Bd. 6: Die Organisationen der Kriegführung,
Erster Teil:
Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden
Organisationen
Kapitel 10: Nachrichtenwesen und
Aufklärung (Forts.)
Oberst Walter Nicolai
2. Die Sicherung des militärischen
Geheimnisses.
Hand in Hand mit dem Zusammenschluß der Entente und ihren
Kriegsrüstungen gegen Deutschland ging eine von Jahr zu Jahr sich
steigernde Auskundschaftung Deutschlands durch den französischen,
englischen und russischen Nachrichtendienst. Wie im Kriege beschränkte
man sich schon damals nicht nur auf rein militärische Fragen, sondern
bereitete den Krieg durch eine planmäßige Erkundung auch der
wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse in Deutschland vor. Die
Zusammenarbeit des Generalstabs der Ententestaaten verdichtete sich von Jahr zu
Jahr, seit 1910 bereits standen sie im Nachrichtenaustausch über
Deutschland. Belgien gewährte dem französischen Nachrichtendienst
Gastrecht und hatte dafür an seinen Ergebnissen teil.
Die Abwehr in Deutschland lag in den Händen der Polizei. Da diese eine
Sache der einzelnen Länder war, so bestanden für einen erfolgreichen
Abwehrdienst außerordentlich störende Landesgrenzen, die
Deutschland in sieben Zentralpolizeistellen einteilten. Als Zentralleitung wirkte
nur in gewissem Sinne Berlin durch seine ständige Zusammenarbeit mit der
Abteilung III B des Generalstabs, in deren Hand die
militärische Bekämpfung des feindlichen Nachrichtendienstes mit
der Leitung des eigenen Nachrichtendienstes vereinigt war. Wie der
Nachrichtendienst, so erfuhr auch die Abwehr eigentlich erst seit dem Jahre 1910
eine Förderung durch Regierung und Reichstag, nachdem einerseits die
feindlichen Rüstungen, andererseits die zunehmende Erkundung
Deutschlands offenkundig in die Erscheinung trat. Die vereinte Tätigkeit
der Polizei [481] und der
Abteilung III B führte bald zu Ergebnissen. Die Zahl der
wegen Spionage gegen Deutschland vor bürgerlichen Gerichten
ausgesprochenen Verurteilungen stieg von nur 3 Fällen im Jahre 1907 in
stetiger Zunahme auf 51 Fälle im ersten Halbjahr 1914. Im ganzen waren es
von 1907 bis zum Kriege 135 Spionagefälle, die von bürgerlichen
Gerichten abgeurteilt wurden. Frankreich war hierbei an 80, Rußland an 41
und England an 21 Fällen, an mehreren Fällen waren einzelne dieser
Mächte gemeinsam beteiligt. Außerhalb dieser Zahl standen noch die
schwersten Fälle von Landesverrat, die Militärpersonen in amtlicher
Stellung begangen hatten und die von militärischen Gerichten abgeurteilt
waren. Auch an diesen Fällen waren England, Frankreich und
Rußland gleichermaßen beteiligt. Der feindliche Nachrichtendienst
drang mit allen Mitteln in die Bureaus der deutschen Landesverteidigung und der
Marinebehörden ein. Er scheute selbst nicht zurück, an deutsche
Offiziere heranzutreten. Am zielbewußtesten und skrupellosesten war der
französische, am vorsichtigsten und darum am gefährlichsten der
englische, am umfangreichsten und plumpsten und darum am meisten aufgedeckt
war der russische Nachrichtendienst. Zwei russische Militärattachés
mußten vor dem Kriege ihren Posten in Berlin verlassen wegen Teilnahme
an schweren Landesverratsfällen; der letzte, Oberst v. Basarow, noch
im Frühjahr 1914, nachdem festgestellt war, daß er den ersten
Schreiber einer hohen Festungsbehörde in Berlin zur Herausgabe von
Plänen der deutschen Ostfestungen bestochen hatte. Ebenso war
festgestellt, daß die konsularischen Vertreter der Ententemächte die
militärische, wirtschaftliche und politische Spionage tatkräftig
unterstützten. Hier klaffte ein Gegensatz zu dem Verhalten der deutschen
amtlichen Vertretung im Ausland. Den deutschen Militärattachés
war jede Erkundung verboten, die über den Rahmen ihrer dienstlichen
Eindrücke hinausging. Auf die zivilen Organe des auswärtigen
Dienstes mußte der deutsche Nachrichtendienst wegen des Widerspruchs
des Auswärtigen Amtes und der persönlichen Ablehnung der
deutschen Beamten im Ausland verzichten.
Auf Betreiben des Generalstabs und des Admiralstabs wurde das Spionagegesetz
1913 verschärft, hielt sich in seinen Strafbestimmungen aber wesentlich
hinter denen der Ententestaaten zurück. Anträge, gleichzeitig eine
einheitliche Reichspolizei zur Sicherung des militärischen Geheimnisses zu
schaffen, scheiterten an dem Widerspruch der Landesregierungen.
Unter diesen Zuständen begann der Krieg. Es war klar, daß der Feind
sich eine große Anzahl von Organen in Deutschland gesichert hatte, die
durch die kurze und eingeschränkte deutsche Abwehrarbeit und angesichts
des außerordentlich vorsichtig und gerissen arbeitenden englischen und
französischen Nachrichtendienstes nicht restlos hatten unschädlich
gemacht werden können, sowie daß der Gegner die Wichtigkeit eines
Nachrichtendienstes in Deutschland erkannt hatte und alles tun würde, ihn
auszugestalten.
[482] Das militärische
Geheimnis, das es zu schützen galt, lag in erster Linie beim Feldheer. Den
einzelnen Armeen wurden aus der Zahl der im Frieden in der Bekämpfung
der Spionage ausgebildeten Beamten Feldpolizeikommissare mit einer
beschränkten Zahl von Feldpolizeibeamten zugeteilt. Die Leitung der
geheimen Feldpolizei erfolgte durch den Feldpolizeidirektor, der sich im
Großen Hauptquartier beim Chef der Abteilung III B befand,
daneben aber wegen der Befehlsverhältnisse im
Operations- und Etappengebiet dem Generalquartiermeister unterstellt war. Die
geheime Feldpolizei sorgte dafür, daß bei Behörden und
Truppen auf den Kriegsschauplätzen richtige Anschauungen über die
feindliche Spionage und über die Art ihrer Bekämpfung herrschten
und regte bei den Kommandostellen entsprechende Maßnahmen an. Die
Wahrung des militärischen Geheimnisses aber lag in erster Linie bei den
Truppen und jedem einzelnen Kriegsteilnehmer selbst. In dieser Beziehung
erstand zu Anfang eine übertriebene Geheimniskrämerei und
Spionenfurcht, die in einen Umfang ausartete, daß der ungestörte
Verlauf der Mobilmachung und des Aufmarsches gefährdet war und es erst
des Eingriffs der Obersten Heeresleitung bedurfte, um angemessene
Verhältnisse herzustellen. Bald aber machte sich eine Leichtfertigkeit in der
Wahrung des militärischen Geheimnisses fühlbar, die zur schwersten
Gefahr für die Kriegführung zu werden drohte. Für
Deutschland, das an Zahl unterlegen war, kam es darauf an, sich bei den
Schlägen, die es austeilte, das Moment der Überraschung zu sichern.
War dieses nicht vorhanden, dann konnte der Feind jederzeit eine
Überlegenheit entgegenstellen. Die gewaltigen Verhältnisse des
Weltkrieges machten Millionen von Menschen zu Mitwissern des
militärischen Geheimnisses. Die Vorbereitungen jeder Operation nahmen
oft Monate in Anspruch. Ihre äußeren Erscheinungen spielten sich
nicht nur auf den Kriegsschauplätzen, sondern auch auf den Bahnen, in den
Geschäftszimmern, in den Fabriken und überall sonst in der Heimat
ab. Die Grundlage des Erfolges beschränkte sich nicht nur auf
militärische Dinge, sondern griff wesentlich über auf wirtschaftliche
und politische Fragen. Jeder Deutsche, das ganze Volk wurde Mitwisser und
daher auch Mithüter des auf alle Dinge des Volkslebens erweiterten
militärischen Geheimnisses. Der Mangel entsprechender Selbstzucht trat
leider häufig in die Erscheinung. Selbst die Truppe ertrug oft nur unwillig
Einschränkungen, welche ihr aus Rücksicht auf die Wahrung des
militärischen Geheimnisses und damit zu ihrem eigenen Besten auferlegt
werden mußten.
Um so wichtiger war es, daß durchgreifende Zwangsmaßnahmen
durch die Behörden ergriffen wurden. Die führende Rolle fiel dem
Generalstab in Verbindung mit dem Admiralstab zu, denn es fehlte in der Heimat
an einem Reichspolizeiminister und an einer der militärischen
ebenbürtigen Entschlußkraft der einzelnen Reichsbehörden, die
überdies noch durch Unklarheit über Ressortzuständigkeit
gelähmt wurde. So wurde die Abteilung III B des
stellver- [483] tretenden Generalstabs
in Berlin der Mittelpunkt der deutschen Abwehrorganisation. Sie stand mit dem
Chef der gesamten Abteilung III B im Großen Hauptquartier,
nach dessen Weisungen außer ihr und neben ihr die geheime Feldpolizei
beim Feldheer, die Zentralpolizeistellen in Belgien, Polen, Litauen und
Rumänien den Kampf gegen den feindlichen Nachrichtendienst aufnahmen,
und mit den Grenz- und Polizeibehörden der Heimat in engster
Verbindung. So war - vielleicht zum Vorteil - unter
militärischer Leitung auch auf dem Gebiete der Spionageabwehr ein
einheitliches System hergestellt, das die Heimat und alle Kriegsschauplätze
umspannte. Zum Vorteil deshalb, weil eigener Nachrichtendienst und Abwehr des
feindlichen von einer Stelle, dem "Chef III B", geleitet, sich
gegenseitig anpaßten und die Erfahrungen des einen Dienstzweiges dem
anderen zugute kamen. Die Maßnahmen in der Heimat zur
Überwachung der Ausländer, des
Post- und Telegraphenverkehrs, der Paßerteilung zur
Aus- und Einreise über die Grenzen sowie der militärischen
Beaufsichtigung der Presse können hier nur genannt werden. Sie ergaben
ein außerordentlich umfangreiches Arbeitsgebiet, das an die Pflichttreue
sämtlicher in diesen Dienstzweigen Verwendeten die größten
Anforderungen stellte, um so mehr als ihre Zahl aus Rücksicht auf die
Front beschränkt bleiben mußte, die erforderlichen Spezialkenntnisse
einen häufigen Wechsel ausschlossen und somit bei der langen Kriegsdauer
Arbeitslast und Verantwortung in ständig wachsendem Umfange auf allen
Organen der Spionageabwehr lasteten.
Wenn auch das Hauptziel des ganzen Abwehrdienstes in vorbeugenden
Maßnahmen bestand und das Abfangen von Organen des feindlichen
Nachrichtendienstes nur Nebenzweck war, so war doch auch hierin der Erfolg ein
großer und ein erschreckender Beweis für das Entgegenkommen, das
der Feind in Deutschland fand. In den ersten drei Kriegsjahren wurden in
Deutschland wegen Vergehens gegen die Gesetze des
Landes- und Kriegsverrats 273 Personen rechtskräftig verurteilt. 107 von
diesen hatten Frankreich, 54 Rußland, 24 England, 6 Belgien und 5 Italien
ihre verbrecherischen Dienste geleistet. Unter den Verurteilten waren 3
Schweden, 3 Dänen, 10 Luxemburger, 16 Schweizer, 20 Holländer,
also eine erhebliche Zahl neutraler Staatsangehöriger. 1 war Italiener, 2
Engländer, 4 Belgier, 9 Russen, 10 Franzosen. Ein Beweis, daß der
Feind sich nicht scheute, zum Teil unter Verkleidung als deutsche Soldaten,
eigene Staatsangehörige zu Erkundungszwecken nach Deutschland zu
senden.
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[480a]
Abwehr feindlicher Spionage: Als Spione erwischte
französische Offiziere in Frauenkleidung. |
4 waren Österreicher und neben 65 Elsaßlothringern noch 125 andere
Deutsche. Diese Zahlen zeigen, daß die meisten Verräter in den
eigenen Reihen waren. Diese Feststellung ist die beschämendste und
nötigt zu einer kurzen Betrachtung.
Im allgemeinen wird der Spion verächtlich genannt. Der Krieg hat
erwiesen, daß keine kriegführende Macht auf Spione verzichten kann,
wenn sie Einblick in die Verhältnisse gewinnen will, die anderer
Aufklärung verschlossen [484] bleiben. Der Spion ist
damit zur bleibenden Erscheinung geworden. Der Krieg hat auch gezeigt,
daß es bei allen kriegführenden Völkern Männer und
Frauen gab, die tapfer und ehrlich diese unentbehrliche Aufgabe für ihr
Vaterland ausführten. Auch im deutschen Nachrichtendienst sind Deutsche
beiderlei Geschlechts selbstlos auf dem Felde der Ehre gefallen. Und der Achtung
wert sind auch die, die es beim Feinde wagten, nach Deutschland oder selbst auf
die Kriegsschauplätze vorzudringen, um dort diejenigen Feststellungen zu
machen, die ihre Kriegsleitung brauchte, und die in großer Zahl hierbei
unter wohlbegründet hartem Gesetz ihr Leben geopfert haben. Solche
Anerkennung gebührt jedoch nicht den Angehörigen neutraler
Staaten, die meist nur aus Geldsucht unter dem Schutz der Neutralität ihres
Landes einen der Kriegführenden schädigten. Tiefste Verachtung
verdient aber derjenige, der es über sich bringt, sein eigenes, im Kampf
stehendes Volk und Vaterland dem Feinde zu verraten. Wenn also der Spion, der
für sein Vaterland handelt, in Zukunft mit Achtung genannt werden sollte,
so muß die ganze Verachtung, die bisher in diesem Worte lag, auf den
Landesverräter übertragen werden. Dieses Wort muß im
deutschen Sprachschatz die unterste Stellung erhalten. Denn beschämend
war es, feststellen zu müssen, daß es im Kriege Landesverräter
im eigenen Volke gab. Landesverräter nicht nur im vollen strafrechtlichen
Sinne und in klingendem Solde des Feindes, sondern auch Landesverräter
aus Leichtsinn und Prahlsucht, Landesverräter endlich auch in der
Gesinnung. Ein jeder, der es, sei es auch nur innerlich, mit dem Feinde hält,
muß in Zukunft als Landesverräter, als Verräter an der Sache
seines Volkes gebrandmarkt sein. Dies ist um so notwendiger, als der Feind wohl
wußte, was er tat, als er im
Friedensvertrag Deutschland die Verpflichtung
aufzwang, Überwachungskommissionen auf deutschem Boden zu dulden.
Mit ihnen hielt der feindliche Nachrichtendienst seinen Einzug in Deutschland.
Der erste Führer dieser Überwachungskommissionen in Deutschland,
General Dupont, war der Leiter des Nachrichtendienstes des französischen
Generalstabs vor und im Kriege.
Mit dem deutschen Vormarsch in Feindesland zeigte es sich, daß die
Bevölkerung dem feindlichen Nachrichtendienst Vorschub leistete.
Besonders zähe und opferbereit bewies sich in dieser Beziehung die
Bevölkerung Belgiens und Nordfrankreichs. Die Zahl der dort wegen
Spionagehandlungen verurteilten Personen beiderlei Geschlechts und aller
Stände ist gewaltig. Trotz der Gefahren für Leib und Leben des
Einzelnen und die Freiheit der Bevölkerung im ganzen unterließ es
der feindliche Nachrichtendienst nicht, andauernd über die Schweiz nach
Elsaß-Lothringen und über Holland nach Belgien und Nordfrankreich
Verbindung zu Landeseinwohnern zu suchen. In der Front war das Heer gegen das
Eindringen von Spionen durch die undurchdringliche Stellung geschützt,
die sich vom Meer bis an die Alpen erstreckte. Nur in Rußland
ermöglichte die losere Front noch das Durchkommen von [485] Spionen. Dafür
war aber das Westheer andauernd in seinem Rücken durch die feindliche
Spionage bedroht. Auch versuchte der Feind durch Absetzen und Abholen von
Erkundern durch Flugzeuge und durch Abwurf von Brieftauben hinter der
deutschen Front die Bevölkerung zur Nachrichtenübermittlung
anzuhalten. Gerüchte, die auftauchten, daß geheime
Drahtverbindungen vom deutschen Operationsgebiet zum Feinde liefen, haben
sich bei Nachprüfung niemals bewahrheitet und sind in das Reich der Fabel
zu verweisen. Die genaue Kenntnis der deutschen Front, mit der der Feind sich
brüstet, verdankt er in der Hauptsache der Aussage deutscher Gefangener,
die besonders bei den Franzosen einem sehr raffinierten Ausfrageverfahren
unterworfen waren, die aber auch zum Teil mit landesverräterischer
Absicht kurz vor Beginn fast jeder größeren Operation zum Feinde
überliefen. Hiergegen können Maßnahmen wenig helfen, kann
nur der Geist des kämpfenden Volkes Schutz gewähren.
Dennoch kann festgestellt werden, daß trotz der erheblichen
entgegenstehenden Schwierigkeiten und trotz des umfangreichen vereinigten
feindlichen Nachrichtendienstes die feindliche Heerführung von allen
großen deutschen Operationen überrascht worden ist. Von der
Masurenschlacht an über den Durchbruch von
Gorlice - Tarnow an der Ostfront, über den Aufmarsch gegen
Serbien und Rumänien, über den Durchbruch am Isonzo bis zu den
großen Angriffsschlachten im März und Mai 1918 an der Westfront
zieht sich eine ununterbrochene Kette überraschender und darum
erfolgreicher Schläge der deutschen Heeresleitung. Der Angriff bei Reims
Mitte Juli 1918 traf zum ersten Male die feindliche Führung vorbereitet.
Die Gründe haben nicht mehr aufgeklärt werden können. Die
verhängnisvollen Folgen und die Bedeutung der Sicherung des
militärischen Geheimnisses aber sind dadurch erwiesen worden.
Der Weg, auf dem es gelang, die Vorbereitung der großen deutschen
Operationen vor dem Feinde geheimzuhalten, kann im einzelnen nicht dargelegt
werden. Er bestand im wesentlichen darin, daß die Mittel der Sicherung, die
nun einmal überall nicht gleichzeitig mit der erforderlichen
Gründlichkeit durchgeführt werden konnten, dort
zusammengefaßt wurden, wo sich die militärische Handlung
vorbereitete, und außerdem in einer erfolgreichen Bekämpfung und
Irreführung des feindlichen Nachrichtendienstes.
Der Feind beschränkte seine Erkundungen aber nicht nur auf das
militärische Gebiet, sondern dehnte sie auch aus auf die wirtschaftliche und
politische Lage in Deutschland. Und das tat er um so mehr und ließ fast die
militärische Erkundung hiergegen zurücktreten, je mehr es klar
wurde, daß der Krieg für ihn nicht durch militärische Erfolge
entschieden werden würde. Leider ermöglichten es die politischen
Zustände in Deutschland nicht, daß auf einen Erfolg in der Abwehr
dieser Bestrebungen hingewiesen werden könnte, wie er der Sicherung des
militärischen Geheimnisses beschieden war. Die Vorgänge im
Reichstag und des sonstigen innerpolitischen Lebens spielten sich vor den Ohren
[486] und Augen zahlreicher
Vertreter des neutralen Auslandes ab, durch die sie schrankenlos den Weg zum
Feinde fanden. Mit Mitteln der Abwehr oder Geheimhaltung war hier nichts zu
erreichen. Solange die Parteien nicht auf ihren verhängnisvollen Kampf um
die politische Macht verzichteten oder eine siegentschlossene Staatsgewalt den
Streit nicht verhinderte, war die Oberste Heeresleitung unfähig, den
feindlichen Führern den Einblick zu verwehren, der ihrem Kampfwillen
immer von neuem Hoffnung auf den inneren Zusammenbruch Deutschlands
zuführte, ihnen die Möglichkeit gab, die eigenen Völker zum
Weiterkampf zu ermutigen und damit das deutsche Heer vor immer neue und
größere Aufgaben zu stellen. Was hiermit über die
Öffentlichkeit und Schädlichkeit der politischen Vorgänge
gesagt worden ist, gilt auch für die wirtschaftlichen Zustände in
Deutschland. Der Feind gewann mühelos durch die von keiner
siegentschlossenen Staatsgewalt verhinderte öffentliche Erörterung
volle Kenntnis von dem Erfolg seiner völkerrechtswidrigen Blockade.
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