[185] Ernährungspolitische Maßnahmen im Distrikt Warschau
1. Allgemeine
Ernährungsprobleme
Diese Auffassung entspricht leider nicht der Wirklichkeit. Das Generalgouvernement hat vielmehr ausserordentlich zu kämpfen, um die Ernährung der in seinem Gebiet lebenden Bevölkerung aus eigener Kraft sicherzustellen. Gewiss ist die Bevölkerungsdichte des Generalgouvernements nicht ganz so stark wie die des Reiches, aber die Erträgnisse des Landes je ha sind bisher nicht halb so gross wie die des Reiches gewesen. Dies ist in der Hauptsache darauf zurückzuführen, dass in der Landwirtschaft der früheren Republik Polen stets eine stark extensive Bewirtschaftung vorgeherrscht hat, bei der das Land in keiner Weise annähernd so genutzt worden ist, wie es bei der intensiven Bewirtschaftung im Reich der Fall ist. Dazu kommt, daß die Agrarstruktur der früheren Republik Polen außerordentlich ungünstig war. Das Hauptmerkmal dieser Agrarstruktur ist die große Zahl der Zwergbetriebe: Etwa 22% aller Betriebe sind weniger als 2 ha groß, und etwa 75% der Betriebe liegen in der Grössenordnung von 2 - 50 ha, so dass nur 3% Großbetriebe mit über 50 ha vorhanden sind. Ferner hat sich die für deutsche Begriffe unvorstellbare Besitzzersplitterung ungünstig ausgewirkt. Auch die kleinen und kleinsten [landwirtschaftlichen Betriebe unterliegen der Aufteilung unter mehreren Erben, wodurch verschwindend kleine Grundstücke entstehen,]1 deren Bewirtschaftung deshalb unendlich erschwert ist. Es sind Fälle vorgekommen, wonach die Gesamtlänge der Ackerstücke eines Hofes von nur 10 ha nicht weniger als 45 km beträgt. Dass bei einer derartigen Struktur der einzelnen landwirtschaftlichen Betriebe die Bearbeitung außerordentlich schwierig und der Ertrag dementsprechend geringer ist, bedarf keiner Erörterung. [186] Zu diesen allgemeinen Schwierigkeiten, die für das ganze Generalgouvernement gelten, kommen noch für den Distrikt Warschau weitere Schwierigkeiten hinzu. Während in den übrigen Distrikten des Generalgouvernements etwa 70 - 80% der Bevölkerung landwirtschaftliche Erzeuger und nur 20 - 30% Verbraucher sind, liegen im Distrikt Warschau die Verhältnisse gerade umgekehrt: Der größte Teil der Bevölkerung, nämlich 65%, ist Verbraucher und nur 35% Selbsterzeuger, die sich mit dem Ertrag des Bodens ihren Lebensbedarf selbst beschaffen. Die Bevölkerung des Distrikts Warschau beträgt über 3,3 Millionen. Ferner sind die Folgen des Krieges gerade für den Distrikt Warschau in ernährungspolitischer Hinsicht sehr ungünstig gewesen; denn die früheren Lieferungsgebiete für die Millionenstadt Warschau waren in der Hauptsache das Wartheland und der jetzige Regierungsbezirk Zichenau, die dem Reich eingegliedert worden sind. Das Hinterland für die Stadt Warschau, aus dem Warschau seine Hauptverpflegung erhielt, ist durch den Fortfall dieser landwirtschaftlich reichen Gebiete sehr klein geworden. Die landwirtschaftliche Nutzfläche beträgt im Distrikt Warschau jetzt nur noch 1,2 Millionen ha. Während des Polenfeldzuges wurden die meisten Nahrungsmittel und landwirtschaftlichen Produkte, die damals im Distrikt Warschau vorhanden waren, aufgezehrt oder vernichtet. Zudem wurden viele landwirtschaftliche Betriebe damals vollständig zerstört, weil im Distrikt Warschau der Kampf am längsten getobt hatte; die vielfachen Truppenverschiebungen trugen ihrerseits dazu bei, daß die letzten noch vorhanden gewesenen Vorräte aufgezehrt wurden. Bei ihrem Rückzug nahmen die Sowjettruppen große Mengen an Vieh, Getreide und Futtermitteln über den Bug in die damaligen russischen Interessengebiete mit, so dass der Distrikt Warschau von Lebensmitteln, Vieh und Futtervorräten fast völlig entblößt wurde. Was aber damals noch vorhanden war, wurde von der ausgehungerten Bevölkerung, die nach Beendigung der Belagerung Warschaus in die einzelnen Kreise strömte, restlos aufgekauft.
[187] 2. Maßnahmen zur Steigerung der Erzeugung Nach Abschluss der Kampfhandlungen bot sich bei Übernahme des Distrikts Warschau durch die Zivilverwaltung gerade auf dem Gebiet der Erzeugung zum größten Teil ein recht trostloses Bild.
Im Herbst 1939 galt es zunächst, die Herbstbestellung wieder in Gang zu bringen, damit kein zu großer Ausfall sich im nächsten Jahr bemerkbar machen würde. Tatsächlich ist es unter Anspannung aller Kräfte gelungen, im Jahre 1939 die Herbstbestellung noch bis zu 85% durchzuführen, wozu die notwendigsten Betriebsmittel, wie Maschinen, Saatgut, Kunstdünger usw., größtenteils aus dem Reich bereitgestellt werden mussten. In den zurückliegenden drei Jahren sind weitgehende erzeugungssteigernde Maßnahmen durchgeführt worden. Einen Begriff über die Beschaffung des Betriebsmittelaufwandes für die Erstellung der Ernte 1940 ergeben folgende Zahlen: Der Gesamtverbrauch an Kunstdünger betrug 30 800 to, weiterhin wurden zusätzlich beschafft 5 170 to Saatkartoffeln, 1 100 to Saathafer und etwa 800 to Saatgerste neben den nicht unbeträchtlichen Mengen von Zwischenfruchtsaatgut aller Art. Weiter wurde die Einfuhr von Zuchtvieh aus dem Reich zur Verbesserung der vorhandenen Bestände in Angriff genommen. Während es sich im Jahre 1939/40 in der Hauptsache um die Erfassung und Betreuung der vorhandenen Großbetriebe handelte, wurde nach und nach auch die Vielzahl der bäuerlichen Betriebe produktionsmässig erfasst. Es fehlte an Menschen, um diese ebenfalls von Anfang an zu betreuen. Im Distrikt Warschau gibt es 1 221 Großbetriebe, die von der Gesamtfläche nur 3,2% einnehmen, während über 150 400 bäuerliche landwirtschaftliche Kleinbetriebe vorhanden sind, die nicht weniger als 96,8% der Ackerfläche bewirtschaften. In der Folgezeit wurde daher gerade diesen Betrieben die besondere Aufmerksamkeit zugewandt, weil von der Erfassung dieser Kleinbetriebe der erfolgreiche Ausgang der Erzeugungsschlacht zu einem großen Teil abhängt. Auf allen Gebieten ist hier viel getan worden. Auf dem Gebiet der Tierzucht soll nur die verstärkte Einfuhr von hochwertigem Zuchtvieh aus dem Reich, die Einführung der Körord- [188] nung, die planmässige Förderung der Kleintierzucht und die Einführung der Zwangsmilchkontrolle bei Betrieben von 25 ha an aufwärts erwähnt werden. Beim Ackerbau und Gartenbau wurde die Steigerung der Intensität vor allem durch Einfuhr von modernen Maschinen und hochwertigem Saatgut aus dem Reich vorangetrieben. Darüber hinaus ist durch Umstellung und Änderung des Anbauverhältnisses innerhalb der Betriebe die Sicherstellung der wichtigsten Nahrungsmittel, die früher von außerhalb der jetzigen Grenzen des Generalgouvernements eingeführt worden waren, ins Auge gefasst worden. Allein der Anbau der Zuckerrübe wurde von 7 500 ha auf 13 500 ha erhöht. Ebenso wurde der Ölfruchtanbau von 4 500 ha auf 7 000 ha gesteigert, was zur Schließung der Fettlücke wesentlich beigetragen hat. Der Gemüseanbau wurde auf 11 000 ha ausgedehnt und dadurch eine große Erleichterung für die Versorgung Warschaus geschaffen. Wenn es gelungen ist, bereits in den ersten Jahren die Erzeugung wesentlich zu steigern, so ist dies zu einem grossen Teil auf die Maßnahmen der Liegenschaftsverwaltung zurückzuführen. Die Liegenschaftsverwaltung hat das gesamte landwirtschaftliche Vermögen des ehemaligen polnischen Staates, den herrenlosen landwirtschaftlichen Besitz und insbesondere auch die jüdischen Betriebe erfasst. Darüber hinaus erfolgte die Übernahme solcher landwirtschaftlicher Betriebe, die hoch verschuldet waren und bei denen eine ordnungsmässige Weiterbewirtschaftung nicht gesichert war. Insgesamt sind bisher im Distrikt Warschau 244 Güter mit einer Gesamtfläche von 74 128,65 ha und etwa 2 000 Umsiedlungsbauernwirtschaften mit 15 000 ha Gesamtfläche übernommen worden, so dass sich die Gesamtfläche aller bisher übernommenen Betriebe auf rund 90 000 ha beläuft, wovon die Hälfte etwa als landwirtschaftliche Nutzfläche bezeichnet werden kann. In welch verwahrlostem Zustand die Güter der Liegenschaftsverwaltung übergeben wurden, ergibt sich aus folgendem geradezu klassischen Beispiel: Von einem ehemals jüdischen landwirtschaftlichen Großbetrieb, der eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 1 020 ha aufwies, wurden im Jahre 1940 nur 11 Getreideschober geerntet. Unter der Regie der Liegenschaftsverwaltung hatte das gleiche Gut im Jahre 1941 bereits 64 Getreideschober aufzuweisen, was einer Steigerung um fast 600% entspricht. Nach dem Jahresabschluss von 1940/41 erforderten von 109 selbstbewirtschafteten Betrieben 105 einen Zuschuss von rund 8 Millionen [189-192=Fotos] [193] Zloty. Auch der Voranschlag für 1941/42 sieht einen Durchschnittszuschuss von 250 Zloty je ha landwirtschaftlicher Nutzfläche vor. Der Bestand an lebendem und totem Inventar musste überall ergänzt werden. An größeren Maschinen wurden bis zum 31. 3. 1942 über 60 Trecker und 30 Dreschmaschinen gekauft. Weitere Bestellungen auf Großmaschinen laufen. Der Besitz an Nutzvieh ist in den meisten Betrieben noch vollkommen unzureichend. Eine Erhöhung auf den Normalbesitz ist jedoch nicht möglich, da noch nicht genügend wirtschaftseigenes Futter erzeugt werden kann. Wie günstig sich der Viehbestand infolge der Maßnahmen der Liegenschaftsverwaltung erhöht hat, zeigt folgende Aufstellung: Es waren auf den Liegenschaftsgütern vorhanden:
Trotz der in den letzten Jahren aufgetretenen Schwierigkeiten, sei es in der Versorgung von Saatgut, Kunstdünger oder anderen landwirtschaftlichen Bedarfsartikeln, ist doch ein erfreulicher Fortschritt zu verzeichnen, wenn es auch noch längerer Zeit bedarf, bis alle Betriebe normal laufen.
3. Bodenordnung und Wasserwirtschaft Neben den Maßnahmen, die der laufenden Bewirtschaftung des Bodens dienen, muß alles getan werden, um die gesamte Struktur der landwirtschaftlichen Nutzfläche zu bessern. In dieser Hinsicht kommt der Bodenordnung und der Wasserwirtschaft eine besondere Bedeutung zu, weil erst nach Durchführung ihrer Maßnahmen eine wirklich bleibende Leistungssteigerung der vorhandenen landwirtschaftlichen Nutzfläche erzielt werden kann. [194] In einem großen Teil des Distrikts Warschau ist, wie schon erwähnt, eine Unzahl von Kleinstbetrieben vorhanden, die aus vielen kleinen Splitterparzellen bestehen. Die Entwicklung zu dieser Struktur liegt in der fehlerhaften Agrarpolitik der früheren Regierung, die es nicht zu verhindern wußte, daß bäuerliche Betriebe von Generation zu Generation im Wege der Erbteilung immer wieder zerschlagen wurden. Der Beginn dieser Entwicklung fällt in das Jahr 1864, in dem durch einen Erlaß des Zaren die bäuerliche Gutsuntertänigkeit aufgehoben wurde und die Bauern das Recht erhielten, über ihren Grund und Boden frei zu verfügen. Neben der Erbteilung hat naturgemäß seit dieser Zeit ein freier Grundstücksverkehr eingesetzt, der, durch keine gesetzlichen Vorschriften gehemmt, ebenfalls zur Grundstückszersplitterung führte. Erst im Jahre 1891 wurde ein Gesetz erlassen, durch welches das Verfügungsrecht über das durch den Zarenerlaß entstandene Grundeigentum eingeschränkt wurde. Im Jahre 1919 folgt dann eine der deutschen Grundstücksverkehrs-Bekanntmachung von 1918 ähnliche Verordnung, wonach die Kaufverträge genehmigungspflichtig waren, die sich auf Betriebe von über 10 ha bezogen. Damit war jedoch das Grundübel, die reale Erbteilung sowie der freie Verkauf kleiner Grundstücke, in keiner Weise beseitigt, sondern die Zustände wurden nachgerade unhaltbar. Um eine grundlegende Änderung herbeizuführen, wurde im Jahre 1920 eine Agrarreform eingeleitet, die in mehreren Gesetzen ihren Ausdruck fand, die aber wieder nur geringen Erfolg hatte. In diesen Reformgesetzen wurde eine Höchstgrenze von einigen 100 ha festgesetzt, die in einer Hand vereinigt sein durften. Der Bodenüberschuß wurde parzelliert oder im Wege der Anliegersiedlung vergeben. Gleichzeitig sollten Umlegungsverfahren stattfinden und so lebensfähige Betriebe hergestellt werden. Es sind im Distrikt Warschau bisher etwa 62 000 ha Privatgrundstücke und 7 685 ha Staatsland parzelliert und verteilt worden. Da aber auf der anderen Seite die Erbteilung ungehindert ihren Fortgang nahm, war auch dieser Agrarreform kein Erfolg beschieden. Auch ein im Jahre 1932 ergangenes Belastungs- und Teilungsverbot, das sich allerdings nur auf Parzellierungsgrundstücke erstreckte, konnte keine Besserung der Agrarverhältnisse herbeiführen. Desgleichen blieben die durch die Umlegungsverfahren geschaffenen Verbesserungen nur kurze Zeit bestehen, da unmittel- [195] bar nach ihrer Durchführung die Zersplitterung wieder einsetzte. So findet man heute noch landwirtschaftliche Betriebe, die nicht nur aus sehr vielen Parzellen bestehen, sondern die auch zu den einzelnen Grundstücken bis zu 10 km Weg zurückzulegen haben. Die einzelnen Parzellen bestehen dann wieder aus kilometerlangen Streifen von ganz geringer Breite. Nach Errichtung des Generalgouvernements wurde daher als eine der ersten Maßnahmen der Grundstücksverkehr nach einheitlichen Richtlinien geregelt. Es wurde bestimmt, daß bestehende Großbetriebe nicht weiter in Teilflächen zerstückelt werden und daß Kleinbetriebe von 3 - 5 ha nicht durch Abverkauf oder durch Aufteilung an die erbberechtigten Kinder in noch kleinere Einheiten zerrissen werden. Auch die bereits abgeschlossenen Parzellationsverfahren, die noch nicht ins Grundbuch übernommen sind, werden nicht weitergeführt und sollen nach Möglichkeit rückgängig gemacht werden. Nachdem so zunächst der Grundstücksverkehr durch die Verordnung über den Verkehr mit Grundstücken im Generalgouvernement vom 27. 3. 1940 geregelt war, konnten die Umlegungsarbeiten wieder mit Erfolg aufgenommen werden. Es war vorerst nicht leicht, die Umlegungsverfahren, die von den polnischen Dienststellen begonnen waren, weiterzuführen, da die ausführenden Landmesser und Ingenieure vielfach gefallen oder geflüchtet waren, wichtige Pläne und Akten im Laufe der Kriegshandlungen verlorengegangen sind, so daß die Hauptaufgabe zunächst darin bestand, die verbliebenen Fachkräfte aufzusuchen und wieder zusammenzufassen und den Stand der alten Umlegungsarbeiten zu ermitteln. Erst danach konnten die Arbeiten im Gelände wieder aufgenommen werden. Die Arbeiten erstreckten sich bald auf 235 Objekte mit einer Gesamtfläche von 135 000 ha. Von dieser Fläche konnten bereits 72 Objekte mit einer Gesamtfläche von etwa 29 000 ha fertiggestellt werden. Neben der Durchführung der Kleinumlegungsverfahren werden Arbeiten in neuen Großumlegungsgebieten in Angriff genommen, wovon eins im Kreise Grojec bereits ziemlich weit fortgeschritten ist, und zwar in einer Größe von 20 000 ha, während das zweite im Kreise Sochaczew in einer Größe von 15 000 ha der Neuordnung unterliegt. Es ist ohne weiteres verständlich, daß man eine grundlegende Neuordnung der Besitzverhältnisse in einem kleinen Gebiet nur unvollkommen durchführen kann, wenn - wie bereits erwähnt - die zu einer Wirtschaft gehörigen Grundstücke 10 - 15 [196] km voneinander entfernt liegen. Das gleiche gilt für die Neuregelung der Wege- und Verkehrsverhältnisse, die selbstverständlich nur im großen Maßstab durchgeführt werden kann. Weiterhin befinden sich in fast allen Sammelgemeinden viele Grundstücke, deren Eigentümer in Nachbargemeinden oder in benachbarten Städten ihren Wohnsitz haben. Auch hier ist in einem Kleinumlegungsverfahren keine grundlegende Regelung möglich. Auch die Bodenverbesserungs- und Meliorationsarbeiten, die in einem erheblichen Umfange erforderlich sind und die zunächst immer den Ausbau der dazu gehörigen Vorfluter zur Voraussetzung haben, erfordern die Ausweisung von möglichst großen Neuordnungsgebieten. Bei den Umlegungsverfahren müssen in sehr großem Umfange Meliorationsarbeiten durchgeführt werden. Diese Aufgabe obliegt der Wasserwirtschaft, deren Maßnahmen für die Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung außerordentlich wesentlich sind. Zum Aufgabengebiet der Wasserwirtschaftsverwaltung gehören:
Auf Grund von Bauprogrammen, die schon im Winter 1939/40 eingereicht worden waren, wurden der Wasserwirtschaftsverwaltung durch den Generalgouverneur für das Jahr 1940 erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt. Von der Gesamtsumme, die sich auf 57 Millionen
Die Finanzierung von Bauvorhaben ist im Generalgouvernement von vornherein grundsätzlich anders gehandhabt worden als im Reich. Im Reich kommen als Träger von Landeskulturmaßnahmen nur Wasser- und Bodenverbände in Frage, die im allgemeinen nur einen kleinen Teil des Baukapitals durch Eigenleistung aufbringen, während der übrige Teil als Darlehen von einem Kreditinstitut und als verlorener Zuschuß vom Reich bzw. vom Staat gegeben wird. Im Generalgouvernement tritt der Staat selbst als Träger auf, führt die als richtig erkannten Meliorationen auf seine alleinigen Kosten durch und bildet später Verbände, die einen Teil des Geldes verzinsen und zu tilgen haben. Es ist dies ein in jeder Weise einfacher Weg, der auch sofort den Beginn der Arbeiten ermöglicht. Mit einer weiteren Melioration, der Dränung, war es zu polnischer Zeit ebenfalls sehr schlecht bestellt. Die Dränung, eine sehr wichtige und auch sehr schnell wirkende Melioration, ist in der Lage, bei richtiger Anwendung den Ertrag auf einem Hektar um 8 dz Getreide oder um 60 dz Kartoffeln im Mittel zu steigern. Die Dränung ist in Polen bereits im Jahre 1930 völlig zum Erliegen gekommen, weil sie nach dem Preissturz für alle landwirtschaftlichen Erzeugnisse in Polen nach liberalistischen Gesichtspunkten nicht mehr rentabel war. So war es hierbei besonders schwierig, in Gang zu kommen, da keine Ziegelei auf die Produktion von Dränröhren eingestellt war und gelernte Dränarbeiter wie auch Spezialhandwerkszeug nur schwer zu finden waren. Trotzdem ist es aber auch hier überraschenderweise gelungen, der Schwierigkeiten Herr zu werden und etwa 32 verschiedene Vorhaben mit insgesamt 3 400 ha zu dränieren. Im gesamten Distrikt wurde von der Wasserwirtschaft im Jahre 1940 auf über 100 Baustellen gearbeitet. 46,7 km Deiche waren im Bau, 134,7 km Flüsse wurden reguliert und 682,2 km Gräben aus- [201] gebaut. Dabei wurden 1 771 555 cbm Erde bewegt. An Befestigungen wurden 22 479 cbm Faschinen eingebaut, 149 km Flechtzäune gezogen, 360 000 qm Böschungen mit Rasen belegt und 6 265 qm durch Pflasterung befestigt. 190 Stück Durchlässe mit insgesamt rund 1 000 lfd. m Länge wurden verlegt, 11 massive und 25 Holzbrücken gebaut, 140 Sohlschwellen, davon 12 aus Beton, hergestellt, 660 ha zu nassem Ackerland gedränt, wobei rund 400 000 lfd. m Dränstränge gegraben werden mußten, 7 Beton- und rund 4 Holztaue werden erbaut. Umgebrochen, gedüngt und angesät wurden 1 100 ha, ferner noch 500 ha gepflügt. Insgesamt wurden bei diesen Arbeiten 660 000 Tagewerke geleistet. Die Gesamtkosten beliefen sich auf rund 10 000 000 Zloty. Im Winter 1940/41 wurden weiterhin Entwürfe aufgestellt und geprüft, um für das nächste Jahr einen genügenden Arbeitsvorrat zu haben. Bei den Arbeiten der Wasserwirtschaft wurden im Jahre 1941 Juden aus dem Warschauer jüdischen Wohnbezirk in größeren Mengen eingesetzt. Mit den Juden machte man aber schlechte Erfahrungen. Rund 50% waren arbeitsunfähig, ein weiterer Teil wurde krank. Die Arbeitsleistung der verbleibenden Juden war derartig gering, daß allein die Kosten für die Verpflegung höher waren als das Entgelt, das die Juden verdienten. Statt der Juden werden in Zukunft russische Kriegsgefangene zur Arbeit herangezogen werden. Es ist selbstverständlich, daß durch alle diese auf Jahre und Jahrzehnte berechneten Arbeiten die jetzt vorhandenen Ernährungsschwierigkeiten nicht sofort behoben werden können; denn es ist unmöglich, in wenigen Jahren Aufbauarbeit das einzuholen, was in hundert Jahren Russenzeit und 20 Jahren polnischer Republik versäumt worden ist. Die deutsche Verwaltung hat sich aber das Ziel gesetzt, im Laufe der Jahre das Generalgouvernement landwirtschaftlich so umzugestalten, daß es die ihm gestellte Aufgabe, die auf seinem Gebiet lebenden Menschen ohne Zuschüsse aus dem Reich oder aus anderen Gebieten zu ernähren, hundertprozentig erfüllen kann. Das Generalgouvernement hat in seinen Tiefen keine nennenswerten Vorkommen an Kohle oder an Erzen. Sein Boden ist sein größter Reichtum. In diesem Boden schlummern noch heute unendliche Erzeugungsreserven, die in der Zeit einer polnischen Mißwirtschaft nicht genutzt worden sind. [202] Diesen vorhandenen Reichtum des Bodens zu erschliessen, ist die große Zukunftsaufgabe, die uns Deutschen gestellt ist. Die dabei erzielten Anfangserfolge bieten die Gewähr dafür, daß dies große Ziel von Jahr zu Jahr immer mehr erreicht wird.
1[Anm. d. Scriptorium: der Originaltext ist an dieser Stelle unvollständig und mußte aus dem Zusammenhang rekonstruiert werden.] ...zurück...
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