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Bd. 6: Die Organisationen der Kriegführung, Erster Teil:
Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden Organisationen

[147] Kapitel 4: Die Pioniere und ihre Kampfmittel
Oberstleutnant Friedrich Augustin

1. Der Stand bei Kriegsausbruch.

Der Weltkrieg wird vielfach als der Krieg der Technik gekennzeichnet, und es ist nicht zu leugnen, daß in ihm die Technik als unmittelbares oder mittelbares Hilfsmittel für die Führung des Kampfes in einem Umfange herangezogen worden ist, wie noch in keinem Kriege zuvor. Das war auch nicht weiter verwunderlich und wurde im allgemeinen von den Heeresleitungen der Großmächte vorausgesehen, nachdem das XIX. Jahrhundert und besonders das erste Dezennium des XX. Jahrhunderts so gewaltige Fortschritte in der Erkenntnis und Ausnutzung der Naturwissenschaften und, als Folge davon, eine so umfangreiche Industrialisierung nicht nur Mitteleuropas, sondern der meisten Großstaaten der Welt gezeitigt hatte.

In vollem Umfange hat allerdings keine der kriegführenden Mächte die kriegerische Bedeutung der modernen Technik erkannt und vorausgesehen, obwohl heute gesagt werden muß, daß schon der Russisch-Japanische Krieg unzweifelhaft darauf hinwies. Deshalb bildeten auch weder die Industriezentren Frankreichs noch die Deutschlands ursprünglich Operationsobjekte. Lediglich England griff durch die Blockade, welche zunächst ausschließlich die Verpflegungslage Deutschlands unhaltbar machen sollte, ursprünglich wohl ungewollt, auch die deutsche Industrie und damit die Verwendung der Technik im Kriegsdienste an, ohne dabei die gewaltigen Leistungen der deutschen Technik vorauszusehen, welche immer wieder Auswege aus allen daraus erwachsenden Schwierigkeiten fand.

Im Heerwesen Deutschlands und der meisten seiner Gegner hatte sich die Bewertung der Technik für die Kriegführung vor dem Weltkriege darin gezeigt, daß man zu einer fortschreitenden Spezialisierung und einer gewissen, aber, wie der Krieg gelehrt hat, nicht ausreichenden Vermehrung der technischen Truppen übergegangen war. Zu dem bisherigen Arbeitsgebiet der technischen Truppe, welches vorwiegend die Aufgaben des Bahnbrechens im Kampf oder zum Kampf, also die rechte Pioniertätigkeit, umfaßte, waren in der Zeit seit dem Kriege in Frankreich 1870/71 neue weite Gebiete durch Übernahme des Eisenbahndienstes, des Nachrichtendienstes, des Verkehrs mit Kraftmaschinen auf der Erde und in der Luft hinzugetreten. Während bei unseren Gegnern vielfach das Genie oder [148] die Engineers, ohne sich zu spalten, mit Sonderformationen diese Dienstzweige übernahmen, war man in Deutschland zur Bildung neuer Waffengattungen geschritten, zu denen die Pioniere die Stammorganisationen abgaben und welche mit deutscher Gründlichkeit diese immer wichtiger und umfangreicher werdenden Gebiete zu bearbeiten hatten. Aus den deutschen Pionieren hatten sich in dieser Zeitspanne von 40 Jahren nacheinander die Eisenbahntruppe, die Nachrichtentruppe, die Luftschiffertruppe und aus diesen dann die Kraftfahrtruppe und schließlich als jüngstes Kind die Fliegertruppe zu mehr oder weniger selbständigen eigenen Waffen entwickelt. Im folgenden wird lediglich die Entwicklung der Pioniere und ihres Gerätes während des Krieges geschildert und auf die aus ihnen hervorgegangenen genannten technischen Sonderwaffen nicht weiter eingegangen werden. Für die Pioniere hatte die Abtrennung der technischen Sonderwaffen zur Folge, daß sie ihr altes Gebiet, "das Bahnbrechen", als ungestörte Domäne weiter pflegen konnten, während die neuen technischen Spezialtruppen lediglich ihre Sondergebiete zu beackern hatten, daß vor allen Dingen die Kenntnisse und Interessen der Offizierkorps der technischen Waffen nicht zersplittert wurden, was für die kriegsmäßige Durchbildung des technischen Verfahrens, für die Vertiefung des technischen Könnens auf dem übertragenen Gebiet und für die Weiterentwicklung der Technik von großem Nutzen war. Die Pioniere im besonderen hatten Zeit gefunden, neben der technischen in gleicher Weise auch die infanteristische Ausbildung zu pflegen und durch Teilnahme an Übungen aller Waffen und Heranziehung der anderen Waffen, besonders der Infanterie, zu den Übungen der Pioniere, das gegenseitige Verständnis zu fördern. Deutschland trat daher mit einer Pioniertruppe in den Krieg, welche die Bedürfnisse und Kampfweise der Schwesterwaffen, denen sie die Bahn brechen sollte, kannte und welche daher sehr bald von den Schwesterwaffen, vielfach im Gegensatz zur früheren Friedensbewertung, ebenso geschätzt und begehrt wurde, wie sie der Feind fürchtete. Bei Kriegsbeginn waren die deutschen Pioniere zweifellos ihren feindlichen Kollegen in allen Heeren bei weitem überlegen.

Die preußische Pioniertruppe, welche ja die Masse der Pioniere des deutschen Heeres bildete und deren Geist und Wirken sich in edlem Wettstreit um die Palme der höchsten Tüchtigkeit auf die bundesstaatlichen Pionier-Bataillone übertragen hatte, hatte bei Düppel und Alsen die Bewunderung der Welt erregt und unvergängliche Lorbeeren um die Fahnen gewunden. Le Bourget, Straßburg und Belfort fügten neue Siegeszeichen hinzu und wiesen der weiteren Entwicklung den Weg, der Weltkrieg zeigte sie auf höchster Ausbildungsstufe.

Der Feldzug in Frankreich 1870/71 hatte dazu geführt, daß man in Deutschland die bisherige Ausbildung der einzelnen Kompagnien eines Pionier-Bataillons als Spezialisten in verschiedenen Dienstzweigen, z. B. als Pontoniere (Brückenbau), Mineure, als Sappeure (Angriff und Verteidigung befestigter Stellungen), aufgab und zu einheitlicher Ausbildung aller Pionier-Kompagnien, zum "Einheits- [149] pionier", überging. Durch bessere Ausstattung der Pionier-Bataillone mit Übungsmitteln, Einführung kriegsmäßiger Pionierübungen unter Beteiligung anderer Waffen, besonders der Infanterie, war gleichzeitig die Ausbildung, soweit es die vom Reichstage bewilligten äußerst knappen Geldmittel gestatteten, kriegsmäßiger gestaltet worden. Die großen Pionierübungen erfreuten sich in den deutschen militärischen Kreisen eines wohlbegründeten steigenden Rufes besonderer Kriegsmäßigkeit und wirkten daher allseitig befruchtend. Besondere technische Manöver in Form des Kampfes um Festungen oder befestigte Stellungen und um Flußlinien waren in den letzten Jahren vor dem Kriege hinzugetreten, und auch in den Kaisermanövern kam es immer häufiger zu kriegsmäßiger Anwendung der Technik und der technischen Truppen. Die Generalinspekteure des Ingenieur- und Pionierkorps und der Festungen, besonders die Generale der Infanterie Freiherr v. d. Goltz, Wagner, v. Beseler und v. Mudra hatten es verstanden, den Schneid der Pioniertruppe, den Drang nach vorwärts, die Selbständigkeit und Selbsttätigkeit bis zum einzelnen Pionier herab, die Verantwortungsfreudigkeit, den unbedingten Angriffswillen bei vertieftem taktischen Verständnis, d. h. also den Geist von Düppel und Alsen mehr und mehr zu heben, so daß bei Kriegsbeginn das Wort "Pionier sein, heißt angreifen" jedem Träger des schwarzen Kragens und der weißen Knöpfe vom ältesten Stabsoffizier bis zum jüngsten Rekruten als kategorischer Imperativ in der Seele brannte, und daß in dieser Truppe eine Hingabe und ein Opfermut steckte, wie er nur in den Elitetruppen des deutschen Heeres von 1914 gefunden werden konnte.

Wurde so auf dem Gebiete der Erziehung und Ausbildung der deutschen Pioniere vor dem Kriege das Äußerste geleistet, war auch die Ausrüstung dieser Truppe mit Gerät nicht zurückgeblieben. Sie war durch die Schwierigkeit, von den deutschen gesetzgebenden Körperschaften ausreichend Geldmittel für Rüstungszwecke zu erhalten, erschwert worden und daher zwar nach ihrer Beschaffenheit ausgezeichnet, nicht aber in ihrer Menge ausreichend. In den Jahren 1872 und 1900 hatte man die Brückentrains leistungsfähiger und beweglicher gestaltet, so daß das Kriegsbrückengerät auch auf dem besonders schwierige Wasserverhältnisse aufweisenden Oberrhein verwendbar war und der Belastung durch schwere Artillerie und Lastkraftwagen Rechnung trug. Gleichzeitig war es gelungen, durch Einführung von Teilpontons leichte Brückentrains für die Infanterie-Divisionen zu bilden, welche gestatteten, die nötigste Brückenbaumannschaft aufgesessen mitzunehmen. Damit wurde die taktische Verwendung der Divisions-Brückentrains, welche ebenso tragfähig waren wie die Korps-Brückentrains, wesentlich erleichtert. Dies Kriegsbrückengerät hat allen Forderungen des Feldzuges entsprochen; unzählige Flüsse und Ströme in West- und Osteuropa haben Brücken aus diesem Gerät tragen müssen. Mit ihren Pontons haben die deutschen Pioniere angesichts des Feindes die stürmende Infanterie über die Maas und die Weichsel, über die Aisne und Marne, über die Duna und Save, über die Somme und Donau gerudert; nur für [150] die schweren Fähren und die Brücken über die Donau wurden schwere Brückenkonstruktionen der Österreicher verwandt. Auch für die Kavallerie-Divisionen war ein leistungsfähiges Brückengerät mit Booten aus Stahlblech bereitgestellt worden, welches besonders im Osten nützliche Dienste geleistet hat. Seine Tragfähigkeit war geringer als die der übrigen Brückentrains, hat aber genügt. Nur sein Transport machte bei schlechten Wegen und den umfassenden, vielfach außerhalb der Wege über das Feld führenden weiten Ritten der Kavallerie-Divisionen Schwierigkeiten und nötigte zu Änderungen während des Krieges.

Auch die Sprengausrüstung der Pioniere war bis zum Kriegsausbruch auf die Höhe der Zeit gebracht worden. Schon längst war das Sprengpulver nur noch ein Sonderbehelf für bestimmte engbegrenzte Fälle geworden. An seine Stelle war zunächst die Schießbaumwolle, dann die Pikrinsäure, schließlich das Trinitrotoluol getreten, womit die Sicherheit der Handhabung und die Wirkung gleichermaßen stiegen. Die Zündung erfolgte entweder durch Leitfeuer mit einer sehr gleichmäßig und langsam brennenden Guttaperchazündschnur oder der augenblicklich durchschlagenden Schnellzündschnur und der Sprengkapsel mit 1,5 g Knallquecksilber oder elektrisch mit dem ausgezeichneten Glühzündapparat 07 der Firma Siemens & Halske, dem Zündkabel und dem Glühzünder, alles Geräte, welche den entsprechenden Einrichtungen unserer Feinde überlegen waren und es im Kriege geblieben sind. Auch darf hier die Einführung des Schurzholzes an Stelle des Getriebsholzes als Stollenbekleidung nicht unerwähnt bleiben, da sie im Weltkriege sich ganz besonders und vielseitig bewährt hat. Truppenversuche mit flüssiger Luft als Sprengstoff und mit Erd- und Steinbohrgeräten waren bei Kriegsausbruch noch im Gange.

Die gewaltigen Festungsbauten, welche Frankreich nach 1871 an seiner Ostgrenze und Rußland seit Abschluß der Entente cordiale auf seinem westlichen Grenzgebiet entstehen ließen, führten die deutsche Heeresleitung zu einer Bereitstellung nicht nur von artilleristischen Kampfmitteln zu ihrer Bekämpfung, sondern auch von Pionier-Sondergerät zu ihrer gewaltsamen Fortnahme, dem Pionier-Sturmgerät, welches in den sogenannten Pionier-Belagerungstrains zusammengestellt war. Keine Militärmacht der Welt verfügte über eine nur annähernd so gut durchgebildete Einrichtung, wie es die deutschen Pionier-Belagerungstrains und das Sturmgerät waren. Sie waren in mehrfacher Umorganisation stets zeitgemäß weiter entwickelt und schließlich zu leicht beweglichen, bespannten Mobilmachungsformationen ausgestaltet worden, die bei Kriegsbeginn ihre wichtige Rolle gespielt haben. Das deutsche Heer war hierin seinen Gegnern weit überlegen.

Die fortschreitende Entwicklung der Elektrotechnik, besonders der deutschen Lichtindustrie, hatte zur Ausstattung der deutschen Pioniere mit Scheinwerfern geführt, von denen eine Anzahl von elektrischen Mustern von 0,6 - 1,10 m Spiegeldurchmesser, sämtlich fahrbar, und ein leichter, tragbarer A.-S.-(Azetylen-Sauerstoff)Scheinwerfer mit 0,30 m Spiegeldurchmesser zur Einführung kamen.

[151] Aber auch die Marschausstattung der Pionier-Kompagnien war nach Zusammensetzung und Beweglichkeit weiter entwickelt worden, so daß schließlich bei Ausbruch des Krieges jeder Pionierzug über eine fahrbare Werkzeugausstattung verfügte, die ihn zu selbständiger technischer Verwendung befähigte. Der Pionier-Kompagnieführer konnte nunmehr gleichzeitig an drei Stellen schnell technische Hilfe leisten, wobei er eine ausreichende Werkzeugreserve auf einem besonderen Fahrzeug zur weiteren Verstärkung, wo sie nötig werden sollte, in der Hand behielt. Allerdings konnte diese Ausstattung nicht die modernen Kampfverhältnissen nicht mehr Rechnung tragende Schanzzeugausstattung der deutschen Infanterie ausgleichen. Das kleine tragbare Schanzzeug der Infanterie genügte weder nach Zahl noch nach Leistung mehr, was aber leider von den meisten maßgebenden Stellen nicht erkannt oder genügend bewertet worden war. Die Ausstattung der Infanterie-Regimenter mit Schanzzeugwagen bedeutete nur eine geringe erste Hilfe und stellte nicht sicher, daß das Schanzzeug auch rechtzeitig - z. B. im Gefecht - zur Stelle war. Man fürchtete die Beweglichkeit und die Marschleistungen der Truppe durch eine Belastung mit großem Schanzzeug zu schädigen.

Mit Sorgfalt hatte die deutsche Heeresleitung vor dem Weltkriege jedes kriegerische Geschehen auch von dem Standpunkte aus beobachtet, welche neuen pioniertechnischen Lehren zu ziehen seien. War der Russisch-Türkische Feldzug 1877 durch die Kämpfe um Plewna und den Schipka-Paß besonders auf dem Gebiete der Feldbefestigung und Schanzzeugausstattung anregend und fördernd gewesen, so hatte der Russisch-Japanische Krieg 1905 ganz besonders wertvolle Lehren auf den meisten Gebieten des Pionierdienstes gebracht, da ja hier zum ersten Male die modernen Maschinenwaffen von europäisch vollwertig geschulten Massenheeren gegeneinander verwandt wurden. Besonders der Kampf um Port Arthur brachte den Pionieren die wertvollsten Lehren, die um so bedeutsamer waren, als die angreifenden Japaner, nach deutschen Vorschriften ausgebildet, das deutsche Angriffsverfahren angewandt hatten. Für die Ausstattung der Pioniere hatten diese Kämpfe die Notwendigkeit der Leucht- und Signalmittel und der Nahkampfmittel gezeigt. Erstere waren schon in der Form der Leuchtpistole mit Leuchtpatronen (weißes Licht) seit einiger Zeit bei den Pionieren eingeführt. Sie wurden zwar vermehrt und verbessert; leider stieß aber die Ausstattung der Infanterie mit diesem Gerät auf Schwierigkeiten und unterblieb. Die Nahkampfmittel mußten nach Port Arthur erst neu konstruiert und erprobt werden. Sie umfaßten die Handgranaten, die Gewehrgranaten, die Minenwerfer und die Flammenwerfer. Versuche mit elektrisch geladenen Hindernissen und zur Erzeugung von deckenden Nebeln waren in Gang gekommen. Leider führte die gefährliche Sparsamkeit in militärischen Dingen dazu, daß diese Entwicklung nur langsam fortschritt. Der schon lange vorauszusehende und befürchtete Weltkrieg brach aus, ehe diese neuen Kampfmittel in genügender Vollkommenheit und Menge zur Ver- [152] fügung standen, geschweige denn Gemeingut des Heeres geworden waren. Immerhin war das deutsche Heer auf diesem Gebiete, wie der Krieg selbst lehrte, den Gegnern sämtlich bei Kriegsbeginn überlegen, selbst den Franzosen, welche sonst am besten ausgestattet waren. Sie besaßen bei Kriegsbeginn als überlegenes Kampfmittel lediglich 10 000 Stück Gashandbomben, welche, für den Feldgebrauch bereitgestellt, zum ersten Male bei den Kämpfen mit den Apachen des Forts Chabrol in Paris verwandt worden waren und nun die erste Einführung des Gaskampfes in dem modernen Kriege darstellten.

In der Erkenntnis der gewaltigen, wachsenden Bedeutung der Technik für die Kriegführung war in Deutschland vor dem Kriege auf dem Gebiete der Pioniertechnik dank des Weitblickes der Heeresleitung und der umsichtigen und tatkräftigen Arbeit der General-Inspektion des Ingenieur- und Pionierkorps und der technischen Versuchsbehörde, des Ingenieurkomitees, alles geschehen, was bei den bewilligten knappen Geldmitteln möglich war, um der Pioniertruppe die letzten Fortschritte der Technik nutzbar zu machen. Man hatte aber auch aus dieser Erkenntnis heraus sich gezwungen gesehen zu einer fortschreitenden Vermehrung der Pioniertruppen im Verhältnis zu den anderen Waffen zu schreiten. Während im Feldzuge 1870/71 für das Armeekorps zu 2 Infanterie-Divisionen 4 Pionier-Kompagnien zur Verfügung standen, hatte sich die Zahl infolge der Aufstellung von mobilen Reserve-Divisionen 1914 auf 3 Pionier-Kompagnien für das mobile Armeekorps vermindert. Die Kämpfe des Russisch-Japanischen Krieges hatten gezeigt, daß der Bedarf und Verbrauch an Pionieren im modernen Kriege sehr gestiegen war. Gleichzeitig hatte sich ergeben, daß die wachsende Zahl der von den Pionieren zu fordernden Fertigkeiten die gleichmäßig ausreichende Beherrschung aller dieser Dienstzweige durch eine zahlenmäßig so schwache Truppe, wie sie die deutschen Pioniere damals darstellten, nicht mehr erreicht werden konnte. Man hatte sich daher entschlossen, unter Aufgabe der einheitlichen Ausbildung aller Pioniere, eine Anzahl von Sonder-Pionier-Bataillonen aufzustellen, denen die Pflege des Festungsnahkampfes, der Bau schwerer Behelfsbrücken und dergleichen übertragen wurde. Diese Bataillone, denen bespannte Pionier-Belagerungstrains zugeteilt wurden, waren als Pionier-Heeresreserve gedacht. Gleichzeitig waren zur Bedienung des beweglichen Feld-Scheinweifergerätes Scheinwerferzüge, zuerst bei den neuen Festungs-Pionier-Bataillonen, dann bei allen Pionier-Bataillonen beschlossen und durchgeführt worden. Damit war der Grundsatz des "Einheitspioniers" wieder verlassen. Die deutschen Heere traten 1914 mit zwei Hauptarten von Pionieren, den "Feld"- und den "Festungs"-Pionieren, in den Krieg. Leider wurde aber auch diese Maßnahme infolge der Kämpfe innerhalb der obersten Heeresbehörden und mit den gesetzgebenden Körperschaften um das nötige Geld so spät erst beschlossen, daß, als der Krieg ausbrach, die Entwicklung noch nicht voll durchgeführt worden war. Die vom Reichstage leider erst für den 1. Oktober 1914 beschlossene Um- [153] wandlung der bis zum Herbst 1913 gebildeten 9 Festungs-Pionier-Bataillone in Pionier-Regimenter zu je 2 Bataillonen und der Scheinwerferzüge zu Scheinwerfer-Abteilungen zu 2 Zügen kam nicht mehr zur Durchführung. Der 1. August 1914 fand im deutschen Heere bei 25 Armeekorps mit 50 Divisionen daher nur 34 Pionier-Bataillone, davon 8 für den Festungskrieg vorgebildete, mit im ganzen 136 Pionier-Kompagnien und 26 Scheinwerferzügen vor. Außerdem bestand eine Pionier-Versuchskompagnie, deren Aufgabe die praktische Erprobung und Weiterentwicklung neuer Geräte und Methoden der Pioniere war.

Die sehr hohen Friedensleistungen der Pioniere des deutschen Heeres vor dem Kriege, die sich oft auch im öffentlichen Hilfsdienst bei Wassers- und Feuersgefahr bewährt hatten, waren nur mit einem besonders geschulten Offizierkorps und ausgesuchtem Mannschaftsersatz zu erreichen. Das aktive Offizierkorps wurde auf der Militär-Technischen Akademie technisch und taktisch geschult. In der Technik wurde dort den Pionier-Offizieren ein allgemeines technisches Verständnis auf einer guten allgemeintechnischen Wissensunterlage, ein Überblick über das gesamte Gebiet der technischen Wissenschaften vermittelt. Einige wenige besonders beanlagte Offiziere wurden darüber hinaus zu Spezialisten auf technischen Sondergebieten ausgebildet. In der Taktik wurden die Pionier-Offiziere besonders gefördert, weil schon der junge Pionier-Offizier ein vertieftes taktisches Verständnis besitzen muß, um im Kriegsfalle als technischer Berater der Befehlshaber der anderen Waffen wirken zu können. Das in dem Offizierkorps der Pioniere steckende lebhafte Streben nach vertieften Kenntnissen hatte sich auch stets darin gezeigt, daß von ihm besonders viel Hörer zur Kriegsakademie entsandt wurden. Die technischen Kenntnisse der Pionier-Offiziere wurden ferner durch ihre zeitweilige Versetzung als militärische Bauleiter zu den Fortifikationen gefördert; während das Verständnis der anderen Waffen durch Kommandos zu ihnen vertieft wurde. Dem aktiven Offizierkorps trat ein Offizierkorps des Beurlaubtenstandes zur Seite, welches fast ganz aus den tüchtigsten Vertretern aller Arten der Ziviltechnik bestand. Sie befähigten die Pioniertruppe zu vorzüglichen technischen Leistungen, weit über das im Frieden gepflegte Gebiet hinaus. Vor allem aber sind diese Ergebnisse der Friedensschulung dem für die Pioniere ausgesuchten Mannschaftsersatz zu danken. Nur kräftige, durch ihren bürgerlichen Beruf für den Dienst des Pioniers vorgebildete Leute konnten die harte Schule des Pionierdienstes mit Erfolg durchlaufen und den so vielseitigen Dienst in nur zweijähriger Dienstzeit erlernen. In erster Linie waren es Schiffer, Zimmerleute, Bergleute und alle Arten von Handwerkern, welche den Pionierersatz stellten. Ihre hohe Intelligenz gestattete es, viele von ihnen zu vortrefflichen Vorarbeitern und Truppleitern auszubilden, und so manche technische Verbesserung im Gerät und der Arbeitsmethode der Pioniere verdankt ihre Entstehung der Anregung eines Pioniers. Dabei schweißten die gemeinsame technische Leistung, die treu geteilten Strapazen und Mühen der Ausbildung, in deren Ertragung die [154] Offiziere vorangingen, Offizier und Mann zu einer mustergültigen Kameradschaft zusammen, die ihren Ausdruck in einem stark gesteigerten Waffenstolze und dem daraus entspringenden Gefühle der Zusammengehörigkeit fand. Sie haben im Weltkriege ihre Probe bis zuletzt glänzend bestanden.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte