen, wurde in dieser Konferenz beschlossen.
Außerdem wurde vereinbart, den Offizieren, die durch das Verbot der
Arbeit im Dienst des feindlichen Staates härter als die Mannschaften hinter
die Plankenzäune der Lager verbannt waren, mehr
Bewegungsmöglichkeit durch Spaziergänge zu geben.
[198] Im Dezember 1916
wurden in Stockholm die Besprechungen fortgesetzt, wobei eine
Vorzugsbehandlung für die tuberkulösen Kriegsgefangenen im
Vordergrund stand. Im August 1917 kamen
österreichisch-ungarische und russische Vertreter in Stockholm zusammen,
um über einen Austausch Kriegsgefangener durch die Front zu beraten, der
jedoch aus militärischen Gründen nicht möglich war.
Ähnliche Bestrebungen führten im November 1917 zu einer
Konferenz unter dänischem Vorsitz in Kopenhagen. Es wurde Einigkeit
über einen erweiterten Austausch, über ständige Kontrolle
durch neutrale Kommissionen und die allgemeine Gefangenenhaltung erzielt,
doch blieben alle Konferenzbeschlüsse durch die russische Revolution
für die deutschen Kriegsgefangenen bedeutungslos. Als Grundlage
für die Verbesserung des internationalen Gefangenenrechts sind die
Protokolle der Stockholmer und der Kopenhagener Konferenz von
größter Bedeutung. Die Stockholmer Konferenz legte den Grund zu
ähnlichen Besprechungen auch mit Frankreich und England.
Durch die von außen gebrachte Hilfe schufen sich die Kriegsgefangenen
eine Lagerorganisation, die nicht hinter einem geordneten Städtewesen
zurückstand. Nur in Ausnahmefällen haben Russen dabei
mitgewirkt.
Jedes der größeren Lager verfügte nun über ein
Informations- und Postbureau mit Namensregistratur.
Neben einer gründlichen Desinfektion der Baracken, wie in Omsk,
Krasnojarsk, wurden in den Lagern eigene Desinfektionsanstalten eingerichtet.
Die Krankenhäuser wurden mit Betten ausgestattet, und die Ärzte
verfügten über die notwendigsten Medikamente und Instrumente. Es
gab Dampfbäder und Wäschereien.
Jedes Lager hatte seine Küche, Bäckerei und Kantine, die
größeren auch ein eigenes Schlachthaus. Zur Verbesserung der
Ernährung wurde Gemüsebau und Kleinviehzucht betrieben.
Die Werkstuben verfügten fortab über Nähmaschinen und
andere, teils selbstgefertigte, teils von Tientsin oder den schwedischen Delegierten
beschaffte Maschinen. Für den Bedarf der Schustereien wurde das Leder
nicht nur eingekauft, sondern oft im Lager auch gegerbt.
Im Anfang hatten sich die Gefangenen Löffel, Gabel und Trinkbecher selbst
geschnitzt, da sie ihnen nicht geliefert wurden. Als der eigene Bedarf gedeckt war,
entstanden in dem Drang nach Betätigung Schnitzereien, wie Schachspiele,
der Natur abgelauschte Figuren, Knöpfe, Kästen und Schalen,
Pfeifen und Spazierstücke. Aus Knochen und Pferdehaar verfertigten die
Gefangenen Zigarrenspitzen, Ringe und Schmucksachen, Kämme und
Bürsten. Zu dieser Handarbeit trat durch Gerberei und Seifensiederei,
Schuhkremeerzeugung, Bürstenbinderei, Korbflechterei in
größerem Stil bereits der Anfang [199] einer Industrie, die den
russischen Markt als Absatzgebiet im Auge hatte. Manche Lager richteten Banken
mit eigenem Lagergeld ein.
Trotzdem blieb bei dem häufigen Ortswechsel der Gefangenen alle solche
Handarbeit nur eine zufällige Zerstreuung, aus der sie jeden Augenblick
herausgerissen werden konnten. Ähnlich verhielt es sich mit den
Schulkursen, die alle Fächer des Wissens umschlossen und von
tüchtigen Lehrkräften abgehalten wurden. Die nötigen
Schulbücher konnten seit der Stockholmer Konferenz beschafft werden.
Jedes Lager verfügte 1916 über eine Bibliothek von mehreren
tausend Bänden. Die Kurse wurden bei Eröffnung stark besucht,
doch bald ließ der Lerneifer nach, und zum Schluß hatte nur eine
kleine Zahl Schüler Lust und Energie zu ernsterem Studium. Von
wirklichem Nutzen für das Leben sind die Sprachkurse geworden; mancher
Gefangene hat in Sibirien außer russisch auch türkisch, englisch und
französisch sprechen gelernt.
Den Studenten unter den Gefangenen war es oft möglich, das
unterbrochene Studium wieder aufzunehmen. Als Einjährige waren sie von
körperlicher Arbeit befreit. Sie standen durch den Deutschen
Studentendienst von 1914 direkt oder über das dänische Rote Kreuz
mit den heimischen Universitäten in Verbindung, und ihre Studien konnten
ihnen bei späterem Examen in der Heimat Erleichterungen verschaffen. Sie
waren die einzigen, deren Arbeit Wert für die Zukunft hatte. Viele der
anderen Gefangenen hörten mit einer Beschäftigung, die für
ihr eigentliches Leben bedeutungslos war, auf und überließen sich
Grübeleien. Sie versuchten, sich in einem bitteren Verzicht mit den
verlorenen Jahren abzufinden. Neben starker Gedächtnisschwäche
wurden sie teils mutlos, teils gereizt und gerieten immer tiefer in die
Stacheldrahtkrankheit hinein, die zwischen Deutschland und Frankreich sogar als
Austauschgrund galt.
Zum wirklichen Trost in der Gefangenschaft wurde die Musik. Geschulte und
ungeschulte Kräfte schlossen sich zu Chören zusammen. Zu den
selbstgefertigten Instrumenten kamen durch die neutralen Delegierten und aus
Tientsin Instrumente, die die Bildung wirklich künstlerischer Orchester
zuließen. Aus Zufallslaune und mit einem Tisch als Podium bildeten sich
im Laufe von zwei Jahren gute Schauspiele, die oft durch Berufsspieler geleitet
wurden. Dieser Neigung der Gefangenen kamen auch die russischen
Lagerbehörden mit Interesse entgegen, und so hatte 1917 jedes Lager sein
Theater und Orchester.
Als Ersatz für die verbotenen Zeitungen waren zuerst die Nachrichten vom
Kriegsschauplatz heimlich schriftlich verbreitet worden. Daraus entstanden im
Lauf der Jahre Lagerzeitungen, die neben einer Lagerchronik die Kriegsberichte
brachten. In einigen Lagern, wie Omsk, Tschita, wurden von Künstlern
Almanache und Monatsschriften herausgegeben.
Bereits im ersten Jahre schlossen sich Gruppen von Turnern zusammen; durch die
Unterernährung und die Enge der Lager kam es jedoch zu keiner [200] eigentlichen
sportlichen Betätigung. Mit der Besserung der Verhältnisse und der
größeren Bewegungsmöglichkeit (durch den Abtransport der
Masse der Gefangenen zur Arbeit) trat der gesunde Sport stärker hervor. Es
kam zu sportlichen Veranstaltungen unter reger Beteiligung aller Gefangenen und
sogar der russischen Bevölkerung als Zuschauer.
Ein Beispiel für die Veränderung, die in den Lagern durch die
unaufhörliche Hilfe der schwedischen Delegierten und der Heimat erreicht
wurde, gibt das Totzkilager. 1915 war Totzki das Totenlager, in dem von
25 000 Gefangenen 17 000 den Seuchen und den Entbehrungen zum
Opfer fielen. Es gab weder ein Lazarett noch einen Waschraum, nur die
üblichen Baracken mit Pritschen. 1917 verfügte das Lager
über 3 Vorratshäuser, Eiskeller, Kantinen, über Brunnen,
Dampfbad, Badehaus für täglich 1000 Mann und ein
vorzügliches Lazarett. Außer den Werkstuben sorgten eine
Schnitzerei, Schlitten- und Wagenfabrik und Seifenfabrikation für die
Beschäftigung der nicht zur Außenarbeit kommandierten
Gefangenen. Der Sonntag wurde durch Gottesdienste und sportliche Feste auf
großen Plätzen ausgefüllt. Die Ernährung der
Gefangenen war gut und die Stimmung dankbar.
Die russische Revolution.
Ende Februar 1917 begann in Petersburg die Revolution, die den Zaren
stürzte. Die allgemeine Verbrüderung dehnte sich an manchen Orten
auf die Kriegsgefangenen aus, ohne im allgemeinen eine Änderung ihrer
Lage herbeizuführen. Als das russische Heer im Sommer 1917 zur
Offensive überging, versuchte die
Kerenski-Regierung ebenso wie früher die zaristische, Kriegsstimmung
durch eine Hetze gegen das Deutschtum zu schaffen. In allen Städten
erzählten angeblich aus deutscher Gefangenschaft heimgekehrte russische
Kriegsgefangene über ihre grausame Behandlung. An wenigen
Plätzen lebte der Deutschenhaß dadurch wieder auf, so z. B.
bei einem Brande in Laischew, bei dem die Kriegsgefangenen, welche
löschen halfen, als Brandstifter beschuldigt und teilweise tödlich
mißhandelt wurden.
Fast gleichzeitig mit der Revolution übernahm an Stelle von Amerika, das
als Feind in den Krieg eingetreten war, Schweden die Vertretung der deutschen
Interessen in Rußland. Damit hatten die deutschen Kriegsgefangenen in der
Person des schwedischen Gesandten, General Brändström, eine
wirkliche Schutzmacht gewonnen.
Die österreichisch-ungarischen Interessen wurden von Dänemark
durch den Gesandten v. Scavenius wahrgenommen.
Im Sommer 1917 begann die Verpflegung durch die Unordnung an vielen Orten
zu stocken, so daß die Lage der in den Lagern konzentrierten
Kriegsgefangenen sich ungünstiger gestaltete. Andererseits gelang es vielen
durch die [201] nachlässigere
Bewachung, von der schweren Arbeit freizukommen oder zu fliehen. Diese
Verhältnisse verschärften sich nach beiden Richtungen, als im
November 1917 die Bolschewisten die Macht an sich rissen. Sie erklärten
die Kriegsgefangenen zu freien Bürgern, hielten sich damit aber auch jeder
Verpflichtung ihnen gegenüber enthoben. Die Kriegsgefangenen sollten in
einer Zeit, in der der Verkehr in Unordnung geriet und die
Arbeitsmöglichkeiten ständig abnahmen, selbst für ihren
Lebensunterhalt sorgen. Nur mit großen Schwierigkeiten gelang es den
neutralen Delegierten, für die großen Lager die nötigsten
Lebensmittel von den Russen zu erhalten.
Die Lage der deutschen Offiziere gestaltete sich durch die bolschewistische
Revolution bedeutend schlechter. Hatte ihr Gehalt 1917 durch die Teuerung nicht
mehr ausgereicht, um satt zu werden, so wurde es Ende 1917 monatelang ganz
vorenthalten. Die Bewachung lag vielfach in den Händen der zu den
Bolschewisten übergegangenen Kriegsgefangenen, die "Internationalisten"
genannt wurden und eine starke Propaganda unter den kriegsgefangenen
Mannschaften betrieben.
Zuerst im europäischen Rußland, dann aber auch in Turkestan und
Westsibirien trieben die immer chaotischer werdenden Verhältnisse die
Kriegsgefangenen von den Arbeitsplätzen auf den Weg nach Westen, nach
der Heimat. An den wichtigsten Knotenpunkten, wie in Wiatka, Pensa, Moskau
und Petersburg errichteten die Schutzmachtvertreter und die Abgesandten der
Roten Kreuze Hilfsküchen für diese umherwandernden
Riesenmassen Gefangener und richteten Heime ein.
Am 15. Dezember wurde der Waffenstillstand mit Rußland abgeschlossen;
die Friedensverhandlungen begannen und wurden in bezug auf die
Kriegsgefangenen auf Wunsch der Russen in Petersburg geführt. Mit dem
Abbruch der Friedensverhandlungen im Februar 1918 verließ die deutsche
Kommission Petersburg. Am 9. Februar wurde der Frieden mit der Ukraine und
am 3. März mit Rußland unterzeichnet. Die im Friedensvertrag
vorgesehenen Kommissionen der Mittelmächte zur Regelung der
Kriegsgefangenenfragen und des Heimtransports trafen Ende April in
Rußland ein. Bei dem ungleichen Zahlenverhältnis der
kriegsgefangenen Deutschen und
Russen - standen doch den etwa 167 000 deutschen
Kriegsgefangenen in Rußland etwa 1 430 000 russische
Kriegsgefangene in Deutschland
gegenüber - war es schwierig, eine Einigung über den
Abtransport zu erzielen.
Die deutsche Hauptkommission in Moskau unter Leitung des Majors v. Mielecki
erreichte, daß 14 deutsche Abtransportkommissionen über das
europäische Rußland ausgesandt wurden, um erst dieses von
Gefangenen zu leeren und dann die in Sibirien und Turkestan wartenden
Kriegsgefangenen zu befreien. An erster Stelle kamen für den Abtransport
die Invaliden in Frage; die gesunden Kriegsgefangenen sollten Kopf um Kopf
gegen kriegsgefangene [202] Russen ausgetauscht
werden, und für die dann verbleibenden Russen sagte Deutschland den
Heimtransport im gleichen Ausmaße wie beim Austausch zu.
Österreich-Ungarn konnte Mitte Juli 11 Abtransportkommissionen in das
europäische Rußland entsenden.
Jede Abtransportkommission sammelte an ihrem Standort die Gefangenen und
sandte sie in Zügen westwärts. Bis zum Ausbruch der Revolution in
Deutschland konnten im ganzen 80 000 deutsche Kriegsgefangene
heimgeholt werden. Dazu kamen 21 000 deutsche Kriegsgefangene aus der
Ukraine, die teils selbständig, teils durch die nach Kiew gesandte deutsche
Abtransportkommission in die Heimat gelangten. Bis auf Sibirien, einige
Uralgebiete und Turkestan waren November 1918 die deutschen
Kriegsgefangenen heimgeholt.
Die eben erwähnten Gebiete konnten infolge des Aufstands der Tschechen
in Rußland nicht erreicht werden. Diese Tschechen, fast
ausschließlich ehemalige Kriegsgefangene, hatten nach
Friedensschluß von der Front einen Marsch in östlicher Richtung
über Samara angetreten. Sie hatten unter dem russischen Heer für ein
selbständiges tschechisches Reich gekämpft, das sie mit
Rußlands Hilfe aufrichten wollten. Diese Hoffnung war durch den
Friedensschluß enttäuscht worden, und nun wollten sie sich
über Sibirien nach dem westlichen Kriegsschauplatz einen Weg suchen. Es
standen im Frühjahr 1918 etwa 80 000 bis 90 000
militärisch organisierte Tschechen in Rußland. Sie zogen in
geschlossenen Abteilungen vom Süden bis an die Wolga und von da die
sibirische Bahn entlang. Am 26. Mai nahm eine dieser tschechischen Abteilungen
den Bahnhof Mariinsk in Westsibirien mit den Waffen in Besitz, und bis Ende
Juli war die Bahnlinie von Simbirsk im europäischen Rußland bis
Irkutsk am Baikalsee in Sibirien vollständig in die Hand der Tschechen
gekommen. Die bürgerlichen Elemente dieser Gegenden schlossen sich
überall zusammen, und im November 1918 trat der Admiral Koltschak an
die Spitze dieser "weißen" Aufstandsbewegung, deren militärischen
Rückhalt die tschechische Armee bildete.
Weder Admiral Koltschak noch die Tschechen erkannten den Brester Frieden an.
Sie hatten den Krieg gegen Deutschland in ihr Programm aufgenommen und
betrachteten deshalb die noch in Sibirien befindlichen Kriegsgefangenen als
erneut gefangengenommen. Da im Juli 1918 Landungen von Ententetruppen in
Wladiwostok erfolgten, waren von da ab die Kriegsgefangenen von Samara bis
Wladiwostok von jeder Verbindung mit der Heimat abgeschnitten und nunmehr in
der Gefangenschaft der weißen Russen, der Tschechen und der Entente. Sie
blieben in den Lagern eingeschlossen, und ihre Lage gestaltete sich immer
schwieriger. Obgleich sie nie absichtlich an den Kämpfen zwischen den
Roten und Weißen teilgenommen hatten, beschuldigten die Tschechen sie
häufig der Spionage, um ihren Haß an den Deutschen auslassen zu
können. Neutrale Delegierte, die in den abgesperrten Gebieten blieben,
wurden Zeuge zahlreicher Ermordungen mit und ohne Hilfe der tschechischen
Kriegsgerichte. In [203] Samara, in Kasan, im
Ural, in Krasnojarsk - überall wurden Kriegsgefangene das Opfer der
Tschechen. In der Hauptsache handelte es sich dabei um
Deutschösterreicher, da sich reichsdeutsche Kriegsgefangene außer
den großen Offizierslagern nur in verhältnismäßig
geringer Zahl beim Tschechenaufstand in den abgesperrten Gebieten befanden.
Von den neutralen Delegierten wurde der Schwede Hedblom mit seinen Gehilfen
und die beiden Dänen Marstrand ebenfalls getötet. Hierbei wie bei
allen derartigen Ermordungen spielte die Beschlagnahme der Kassen eine
große Rolle.
Zu den in Sibirien verbliebenen neutralen Delegierten trat vom Sommer 1918 eine
Delegation mit Elsa Brändström und dem Grafen Stenbock an der
Spitze, der es gelungen war, durch die tschechische Front Sibirien zu
erreichen.
Im Heere Koltschaks gab es außer der tschechischen Armee auch polnische,
serbische, rumänische und italienische Korps. Sie alle trieben unter den
Kriegsgefangenen ihrer Nationalität eine rücksichtslose Rekrutierung
für ihre Truppenkörper. Die Tschechen und Südslawen gingen
im Herbst 1918 sogar zu Zwangsaushebungen über. Weigerungen wurden
durch die schon von der Tschechenpropaganda bekannte harte Behandlung
bestraft, häufig auch durch Erschießung, nachdem die Opfer selbst ihr
Grab gegraben hatten.
In den Lagern begann in dieser Zeit, um das Leben zu fristen, von seiten der
kriegsgefangenen Offiziere und Mannschaften eine ausgedehnte Industrie, die
bald den von jeder Zufuhr abgeschnittenen sibirischen Markt versorgte. Vom
täglichen Hausgerät, von Möbeln, chemischen Produkten bis
zur Tabak- und Zigarettenindustrie lieferten die Kriegsgefangenen alles, was
Sibirien brauchte. Es gelang ihnen, das Rohmaterial zu beschaffen und die
nötigen Werkzeuge und Maschinen selbst anzufertigen. Mit Hilfe der
neutralen Delegierten wurde der
Ein- und Verkauf lagerweise organisiert, um Unterbietungen auszuschalten. Einen
Begriff von dem Umfang dieser Lagerindustrien geben die Umsatzziffern, die
beispielsweise monatlich in Kansk 500 000 Rubel, in Barnaul
750 000 Rubel, in Krasnojarsk 3 000 000 Rubel und in
Irkutsk 7 000 000 Rubel betrugen. Von dem Überschuß
der Arbeiten wurden die Wohlfahrtseinrichtungen der Lager aufrechterhalten. Nur
dieser Tätigkeit ist es zuzuschreiben, wenn die Kriegsgefangenen der Lager
in der Zeit der Tschechenherrschaft nicht verhungerten.
Außerhalb der Lager arbeiteten damals Kriegsgefangene, auch die Offiziere,
auf allen Gebieten. Sie stellten nach einer russischen Statistik
50 - 80% aller Arbeiter, unter den Ingenieuren und Chemikern
befanden sich 20%. Bei der tschechischen Armee arbeiteten etwa 12 000
Kriegsgefangene und bei den amerikanischen Truppen kleinere Gruppen.
Im Oktober 1919 begann der Rückzug der weißen Armee des
Admirals Koltschak und der Tschechen. In fünf Monaten rückten die
roten Truppen vom Ural bis zum Baikalsee vor und trieben die weiße
Armee mit ihren Angehörigen [204] vor sich her. Der
Flüchtlingsstrom schleppte die Epidemien mit sich. In Nowo Nikolajewsk
starben von 45 000 erkrankten Weißen 22 000, in Krasnojarsk
über 40 000 Durchziehender. Dank der Abgeschlossenheit der
Kriegsgefangenenlager blieben die Seuchen in diesen auf geringen Prozentsatz
beschränkt.
Die Kriegsgefangenen hatten gehofft, durch die Rote Armee aus der
Gefangenschaft befreit zu werden und heimreisen zu können. Doch die
Sowjets brauchten die Hilfe der Kriegsgefangenen in Sibirien. Sie gaben die
Heimreise nicht frei, sondern ließen den roten Elementen unter den
Kriegsgefangenen, den sogenannten Internationalisten, in der Hauptsache Ungarn,
freie Hand für eine rücksichtslose Propaganda. Ebenso wie zur
Tschechenzeit blieben die Kriegsgefangenen von der Heimat abgeschnitten und
auf sich selbst gestellt. Die neutralen Delegierten hatten bis auf Elsa
Brändström die bedrohten Gebiete beim Herannahen der Roten
verlassen.
Am 19. April 1920 wurde zwischen Deutschland und Rußland ein
Abkommen über den Austausch der Kriegsgefangenen getroffen. Ein
deutscher Vertreter reiste in Gegenseitigkeit nach Moskau, und ihm gelang es, im
Sommer 1920 den Befehl zu erwirken, den Kriegsgefangenen die Heimreise zu
gestatten; dieser Befehl ist häufig unterschlagen worden. Oft wurde auch
die Bedingung daran geknüpft, zuerst drei Monate für die
Sowjetbehörden zu arbeiten. Immerhin begann im Herbst 1920 der
Abtransport nach Ost und West zu rollen. Das Internationale Rote Kreuz stellte
Schiffe für den Transport über die Ostsee zur Verfügung. Im
Dezember 1919 konnte eine deutsche Abtransportkommission in Wladiwostok
eintreffen und einige tausend deutscher Kriegsgefangener über den Osten
heimbefördern. Im Lauf des Jahres 1921 ist es endlich gelungen, die letzten
deutschen Kriegsgefangenen, die heimkehren wollten, aus Rußland zu
holen, nach einem Kampf um den Heimtransport von mehr als drei Jahren.
Um den Kriegsgefangenen die bitteren Jahre der Gefangenschaft zu erleichtern,
hat Deutschland amtlich im ganzen 114 251 600 Goldmark
für seine Kriegsgefangenen in Rußland aufgebracht.
Das Los des Kriegsgefangenen, der ihm in Erfüllung vaterländischer
Pflicht zum Opfer fiel, ist eins der härtesten, die dem Menschen zufallen
können. Dieses Schicksal zum Unerträglichen gesteigert zu haben, ist
eine Schandtat, die Rußland selbst unter Berücksichtigung des
niedrigen Kulturzustandes für immer als ein schlimmster Makel anhaften
wird. [Scriptorium merkt an: anhaften,
ja - aber offenbar nicht also solcher empfunden, denn diese Schandtat hat sich
während und nach dem zweiten Weltkrieg unverändert
wiederholt.]
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