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Bd. 6: Die Organisationen der Kriegführung, Erster Teil:
Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden Organisationen

  Kapitel 4: Die Pioniere und ihre Kampfmittel   (Forts.)
Oberstleutnant Friedrich Augustin

3. Die Offizierergänzung. Pionier-Offiziere bei den Stäben.

Sehr schwierig gestaltete sich die Beschaffung des nötigen Pionier-Offizierersatzes. Bei der Mobilmachung war das Pionier-Offizierkorps durch die Einstellung der fast ausschließlich den technischen Akademikerkreisen angehörenden Pionier-Offiziere des Beurlaubtenstandes und ehemaliger aktiver Pionier-Offiziere in günstigster Weise ergänzt worden. Während die aktiven Pionier-Offiziere neben der militärischen und pioniertechnischen Praxis eine vorwiegend militärtechnisch-theoretische, hochschulmäßige Ausbildung auf der Militärtechnischen Akademie erhalten hatten, brachten die Offiziere des Beurlaubtenstandes die nötige Ergänzung durch eingehende sondertechnische Kenntnisse in das Offizierkorps, die dieses in die Lage versetzten, den vielseitigsten technischen wie militärischen Anforderungen gerecht zu werden. Der erste Ersatz während des Krieges wurde aus den Einjährigfreiwilligen und Kriegsfreiwilligen genommen, die ebenfalls größtenteils technische Akademiker waren. Dazu traten in den Festungen durch den Kriegsverlauf schon bald verfügbar werdende oder durch nicht felddienstfähige Offiziere ersetzte Ingenieur-Offiziere und neueingestellte Fahnenjunker, denen lediglich die militärisch-praktische Ausbildung der Truppe und eine kurze Unterweisung auf besonderen Kursen zuteil wurde. Mit der Zeit trat dann aber eine Verwässerung der technischen Vorbildung des Offizierkorps ein, da sehr bald die von den technischen Hochschulen kommenden Anwärter verbraucht waren oder nur noch sehr bescheidene technische Vorkenntnisse mitbrachten. Es wurden daher in nicht unerheblichem Umfange Unteroffiziere, vorwiegend des Beurlaubtenstandes, und ehemalige aktive Unteroffiziere zu Offizieren befördert, welche durch ihre bürgerliche Stellung und ihre Bewährung vor dem Feinde dazu geeignet erschienen. Grundsätzlich wurden nur solche Leute dazu ausgewählt, welche als Zugführer am Feinde erprobt waren und wegen nicht zu hohen Alters noch die nötige körper- [168] liche Rüstigkeit für den außerordentlich schweren Dienst der niederen Offiziersgrade besaßen. Sie brachten erneut einen großen Schatz vorwiegend praktischer Kenntnisse auf allen Gebieten der Technik mit, und es sind mit ihnen fast überall die allerbesten Erfahrungen gemacht worden, da sie den Mannschaften gegenüber durch Alter, Kenntnisse und die Gewohnheit anzuordnen sich hervortaten, was dem jungen Offiziersnachwuchs vielfach abging. Immerhin war auch zum großen Teil infolge des Schneids und der Unternehmungslust, die bei allen lebendig war, das Verhältnis zwischen diesen jungen Offizieren und den Mannschaften bis zum Kriegsende bei den Pionieren ein besonders gutes, wozu vor allen Dingen der technische Dienst der Truppe beitrug, welcher Offizier und Mann in viel engere und zwanglosere Verbindung bringt, das gegenseitige unerschütterliche Vertrauen fördert, das Angewiesensein des einen auf den anderen viel augenfälliger erscheinen läßt als andere Dienstzweige, z. B. die infanteristischen.

Als auch die Quelle der bewährten Unteroffiziere versiegte, entschloß man sich, die jungen Offiziere der Pioniere durch Erteilung einer besonderen theoretischen Ausbildung, welche sich in gedrängter Form und auf das augenblicklich dringendste beschränkend der Ausbildung auf der Militärtechnischen Akademie anlehnte, für ihre vielseitigen Aufgaben zu rüsten. Es wurden im Westen und Osten je eine Pionier-Offizierschule hinter der Front eingerichtet, an denen jungen Pionier-Offizieren neben den nötigen fachtechnischen und militärischen Kenntnissen auch eine gründliche Anleitung für ihre Aufgaben im inneren Dienst der Truppe gegeben wurde. Leider kam diese Ausbildung nur noch in beschränktem Umfange zur Auswirkung. Auch bei den Pionieren machte sich daher bis kurz vor Kriegsende in steigendem Maße, wenn auch nicht so wie bei anderen Waffen, der Übelstand fühlbar, daß die jungen Offiziere ihren Aufgaben im inneren Dienste der Truppe nur schwer gerecht werden konnten. Sie wurden hierin immer mehr von ihren Feldwebeln abhängig, denen es aber häufig an der nötigen Voraussicht, Umsicht und Sachlichkeit für diese Aufgabe fehlte. Dies war um so bedenklicher, als die ausgleichende Fürsorge der Bataillonskommandeure durch die fast immer kompagnieweise Verwendung der Truppen sehr erschwert, oft ausgeschaltet wurde. Zwar brach sich gegen Ende des Krieges auch bei der Truppenführung mehr und mehr die Erkenntnis Bahn, daß auch bei den Pionieren die Verwendung besser bataillonsweise erfolgte, aber vielfach standen dem immer noch der große Mangel an Pionieren und taktische Gewohnheiten und Bedenken entgegen.

Die Organisation und Gliederung der Pionierstäbe erfuhr im Kriege mehrfache Änderungen. Sehr bald stellte es sich als fehlerhaft heraus, daß der Pionier-Bataillonskommandeur ganz von seinen Kompagnien losgelöst dem Generalkommando zugeteilt war. Die Divisionsstäbe brauchten einen höheren Pionierführer ebenso dringend, wie einen Artillerieführer. Man schritt deshalb im Jahre 1916 zur Bildung von Pionier-Bataillonsstäben bei den Divisionen und [169] bildete aus den bei den Divisionen befindlichen Pionierformationen Pionier-Bataillone unter dem Befehl dieser Stäbe. Die Pionier-Bataillonskommandeure sollten zugleich Truppenbefehlshaber und Referenten für Pionierangelegenheiten im Stabe der Infanterie-Division sein. Ihre fortlaufende Unterrichtung über die Absichten und Ansichten des Divisionsführers sollten es ihnen ermöglichen, frühzeitig technische Maßnahmen zu überlegen und vorzubereiten und rechtzeitig anzuregen und einzuleiten. Andererseits sollten sie dem Divisionsführer rechtzeitig die nötigen pioniertechnischen Nachrichten und Erkundungsergebnisse als Unterlage für seine Entschließungen zur Verfügung stellen und die Verwendung der Pioniertruppe und ihrer Hilfsmittel in der Hand behalten, um sie stets mit größtem Nutzen und ohne Zersplitterung der Kräfte zum Einsatz zu bringen. Schließlich lag ihnen die Versorgung der Division mit Pioniergerät und Pionierkampfmitteln ob. Leider gelang es nicht allen Pionier-Bataillonskommandeuren, sich diese Stellung im Divisionsstabe zu sichern. Nicht alle Divisionskommandeure wußten, von welchem Nutzen ihnen ihr Pionierkommandeur werden konnte, wenn sie ihn mitarbeiten ließen. Gelegentlich ließen sich die Pionier-Bataillonskommandeure auf ihre zuletzt erwähnte Aufgabe beschränken, weil ihr Rat im Divisionsstabe nicht gewünscht oder nicht recht gewertet wurde, weil es ihnen nicht gelang, sich durchzusetzen, oder weil sie ihrer Aufgabe in taktischer Hinsicht nicht gewachsen waren. Wo dies geschah, war es nicht zum Nutzen der Division. Es hätte vielmehr gefordert werden müssen, daß die Pionier-Bataillonskommandeure nicht nur technisch, sondern auch taktisch in der Lage waren, ihre wichtigen Aufgaben im Stabe der Infanterie-Division zu erfüllen und daß ihrem Wirken nicht Hindernisse in den Weg gelegt, sondern daß sie nach Möglichkeit gefördert wurden. Sie hätten also überall als planmäßige Angehörige des Divisionsstabes, an dessen Tischgemeinschaft sie teilzunehmen hatten, angesehen werden müssen, wie die Generalstabsoffiziere, die Adjutanten oder der Intendant. Wo dies nicht geschah, war der einheitliche Pulsschlag im Divisionsstabe und in der Division nicht vorhanden.

Die Regimentsstäbe der Pionier-Regimenter schwebten sehr bald in der Luft, als ihre Bataillone an weit getrennten Orten zur Verstärkung der Pioniere der Divisionen eingesetzt worden waren. Sie fanden zunächst teils bei den Armee-Oberkommandos, teils bei den Generalkommandos nützliche Aufgaben als Pionier-Referenten oder für pioniertechnische Sonderzwecke, wie z. B. als Leiter besonderer größerer technischen Unternehmungen. Gelegentlich traten sie an die Stelle der zu den Divisionen übergetretenen Pionier-Bataillonskommandeure, denn bei den Generalkommandos blieb das Bedürfnis nach einem Pionierbearbeiter dringlich. Man suchte zunächst durch Zuteilung von Hauptleuten und jungen Stabsoffizieren zu den Generalkommandostäben diesem Bedürfnis abzuhelfen. Das Ergebnis blieb unbefriedigend. Diese jüngeren Offiziere besaßen nicht genügend Erfahrung und Überblick, um die kommandierenden Generale als [170] technische Berater unterstützen zu können, und keine Autorität den den Generalkommandos unterstellten Pioniertruppen oder Truppenstäben gegenüber. Selbst die den Generalkommandos unmittelbar unterstellten Pionier- und sonstigen technischen Formationen wurden vielfach von älteren Offizieren geführt, was Reibungen veranlaßte. Man entschloß sich daher dazu - leider erst im Jahre 1917 -, allen Gruppenkommandos (Generalkommandos) Regimentskommandeure zuzuteilen, welche als Pionier-Referenten dieser Behörde zu wirken hatten, und denen alle den Gruppen unmittelbar zugeteilten technischen Formationen unterstellt wurden. Sie haben überall da sehr segensreich wirken und ihrer Aufgabe, welche etwa der der Pionier-Bataillonskommandeure bei den Infanterie-Divisionen entsprach, genügen können, wo ihnen ein gewisser unmittelbarer Verkehr mit den Pionierkommandeuren und der Pioniertruppe der Divisionen zwecks eigener Unterrichtung gestattet und wo ihnen regelmäßige und frühzeitige Unterrichtung über die Absichten der Gruppenbefehlshaber gewährt wurde. Da vielfach die Chefs des Generalstabes bei den Gruppenkommandos an Dienstalter jünger waren, als diese Pionier-Regimentskommandeure, erforderte die Zusammenarbeit einen gewissen Takt, der aber auch in der Zusammenarbeit des Chefs mit den Artilleriekommandeuren in gleicher Weise nötig war. Während den Pionier-Bataillonskommandeuren der Infanterie-Divisionen alle Pionieraufgaben vorderster Linie zufielen, hatten die Pionier-Regimentskommandeure der Gruppenkommandos neben der Unterrichtung über die Vorgänge bei den Divisionen die gesamte Pioniertätigkeit hinter der Front zu leiten und zu überwachen. Gleichzeitig versorgten sie die Infanterie-Divisionen mit den nötigsten Pionier- und Stellungsbaugeräten. Im Kriege konnten die Pionier-Regimentsstäbe bei den Gruppenkommandos als Pionier-Referenten und Truppenführer der unmittelbar unterstellten Pioniertruppen nicht entbehrt werden. Eine Anzahl von Pionier-Regimentsstäben wurde außerdem, ebenso wie eine Anzahl von Pionier-Generalen, als Baustäbe und Oberbaustäbe zur Leitung des im allgemeinen durch Zivilfirmen auszuführenden Baues rückwärtiger Stellungen verwandt. Sie unterstanden dann meist den Armee-Oberkommandos unmittelbar und wurden in vortrefflichster Weise von den im Frieden bei den Fortifikationen beschäftigten hierfür aufgebotenen Festungsbau-Offizieren unterstützt.

Bei den Armee-Oberkommandos befanden sich seit Kriegsbeginn je ein General der Pioniere mit einem Stabe von 2 - 3 Offizieren und Unterpersonal. Sie waren als pioniertechnische Berater des Armeeführers gedacht und hatten zunächst keinerlei unmittelbaren Einfluß auf die Pioniertruppen der Armee. Dies erwies sich sehr schnell als unfruchtbare Maßnahme. Selbst wenn diese Generale in engster Zusammenarbeit mit den Chefs des Generalstabes, die nicht überall reibungslos verlief oder erreicht wurde, dauernd über die Ansichten und Pläne des Oberkommandierenden rechtzeitig, das heißt so früh als überhaupt möglich, unterrichtet wurden, boten sich doch nur in periodischer Wiederholung Gelegen- [171] heiten, mit ihrem pioniertechnischen Rat nützlich zu werden und auf rechtzeitige und ausreichende Heranziehung und Bereitstellung der nötigen Brücken- oder Belagerungstrains und sonstiger Pionierverbände und -geräte hinzuwirken. Von selbst fiel ihnen sehr bald die Versorgung der Armee mit Pioniergerät aller Art zu, wobei die Festlegung einer klaren Grenze nach dem Arbeitsgebiet des Oberquartiermeisters sich als notwendig erwies. Aber auch dies füllte nicht die Stellung eines Generals aus. So erkämpften sich die Generale der Pioniere überall wenigstens ein gewisses Aufsichtsrecht über die Tätigkeit und Leistungen der Pionierverbände der Armee, und zwar nicht nur der Armee-Pioniere, sondern auch der Pioniere der Divisionen und Generalkommandos. Sie wurden so sehr bald den Armeeführern unentbehrliche Mittelspersonen zwischen der Truppe selbst, der vordersten Linie und dem Armee-Oberkommando, welche oft nicht nur die Pioniertruppe, sondern alle pioniertechnischen Dinge aller Waffen überwachten und durch Rat und Vermittelung personeller wie materieller Hilfe förderten, ohne dabei selbst Befehlgewalt auszuüben. Diese Tätigkeit forderte viel Takt auf allen Seiten, nicht zuletzt auch bei der Truppe und ihren vorgesetzten Dienststellen, welche gelegentlich zum eigenen Schaden Schwierigkeiten in den Weg legten. Sie war aber für die Truppe und ihre Führer äußerst segensreich, sobald sie durch klare Instruktionen geregelt und sichergestellt wurde. Wenn es auch unvermeidbar war, daß die Generale der Pioniere an die Weisungen der meist viel jüngeren Chefs des Generalstabes gebunden werden mußten, so ließ sich das leicht dadurch schmackhafter machen, daß die Chefs im Auftrage der Oberkommandierenden handelten. Je mehr im Laufe des Krieges der technische Betrieb hinter der Front wuchs, um so mehr wuchs auch das Wirkungsgebiet der Generale der Pioniere bei den Armee-Oberkommandos, so daß sie immer unentbehrlicher wurden. Es ergab sich dann ganz von selbst, daß diese Generale bei den immer häufiger werdenden großen pioniertechnischen Unternehmungen, wie z. B. die Vorbereitung des Rückzuges in die Siegfriedstellung, die großen Stromübergänge, der Sturm auf den Chemin des dames usw. auch mit der Leitung der Vorbereitungen und der Durchführung beauftragt wurden und so auch eine gewisse Befehlsgewalt über die der Armee unterstellten Pionierverbände eingeräumt erhielten, wenn auch formell stets das Armee-Oberkommando als der tatsächlich Befehlende erschien. Der Weltkrieg zeigte, wie nötig es ist, die Generale der Pioniere bei den Armee-Oberkommandos in enge Verbindung mit dem Stabe des Armee-Oberkommandos zu bringen und nicht als lästiges Anhängsel zu betrachten. Den Oberquartiermeistern als Chefs der Abteilung Pioniere des Armee-Oberkommandos gleichgestellt, wurden sie täglich vom Generalstabe über die Lage und die Auffassung des Oberbefehlshabers unterrichtet und vom Armeeführer mit dem Recht ausgestattet, jederzeit als Beauftragte des Oberbefehlshabers mit den Pionier-Dienststellen und Pioniertruppen der dem Armee-Oberkommando unterstehenden Verbände zwecks eigener Unterrichtung in unmittelbare Verbindung zu treten. [172] Dabei ließ sich die Bildung eines "Waffendienstweges" neben dem Truppendienstweg leicht vermeiden, indem der Pionier-General bei den täglichen Vorträgen des Generalstabes den Armeeführer und den Chef des Generalstabes über seine Tätigkeit unterrichtete. Es war für die dem Armee-Oberkommando unterstellten Verbände nur von Nutzen, wenn der über die meiste und umfassendste Erfahrung verfügende Pionier-Offizier der Armee diese in den unmittelbaren Dienst der vordersten Linie stellen konnte, und es hätte eine im Kriege unzulässige Vergeudung wertvoller Kräfte bedeutet, wenn man diese erfahrenen Offiziere an unmittelbarer Raterteilung gehindert hätte. Eine Befehlsbefugnis brauchte dabei dem General der Pioniere lediglich über die dem Oberkommando unmittelbar unterstehenden pioniertechnischen Verbände gegeben zu werden, wobei Starkstromtruppen, Straßenbauformationen und dergleichen zu diesen Truppen gehörten. Mit solcher Machtbefugnis ausgestattet haben die Dienststellen der Generale der Pioniere im Weltkriege glänzendes geleistet, obwohl die Verbindung mit dem engeren Stabe des Armee-Oberkommandos oft noch nicht so eng war, wie gefordert werden mußte, und es noch vorkam, daß diese möglichst weit nach vorn gehörenden Pionier-Offiziere der zweiten Staffel des Stabes zugeteilt wurden. Dies wäre bei den Armeen, welche den Donauübergang, den Dünaübergang, den Weichsel-Übergang, den Marneübergang zu den hervortretendsten ihrer Ruhmestaten zählten, nicht mehr denkbar gewesen. Ohne die Generale der Pioniere und die anderen höheren Pionierstäbe wäre der kaum durchführbar erscheinende Übergang über den Rhein in breiter Heeresfront auf zahlreichen Pontonbrücken den Pionieren im Herbst 1918 nicht gelungen, die Rückführung des Heeres in die Heimat ohne namhafte Verluste nicht möglich gewesen.

Als noch wichtiger wie die Generale der Pioniere bei den Armee-Oberkommandos erwies sich sehr bald der General der Pioniere im Großen Hauptquartier. Auch er war zunächst lediglich als Berater der Obersten Heeresleitung in allen pioniertechnischen Fragen gedacht, fand aber so wenig Gelegenheit zur Betätigung, daß er sich ein Truppenkommando übertragen ließ, um bei dem Kampfe zum Schutze des Vaterlandes als Truppenführer bessere Dienste leisten zu können. Die Dienststelle wurde lediglich damit beschäftigt, die Versorgung des Heeres mit Pioniergerät und die personellen und organisatorischen Arbeiten der Waffe im Felde zu vermitteln. Es fehlte an der organisatorischen Spitze, welche die Erfahrungen und Kräfte ausglich, sammelte, die Entwicklung der Pioniertechnik im Kriege leitete, ihr ihren Stempel aufprägte. Es fehlte die führende, starke Hand, es fehlte der Kopf, welcher frühzeitig die neue große Entwicklung übersah und organisatorisch und technisch vorbereitete und leitete, welche Feldtruppe und Heimatdienststellen zusammenführte und beider Arbeit und Bedürfnisse zum Wohle des Ganzen in Übereinstimmung brachte. Es fehlte der Generalinspekteur, welcher im Frieden die Waffe mit so glänzendem Erfolge im Laufe der Jahrzehnte geschmiedet hatte. Dieser General mußte, etwa wie der Generalquartiermeister, mit seinem Ressort [173] in den Generalstab der Heeresleitung eingegliedert werden, die Gruppe Pioniere des Chefs des Generalstabes sein. Im übrigen hätten seine Befugnisse denen der Generale der Pioniere bei den Armee-Oberkommandos entsprochen, jedoch sinngemäß erweitert und ausgestaltet werden müssen, auch hätte es sich vielleicht empfohlen, ihm im Sinne des Friedens-Generalinspekteurs einen gewissen Einfluß auf die stellvertretenden Pionier-Dienststellen in der Heimat einzuräumen, wozu allerdings in der Heimat die immobile Generalinspektion des Ingenieur- und Pionierkorps und der Festungen umorganisiert und ein Ausgleich mit den Machtvollkommenheiten des Kriegsministeriums vorgenommen werden mußte. Beides wäre wohl möglich gewesen. Dann hätte es eine Stelle mit genügender Vollmacht und Sachkenntnis gegeben, welche der in den Pionierfragen auf sich gestellten vom Felde organisatorisch abgeschlossenen Heimat ihre schwierige Aufgabe in vielem hätte erleichtern können. Unter dem Fehlen dieses Generals litten nicht nur die Pioniertruppen, sondern auch die anderen Waffen Schaden. Schließlich fühlte auch die Oberste Heeresleitung selbst wieder das Bedürfnis nach einem solchen General, leider erst so spät im Jahre 1918, daß der neuernannte General nicht mehr recht zu voller Wirkung kam. Jedenfalls lehrte der Krieg sehr eindringlich die Notwendigkeit dieser Dienststelle im vorgeschlagenen Sinne.


4. Kriegslehren.

Die Organisation und die Ausbildung der Pioniertruppe im deutschen Heere haben im Weltkriege die Probe gut bestanden. Nur zwei Mängel traten deutlich hervor: die zu geringe Zahl und die nicht genügend klare Abgrenzung der Tätigkeitsbereiche der höheren Pionierstäbe. Von ihnen war der erstere schon vor dem Kriege erkannt. Seine Beseitigung scheiterte an der Geldfrage. Im übrigen aber haben sich die Gliederung der Pioniere in Bataillonen, die Zusammensetzung und Ausstattung der Pionier-Kompagnien und ihre Ausbildung vortrefflich bewährt. Zahlreiche der höchsten Offiziere und Truppenführer haben übereinstimmend erklärt, daß Pioniere und schwere Artillerie am wenigsten hätten im Kriege hinzuzulernen brauchen, weil ihre Ausbildung dank des Einflusses ihrer Generalinspekteure am meisten auf den Krieg eingestellt war. Tatsächlich sind die Pionier-Dienstvorschriften, welche vor dem Kriege die Grundlage für die Pionierausbildung abgaben, auch heute noch im wesentlichen durchaus modern. Lediglich eine Verschiebung in der Bewertung einiger Dienstzweige ist eingetreten. So hat der Minenkrieg einiges an Bedeutung gewonnen, aber vor allem sind die schweren Brückenbauten stark in den Vordergrund getreten. Die Einführung des mechanischen Lastenzuges zwingt dazu, die im Zuge der Straßen neu zu bauenden Kriegsbrücken aus schweren Hölzern zu rammen und zu zimmern, wobei besonders die Anwendung größerer Spannweiten besondere Schwierigkeiten macht und der Übung bedarf. Im übrigen ist nur eine Überarbeitung in einigen Kleinigkeiten [174] infolge des Fortschreitens der Technik und der Entwicklung der Luftstreitkräfte in den Kriegsjahren nötig geworden. Kennzeichnend ist, daß mit Kriegsbeginn der Unterschied in der Ausbildung zwischen Feld- und Festungs-Pionieren völlig verschwand. Im Felde waren nur Einheits-Pioniere zu brauchen. Zunächst wurden alle Pioniere nur als Feld-Pioniere, dann im Stellungskrieg nur als Festungs-Pioniere, zum Schluß wieder als Feld-Pioniere verwandt. Es ist ein vorzügliches Zeichen für die Friedensausbildung der Pioniere, daß dies ohne weiteres möglich war, trotz der Verschiedenartigkeit ihrer Ausbildung nach Feld- und Festungs-Pionier. Dies Ergebnis wurde dadurch ermöglicht, daß die von allen Pionieren gleichmäßig zu erlernende allgemein-pioniertechnische Grundlage sehr breit gehalten war und jeder so ausgebildet wurde, daß er als Hilfsarbeiter bei den Spezialarbeiten verwandt werden konnte, und daß das Offizierkorps einheitlich geblieben war. Andererseits darf nicht vergessen werden, daß namentlich vor dem Eintritt in eine Periode der Verwendung als Feld-Pioniere, die Pionierformationen meist einen besonderen Ausbildungskursus durchmachten, der ihnen die halbvergessenen Kenntnisse und Fertigkeiten in diesem Dienst wieder auffrischte. Die gleichmäßige Beherrschung des gesamten pioniertechnischen Gebietes ist für den Pionier nicht mehr möglich. Die im Kriege sich ergebenden Schwierigkeiten und Reibungen in der Weiterentwicklung der Waffe und in der Ausbildung des Ersatzes waren durch die Kriegsverhältnisse bedingt und nicht zu vermeiden. Sie wurden mit allen Mitteln und mit dem Erfolge bekämpft, daß bei Kriegsende die Verhältnisse so gut lagen wie kaum zuvor. Die Pionier-Ersatzbataillone verfügten bei Kriegsende noch über genügend ausgebildeten Ersatz, um ein weiteres Jahr Krieg zu führen. Die Ausbildung war durch die Einrichtung der Feld-Rekrutendepots und Pionier-Offizierschulen erheblich gebessert worden und der Geist der Truppe blieb dank des in ihr lebenden Waffenstolzes bis zum Zusammenbruch gleichmäßig vorzüglich während des ganzen Krieges. Dies beweisen am besten die über den ganzen Verlauf des Krieges verteilten Großtaten der Waffe, 1914 Lüttich, Maubeuge, Antwerpen, Maasübergänge, Vormarsch zur Marne und Rückzug, Übergang zum Stellungskrieg, 1915 Gorlice, Weichselübergang, Narewübergang, Donauübergang gegen Serbien, 1916 Verdun, Sommeschlacht, 1917 Donauübergang gegen Rumänien, Alberichrückzug, Dünaübergang, Ösel, 1918 Große Schlacht in Frankreich, Chemin des Dames, Marneübergang, Kemmelsturm und zum Schluß der Übergang über den Rhein auf Grund des Waffenstillstandes, und zahllose andere Taten mehr. Es ist kennzeichnend für diesen deutschen Pioniergeist, daß die Größe der Tat mit der Länge des Krieges wuchs und daß die beiden größten davon, der zweifache Übergang über die Marne und der Übergang des sich auflösenden Heeres in breiter Front über den Rhein in das letzte Kriegsjahr und ganz an das Ende des Ringens fallen. Was hier von den deutschen Pionieren geleistet wurde, steht unerreicht da in der Kriegsgeschichte aller Zeiten und bildet ein ewiges [175] Ruhmesblatt für die Helden im schwarzen Kragen. Würdig ihrer Väter und Großväter bewahrten sie bis zum bitteren Ende den alten deutschen Pioniergeist, den Geist von "Düppel und Alsen". Mit ganz besonderem Stolz kann Deutschland auf die Taten und das Verhalten dieser Waffe im Weltkriege zurückblicken. Diesen Geist auch hinüber zu retten in das heutige kleine Reichsheer wird die vornehmste Aufgabe der wenigen in das Reichsheer übergetretenen Angehörigen der alten Waffe sein.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte