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Bd. 1: Der deutsche Landkrieg, Erster Teil:
Vom Kriegsbeginn bis zum Frühjahr 1915

Kapitel 4: Der Feldzug im Westen
bis Mitte September 1914
  (Forts.)

Oberstleutnant Paul Krall

5. Die Entscheidungsschlacht an der Marne vom 6. bis 9. September 1914.

Entschluß der französischen Obersten Heeresleitung zur Schlacht. Gliederung und Schlachtanlage.

Von seinem neuen Hauptquartier Bar sur Aube leitete in diesen Tagen General Joffre die Neugliederung, Zurücknahme und Neuausstattung des verbündeten Heeres. Er hoffte, in Anlehnung an Paris (links) und Verdun (rechts) den Kampf gegen die rastlos folgenden deutschen Heere wieder aufnehmen zu können.

Die Bereitstellung vollzog sich im allgemeinen bis zum 4. September, während Nachhuten die verfolgenden deutschen Armeen aufhielten, den Rückmarsch der Gros vor Störung schützten und die französische Neugliederung verschleierten.

Dank dem vorzüglichen, stark entwickelten Eisenbahnnetz gelang der französischen Obersten Heeresleitung nicht nur die Verschiebung namhafter Kräfte von dem rechten Heeresflügel und der Mitte nach dem Westflügel; es konnten auch überall den geschwächten Armeekorps und Divisionen Ersatzmannschaften in ausreichender Zahl zugeführt, die Bestände an Artillerie, Munition und Gerät aufgefüllt werden.

Noch zögerte General Joffre mit seinem Entschluß, zwischen Seine und [221] Marne die Entscheidungsschlacht zu schlagen; er ließ die Möglichkeit noch offen, im Bedarfsfalle den Rückzug nach Süden fortzusetzen und die Deutschen noch weiter hinter sich herzuziehen.

Da bot sich ihm durch die Bewegungen der deutschen 1. Armee an Paris vorbei nach Südosten plötzlich die Gelegenheit, unter besonders günstigen Bedingungen die Schlacht zu wagen. So vorsichtig Joffre bisher allen Entscheidungskämpfen ausgewichen war, als sich ihm jetzt eine besonders günstige Gelegenheit bot, nicht nur zu schlagen, sondern sogar unter besten Vorbedingungen zum Gegenangriff überzugehen, war er schnell entschlossen, die Entscheidung zu wagen.

Die am 4. September von seinen Armeen gewonnene Front verlief in der allgemeinen Linie Paris - Bray sur Seine - Nogent - Arcis sur Aube - Vitry le François - Bar le Duc - Verdun.

Auf dem rechten Flügel der mit der allgemeinen Richtung nach Norden stehenden Front befand sich die französische 3. Armee unter ihrem neuen Führer Sarrail von Verdun bis Revigny am Ornain. Sie umfaßte das IV., V. und VI. aktive Korps, drei Reserve- und zwei Kavallerie-Divisionen. Links an die 3. Armee schloß die 4. Armee unter de Langle bis Sompuis (westlich Vitry le François), das II., XII., XVII. und Kolonialkorps umfassend. Im Anschluß daran nach Westen fand die Ende August neugebildete, aus dem IX. und XI. Armeekorps, der 42. Infanterie-Division, der marokkanischen Division, zwei Reserve- und einer Kavallerie-Division bestehende 9. Armee unter Foch Verwendung. Westlich der 9. Armee schloß sich die 5. Armee an, deren Führer Lanrezac durch den General Franchet d'Esperay ersetzt worden war; sie umfaßte das I., III., X. und XVIII. Armeekorps, drei Reserve- und 31/3 Kavallerie-Divisionen.

Südöstlich Paris hatte sich die englische Armee neu geordnet und in den großen Waldungen geschickt versteckt aufgestellt. In der Lagerfestung Paris verfügte der Gouverneur General Galliéni über die durch mehrere Reserve-Divisionen verstärkte Festungsbesatzung. Unter dem Befehl des Gouverneurs hatte nördlich der Festung die 6. Armee unter Maunoury, das VII. aktive Korps, eine aktive, zwei Reserve- und drei Kavallerie-Divisionen umfassend, aufgestellt werden können.


Joffres Befehl zur Schlacht.

Am 4. September gewann die französische Heeresleitung Klarheit darüber, daß die deutsche 1. Armee südlich Crépy nach Südosten in Richtung La Ferté sous Jouarre abschwenke, somit an Paris vorbeimarschiere und ihre rechte Flanke der Armee Maunoury preisgab. Der Plan Joffres, die feindliche rechte Heeresflanke anzugreifen und den Vormarsch der Deutschen dadurch aufzuhalten, war am Schlachttage von Combles gescheitert; jetzt lebte er wieder auf, und zwar unter günstigeren Bedingungen. Nach französischen Quellen muß das Verdienst, [222] den Anstoß zur Marne-Schlacht gegeben zu haben, dem General Galliéni zugeschrieben werden. Er befahl selbständig am 4. September der ihm unterstellten Armee Maunoury, sich am 5. September zum Flankenstoß über Dommartin bereitzustellen. Der französischen Heeresleitung wurde hierüber am 4. September Meldung erstattet. Joffre entschloß sich hierauf, mit dem gesamten Heer am 6. September zum Angriff zu schreiten.

Sein am Abend des 4. September erlassener Befehl lautete:

    "1. Aus der gefährlichen Lage der 1. deutschen Armee sind durch Zusammenwirken aller Kräfte der verbündeten Armeen des äußersten linken französischen Flügels alle Vorteile zu ziehen. Die nötigen Vorkehrungen zum Angriff sind am 5. September zu treffen; der Angriff hat am 6. September zu beginnen.
    2. Die für den 5. September einzunehmende Grundstellung ist folgende:
    a) Die gesamte verfügbare Streitkraft der 6. Armee im Nordosten von Paris steht bereit, den Ourcq zwischen Lizy und May en Multien in der allgemeinen Richtung auf Château-Thierry zu überschreiten. Die verfügbaren Kräfte der Kavallerie Sordet werden für diese Bewegung dem General Maunoury unterstellt. Gegner v. Kluck.
    b) Das englische Heer steht in der Linie Nangis - Coulommiers, Front nach Osten, angriffsbereit, in allgemeiner Richtung Montmirail. Gegner v. Kluck.
    c) Die 5. Armee schließt leicht nach links auf und nimmt Stellung in der allgemeinen Front Courtaçon - Esternay - Sézanne, angriffsbereit in der allgemeinen Richtung von Süden nach Norden; das 2. Kavalleriekorps, General Conneau, sichert die Verbindung mit der englischen Armee. Gegner v. Kluck und Bülow.
    d) Die 9. Armee, General Foch, deckt die rechte Flanke der 5. Armee; sie hält die Südausgänge der Sümpfe von St. Gond und marschiert mit einem Teil in der Ebene nördlich Sézanne auf. Gegner v. Bülow und Hausen.
    3. Am 6. September früh greifen diese Heeresgruppen an; desgleichen die 4. Armee de Langle, rechts der 9., in nördlicher Richtung. Gegner Herzog Albrecht von Württemberg. Die 3. Armee Sarrail soll sich in westlicher Richtung gegen die linke Flanke des Deutschen Kronprinzen entwickeln."
Ging auch der Anstoß zum allgemeinen Angriff von General Galliéni aus, so bleibt dem General Joffre doch das Verdienst, den Gedanken unverzüglich aufgefaßt und in erweiterter Form in die Tat umgesetzt zu haben. Das deutsche Heer sollte nicht nur an seinem Westflügel umfaßt werden; durch Einkreisung auch von Osten derart, daß die französische 3. Armee der deutschen 5. Armee [223] südwestlich Verdun in die linke Flanke stieß, bestand die Aussicht, dem deutschen Heer ein "Cannä" zu bereiten. - Wird somit das Verdienst Galliénis anerkannt, dem noch nicht entschlossenen französischen Generalissimus den Entschluß zur Entscheidungsschlacht an der Marne abgerungen und gewissermaßen aufgezwungen zu haben, so hat anderseits das vorzeitige Vorbrechen der Armee Maunoury, vom französischen Standpunkt aus beurteilt, den Verlauf der Gesamtschlacht schädigend beeinflußt.

Joffre aber hatte die Gunst der Lage klar erkannt. Seinem Befehl "on se battra sur la Marne" hatte er in bestimmten Sätzen die Weisungen für die einzelnen Armeen folgen lassen. Nach Paris aber meldete er: "Die strategische Lage ist ausgezeichnet. Wir können auf bessere Vorbedingungen für unsere Offensive nicht hoffen. Ich bin entschlossen, unsere Truppen voll einzusetzen und den Sieg zu erringen."

Die gleiche Zuversicht wußte er auch selbst seinen Truppenführern und den Truppen einzuflößen. Und doch sind es schließlich nicht die Anordnungen Joffres und die große Tapferkeit der französischen Truppen gewesen, die das "Wunder" hervorbrachten, sondern persönliche Empfindungen deutscher führender Persönlichkeiten.

Während auf dem äußersten Westflügel am 5. September das IV. Reservekorps unter General v. Gronau dem Angriff der Armee Maunoury zuvorkam, damit die Absichten der Franzosen erheblich störte und zur Klärung der allgemeinen Lage des deutschen Heeres beitrug, vollzogen sich auf den übrigen Fronten die Bewegungen der beiden Gegner planmäßig, ohne daß es an diesem Tage zu erheblichen Kampfhandlungen kam. Das Bewußtsein, daß der 6. September der Beginn der Entscheidungsschlacht werden sollte, hatten die deutsche Oberste Heeresleitung und die Oberkommandos ihrer Armeen noch nicht gewonnen.


Die Marneschlacht.

6. September.

1. Armee.

Das Oberkommando der 1. Armee sah am Abend des 5. September die Lage noch nicht für so bedrohlich an, daß es nicht hätte erwarten können, am 6. September die Rückwärtsschwenkung in Ruhe vorzunehmen. Der Armeebefehl vom 5. September abends für den 6. September gab als Nachricht vom Feinde an, daß starke Kräfte im Zurückgehen auf Tournan, Rozoy, Provins und Nogent sur Seine beobachtet seien. In Ausführung des Heeresbefehls, zwischen Oise und Marne Front gegen Paris zu nehmen, sollten marschieren: II. Armeekorps in zwei Kolonnen über Trilport bis Germigny und über Pierre Levée - Montceaux bis Isles les Meldeuses; IV. Armeekorps bis in Gegend von Doue; beide Armeekorps hatten schwache Nachhuten am Grand Morin zurückgelassen. - Das [224] III. Armeekorps erhielt Befehl, auf das Nordufer dieses Flusses (in Gegend La Ferté Gaucher) zurückzugehen, IX. Armeekorps, in seinem Unterkunftsraum südlich Esternay zunächst zu verbleiben. Der Höhere Kavalleriekommandeur 2 erhielt Befehl, den Rechtsabmarsch der Armee gegen die Südostfront von Paris und die untere Seine durch Vorgehen in die Gegend Lumigny - Rozoy zu verschleiern. Weitere Anordnungen betrafen die sofortige Besetzung der Marne-Brücken und den Abschub der Kolonnen und Trains.

Die in der Nacht vom 5. zum 6. September eintreffenden Nachrichten vom Kampf des IV. Reservekorps veranlaßten Generaloberst v. Kluck nunmehr, die Bewegungen des II. Armeekorps zu beschleunigen. Das Korps mußte in den ersten Morgenstunden aufbrechen, um am 6. September möglichst frühzeitig in den Kampf des IV. Reservekorps eingreifen zu können. In Ausführung dieses Befehls erreichte im Laufe des 6. September nach anstrengendem Marsch und bei großer Hitze die 4. Infanterie-Division über Lizy die Gegend von Trozy, um noch am Abend auf Grund selbständigen Entschlusses des Divisionskommandeurs auf dem rechten Flügel des IV. Reservekorps nördlich Acy en Multien erfolgreich anzugreifen; die 3. Infanterie-Division wurde auf dem linken Flügel des IV. Reservekorps angesetzt und stieß - über Vareddes vorgehend - auf starken Gegner; eine Umfassung des linken Flügels des IV. Reservekorps wurde auf diese Weise verhindert. Die Gefahr des Vereinzeltgeschlagenwerdens für das IV. Reservekorps, das auch am 6. September vom Gegner heftig angegriffen wurde, war zunächst behoben.

Das IV. Armeekorps, durch neue Weisung am 6. September nachmittags auf das Nordufer der Marne nördlich La Ferté sous Jouarre - Nanteuil gezogen, um sich zum Eingreifen in den Kampf des IV. Reservekorps bereitzuhalten, erhielt am 6. September spät abends den Befehl, noch in der Nacht über Vendrest - Lizy abzurücken, um bei Morgengrauen über Linie Rosoy en Multien - Trocy angreifen zu können. Noch war über die Stärke des von Paris her gegen den Ourcq angreifenden Feindes keine volle Klarheit gewonnen; er schien aber an Zahl überlegen, seine Angriffsrichtung für die 1. Armee bedrohlich. Immerhin war erreicht, daß am Morgen des 7. September westlich des Ourcq drei Armeekorps und eine Kavallerie-Division zur Abwehr bereitstanden.

Durch das frühe Inmarschsetzen des II. und IV. Armeekorps nach Norden war es gekommen, daß am Morgen des 6. September südlich des Grand Morin nur noch das IX. Armeekorps und Nachhuten des III. Armeekorps in Linie Esternay - Montceaux - Sancy standen. Auf sie stießen, durch ihren Angriff überraschend, die linken Flügelkolonnen der Armee Franchet. Die Aussichten für diese Armee, gegen die weit nach Süden vorgeschobenen deutschen Kräfte einen vernichtenden Schlag zu führen, waren denkbar günstig. Gelang dem französischen Armeeführer ihre Vernichtung, dann war der Weg in die Flanke und den Rücken der deutschen 2. Armee frei. Ein Durchbruch durch die deutsche Heeresfront [225] winkte; der Sieg brauchte dann nicht mehr allein auf den Erfolg der Umfassungsarmee Maunoury gegründet zu werden.

Das französische I. Armeekorps setzte der Vorhut der 17. deutschen Infanterie-Division hart zu. Aber wieder bewiesen die Deutschen eine erstaunliche Widerstandskraft und Fähigkeit, blitzschnell die Lage zu meistern. Die Infanterie der 17. Infanterie-Division hielt unerschütterlich die Ausgänge von Esternay; der Kommandierende General des IX. Armeekorps, General v. Quast, faßte, ebenso wie General v. Gronau am Tage zuvor bei Dommartin, den in ungewissen Lagen meist zweckmäßigsten Entschluß: er griff an! Ging dieser Entschluß auch zum Teil von unrichtigen Voraussetzungen aus, da General v. Quast den französischen Angriff als Gegenstoß zur Abschüttelung des Verfolgers und zur Erleichterung des Rückzuges auffaßte, so traf er doch gefühlsmäßig das Richtige. Der deutsche Angriff verfehlte seine Wirkung nicht. Der Gegner stutzte, seine Infanterie ging nur zaghaft und vorsichtig vor. Wenn auch die Deutschen keinen wesentlichen Geländegewinn erzielten, so gelang es anderseits auch dem weit überlegenen Feinde nicht, das IX. Armeekorps aus seiner Stellung um Esternay zu verdrängen.

Inzwischen war dem IX. Armeekorps (Quast) auch weitere Hilfe zuteil geworden. Westlich von ihm waren die Nachhuten des III. Armeekorps bei Montceaux und Sancy vom französischen XVIII. Armeekorps und mehreren Reserve-Divisionen in einen schweren Kampf verwickelt worden. Der Kommandierende General des III. Armeekorps, General v. Lochow, konnte sich in dieser Lage den Bitten des IX. Armeekorps nicht entziehen und befahl dem schon im Marsch nach Norden befindlichen Gros seiner Divisionen umzukehren. Ihnen gelang es, ihre Nachhuten zu entlasten und den Angriff des stark überlegenen linken Flügels der Armee Franchet zum Stehen zu bringen. Auf dem äußersten rechten Flügel hielt der Höhere Kavalleriekommandeur 1 bei Courtaçon das französische Kavalleriekorps Conneau in Schach. So war für den Westflügel der weit vorgeschobenen deutschen Gruppe jede Gefahr behoben, zumal eine Einwirkung der englischen Armee an diesem Tage nicht fühlbar wurde.

Da die Aufmerksamkeit des Armeeoberkommandos 1 durch die Kämpfe am Ourcq vollkommen in Anspruch genommen wurde, waren das III. und IX. Armeekorps, da deren Kampf mit der Lage der 2. Armee in engstem Zusammenhang stehen mußte, im Laufe des 6. September an die Befehle des Armeeoberkommandos 2 verwiesen worden.

Am Abend des 6. September kam aber General v. Kluck zu der Überzeugung, daß er zu dem Entscheidungskampfe am Ourcq seine sämtlichen Kräfte nördlich der Marne brauchen werde. Dementsprechend befahl er den Abmarsch des III. und IX. Armeekorps zunächst hinter den Petit Morin. Der Schutz der inneren Flügel und Flanken der 1. und 2. Armee mußte der Heereskavallerie überlassen bleiben.

[226] Der Obersten Heeresleitung wurde am Abend des 6. September gemeldet: "Die 1. Armee stand heute mit zwei Armeekorps nördlich der Marne in hartem Kampf südwestlich von Crouy gegen starken, aus Paris vorgegangenen Feind, in den das von der Südfront zurückgerufene IV. Armeekorps morgen eingreifen soll. Mit den beiden Korps ihres linken Flügels deckt die 1. Armee heute die Flanke der 2. Armee, die östlich davon gegen starken Feind angreift."

Seinem Auftrag, den Rechtsabmarsch der 1. Armee gegen die Südostfront von Paris und die untere Seine durch Vorgehen in die Gegend Luvigny - Rozoy zu verschleiern, kam der Führer des 2. Kavalleriekorps, General v. der Marwitz, am 6. September in mustergültiger Weise nach. Er verfügte zu dieser Zeit über die 2. und 9. Kavallerie-Division, da die 4. Kavallerie-Division auf dem Nordflügel im Verein mit dem IV. Reservekorps und unter dessen Befehl die Deckung und Sicherung der rechten Armeeflanke gegen Paris übernommen hatte. Mit nur 48 Eskadrons, 4 Jäger-Bataillonen und 6 Batterien gelang es dem General v. der Marwitz, die gesamte englische Armee - drei Armeekorps - in Schach zu halten. Östlich des 2. deutschen Kavalleriekorps stieß der Höhere Kavalleriekommandeur 1, General v. Richthofen, mit der Garde- und 5. Kavallerie-Division an diesem Tage bis Courtaçon vor und band in dieser Gegend die Kräfte des französischen 2. Kavalleriekorps. Erst am Abend wich General v. der Marwitz bis Coulommiers zurück, hielt aber diesen Ort noch in der Nacht zum 7. September besetzt. General v. Richthofen (1. Kavalleriekorps) blieb um Courtaçon - Chartronges, während links von ihm das III. und IX. Armeekorps den linken Flügel der französischen 5. Armee in Linie Montceaux - Esternay fesselten.


2. Armee.

Am 6. September wollte die 2. Armee ihre Schwenkung um Montmirail, mit dem linken Flügel über Morains le Petit ausführen, in der sicheren Erwartung, daß der Ostflügel der 1. Armee nunmehr sofort die Front der 2. Armee durch Zurückgehen hinter den Petit Morin und demnächst die Marne freimachen würde. Auch Generaloberst v. Bülow war noch der Auffassung, daß der Gegner den Rückzug fortsetze. Selbst um die Mittagsstunde war der Umschwung nicht erkannt, so daß der Befehl des Oberkommandos lautete: "Nördlich der Seine sind nur noch Deckungstruppen. Rücksichtslose Energie und Verfolgung zur Vernichtung dieser Kräfte und zur Zerstörung der Bahnstrecke (im Seine-Tal) ist erforderlich. Dementsprechend weitere Verfolgung."

Durch den am 6. September überraschend einsetzenden Angriff der französischen 5. und 9. Armee kamen aber diese Bewegungen nicht zur Durchführung. Die französische 9. Armee traf, mit ihrem linken Flügel östlich Sézanne vorgehend, am Petit Morin auf die Mitte und den linken Flügel der 2. Armee, während die 5. französische Armee, über die Linie Sézanne - Courtaçon angreifend, bei Esternay - Sancy auf das deutsche IX. und III. Armeekorps stieß.

[227] Das auf dem rechten Flügel der 2. Armee bei Artonges (nördlich Montmirail) stehende VII. Armeekorps hatte sich, zum Freimachen des Schwenkungspunktes Montmirail, zum Teil sogar wieder nach Norden, bis nahe an Château-Thierry, geschoben. Das daran anschließende X. Reservekorps trat am 6. September früh auf Montmirail - Le Gault an. Es stieß am Petit Morin auf das französische X. Armeekorps und fesselte es durch seinen Angriff so stark, daß es nicht in der Lage war, gegen Flanke und Rücken des deutschen IX. Armeekorps zu wirken. Bald erlangten die Deutschen im Kampfe die Überlegenheit. Die 19. Reserve-Division drang bis La Godine und Le Recoude, die 2. Garde-Reserve-Division bis Charleville und Villeneuve vor. Zur Schließung der Lücke zwischen IX. Armeekorps und X. Reservekorps traf am Abend die wieder vorgeholte 13. Infanterie-Division ein, nachdem sie durch Voraussenden ihrer gesamten Artillerie dem IX. Armeekorps wirkungsvolle Unterstützung gewährt hatte.

Östlich des X. Reservekorps ging das X. Armeekorps vor. General v. Emmich hatte entsprechend der Weisung des Armeeoberkommandos für den 6. September einen reinen Verfolgungsbefehl gegeben; ein fliegendes Detachement, gebildet aus den Divisions-Kavallerien, Radfahrern und Artillerie, erhielt sogar den Auftrag, bis ins Seine-Tal vorzustoßen. Doch es kam anders. Das Korps stieß auf den linken Flügel der neugebildeten 9. Armee des Generals Foch (42. Infanterie- und marokkanische Division), der nicht gewillt war, Raum zu geben. Die 19. Infanterie-Division konnte zwar bei Corfelix und Le Reclus den Petit Morin überschreiten, kam aber dann in unübersichtlichem Waldgelände und in hin- und herwogenden Kämpfen nicht mehr weiter vorwärts. Die 20. Infanterie-Division fand ihren Gegner noch nördlich des Gond-Sumpfes in Höhe der Dörfer Courjeonnet und Joches in fester Stellung; es gelang ihr zwar bis zum Abend, die Franzosen über den Sumpf zurückzuwerfen; sie selbst mußte dann aber nördlich dieses schwierigen Abschnittes Halt machen. Die breite, von den südlich davon gelegenen Höhen voll beherrschte Niederung konnte nur nach starker Artillerievorbereitung auf den wenigen Dämmen überschritten werden. Das Gardekorps nahm mit der 1. Garde-Infanterie-Division die Dörfer Aulnay und Aulniseux, während die zur Umfassung östlich des Sumpfes angesetzte 2. Garde-Infanterie-Division zunächst vor dem von starken feindlichen Kräften besetzten Somme-Abschnitt östlich Morains le Petit zum Halten kam. Die Vertreibung des Gegners vom Südrand des Gondsumpfes konnte aber nur durch Umfassung von Osten wirksam durchgeführt werden. Hierzu bedurfte es, da die 2. Garde-Infanterie-Division selbst links überflügelt wurde, der Unterstützung der herankommenden 3. Armee.

Auch die 2. deutsche Armee konnte, ebenso wie die Armee Kluck, für sich in Anspruch nehmen, an diesem Tage den Angriff des Gegners zum Stehen gebracht zu haben; darüber hinaus war es ihr sogar gelungen, an einigen Stellen im Angriff den Abschnitt des Petit Morin zu überschreiten; vor allem war bereits [228] am Abend des ersten Schlachttages der linke Flügel der französischen 9. Armee völlig in die Abwehr geworfen. - Für den 7. September wurde Fortsetzung des Angriffs der 2. Armee und des IX. Armeekorps befohlen. Das III. Armeekorps hatte den Schutz der rechten Flanke zu übernehmen, die 13. Infanterie-Division sich in die Lücke zwischen IX. Armeekorps und X. Reservekorps einzuschieben. Am linken Flügel wurde das Eingreifen aller verfügbaren Kräfte der 3. Armee erbeten. Durch den Abmarsch der beiden Armeekorps der 1. Armee an den Ourcq sollten diese Absichten aber nicht zur Durchführung kommen.


3. Armee.

Die 3. Armee hatte am 4. September abends den Marne-Abschnitt östlich Epernay - Châlons s./M. erreicht und den 5. September als Ruhetag bestimmt, während die Nachbararmeen an diesem Tage ihren Vormarsch fortsetzten: 2. Armee mit linkem Flügel bis Vertus, 4. Armee mit rechtem Flügel bis nördlich Vitry le François. Es galt daher, am 6. September den Vorsprung der 2. und 4. Armee in Richtung Troyes - Vendeuvres, den von der Obersten Heeresleitung der 3. Armee gewiesenen allgemeinen Marschzielen, wieder einzuholen. Besorgt maß der Oberbefehlshaber der 3. Armee den weiten Raum, der von seiner, nur drei Armeekorps starken Armee ausgefüllt werden sollte, betrug doch schon die Strecke Fère Champenoise - Vitry le François 45 km Breite; dieser Raum mußte sich im weiteren Vormarsch noch vergrößern, wenn die 2. Armee nach Südwesten einschwenken, die 4. Armee ihrem Auftrag entsprechend nach Südosten abbiegen würde. Der 3. Armee war durch die Oberste Heeresleitung eine Kavallerie-Division des Höheren Kavalleriekommandeurs 1 zugewiesen worden; doch verhinderten die Ereignisse am rechten Flügel der 2. Armee deren Abgabe. Der Ausfall wurde naturgemäß vom Armeeoberkommando 3 schmerzlich empfunden. Da vor der Front der 3. Armee zunächst nur schwache feindliche Kavallerie gemeldet war, wurden den Korps gleich die Marschziele für den 6. und 7. September angegeben.

Doch es sollte anders kommen. Das auf dem rechten Flügel der Armee marschierende XII. Reservekorps erreichte zwar mit der 23. Reserve-Division das Tagesziel Villeneuve (nordöstlich Vertus) und zog die 24. Reserve-Division, die nach Wegnahme von Givet in Eilmärschen der 3. Armee nachstrebte, am Abend dieses Tages bis Vitry les Reims heran; dem XII. Armeekorps aber fielen Aufgaben zu, die seine Kräfte überstiegen. Sein Marschziel war für die 32. Infanterie-Division das Straßenkreuz südöstlich Germinon, für die 23. Infanterie-Division Coupetz. Bereits am Mittag liefen beim Generalkommando XII. Armeekorps dringende Hilferufe des Gardekorps - des linken Flügelkorps der 2. Armee - ein, das in schwerem Kampf gegen starken Feind bei Normée, nordöstlich Fère Champenoise, stand. Das Generalkommando XII. Armeekorps bog darauf selbständig mit der 32. Infanterie-[229] Division auf Clamanges ab und verstärkte diese Division noch durch Kavallerie und Artillerie der 23. Infanterie-Division. Die Masse dieser Division blieb im Marsch auf Coupetz.

Der Entschluß des XII. Armeekorps, dem bedrängten Gardekorps Hilfe zu bringen, war verständlich. Durch die den Divisionen zugewiesenen Marschziele (32. rechts abbiegend, nach Clamanges, 23. unter Beibehalt der bisherigen Marschrichtung nach Süden auf Coupetz) entstand allerdings eine Frontausdehnung, die von dem durch die bisherigen Kämpfe und Märsche geschwächten Korps kaum gedeckt werden konnte. Durch den Weitermarsch der 23. Infanterie-Division bis Coole dehnte sich die Front auf 25 km aus; die 23. Infanterie-Division war genötigt, zur Sperrung der zwischen beiden Divisionen nach Norden führenden Straßen je eine gemischte Abteilung nach Soudé und Sommesous zu entsenden. Wenn auch vor der Front der 3. Armee bisher starker Feind noch nicht aufgetreten war, so glaubte Generaloberst v. Hausen doch jederzeit mit einem solchen rechnen zu müssen. Die heftigen Angriffe, denen der linke Flügel der 2. Armee und nunmehr auch der rechte Flügel der 4. Armee ausgesetzt waren, ließen erkennen, daß der Feind seinen Rückzug endgültig aufgegeben hatte und zum allgemeinen Gegenangriff übergegangen war. Traf dies auf der ganzen Heeresfront zu, so konnte unter Umständen die Front der 3. Armee bei der Zersplitterung und übermäßigen Ausdehnung des XII. Armeekorps durchbrochen werden. Das XIX. Armeekorps zur Schließung der Lücke herbeizurufen, war nicht mehr möglich, da dieses Korps am Nachmittag des 6. September auf dringende Hilferufe des rechten Flügelkorps (VIII.) der 4. Armee über sein Marschziel Loisy s./M. hinaus über Glannes und westlich zum Angriff gegen den Feind in südöstlicher Richtung vorgegangen war. Es blieb dem Armeeoberkommando 3 nichts anderes übrig, als die 23. Reserve-Division zwischen 32. und 23. Infanterie-Division einzuschieben, so unangenehm auch die Kreuzungen der rückwärtigen Verbindungen und die Zerreißung der Korpsverbände fühlbar werden mußten.

Am Abend des 6. September stand die 32. Infanterie-Division im Anschluß an die 2. Garde-Infanterie-Division nach hartem Kampf vor der vom Gegner noch zähe gehaltenen Linie Normee - Lenharré. Eine gemischte Abteilung der 23. Infanterie-Division lag vor der vom Feinde stark besetzten Sommesous, eine weitere Seitenabteilung erreichte Soudé. Die Masse der 23. Infanterie-Division war bis Coole gelangt; das XIX. Armeekorps war über Linie: östlich Coole - Maisons en Champagne zur Unterstützung des VIII. Armeekorps in den Kampf getreten.

Die Lage der 3. Armee am 6. September ähnelte derjenigen in den letzten Augusttagen nördlich der Aisne: Hilferufe von rechts und links! So nachteilig auch die Zersplitterung der Kräfte empfunden wurde, so glaubte das Armeeoberkommando sich der Notwendigkeit, schnell mit den sofort verfügbaren Kräften [230] nach beiden Seiten zu helfen, nicht entziehen zu können. Die übermäßige Ausdehnung der Armeefront wurde in den Kauf genommen. Aussicht auf eine durchgreifende Änderung der Lage für den 7. September war allerdings nicht vorhanden, lief doch am Abend des 6. September von der 2. Armee die Forderung ein, am nächsten Tage mit der ganzen 3. Armee auf Fère Champenoise zur Unterstützung der 2. Armee einzuschwenken. Auch das VIII. Armeekorps bat dringend um Hilfe mit ganzer Kraft.


4. Armee.

Nach der Weisung der Obersten Heeresleitung vom 5. September abends sollten 4. und 5. Armee den Gegner dauernd nach Südosten drängen, um dadurch der 6. und 7. Armee den Übergang über die obere Mosel zu öffnen. Entsprechend diesem Befehl trat die 4. Armee am 6. September zum Angriff über die tags zuvor erreichte Linie: westlich Vitry le François - St. Mard an. Der Gegner stand hinter dem starken Ornain-Abschnitt, etwa an der Bahnlinie Sompuis - Courdemanges - Blesmes - Sermaize. Es war der alte Gegner von Neufchâteau, der seiner Zeit nur widerwillig das Feld geräumt und am Maasabschnitt von Sedan bis Stenay seine Widerstandskraft bewiesen hatte. Festgestellt waren von links nach rechts das französische XVII., XII., Kolonial- und II. Armeekorps.

Trotz heftiger Gegenwehr gelang es den Korps der deutschen 4. Armee, auf der ganzen Front den Ornain zu überschreiten. Nur in Gegend Vitry le François und westlich wurde die Lage für das deutsche Flügelkorps gegen Mittag kritisch. Der Gegner führte starke Kräfte - das XXI. Armeekorps - von Süden heran. Auf die Bitte des Armeeoberkommandos 4 um Unterstützung griff das linke Flügelkorps der 3. Armee (XIX.) entlastend über Coole - Maisons en Champagne in den Kampf ein. Der französische Bericht bezeichnet den Kampf zwischen den beiden 4. Armeen als hart.


5. Armee.

Auch die 5. Armee griff am 6. September befehlsgemäß, in Anlehnung an den linken Flügel der 4. Armee, um Triaucourt links schwenkend, in allgemein ostsüdöstlicher Richtung an. Das rechte Flügelkorps (VI.) ging von Givry en Argonnes über Nettaucourt auf Revigny-Villers aux Vents, der linke Flügel der Armee etwa auf St. André. Die ihr gegenüberstehende französische 3. Armee (Sarrail) war durch Abgabe des IV. Armeekorps nach Paris und der 42. Infanterie-Division des VI. Armeekorps an die Armee Foch zwar zahlenmäßig vermindert, ihre Kampfkraft aber durch den Rückzug der letzten Wochen noch nicht geschwächt. Nach dem Joffreschen Befehl hatte sie sich "in westlicher Richtung gegen die linke Flanke der Armee des Deutschen Kronprinzen zu entwickeln". So kam es zu heftigem Zusammenstoß in Linie Sommeilles - Vaubécourt - Beauzée. [231] Die Hauptwucht des französischen Angriffs richtete sich über letzteren Ort, um hier - im Aire-Tal - den linken Flügel und die Flanke der deutschen 5. Armee zu treffen. Auch aus Verdun heraus wurde in Richtung Ippécourt ein heftiger Vorstoß gegen die deutschen Deckungstruppen unternommen. Am Abend des 6. September war aber überall der französische Widerstand gebrochen; das rechte deutsche Flügelkorps (VI.) hatte Revigny erreicht, auf der übrigen Front war der Gegner empfindlich ostwärts zurückgedrängt. - Am nächsten Morgen wollte die Armee den Angriff in allgemeiner Richtung Bar le Duc fortsetzen; auf Ansuchen war das linke Flügelkorps der 4. Armee (XVIII. Reservekorps) der 5. Armee zum Angriff in Richtung Laimont - Chardogne zur Verfügung gestellt worden.


7. September.

1. Armee.

Falls im Hauptquartier des Armeeoberkommandos 1 in der Nacht vom 6. zum 7. September noch Zweifel über den Ernst der Lage bestanden haben sollten, so wurden sie geklärt durch die Mitteilung der Obersten Heeresleitung, daß General Joffre für den 7. September den allgemeinen Angriff der verbündeten Heere zur Herbeiführung der Entscheidung angeordnet habe. In welcher Richtung und gegen welchen Heeresflügel der feindliche Hauptstoß erfolgen würde, glaubte Generaloberst v. Kluck klar zu erkennen. Deshalb zögerte er jetzt nicht, auch das III. und IX. Armeekorps vom Petit Morin her, vom rechten Flügel der 2. Armee, auf das Schlachtfeld am Ourcq zur Entscheidung heranzurufen. Die zwischen 1. und 2. Armee entstehende Lücke würde - nach seiner Ansicht - sowieso durch das Vorgehen der um Montmirail schwenkenden 2. Armee geschlossen werden. Daß dies der 2. Armee nicht möglich sein könnte, daß sie den feindlichen Widerstand am Petit Morin nicht überwinden würde, konnte er am 7. September vormittags nicht wissen; der Verlauf des Kampfes bis zum 6. September abends bei der 2. Armee wie beim III. und IX. Armeekorps hatte keinerlei Veranlassung zu Besorgnissen gegeben. Der Oberbefehlshaber der 1. Armee hielt vielmehr in Anbetracht der Lage auf seinem äußersten rechten Flügel die Verstärkung der am Ourcq kämpfenden Truppen durch das III. und IX. Armeekorps für so notwendig und auch für die Gesamtentscheidung für so ausschlaggebend, daß er an dem Befehl zur Heranziehung der beiden Korps unter allen Umständen - auch bei Kenntnis von den schweren Kämpfen der 2. Armee am Petit Morin - festgehalten hätte.

Durch Befehle in der Nacht vom 6. zum 7. September wurden die Straßen im Rücken der 1. Armee neu verteilt, die Bewegungen der Munitionskolonnen und Trains derart geregelt, daß die Märsche des III. und IX. Armeekorps auf keine Schwierigkeiten stoßen konnten. Der Etappen-Inspektion wurde ferner befohlen, alle im Etappendienst entbehrlichen Truppen als Reserven auf Villers Cotterets vorzuziehen.

[232] Auf dem Schlachtfelde am Ourcq hatten inzwischen auf Befehl des Armeeoberkommandos der Kommandierende General des II. Armeekorps, General v. Linsingen, die Oberleitung übernommen. Das IV. Armeekorps war nach einem Nachtmarsch - die 7. Infanterie-Division hatte bis zu ihrem Einsatz auf dem rechten Armeeflügel über 60 km zurückgelegt - auf dem Schlachtfeld eingetroffen; während die 8. Infanterie-Division zur Stützung des durch die schweren Kämpfe stark ermatteten IV. Reservekorps in dessen Mitte eingeschoben wurde, wurde die 7. Infanterie-Division auf den äußersten Nordflügel gezogen. Die Vermischung der Verbände mußte als notwendiges Übel in Kauf genommen werden.

Die Kampffront wurde in drei Gruppen eingeteilt: eine Nordgruppe (7. Infanterie-Division, 4. und 16. Infanterie-Brigade) unter dem Kommandierenden General des IV. Armeekorps, General Sixt v. Armin, in Linie Antilly - Acy en Multien; eine mittlere Gruppe (½ 8. Infanterie-Division und 7. Reserve-Division) unter dem Kommandierenden General des IV. Reservekorps, General v. Gronau, in Linie Vincy Maneuvre bis dicht nordwestlich Trocy, und eine Südgruppe (22. Reserve-Division und 3. Infanterie-Division) unter Generalleutnant v. Trossel in Linie Trocy - Vareddes.

General Maunoury hatte auch seinerseits zur Fortführung des Kampfes am 7. September weitere Verstärkungen auf seinen linken Flügel geführt. Das Kavalleriekorps Sordet erreichte in stark erschöpftem Zustande die Gegend von Betz. Die 61. Reserve-Division wurde mit der Bahn von Paris bis Le Plessis Belleville, bis dicht hinter das Gefechtsfeld, befördert und von dort auf den linken Armeeflügel gezogen. Es sollten zum Angriff vorgehen: 55. und 56. Reserve-Division und die marokkanische Brigade Ditte über Linie Chambry - Barcy - Marcilly, das VII. Armeekorps über Puisieux - Acy en Multien, die 61. Reserve-Division über Bois de Montrolles - Etavigny, weiter nördlich die Heereskavallerie.

Der Angriff Maunourys am 7. September hatte keinen Erfolg. Die beabsichtigte starke Umfassung, zu der er mehr als sechs Divisionen gegen den deutschen rechten Flügel am frühen Morgen zusammenfaßte, stieß auf die zur rechten Zeit eintreffenden Verstärkungen des IV. Armeekorps. Auch diese entschlossen sich, trotz des ermüdenden Nachtmarsches, zum Angriff und warfen in schwerem, energischem Stoß den linken Flügel Maunourys zurück; dem Rückzug schloß sich auch das in den Rücken der 1. Armee angesetzte französische Kavalleriekorps Sordet an. Die von Galliéni, Maunoury und Joffre erstrebte Umfassung des deutschen Heeresflügels war damit endgültig gescheitert. Mitte und südlicher Flügel beider Armeen hielten in zähem Kampf einander das Gleichgewicht. Ein Verbindungsoffizier des Armeeoberkommandos schildert die Haltung der auf dem äußersten rechten Flügel angreifenden 7. Infanterie-Division mit den Worten: "Es war bewunderungswürdig, wie die Bataillone, die ich vor wenigen Stunden [233] sich nur noch mühsam fortschleppen sah, jetzt in frischem, tadellosem Vorgehen wie auf dem Exerzierplatz zum Angriff schritten, gut unterstützt durch die in langer Linie stehende Feldartillerie."

Der linke Flügel Maunourys war geschlagen; da traf gerade noch rechtzeitig das französische IV. Armeekorps auf dem Schlachtfelde ein. Es gelang aber nur, die 7. französische Infanterie-Division auf den entscheidenden Nordflügel zu bringen. Im Laufe des Nachmittags des 7. September auf dem Bahnhof Pantin ausgeladen, wurden fünf Bataillone auf 1300 in Paris beschlagnahmten Kraftdroschken in die Gegend von Nanteuil le Haudouin gefahren, der Rest beschleunigt nachgezogen. Die 8. Infanterie-Division wurde dagegen auf dem Bahnhof Lagny (südlich der Marne) angehalten und ausgeladen, um die Verbindung mit der englischen Armee herzustellen und ihren linken Flügel zu stützen. Galliéni betont das Fehlerhafte dieser Maßnahme; er sei aber hierzu gezwungen gewesen, da Marschall French nur unter der Bedingung ein Vorgehen seiner Armee zugesichert habe, daß seine linke Flanke gesichert würde.

Deutscherseits mußte es darauf ankommen, die eingeleitete Angriffsschwenkung zur Umfassung des französischen Nordflügels am nächsten Tage auszugestalten; hierzu mußte auch das III. und IX. Armeekorps am Entscheidungsflügel eingesetzt werden. Der Armeebefehl vom Mittag des 7. September wies daher die beiden Korps an, sofort soweit als irgend möglich zur Unterstützung heranzurücken; ihr Eingreifen am 8. September vormittags müsse sichergestellt sein. Die westliche - 5. - Division des III. Armeekorps hatte auf dem kürzesten Wege nach Lizy zu marschieren, eine Infanterie-Brigade dieser Division mit der schweren Artillerie des Korps sollte, über La Ferté sous Jouarre vorgehend, aus Richtung Trilport die feindliche Artillerie bei Meaux, die sich am 7. September schwer fühlbar gemacht hatte, flankierend niederkämpfen und weiterhin zusammen mit dem Höheren Kavalleriekommandeur 2 den Schutz der linken Armeeflanke in Richtung auf Coulommiers und den unteren Grand Morin übernehmen. General v. Lochow erhielt Befehl, mit den übrigen drei Divisionen des III. und IX. Armeekorps auf dem kürzesten Wege in Richtung La Ferté Milon - Crouy heranzurücken.

In Ausführung dieses Befehls erreichte die 6. Infanterie-Division am Abend des 7. September - nach einer Tagesleistung von rund 60 Kilometern - Charly sur Marne, das IX. Armeekorps Chézy (südlich Château-Thierry) an der Marne. Das Armee-Hauptquartier blieb in Vendrest. Noch war das Gelände am Nordflügel der 1. Armee, nördlich von Crépy en Valois bis La Ferté Milon, ferner Senlis, Creil und Verberie vom Feinde frei gemeldet; der feindliche Nordflügel schien sich bis Nanteuil le Haudouin zu erstrecken.

II. Armee-, IV. Reservekorps und IV. Armeekorps hatten sich in Linie Antilly - Vareddes gegen starke feindliche Kräfte behauptet und auf dem rechten Flügel nicht unbedeutend Gelände gewonnen. Südlich des unteren Grand Morin [234] waren nur schwächere feindliche Kräfte erkannt, südlich Coulommiers etwa eine Division. Die 2. Armee wußte Generaloberst v. Kluck im Kampf in Linie Montmirail - Fère en Champenoise. Da er am 8. September mit dem heranmarschierenden III. und IX. Armeekorps auf dem Nordflügel die Entscheidung erzwingen wollte, wurde der unter dem Befehl des Generals v. Linsingen stehende Armeeteil angewiesen, sich in der erreichten Linie einzugraben und zu behaupten. Jedenfalls war schon jetzt die Gefahr der Umfassung des rechten Heeresflügels behoben, die Krisis der Schlacht überwunden, der Erfolg trat in greifbare Nähe.

Auch die deutsche Heereskavallerie konnte mit dem Verlauf des Tages zufrieden sein. Es gelang dem General v. der Marwitz, unter leichten Kämpfen den ganzen 7. September über die englische Armee am und dicht nördlich des Grand Morin hinzuhalten und den Abmarsch des III. und IX. Armeekorps zu decken. Erst am Nachmittag, als ein Armeebefehl die 9. Kavallerie-Division nach Norden in die Gegend von Trilport rief, um dort im Verein mit Teilen des III. Armeekorps den Südflügel der 3. Infanterie-Division gegen eine feindliche Einwirkung von Meaux her zu schützen, mußte auch die 2. Kavallerie-Division in Richtung La Ferté sous Jouarre zurückweichen. Trotzdem kamen die Engländer bis zum Abend nicht wesentlich über den Grand Morin, bis zur Linie Jouy sur Marne - Aulnoy - La Haute Maison, vor.

Der Höhere Kavalleriekommandeur 1 ging, im Anschluß an den Abmarsch des III. und IX. Armeekorps, über den Petit Morin bis in Gegend Bussières - Hondevilliers zurück. Französische und englische Kavallerie folgten nur zögernd.


2. Armee.

Durch die Abberufung des III. und IX. Armeekorps zunächst hinter den Petit Morin war die 2. Armee in die Zwangslage versetzt, den Angriff ihres rechten Flügels anzuhalten. Durch Reibungen mancherlei Art gelangte der Befehl zum Abmarsch an die beiden Korps der 1. Armee so spät, daß die Bewegung am lichten Tage angesichts des weit überlegenen Feindes ausgeführt werden mußte. Wie schwer letzterer durch den Kampf am 6. September mitgenommen war, beweist die Tatsache, daß er den Abmarsch in keiner Weise behelligte und nur spät und zögernd folgte. Dennoch hielt es das Armeeoberkommando 2 für nötig, seinen rechten Armeeflügel, das X. Reservekorps, hinter den Petit Morin zurückzunehmen. Gegen Mittag des 7. September war durch die angeordneten Bewegungen hinter diesem Abschnitt von Bussières über Montmirail bis Le Thoult eine zusammenhängende Front (III., IX. Armeekorps, 13. Infanterie-Division, X. Reservekorps) entstanden und wenigstens einigermaßen eine Verbindung mit dem linken Flügel der nördlich der Marne kämpfenden Teile der 1. Armee erreicht.

Als aber General v. Kluck am frühen Nachmittag des 7. September seine beiden Korps endgültig auf das Nordufer der Marne zurückrief, ging der [235] 2. Armee diese Verbindung verloren. Diese Tatsache mußte naturgemäß den Oberbefehlshaber der 2. Armee mit schwerer Sorge erfüllen. Seiner Ansicht nach wäre es besser gewesen, wenn die 1. Armee die Entscheidungsschlacht nicht westlich des Ourcq angenommen, sondern sich kämpfend rückwärts hätte tragen lassen, bis sie in Gegend Château-Thierry die Anlehnung an das III. und IX. Armeekorps hinter der Dollau und damit an den rechten Flügel der 2. Armee bei Montmirail gefunden hätte. Gab man auch damit zeitweise dem französischen Umfassungsflügel das Gefühl des Sieges, so wurde doch durch ein derartiges Heranführen an die 2. Armee die große Gefahr vermieden, die er in einem Durchbruch des Feindes zwischen 1. und 2. Armee zu sehen glaubte. Infolge der Schlacht der 1. Armee westlich des Ourcq aber drohte eine weite Lücke zwischen der 1. Armee und den übrigen Teilen des rechten Heeresflügels, durch die die ganze englische Armee und Teile der französischen 5. Armee ungehindert durchbrechen konnten, um nördlich der Marne den rechten Flügel der 2. Armee zu umgehen und auch die 1. Armee völlig im Rücken zu fassen.

Trotz dieser schweren Bedenken entließ das Armeeoberkommando 2 am Nachmittag des 7. September das III. Armeekorps in Richtung La Ferté Milon; das IX. Armeekorps sollte bis zum Abend dieses Tages die Gegend südlich Château-Thierry hinter der Dollau erreichen. Um den hierdurch entblößten rechten Flügel der 2. Armee zu decken, wurde die 13. Infanterie-Division angewiesen, anschließend an das IX. Armeekorps den Dollau-Abschnitt von Fontenelle bis Montmirail zu besetzen; die 14. Infanterie-Division wurde angewiesen, sich nördlich Montmirail als Armeereserve aufzustellen. Als aber am späteren Nachmittag die 1. Armee auch das IX. Armeekorps vollständig für sich in Anspruch nahm, in der Absicht, es auf ihrem Nordflügel einzusetzen, verlor der rechte Flügel der 2. Armee zum zweiten Male an diesem Tage seine Anlehnung. Da inzwischen die 14. Infanterie-Division auf Grund heftiger französischer Angriffe gegen das deutsche X. Armeekorps und das sich nach Osten verschiebende Gardekorps zwischen Garde- und X. Armeekorps hatte eingesetzt werden müssen, stand nunmehr allein die 13. Infanterie-Division gestaffelt hinter dem rechten Armeeflügel (X. Reservekorps bei Montmirail) als Flankenschutz zur Verfügung. Nur die Heereskavallerie füllte notdürftig die Lücke zwischen 2. und 1. Armee, und zwar der Höhere Kavalleriekommandeur 1 am unteren Petit Morin, der Höhere Kavalleriekommandeur 2 der 1. Armee am Marne-Abschnitt westlich La Ferté sous Jouarre.

In der Front kam es an diesem Tage zu sehr heftigen Teilkämpfen der 20. Infanterie-Division und des Gardekorps um die Übergänge über den Petit Morin und den großen Sumpf, die allerdings ohne entscheidenden Erfolg blieben, aber den Gegner fesselten und bei ihm das Wiederaufleben des Angriffsgedankens unterdrückten. Um die nur durch schwere Verluste zu gewinnenden Übergänge über den großen Sumpf zu vermeiden, schob das Gardekorps seine Massen schärfer nach links zum gemeinsamen Angriff mit der 3. Armee.


[236] 3. Armee.

Das Armeeoberkommando 3 sah seine Aufgabe für den 7. September in der Fortsetzung der nach Süden getragenen Offensive. Da die beiden Flügelgruppen der Armee: 32. Infanterie-Division und 23. Infanterie-Division mit dem XIX. Armeekorps bereits in die heftigsten Kämpfe verwickelt waren, konnte nur durch Einsatz des XII. Reservekorps in der Mitte der Armeefront der Angriff erfolgreich vorgetragen werden. Die 23. Reserve-Division erhielt daher den Befehl, über Vatry vorrückend, links neben der 23. Infanterie-Division in den Kampf der westlichen Gruppe einzutreten; die 24. Reserve-Division wurde zunächst in Richtung Vatry als Armeereserve nachgezogen.

Die Notwendigkeit dieser Maßnahme bestätigte sich bald. In den frühen Morgenstunden des 7. September wurden die 2. Garde-Infanterie-Division und die 32. Infanterie-Division, ferner auf dem Ostflügel das XIX. und VIII. Armeekorps heftig angegriffen. Durch Vorgehen der 23. Reserve-Division in Richtung Sommesous, der 23. Infanterie-Division bei Sompuis gelang es aber, den Stoß des Gegners, teilweise durch heftige Gegenangriffe, erfolgreich abzuweisen. Die einheitliche Führung der westlichen Gruppe wurde dazu zeitweise dem General v. Kirchbach, der östlichen Gruppe dem General d'Elsa übertragen.

Die am Morgen des 7. September eingeleitete Fliegererkundung gab endlich Klarheit über die Lage vor der Front der 3. Armee und zerstreute die tags zuvor noch vorhanden gewesenen Befürchtungen, daß der Gegner die weit auseinandergezogenen sächsischen Divisionen durchbrechen könnte. Es wurde klar erkannt, daß der rechte Flügel der die 2. Armee angreifenden französischen Heeresgruppe östliche Fère Champenoise auf Lenharré vorgehe, der linke Flügel des der 4. Armee gegenüberstehenden Heeresteiles die Linie Vitry le François - Sompuis angreife. Die Lücke zwischen Lenharré und Sompuis war offensichtlich nur durch eine französische Kavallerie-Division ausgefüllt, die durch zahlreiche Artillerie und etwas Infanterie verstärkt war. Legte diese Kräfteverteilung des Gegners den Gedanken nahe, in die mit nur schwachen Teilen geschützte Lücke zwischen den beiden feindlichen Kampfgruppen hineinzustoßen, so wurde Generaloberst v. Hausen in diesem Entschluß noch bestärkt, als er durch Funkspruch über die Lage bei der 2. Armee unterrichtet wurde. General v. Bülow forderte nochmals Unterstützung seines hartringenden linken Flügels durch alle verfügbaren Kräfte der 3. Armee, zumal auf seinem rechten Flügel vor starkem Angriff aus Paris das III., IX. Armeekorps und X. Reservekorps hinter den Petit Morin hätten zurückgenommen werden müssen.

Wenn somit feststand, daß der Feind mit überlegenen Kräften den rechten deutschen Heeresflügel angriff, so war die Schlußfolgerung berechtigt, daß er an anderen Stellen seiner Front nur schwächer auftreten konnte. Eine solche Stelle schien vor der Mitte der Front der 3. Armee zu liegen. Ein energischer Angriff in dieser Richtung und gegebenenfalls ein Durchbruch durch die feindliche Front [237] würde am schnellsten den bedrängten deutschen rechten Heeresflügel entlasten. Das Armeeoberkommando beschloß daher, diesen Angriff zu führen; er sollte am frühen Morgen des 8. September erfolgen. Die Führer der 2. und 4. Armee unterstellten bereitwilligst ihre Flügelverbände (2. Garde-Infanterie-Division und das VIII. Armeekorps) hierzu wieder gemeinsamer Führung.

Am Abend des 7. September standen die 32. Infanterie- und 23. Reserve-Division im Kampf gegen die Linie Normée - Lenharré - Sommesous. Weiter östlich war die 23. Infanterie-Division bis südlich Sompuis gelangt, ohne aber bei dem sehr wirksamen feindlichen Artilleriefeuer weiter Boden gewinnen zu können; das XIX. Armeekorps focht, daran anschließend nach Osten, in stehendem Kampf bis in Gegend Glannes, wo Fühlung mit dem VIII. Armeekorps bestand.


4. und 5. Armee.

Auch die deutsche 4. Armee setzte am 7. September ihren Angriff fort. Während der rechte Flügel in Anlehnung an das sächsische XIX. Armeekorps in mühevollem Ringen allmählich die Eisenbahn südlich Vitry nach Süden überschritt und Gegenangriffe des Kolonialkorps abwies, gelangte der linke Armeeflügel bei Paragny und Sermaize über den Rhein-Marne-Kanal.

Bei der 5. Armee war dieser Tag durch zähen Kampf gegen die feindliche Stellung in Linie Laimont - Louppy le Château - Beauzée - Ippécourt ausgefüllt. Auf dem östlichen Maas-Ufer begann das V. Armeekorps nach Ersteigung der Côtes Lorraines den Angriff auf das französische Sperrfort Troyon.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte