Bd. 5: Der österreichisch-ungarische
Krieg
Kapitel 4: Der Feldzug 1914
gegen Serbien und Montenegro
(Forts.)
Oberst Robert Ritter von Pohl
2. Verteidigung der
Herzegowina.
Die Montenegriner hatten schon vor der Kriegserklärung ihre Hauptmacht
gegenüber Gacko und Bileča, eine Division im Sandžak
versammelt. Sie eröffneten am 7. August die Feindseligkeiten, indem sie
aus dem Sandžak gegen Čajnica und Čelebić vordrangen
und Budua im äußersten Süden Dalmatiens besetzten. Am
folgenden Tage begannen sie mit schweren Geschützen vom Lovčen
den Kriegshafen von Cattaro zu beschießen; ihr Feuer wurde von den
Werken und Schiffen erwidert. Am 1. September erschien vor dem Kriegshafen
eine französische Flotte, ohne sich jedoch besonders fühlbar zu
machen.
Die Hauptkraft der Montenegriner richtete ihre Anstrengungen gegen
Bileča (Bilek). Nebenunternehmungen gegen Gacko und bei Trebinje
sollten die beweglichen Verteidiger, 3. und 14. Gebirgsbrigade, am Entsatz
hindern. So kam es vom 7. August an längs der ganzen Grenze vom
Kriegshafenbereich bis Avtovac zu zahlreichen Gefechten zwischen Grenzschutz,
Ausfallsabteilungen der festen Plätze Trebinje, Bileća und Avtovac
und den beiden Gebirgsbrigaden als Verteidigern und den Montenegrinern, in
welchen diese meist den Kürzeren zogen.
Die 3. Gebirgsbrigade Generalmajor v. Pongrácz brach am 12. August von
Revesinje auf, drängte östlich Avtovac die nördlichste
feindliche Gruppe in harten Kämpfen nacheinander aus drei befestigten
Stellungen und schlug sie schließlich jenseits der Grenze in die Flucht. Am
23. August warf sie die nächste, bei Kazanci am Ausgang der Dugafurche
ins Gacko polje stehende Gruppe und stieß über die Grenze
vor. Unterstützt durch einen Ausfall der Besatzung von Bileća,
zwang Pongrácz am 31. August den Feind, die Belagerung aufzuheben
und warf ihn am 1. und 2. September aus seinen zwei Grenzstellungen. Die
Offensivbesatzung von Trebinje und die 14. Gebirgsbrigade unterstützten
durch Vorstöße über die Grenze.
Feldzeugmeister Potiorek konnte nun nahezu alle mobilen Kräfte zum
Kampf gegen die Serben heranziehen. Die Festungsbesatzungen mußten
sich allein der wieder tätiger gewordenen Montenegriner erwehren;
schließlich wurde aber auch deren beharrlicher Versuch, sich des
Gacko polje zu bemächtigen, am 10. Oktober nach
neuntägigen Kämpfen siegreich abgewiesen. Als die Montenegriner
am 23. Oktober neuerdings zu einem großen Vorstoß gegen Gacko
ausholten, und sich einiger Grenzhöhen bemächtigten, gelang es
allerdings [62] erst nach
Rückkehr der letzten nach Bosnien gesandten Verstärkungen, das
Verlorene durch einen Gegenangriff zurückzuerobern und durch einen
Vorstoß am 29. den Feind vollends zurückzuwerfen.
3. Einbruch der Serben über Save und
Donau.
Trotz des Mißerfolges der Augustoffensive war Feldzeugmeister Potiorek
fest entschlossen, seine Aufgabe, ein Vordringen des Feindes in das Innere der
Monarchie zu hindern, auch weiterhin offensiv zu lösen. Zunächst
hatten sich die beiden Armeen auf die Offensive vorzubereiten; Ersätze
wurden eingereiht, die Verbände geordnet, die Ausrüstung
ergänzt. Bis zur Beendigung dieser Vorbereitungen standen abwehrbereit in
Syrmien die halbe 7. Infanteriedivision bei Semlin, die 29. Infanteriedivision
südwestlich Ruma, an der Drina in Bosnien die 5. Armee bei Rača
und Bijeljina, die 6. Armee gegenüber Loznica bis Zvornik und bei
Vlasenica - Srebrenica, die 1. Infanteriedivision von Višegrad
bis Foča; Sicherungen (Landsturm u. a.) an den
Flüssen. Die 11. Gebirgsbrigade (48. Infanteriedivision) und die 13.
Infanteriebrigade waren zum XV. Korps getreten, die kroatische 104. und die
ungarische 109. Landsturmbrigade als Verstärkung eingetroffen.
Am Morgen des 6. September übersetzte nach vorangegangenen
Artilleriedemonstrationen an der unteren Drina und der Save die
Timokdivision I. zwischen Mitrowitz und Jarak die Save; sie stieß in
ein Wespennest. Teils selbsttätig, teils auf Befehl legte sich ihr im Westen
ein bei Mitrowitz befindliches Landsturmregiment, im Norden und Osten die 29.
Infanteriedivision Feldmarschalleutnant Alfred Krauß vor. In Front und
Flanken umklammert, streckten nachts bei Vollmond 5000 Serben die Waffen.
Hingegen gelang es stärkeren serbischen Kräften die Save
südwestlich Obrež und bei Kupinovo zu überschiffen, die
Landsturmflußsicherungen zurückzudrängen und bei Novoselo
und Kupinovo Brücken zu schlagen. Am 7. folgten weitere
Überschiffungen bei Boljevci (nördlich Obrenovac) und von der
Zigeunerinsel westlich Belgrad, so daß bald der größte Teil
beider Donaudivisionen nördlich der Save stand.
Diesem starken Feinde stellte sich zunächst die kombinierte 7.
Infanteriedivision Generalmajor Erwin Zeidler (14 Bataillone, hiervon 4
Marsch-[Ersatz-]Bataillone, 6 Batterien und die schwere Artillerie bei Semlin)
entgegen, eine Brigade bei Deč nördlich Ašanja, die andere
bei Surčin - Semlin. Vom 7. Nachmittags bis 9. abends bei
Surčin - Semlin, bis 10. bei Deč verhinderte die 7.
Infanteriedivision ein Vordringen des überlegenen Feindes, mußte
aber schließlich, im Westen überflügelt, in die Höhe von
Alt-Pazua zurückgehen. Die Donaumonitore deckten den Rückzug
der Semliner Gruppe und ermöglichten auch den Abtransport der schweren
Artillerie auf der Donau. Die Serben folgten; ihre Kolonnen erreichten am 11.
Batajnica - Ugrinovci - Budianovci. Am Nachmittage dieses
Tages traf die 29. Infanteriedivision an der Seite der [63] 7. Infanteriedivision bei
Popinci ein. Feldmarschalleutnant Alfred Krauß übernahm das
Kommando über alle zur Abwehr in Syrmien vereinigten Kräfte. Am
12. nachmittags begann der Gegenangriff. Während am 13. vormittags der
Kampf bei Popinci noch schwankte und der Westflügel der 29.
Infanteriedivision durch einen serbischen Gegenstoß etwas
zurückgedrängt wurde, griff bei Pečinci die vom 5.
Armeekommando der 29. Infanteriedivision nachgesandte 104. Landsturmbrigade
Generalmajor Bekić gegen die westliche Flanke der Serben ein und zwang
sie zum Rückzug; ein Regiment und zwei Batterien der 21.
Schützendivision verstärkten den Stoß in die feindliche Flanke.
Am 14. war Ašanja erreicht, die Serben räumten Syrmien.
Auch bei Pancsova hatten die Serben am 9. September schwächere
Kräfte überschifft, welche die 107. Landsturmbrigade Generalmajor
Breit bei Pancsova-Beresztócz zum Stehen brachte. Nach Einsatz von
Verstärkungen mußten die Serben am 12. wieder über die
Donau zurückgehen.
4. Zweiter Vorstoß über Drina und
Save. [vgl. Karte, hier.]
Auf die Nachricht vom serbischen Einfall in Syrmien befahl Feldzeugmeister
Potiorek den Übergang über die Drina am 8. September, 5. Armee im
Unterlauf bis zur Mündung, 6. Armee aufwärts Loznica bis
Ljubovija. Wie immer alles zur Entscheidung heranziehend, beließ
Feldzeugmeister Potiorek an der oberen Drina nur die 8. Gebirgsbrigade.
Später wurden noch drei Bataillone und eine Gebirgsbatterie der 8.
Gebirgsbrigade und die aus je drei Bataillonen der 3. und 14. Gebirgsbrigade
(Herzegowina und Süddalmatien) gebildete Brigade Generalmajor
Šnjarić, schließlich die brauchbare Artillerie der Festung
Sarajevo zur 6. Armee herangezogen.
Die 5. Armee begann, nach Artillerievorbereitung am Vortage, mit Morgengrauen
des 8. September die Überschiffung. Neuerdings zeigte sich die besondere
Schwierigkeit dieses Flußüberganges. Der Feind sperrte die wenigen
in Betracht kommenden Übergangsstellen mit starken, in den Auen gut
gedeckten Vortruppen, denen er auch einzelne Batterien oder Geschütze
beigab. So geriet die nördliche Brigade der 21. Schützendivision in
den Auen der Saveschlinge Parašnica plötzlich in serbisches
Kartätschfeuer und ging nördlich Rača auf das linke Saveufer
zurück. Die 9. Infanteriedivision wurde, kaum daß sie einige Staffel
überschifft hatte, von starken Kräften aus Crnabara angefallen. Das
XIII. Korps konnte bei Megjaši nur die erste Staffel der 36.
Infanteriedivision überschiffen; die Fortsetzung der Überschiffung,
wie auch die Rückschaffung des schon überschifften Bataillons war
infolge der starken feindlichen Feuerwirkung unmöglich. Der
Flußübergang der 5. Armee war mißlungen. Die 21.
Schützendivision verlor 800, die 9. Infanteriedivision 2000, die 35. 1600
Mann, hiervon bei letzterer das Infanterieregiment Nr. 79, das die
Überschiffung versuchte, allein 1400 Mann.
[64] Der 6. Armee gelang es,
in dem ihr zugewiesenen gebirgigen Abschnitte
Kozluk - Ljubovija am Morgen des 8. September die Drina an
fünf Stellen zu durchfurten, teilweise auch zu überschiffen. Nach
Vertreibung der Ufersicherungen und Gewinn der ersten
Höhenränder begann aber erst die schwierige Aufgabe, dem
zäh-tapferen, gebirgsgewohnten Feinde das zerklüftete,
waldbedeckte, hohe Mittelgebirge des Gučevo und der Boranja zu
entringen. Die Höhen (nördlicher) Crni vrh, Kulište,
Biljeg, Kostajnik, (südlicher) Crni vrh, Košutnja stopa,
Jagodnja, Šanac, bildeten ebensoviele Angriffsziele; um diese und noch
viele andere, gut befestigte Höhen, Kuppen und Kegel in Vorstellungen und
Hauptstellung mußte Schritt für Schritt, mit einer für diese
Aufgabe ganz unzulänglichen
Artillerie - der 7 cm Muster 99 Gebirgskanone als
Hauptgeschütz - gerungen und gekämpft werden.
Am 11. September wurde vom XVI. Korps und der 11. Gebirgsbrigade mit
Einsatz aller Kräfte der wichtige Abschnitt
Košutnja stopa - südlicher Crni vrh
erstürmt und anschließend daran auch die Höhen Jagodnja,
Šanac und Ždrela an und östlich der Straße
Ljubovija - Krupanj gewonnen. Die Serben wichen nach Krupanj.
Das XV. Korps benötigte noch den 12., 13. und 14. September, um den
Hauptrücken vom südlichen bis zum nördlichen
Crni vrh in seinen Besitz zu bringen. Auch der vom östlich
gelegenen Kostajnik wirksam unterstützte Borinarücken konnte bis
14. abends durch doppelt umfassenden Angriff erobert werden; hingegen blieben
alle Anstrengungen gegen den Kostajnik erfolglos.
Als am 13. das XVI. Korps die Vorrückung über Krupanj aufnahm,
stieß es dort auf starken Feind, hinter welchem lange Kolonnen festgestellt
wurden. Es war klar, daß der Feind hier die Entscheidung suchte. Die
Hauptkraft des XVI. Korps bezog daher wieder die frühere gute Stellung
Košutnja stopa - Jagodnja -
Šanac - Žrela; die zum Flankenschutz ausgeschiedene rechte
Flügelgruppe blieb auf den von ihr erkämpften Höhen
südöstlich Krupanj und gegenüber 976 Rožanj.
Am 14. wurde auch letztere Höhe nach planmäßigem, von
Nord und Süd umfassendem Angriffe erstürmt. Während der
linke Flügel des XVI. Korps unter Einsatz der Brigade Generalmajor
Šnjarić der Armeereserve am 15. und 16. den Angriff gegen den
Kostajnik und die südlich davon gelegene Höhe fortsetzte,
stürmten gegen den rechten Flügel vom Rožanj bis
Šanac bereits die Serben an. Aus ihrer vorgeschobenen Stellung
südöstlich Krupanj verdrängt, ohne Reserven, durch serbische
Kräfte, die von Bajinabašta gegen Srebrenica vorgingen, im
Rücken bedroht, mußte die rechte Flügelgruppe vom
Rožanj auf eine rückwärtige Höhe zurückgehen.
Am Abend des 16. wurden auch die gegen den Kostajnik und die
Nachbarhöhe vorgeschobenen Brigaden auf den Hauptrücken
zurückgezogen. Hingegen drang der linke Flügel des XV. Korps vom
14. nachmittags bis 16. abends von der Höhe Kulište und dem
nördlichen Crni vrh bis an den Südrand von Loznica vor.
[65] Dieser Vorstoß
stand in Zusammenhang mit dem inzwischen erfolgten neuerlichen
Drinaübergang der 5. Armee. Bei Batar überschiffte die kroatische
42. Honved-Infanteriedivision, trotz rasch einsetzender, kraftvoller feindlicher
Gegenwehr, ihre Infanterie im Laufe des 13. und 14. und behauptete sich in einem
Brückenkopf in der Drinaebene, wenn auch mit namhaften Verlusten,
gegen alle Angriffe. Die 21. Schützendivision drang nördlich
Rača in die Saveschlinge Parašnica ein.
Die 5. Armee sollte sich nun in der Ebene der Offensive der 6. Armee
anschließen, das kombinierte Korps Feldmarschalleutnant Alfred
Krauß aus Syrmien in der Gegend von Mitrowitz die Save
überschreiten und von Nord nach Süd vorstoßen. Die
schwierigen Kampfverhältnisse der damaligen Zeit, vornehmlich in der
Unzulänglichkeit der Angriffsmittel gegenüber befestigten
Feldstellungen begründet, und eine großangelegte Unternehmung der
Serben und Montenegriner gegen das zugunsten des Angriffsraumes von
Verteidigern entblößte Ostbosnien, gleichzeitig gegen die
Verbindungen der 6. Armee, ließen diesen Plan erst nach 1½
Monaten, anfangs November, ausreifen.
Die übergegangenen Teile der 5. Armee mußten sich zunächst
heftiger feindlicher Gegenangriffe erwehren. Am 16. September konnte die 9.
Infanteriedivision die Drina oberhalb der Mündung überschiffen und
Anschluß an die 21. Schützendivision gewinnen. Am 16.
überschiffte die 29. Infanteriedivision bei Jarak die Save, am 17.
überschritt der Rest des kombinierten Korps Feldmarschalleutnant Alfred
Krauß die bei Jarak geschlagene Kriegsbrücke. Nach
Überwindung ganz besonderer Schwierigkeiten im Sumpfgelände
südlich Mitrowitz und unter beständigen Kämpfen, namentlich
bei Pričinović, erreichte das kombinierte Korps, von einer
Monitorgruppe auf der Save wirkungsvoll unterstützt, bis 19. abends das
Nordufer des Jerezbaches, Pričinović, die Bitva nördlich
Glušci und Ročaj. Die Gegenangriffe der Serben wurden wohl
abgewiesen, ein weiteres rasches Vorwärtskommen erwies sich aber als
undurchführbar.
Die 5. Armee mußte sich mühsam, vielfach mit Sappen und
Parallelen, gegen die serbischen Befestigungen vorarbeiten; wiederholte
Sturmversuche, so auch ein großangelegter beim VIII. Korps am 25.
September, endeten zumeist mit einem verlustreichen Mißerfolg. Auch die
Flankierung der serbischen Stellungen vom linken Saveufer, namentlich jener vor
der Dammstraße nördlich Crnabara und jener am Jerezbache, durch
Artillerie und Infanterie, wie auch durch die Monitorgruppe vom Flusse selbst,
blieb wirkungslos, da sie sich auf ein Streuen gegen die durch die
Uferdämme und hochstämmige Auen der Sicht entzogenen, gut
angelegten Befestigungen beschränken mußte. Der Stellungskrieg
hatte begonnen.
Die 6. Armee mußte den serbischen Ansturm ohne nennenswerte Entlastung
durch die Nachbarn abwehren. Der Erschöpfung der Truppen durch die seit
[66] 8.
September - 9 Tage - fast ohne Unterbrechung fortgesetzten
schweren Kämpfe Rechnung tragend, stellte die 6. Armee am 17. ihren
Angriff ein. Das XV. Korps ging auf den Gučevorücken
zurück, das XVI. verkürzte seine Front durch Zurücknahme
des rechten Flügels auf den Rücken
Ždrela - Karačica. Dort wurde der 17. September zu
einem schweren Kampftage; achtmal versuchten die Serben vergeblich, die
Höhe Šanac an der Straße südlich Krupanj der 6.
Gebirgsbrigade im Sturm abzunehmen; mit Einsatz der letzten Reserven
behauptete Feldmarschalleutnant Trollmann mit der 1. und 2. Gebirgsbrigade die
gerade erst bezogene, notdürftig befestigte Höhenstellung
Ždrela - Karačica gegen den von starker Artillerie
unterstützten, übermächtigen Feind; knapp vor dem Einbruch
brach der serbische Ansturm zusammen. Neuerdings ordnete die Führung,
um die Front zu verkürzen und das Ausscheiden von Reserven zu
ermöglichen, die Zurücknahme der Front an; die Stellung verlief nun
von der Košutnja stopa über die Jagodnja und den
Rücken östlich Lipnica zur Drina. Die 109. Landsturmbrigade
sicherte südlich der Drina die Flanke.
Am 18. September dehnten die Serben ihren Gegenangriff auf die ganze Front der
6. Armee aus. Neben der kombinierten Division, der Drinadivision I. und
Moravadivision II. griffen auch die beiden am 14. aus Syrmien über
die Save zurückgegangenen Donaudivisionen ein. Vom 17. September an
gerechnet, dauerte der serbische Ansturm im ganzen 8 Tage, bis 24. September.
Er richtete sich am 18. und 19. gegen die ganze Front der 6. Armee, dann, nach
Eroberung der Jagodnja am 19. abends, bis zum 22. mehr und mehr
ausschließlich gegen diese Bresche. Der Kampf um das etwa 400 m
Breite messende Gipfeloval sollte für alle, die dabei gewesen, bis zum
Kriegsende den Höhepunkt ihrer Kampferinnerungen bedeuten. Vier Tage
lang tobte, von beiden Seiten fortgesetzt mit frischen Kräften
genährt, ein ununterbrochenes Handgemenge von beispielloser Erbitterung,
in das schließlich sogar Batterien auf Steinwurfweite eingriffen. Am 22.
nachmittags war die im buchstäblichen Sinne des Wortes
blutgetränkte Höhe endgültig in der Hand der
k. u. k. Truppen; die Serben wichen auf den Šanac
zurück. In der folgenden Nacht begruben die Sieger auf der Jagodnja 2000
Tote. - Die Krise war überwunden. Die 6. Armee konnte ihre
Brückenkopfstellung im Feindesland behaupten. Wohl erfolgten am 23. und
24. September noch schwächere Angriffe gegen ihren Nordflügel; sie
wurden mit leichter Mühe abgewiesen. Vom 25. September an flauten die
Kämpfe ab. Das XV. Korps hatte in den 17 Tagen vom 8. bis zum 24.
September 12 000 Mann verloren; das XVI. schob in dieser Zeit allein
13 000 Verwundete ab; die Truppen waren durch die vorangegangenen
Höchstleistungen bei teilweise sehr ungünstiger Witterung sichtlich
erschöpft. Feldzeugmeister Potiorek ordnete daher an, daß die 6.
Armee sich auf das Festhalten ihrer Stellung zu beschränken [67] und bis zur
Wiederherstellung ihrer Kräfte jedes größere Unternehmen zu
unterlassen habe.
Zunächst hieß es, den in Ostbosnien eingebrochenen und die
Verbindungen der 6. Armee bedrohenden Feind zurückzuwerfen.
5. Einbruch der Serben und Montenegriner in
Bosnien.
Erst am 4. September rückten Serben und Montenegriner wieder gegen die
nur von der 8. Gebirgsbrigade gesicherte, rund 60 km lange Drinastrecke
Višegrad - Foča vor. Übergangsversuche wurden
von den Vorposten der 8. Gebirgsbrigade abgewiesen. Nachdem auch noch die
Brigadereserve zur 6. Armee abgezogen worden war, erzwangen sich am 11.
September starke montenegrinische Kräfte bei Foča, am 14. die
Šumadijadivision II. bei Višegrad und Goradže den
Übergang. Am 12. hatten zwei serbische Bataillone mit zahlreichen Banden
auch bei Bajinabašta die Drina überschritten und waren in der
Richtung auf Srebrenica bis Osmače vorgerückt; ihnen trat von
Srebrenica die schwache 9. Landsturm-Etappenbrigade entgegen. Die 8.
Gebirgsbrigade ging am 15. September gegen Han Pjesak zurück,
um wenigstens die Waldbahn von Olovo, diese wichtige Nachschublinie der 6.
Armee, zu decken. Die Serben folgten bis Rogatica, von wo aus sie das Gebiet bis
zur Straße Sarajevo - Vlasenica beunruhigten.
Die 8. Gebirgsbrigade befreite zunächst zwei in Han Gromile von den
Serben eingeschlossene Kompagnien, warf sodann im Verein mit der 9.
Landsturm-Etappenbrigade die Serben in zwei Gefechten am 23. und 24.
September ins Gebirge östlich Srebrenica zurück und beseitigte so
wenigstens die unmittelbare Bedrohung des Südflügels der 6. Armee.
Am 27. September griffen zwei Bataillone und eine Gebirgsbatterie der 8.
Gebirgsbrigade vier serbische Bataillone III. Aufgebots mit Artillerie auf den
Höhen nordwestlich Osmače nochmals an und warfen sie vollends.
Inzwischen hatte die serbisch-montenegrinische Hauptkraft ihre Vortruppen und
Banden bis Pale - Kalinovik vorgeschoben; die Montenegriner
beschossen am 25. September letztere Gebirgsfeste. Am 26. langte die Vorhut der
Šumadijadivision II. vor Han Pjesak an und zwang die
schwache Sicherung nach längerem Kampf, nachts nach Vlasenica
zurückzugehen.
Die Lage war bedenklich. Die empfindlichsten Verbindungen der 6. Armee waren
unmittelbar bedroht, ja konnten über Nacht verloren sein; die
Landeshauptstadt war gefährdet, was bei der offenkundigen Zuneigung
eines bedeutenden Teiles der serbischen Bevölkerung Bosniens schwer in
die Wagschale fiel. Es war ein ungemein kühner Entschluß, dem
Feinde den wohl mit Sicherheit erwarteten Gefallen nicht zu tun, vielmehr
unbeirrt in der Brückenkopfstellung am östlichen Drinaufer
stehenzubleiben und gleichzeitig [68=Karte] [69] im eigenen
Rücken den dort drohenden feindlichen Kräften offensiv
entgegenzutreten.
Da die schweren Abwehrkämpfe der 6. Armee mit 24. September zum
Abschluß gekommen schienen, konnten von dieser Kräfte zum
Schutz der angegriffenen Verbindungen abgegeben werden. Bis dahin wurden
Vlasenica und der Raum um Srebrenica in wechselvollen Kämpfen
behauptet. Hingegen konnten die Serben schwächere Kräfte an der
Waldbahn bis Olovo vorschieben.
Zur Verstärkung der 8. Gebirgs- und 9. Landsturm-Etappenbrigade wurden
nun herangezogen: die 13. Gebirgsbrigade (des XVI. Korps) nach Vlasenica; noch
drei Bataillone mit Artillerie von der 6. Armee, zwei Bataillone von der 5. Armee
und das eben anrollende Krainer Landsturmregiment Nr. 27 nach Tuzla;
zwei Landsturmbataillone und eine Feldbatterie der Festung Sarajevo an die
Bahnendpunkte Vareš und Čevljanović; die letzteren sollten
nach Olovo gelangen und sodann im Verein mit der über Kladanj
vorgehenden Gruppe Tuzla den Feind von der Waldbahn vertreiben.
Generalmajor v. Pongrácz erhielt Befehl, in der Herzegowina nur
Landsturm zurückzulassen, mit der 3. Gebirgsbrigade nach Kalinovik zu
rücken, diesen Platz zu entsetzen und sodann gegen die Flanke der Sarajevo
bedrohenden Montenegriner zu wirken. Die Brigade marschierte am 28.
September von Avtovac ab, erreichte am 29. Ulog und traf am 1. Oktober in
Kalinovik ein.
Am 1. Oktober erreichten die beiden Sarajevoer Bataillone Olovo, die Gruppe
Tuzla Kladanj; sie rückten nun beiderseits der Waldbahn gegen
Han Pjesak vor. Am 5. Oktober erfolgte der frontal und beiderseits
umfassend angesetzte Angriff. Bis abends waren die Serben aus ihren Stellungen
auf der Höhe Ploča geworfen, in der Nacht traten sie den
Rückzug über Han Pjesak an. Am 9. Oktober trafen unsere
verfolgenden Truppen den Feind nördlich Rogatica neuerdings in gut
befestigter, stark besetzter Stellung; diese zog sich über Höhen von
rund 1000 m und darüber von der Straße nordöstlich
Han Gromile in östlicher Richtung gegen das Drinaknie bei
Slap.
Die 3. Gebirgsbrigade warf die vor Kalinovik stehenden Montenegriner, etwa
zwei Brigaden, nach dreitägigem heftigem Kampfe am 3. Oktober nach
Foča zurück. Am 5. gegen Trnovo vorstoßend, geriet sie, auf
die einmütigen Aussagen der Bewohner hin weit und breit keinen Feind
vermutend, auf halbem Wege plötzlich in das Flankenfeuer einer auf den
Höhen östlich der Straße befindlichen montenegrinischen
Division. In raschem selbsttätigem Angriff wurde dieser Feind von den
Höhen geworfen; am 6. nach Kalinovik zurückkehrend, mußte
sich die Brigade den Weg dorthin neuerdings durch den Feind [70] bahnen und nach ihrem
Eintreffen einen Angriff der Montenegriner auf Kalinovik abwehren.
Während die 3. Gebirgsbrigade bei Kalinovik festgehalten war, sandten die
Montenegriner etwa zwei Brigaden den Serben auf die Romanja planina zu Hilfe.
Neben der Šumadijadivision II. waren dort, nördlich Rogatica,
noch eine kombinierte Division I. Aufgebots und die halbe Ipekdivision
eingetroffen. Als unsere Truppen, gleich etwa vier Gebirgsbrigaden, am 10.
Oktober zum Angriff gegen diesen überlegenen Feind vorgingen, griffen
die Montenegriner gegen ihre westliche Flanke ein; der Westflügel
mußte nach Košutica zurückgehen. Die Witterung war in den
letzten Tagen sehr ungünstig geworden, selbst Schneestürme hatten
sich schon eingestellt; das ganze hochgelegene Gebiet war mit Schnee bedeckt,
zeitweise regnete es, so daß alle Niederungen tief aufgeweicht waren.
Unsere Truppen hatten wenigstens ausreichende Verpflegung, was bei Serben und
Montenegrinern kaum möglich gewesen sein dürfte. Krankheiten
lichteten die beiderseitigen Reihen. Mit Ausnahme eines größeren
Überfalles in der Nacht zum 13. Oktober, der einen Teil unserer Front
vorübergehend zurückdrängte, und einiger erfolgloser
Teilangriffe blieben auch die Serben, ebenso wie die Montenegriner,
untätig.
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