Bd. 6: Die Organisationen der Kriegführung,
Erster Teil:
Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden
Organisationen
[147]
Kapitel 4: Die Pioniere und ihre
Kampfmittel
Oberstleutnant Friedrich Augustin
1. Der Stand bei
Kriegsausbruch.
Der Weltkrieg wird vielfach als der Krieg der Technik gekennzeichnet, und es ist
nicht zu leugnen, daß in ihm die Technik als unmittelbares oder mittelbares
Hilfsmittel für die Führung des Kampfes in einem Umfange
herangezogen worden ist, wie noch in keinem Kriege zuvor. Das war auch nicht
weiter verwunderlich und wurde im allgemeinen von den Heeresleitungen der
Großmächte vorausgesehen, nachdem das XIX. Jahrhundert und
besonders das erste Dezennium des XX. Jahrhunderts so gewaltige Fortschritte in
der Erkenntnis und Ausnutzung der Naturwissenschaften und, als Folge davon,
eine so umfangreiche Industrialisierung nicht nur Mitteleuropas, sondern der
meisten Großstaaten der Welt gezeitigt hatte.
In vollem Umfange hat allerdings keine der kriegführenden Mächte
die kriegerische Bedeutung der modernen Technik erkannt und vorausgesehen,
obwohl heute gesagt werden muß, daß schon der
Russisch-Japanische Krieg unzweifelhaft darauf hinwies. Deshalb bildeten auch
weder die Industriezentren Frankreichs noch die Deutschlands ursprünglich
Operationsobjekte. Lediglich England griff durch die Blockade, welche
zunächst ausschließlich die Verpflegungslage Deutschlands unhaltbar
machen sollte, ursprünglich wohl ungewollt, auch die deutsche Industrie
und damit die Verwendung der Technik im Kriegsdienste an, ohne dabei die
gewaltigen Leistungen der deutschen Technik vorauszusehen, welche immer
wieder Auswege aus allen daraus erwachsenden Schwierigkeiten fand.
Im Heerwesen Deutschlands und der meisten seiner Gegner hatte sich die
Bewertung der Technik für die Kriegführung vor dem Weltkriege
darin gezeigt, daß man zu einer fortschreitenden Spezialisierung und einer
gewissen, aber, wie der Krieg gelehrt hat, nicht ausreichenden Vermehrung der
technischen Truppen übergegangen war. Zu dem bisherigen Arbeitsgebiet
der technischen Truppe, welches vorwiegend die Aufgaben des Bahnbrechens im
Kampf oder zum Kampf, also die rechte Pioniertätigkeit, umfaßte,
waren in der Zeit seit dem Kriege in Frankreich 1870/71 neue weite Gebiete durch
Übernahme des Eisenbahndienstes, des Nachrichtendienstes, des Verkehrs
mit Kraftmaschinen auf der Erde und in der Luft hinzugetreten. Während
bei unseren Gegnern vielfach das Genie oder [148] die Engineers, ohne
sich zu spalten, mit Sonderformationen diese Dienstzweige übernahmen,
war man in Deutschland zur Bildung neuer Waffengattungen geschritten, zu
denen die Pioniere die Stammorganisationen abgaben und welche mit deutscher
Gründlichkeit diese immer wichtiger und umfangreicher werdenden
Gebiete zu bearbeiten hatten. Aus den deutschen Pionieren hatten sich in dieser
Zeitspanne von 40 Jahren nacheinander die Eisenbahntruppe, die
Nachrichtentruppe, die Luftschiffertruppe und aus diesen dann die Kraftfahrtruppe
und schließlich als jüngstes Kind die Fliegertruppe zu mehr oder
weniger selbständigen eigenen Waffen entwickelt. Im folgenden wird
lediglich die Entwicklung der Pioniere und ihres Gerätes während
des Krieges geschildert und auf die aus ihnen hervorgegangenen genannten
technischen Sonderwaffen nicht weiter eingegangen werden. Für die
Pioniere hatte die Abtrennung der technischen Sonderwaffen zur Folge, daß
sie ihr altes Gebiet, "das Bahnbrechen", als ungestörte Domäne
weiter pflegen konnten, während die neuen technischen Spezialtruppen
lediglich ihre Sondergebiete zu beackern hatten, daß vor allen Dingen die
Kenntnisse und Interessen der Offizierkorps der technischen Waffen nicht
zersplittert wurden, was für die kriegsmäßige Durchbildung
des technischen Verfahrens, für die Vertiefung des technischen
Könnens auf dem übertragenen Gebiet und für die
Weiterentwicklung der Technik von großem Nutzen war. Die Pioniere im
besonderen hatten Zeit gefunden, neben der technischen in gleicher Weise auch
die infanteristische Ausbildung zu pflegen und durch Teilnahme an
Übungen aller Waffen und Heranziehung der anderen Waffen, besonders
der Infanterie, zu den Übungen der Pioniere, das gegenseitige
Verständnis zu fördern. Deutschland trat daher mit einer
Pioniertruppe in den Krieg, welche die Bedürfnisse und Kampfweise der
Schwesterwaffen, denen sie die Bahn brechen sollte, kannte und welche daher
sehr bald von den Schwesterwaffen, vielfach im Gegensatz zur früheren
Friedensbewertung, ebenso geschätzt und begehrt wurde, wie sie der Feind
fürchtete. Bei Kriegsbeginn waren die deutschen Pioniere zweifellos ihren
feindlichen Kollegen in allen Heeren bei weitem überlegen.
Die preußische Pioniertruppe, welche ja die Masse der Pioniere des
deutschen Heeres bildete und deren Geist und Wirken sich in edlem Wettstreit um
die Palme der höchsten Tüchtigkeit auf die bundesstaatlichen
Pionier-Bataillone übertragen hatte, hatte bei Düppel und Alsen die
Bewunderung der Welt erregt und unvergängliche Lorbeeren um die
Fahnen gewunden. Le Bourget, Straßburg und Belfort fügten
neue Siegeszeichen hinzu und wiesen der weiteren Entwicklung den Weg, der
Weltkrieg zeigte sie auf höchster Ausbildungsstufe.
Der Feldzug in Frankreich 1870/71 hatte dazu geführt, daß man in
Deutschland die bisherige Ausbildung der einzelnen Kompagnien eines
Pionier-Bataillons als Spezialisten in verschiedenen Dienstzweigen, z. B.
als Pontoniere (Brückenbau), Mineure, als Sappeure (Angriff und
Verteidigung befestigter Stellungen), aufgab und zu einheitlicher Ausbildung aller
Pionier-Kompagnien, zum "Einheits- [149] pionier",
überging. Durch bessere Ausstattung der
Pionier-Bataillone mit Übungsmitteln, Einführung
kriegsmäßiger Pionierübungen unter Beteiligung anderer
Waffen, besonders der Infanterie, war gleichzeitig die Ausbildung, soweit es die
vom Reichstage bewilligten äußerst knappen Geldmittel gestatteten,
kriegsmäßiger gestaltet worden. Die großen
Pionierübungen erfreuten sich in den deutschen militärischen
Kreisen eines wohlbegründeten steigenden Rufes besonderer
Kriegsmäßigkeit und wirkten daher allseitig befruchtend. Besondere
technische Manöver in Form des Kampfes um Festungen oder befestigte
Stellungen und um Flußlinien waren in den letzten Jahren vor dem Kriege
hinzugetreten, und auch in den Kaisermanövern kam es immer
häufiger zu kriegsmäßiger Anwendung der Technik und der
technischen Truppen. Die Generalinspekteure des
Ingenieur- und Pionierkorps und der Festungen, besonders die Generale der
Infanterie Freiherr v. d. Goltz, Wagner, v. Beseler und
v. Mudra hatten es verstanden, den Schneid der Pioniertruppe, den Drang
nach vorwärts, die Selbständigkeit und Selbsttätigkeit bis zum
einzelnen Pionier herab, die Verantwortungsfreudigkeit, den unbedingten
Angriffswillen bei vertieftem taktischen Verständnis, d. h. also den
Geist von Düppel und Alsen mehr und mehr zu heben, so daß bei
Kriegsbeginn das Wort "Pionier sein, heißt angreifen" jedem Träger
des schwarzen Kragens und der weißen Knöpfe vom ältesten
Stabsoffizier bis zum jüngsten Rekruten als kategorischer Imperativ in der
Seele brannte, und daß in dieser Truppe eine Hingabe und ein Opfermut
steckte, wie er nur in den Elitetruppen des deutschen Heeres von 1914 gefunden
werden konnte.
Wurde so auf dem Gebiete der Erziehung und Ausbildung der deutschen Pioniere
vor dem Kriege das Äußerste geleistet, war auch die
Ausrüstung dieser Truppe mit Gerät nicht zurückgeblieben.
Sie war durch die Schwierigkeit, von den deutschen gesetzgebenden
Körperschaften ausreichend Geldmittel für Rüstungszwecke
zu erhalten, erschwert worden und daher zwar nach ihrer Beschaffenheit
ausgezeichnet, nicht aber in ihrer Menge ausreichend. In den Jahren 1872 und
1900 hatte man die Brückentrains leistungsfähiger und beweglicher
gestaltet, so daß das Kriegsbrückengerät auch auf dem
besonders schwierige Wasserverhältnisse aufweisenden Oberrhein
verwendbar war und der Belastung durch schwere Artillerie und Lastkraftwagen
Rechnung trug. Gleichzeitig war es gelungen, durch Einführung von
Teilpontons leichte Brückentrains für die
Infanterie-Divisionen zu bilden, welche gestatteten, die nötigste
Brückenbaumannschaft aufgesessen mitzunehmen. Damit wurde die
taktische Verwendung der
Divisions-Brückentrains, welche ebenso tragfähig waren wie die
Korps-Brückentrains, wesentlich erleichtert. Dies
Kriegsbrückengerät hat allen Forderungen des Feldzuges
entsprochen; unzählige Flüsse und Ströme in
West- und Osteuropa haben Brücken aus diesem Gerät tragen
müssen. Mit ihren Pontons haben die deutschen Pioniere angesichts des
Feindes die stürmende Infanterie über die Maas und die Weichsel,
über die Aisne und Marne, über die Duna und Save, über die
Somme und Donau gerudert; nur für [150] die schweren
Fähren und die Brücken über die Donau wurden schwere
Brückenkonstruktionen der Österreicher verwandt. Auch für
die Kavallerie-Divisionen war ein leistungsfähiges
Brückengerät mit Booten aus Stahlblech bereitgestellt worden,
welches besonders im Osten nützliche Dienste geleistet hat. Seine
Tragfähigkeit war geringer als die der übrigen Brückentrains,
hat aber genügt. Nur sein Transport machte bei schlechten Wegen und den
umfassenden, vielfach außerhalb der Wege über das Feld
führenden weiten Ritten der
Kavallerie-Divisionen Schwierigkeiten und nötigte zu Änderungen
während des Krieges.
Auch die Sprengausrüstung der Pioniere war bis zum Kriegsausbruch auf
die Höhe der Zeit gebracht worden. Schon längst war das
Sprengpulver nur noch ein Sonderbehelf für bestimmte engbegrenzte
Fälle geworden. An seine Stelle war zunächst die
Schießbaumwolle, dann die Pikrinsäure, schließlich das
Trinitrotoluol getreten, womit die Sicherheit der Handhabung und die Wirkung
gleichermaßen stiegen. Die Zündung erfolgte entweder durch
Leitfeuer mit einer sehr gleichmäßig und langsam brennenden
Guttaperchazündschnur oder der augenblicklich durchschlagenden
Schnellzündschnur und der Sprengkapsel mit 1,5 g Knallquecksilber
oder elektrisch mit dem ausgezeichneten Glühzündapparat 07
der Firma Siemens & Halske,
dem Zündkabel und dem
Glühzünder, alles Geräte, welche den entsprechenden
Einrichtungen unserer Feinde überlegen waren und es im Kriege geblieben
sind. Auch darf hier die Einführung des Schurzholzes an Stelle des
Getriebsholzes als Stollenbekleidung nicht unerwähnt bleiben, da sie im
Weltkriege sich ganz besonders und vielseitig bewährt hat.
Truppenversuche mit flüssiger Luft als Sprengstoff und mit
Erd- und Steinbohrgeräten waren bei Kriegsausbruch noch im Gange.
Die gewaltigen Festungsbauten, welche Frankreich nach 1871 an seiner Ostgrenze
und Rußland seit Abschluß der Entente cordiale auf seinem
westlichen Grenzgebiet entstehen ließen, führten die deutsche
Heeresleitung zu einer Bereitstellung nicht nur von artilleristischen Kampfmitteln
zu ihrer Bekämpfung, sondern auch von
Pionier-Sondergerät zu ihrer gewaltsamen Fortnahme, dem
Pionier-Sturmgerät, welches in den sogenannten
Pionier-Belagerungstrains zusammengestellt war. Keine Militärmacht der
Welt verfügte über eine nur annähernd so gut durchgebildete
Einrichtung, wie es die deutschen Pionier-Belagerungstrains und das
Sturmgerät waren. Sie waren in mehrfacher Umorganisation stets
zeitgemäß weiter entwickelt und schließlich zu leicht
beweglichen, bespannten Mobilmachungsformationen ausgestaltet worden, die bei
Kriegsbeginn ihre wichtige Rolle gespielt haben. Das deutsche Heer war hierin
seinen Gegnern weit überlegen.
Die fortschreitende Entwicklung der Elektrotechnik, besonders der deutschen
Lichtindustrie, hatte zur Ausstattung der deutschen Pioniere mit Scheinwerfern
geführt, von denen eine Anzahl von elektrischen Mustern von
0,6 - 1,10 m Spiegeldurchmesser, sämtlich fahrbar, und
ein leichter, tragbarer A.-S.-(Azetylen-Sauerstoff)Scheinwerfer mit 0,30 m
Spiegeldurchmesser zur Einführung kamen.
[151] Aber auch die
Marschausstattung der Pionier-Kompagnien war nach Zusammensetzung und
Beweglichkeit weiter entwickelt worden, so daß schließlich bei
Ausbruch des Krieges jeder Pionierzug über eine fahrbare
Werkzeugausstattung verfügte, die ihn zu selbständiger technischer
Verwendung befähigte. Der Pionier-Kompagnieführer konnte
nunmehr gleichzeitig an drei Stellen schnell technische Hilfe leisten, wobei er
eine ausreichende Werkzeugreserve auf einem besonderen Fahrzeug zur weiteren
Verstärkung, wo sie nötig werden sollte, in der Hand behielt.
Allerdings konnte diese Ausstattung nicht die modernen
Kampfverhältnissen nicht mehr Rechnung tragende Schanzzeugausstattung
der deutschen Infanterie ausgleichen. Das kleine tragbare Schanzzeug der
Infanterie genügte weder nach Zahl noch nach Leistung mehr, was aber
leider von den meisten maßgebenden Stellen nicht erkannt oder
genügend bewertet worden war. Die Ausstattung der
Infanterie-Regimenter mit Schanzzeugwagen bedeutete nur eine geringe erste
Hilfe und stellte nicht sicher, daß das Schanzzeug auch
rechtzeitig - z. B. im Gefecht - zur Stelle war. Man
fürchtete die Beweglichkeit und die Marschleistungen der Truppe durch
eine Belastung mit großem Schanzzeug zu schädigen.
Mit Sorgfalt hatte die deutsche Heeresleitung vor dem Weltkriege jedes
kriegerische Geschehen auch von dem Standpunkte aus beobachtet, welche neuen
pioniertechnischen Lehren zu ziehen seien. War der
Russisch-Türkische Feldzug 1877 durch die Kämpfe um Plewna und
den Schipka-Paß besonders auf dem Gebiete der Feldbefestigung und
Schanzzeugausstattung anregend und fördernd gewesen, so hatte der
Russisch-Japanische Krieg 1905 ganz besonders wertvolle Lehren auf den meisten
Gebieten des Pionierdienstes gebracht, da ja hier zum ersten Male die modernen
Maschinenwaffen von europäisch vollwertig geschulten Massenheeren
gegeneinander verwandt wurden. Besonders der Kampf um Port Arthur brachte
den Pionieren die wertvollsten Lehren, die um so bedeutsamer waren, als die
angreifenden Japaner, nach deutschen Vorschriften ausgebildet, das deutsche
Angriffsverfahren angewandt hatten. Für die Ausstattung der Pioniere
hatten diese Kämpfe die Notwendigkeit der
Leucht- und Signalmittel und der Nahkampfmittel gezeigt. Erstere waren schon in
der Form der Leuchtpistole mit Leuchtpatronen (weißes Licht) seit einiger
Zeit bei den Pionieren eingeführt. Sie wurden zwar vermehrt und
verbessert; leider stieß aber die Ausstattung der Infanterie mit diesem
Gerät auf Schwierigkeiten und unterblieb. Die Nahkampfmittel
mußten nach Port Arthur erst neu konstruiert und erprobt werden. Sie
umfaßten die Handgranaten, die Gewehrgranaten, die Minenwerfer und die
Flammenwerfer. Versuche mit elektrisch geladenen Hindernissen und zur
Erzeugung von deckenden Nebeln waren in Gang gekommen. Leider führte
die gefährliche Sparsamkeit in militärischen Dingen dazu, daß
diese Entwicklung nur langsam fortschritt. Der schon lange vorauszusehende und
befürchtete Weltkrieg brach aus, ehe diese neuen Kampfmittel in
genügender Vollkommenheit und Menge zur
Ver- [152] fügung standen,
geschweige denn Gemeingut des Heeres geworden waren. Immerhin war das
deutsche Heer auf diesem Gebiete, wie der Krieg selbst lehrte, den Gegnern
sämtlich bei Kriegsbeginn überlegen, selbst den Franzosen, welche
sonst am besten ausgestattet waren. Sie besaßen bei Kriegsbeginn als
überlegenes Kampfmittel lediglich 10 000 Stück
Gashandbomben, welche, für den Feldgebrauch bereitgestellt, zum ersten
Male bei den Kämpfen mit den Apachen des Forts Chabrol in Paris
verwandt worden waren und nun die erste Einführung des Gaskampfes in
dem modernen Kriege darstellten.
In der Erkenntnis der gewaltigen, wachsenden Bedeutung der Technik für
die Kriegführung war in Deutschland vor dem Kriege auf dem Gebiete der
Pioniertechnik dank des Weitblickes der Heeresleitung und der umsichtigen und
tatkräftigen Arbeit der General-Inspektion des
Ingenieur- und Pionierkorps und der technischen Versuchsbehörde, des
Ingenieurkomitees, alles geschehen, was bei den bewilligten knappen Geldmitteln
möglich war, um der Pioniertruppe die letzten Fortschritte der Technik
nutzbar zu machen. Man hatte aber auch aus dieser Erkenntnis heraus sich
gezwungen gesehen zu einer fortschreitenden Vermehrung der Pioniertruppen im
Verhältnis zu den anderen Waffen zu schreiten. Während im
Feldzuge 1870/71 für das Armeekorps zu 2
Infanterie-Divisionen 4 Pionier-Kompagnien zur Verfügung standen, hatte
sich die Zahl infolge der Aufstellung von mobilen
Reserve-Divisionen 1914 auf 3 Pionier-Kompagnien für das mobile
Armeekorps vermindert. Die Kämpfe des
Russisch-Japanischen Krieges hatten gezeigt, daß der Bedarf und Verbrauch
an Pionieren im modernen Kriege sehr gestiegen war. Gleichzeitig hatte sich
ergeben, daß die wachsende Zahl der von den Pionieren zu fordernden
Fertigkeiten die gleichmäßig ausreichende Beherrschung aller dieser
Dienstzweige durch eine zahlenmäßig so schwache Truppe, wie sie
die deutschen Pioniere damals darstellten, nicht mehr erreicht werden konnte.
Man hatte sich daher entschlossen, unter Aufgabe der einheitlichen Ausbildung
aller Pioniere, eine Anzahl von Sonder-Pionier-Bataillonen aufzustellen, denen
die Pflege des Festungsnahkampfes, der Bau schwerer Behelfsbrücken und
dergleichen übertragen wurde. Diese Bataillone, denen bespannte
Pionier-Belagerungstrains zugeteilt wurden, waren als
Pionier-Heeresreserve gedacht. Gleichzeitig waren zur Bedienung des
beweglichen Feld-Scheinweifergerätes Scheinwerferzüge, zuerst bei
den neuen Festungs-Pionier-Bataillonen, dann bei allen
Pionier-Bataillonen beschlossen und durchgeführt worden. Damit war der
Grundsatz des "Einheitspioniers" wieder verlassen. Die deutschen Heere traten
1914 mit zwei Hauptarten von Pionieren, den "Feld"- und den
"Festungs"-Pionieren, in den Krieg. Leider wurde aber auch diese
Maßnahme infolge der Kämpfe innerhalb der obersten
Heeresbehörden und mit den gesetzgebenden Körperschaften um das
nötige Geld so spät erst beschlossen, daß, als der Krieg
ausbrach, die Entwicklung noch nicht voll durchgeführt worden war. Die
vom Reichstage leider erst für den 1. Oktober 1914 beschlossene
Um- [153] wandlung der bis zum
Herbst 1913 gebildeten 9 Festungs-Pionier-Bataillone in
Pionier-Regimenter zu je 2 Bataillonen und der Scheinwerferzüge zu
Scheinwerfer-Abteilungen zu 2 Zügen kam nicht mehr zur
Durchführung. Der 1. August 1914 fand im deutschen Heere bei 25
Armeekorps mit 50 Divisionen daher nur 34
Pionier-Bataillone, davon 8 für den Festungskrieg vorgebildete, mit im
ganzen 136 Pionier-Kompagnien und 26 Scheinwerferzügen vor.
Außerdem bestand eine Pionier-Versuchskompagnie, deren Aufgabe die
praktische Erprobung und Weiterentwicklung neuer Geräte und Methoden
der Pioniere war.
Die sehr hohen Friedensleistungen der Pioniere des deutschen Heeres vor dem
Kriege, die sich oft auch im öffentlichen Hilfsdienst bei
Wassers- und Feuersgefahr bewährt hatten, waren nur mit einem besonders
geschulten Offizierkorps und ausgesuchtem Mannschaftsersatz zu erreichen. Das
aktive Offizierkorps wurde auf der
Militär-Technischen Akademie technisch und taktisch geschult. In der
Technik wurde dort den Pionier-Offizieren ein allgemeines technisches
Verständnis auf einer guten allgemeintechnischen Wissensunterlage, ein
Überblick über das gesamte Gebiet der technischen Wissenschaften
vermittelt. Einige wenige besonders beanlagte Offiziere wurden darüber
hinaus zu Spezialisten auf technischen Sondergebieten ausgebildet. In der Taktik
wurden die Pionier-Offiziere besonders gefördert, weil schon der junge
Pionier-Offizier ein vertieftes taktisches Verständnis besitzen muß,
um im Kriegsfalle als technischer Berater der Befehlshaber der anderen Waffen
wirken zu können. Das in dem Offizierkorps der Pioniere steckende
lebhafte Streben nach vertieften Kenntnissen hatte sich auch stets darin gezeigt,
daß von ihm besonders viel Hörer zur Kriegsakademie entsandt
wurden. Die technischen Kenntnisse der Pionier-Offiziere wurden ferner durch
ihre zeitweilige Versetzung als militärische Bauleiter zu den Fortifikationen
gefördert; während das Verständnis der anderen Waffen durch
Kommandos zu ihnen vertieft wurde. Dem aktiven Offizierkorps trat ein
Offizierkorps des Beurlaubtenstandes zur Seite, welches fast ganz aus den
tüchtigsten Vertretern aller Arten der Ziviltechnik bestand. Sie
befähigten die Pioniertruppe zu vorzüglichen technischen
Leistungen, weit über das im Frieden gepflegte Gebiet hinaus. Vor allem
aber sind diese Ergebnisse der Friedensschulung dem für die Pioniere
ausgesuchten Mannschaftsersatz zu danken. Nur kräftige, durch ihren
bürgerlichen Beruf für den Dienst des Pioniers vorgebildete Leute
konnten die harte Schule des Pionierdienstes mit Erfolg durchlaufen und den so
vielseitigen Dienst in nur zweijähriger Dienstzeit erlernen. In erster Linie
waren es Schiffer, Zimmerleute, Bergleute und alle Arten von Handwerkern,
welche den Pionierersatz stellten. Ihre hohe Intelligenz gestattete es, viele von
ihnen zu vortrefflichen Vorarbeitern und Truppleitern auszubilden, und so manche
technische Verbesserung im Gerät und der Arbeitsmethode der Pioniere
verdankt ihre Entstehung der Anregung eines Pioniers. Dabei schweißten
die gemeinsame technische Leistung, die treu geteilten Strapazen und
Mühen der Ausbildung, in deren Ertragung die [154] Offiziere vorangingen,
Offizier und Mann zu einer mustergültigen Kameradschaft zusammen, die
ihren Ausdruck in einem stark gesteigerten Waffenstolze und dem daraus
entspringenden Gefühle der Zusammengehörigkeit fand. Sie haben
im Weltkriege ihre Probe bis zuletzt glänzend bestanden.
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