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Adolf Hitlers Friedenspolitik

Die Bemühungen des Führers um eine Verständigung mit England, so sahen wir, entwickelten sich im Rahmen seiner Revisionspolitik seit 1933. Die Revisionspolitik aber, wie Adolf Hitlers Außenpolitik überhaupt, war in ihren Grundelementen eine Friedenspolitik. Die Versuche zur Verständigung mit England bildeten einen Teil und das Hauptstück seiner Friedenspolitik. Es genüge, hier an bekannte Tatsachen zu erinnern.

Die Außenpolitik des Führers ging aus von den Tatsachen des Völker- und Staatslebens, wie sie der Versailler Friedensvertrag vertragsbrüchig gestaltet hatte. Dieser Diktatvertrag schuf einen unerträglichen Unterschied zwischen den bevorrechtigten Nationen der Siegerpartei und den entwaffneten oder minderberechtigten Weltkriegsunterlegenen. Er hielt die Einteilung der Völker fest in angeblich friedfertig-tugendhafte und solche, die es nicht sind - so wie es einmal die völkerverhetzende Kriegspropaganda des Weltkrieges wollte. Dieser Diktatvertrag entehrte Deutschland, verbot ihm die nationale Selbstverteidigung; zerstückelte den deutschen Volkskörper. Er ließ den deutschen Lebens- und Wirkraum verkümmern, schuf künstliche Spannungen rings um Deutschland und errichtete namentlich an seinen Ostgrenzen künstliche Staatsgebilde, die die Aufgabe hatten, als Erbfeinde Deutschlands über seine Ohnmacht zu wachen. Dieses Diktat bewirkte in Mitteleuropa einen Dauerzustand, den einer seiner Urheber (Clemenceau) treffend als "Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln" bezeichnete.

So war denn die Außenpolitik des Führers auf ein doppeltes Ziel gerichtet. Einerseits auf Revision des Versailler Diktates, als Wiedergutmachung des Unrechts von Versailles. Zugleich aber auf die Wiederherstellung eines wirklichen und gerechten Friedens in Europa - des Friedens also insbesondere mit den Gegnern des deutschen Revisionsanspruchs: mit den vormaligen Kriegsgegnern. Die Tatsachen dieser Revisions- und Friedenspolitik, ihre Erfolge wie die vergeblichen Friedensbemühungen, und die Friedensopfer, die Deutschland dabei vollzog oder anbot - das alles liegt heute im hellen Licht der Geschichte. Es sei nur erinnert an den deutschen Verzicht auf Südtirol; an den Verzicht auf Elsaß-Lothringen; an die Anerkennung der Grenzen gegenüber Belgien, Jugoslawien; an den Nichtangriffsvertrag mit Dänemark; und an die deutschen Verzichte, die sich in alledem bergen (nachzulesen im deutschen Weißbuch, Dokum. 1939 [Anm. 1], Kap. 3). Oder etwa an die Zurücknahme der deutschen Volksgruppen aus den baltischen Staaten. Und schließlich an den deutschen Vorschlag einer Regelung des Danzig-Korridor-Problems vom August 1939, der weitgehende deutsche Verzichte enthielt. Dem entsprechen die Elemente von Verzicht und Friedensopfer, zu denen Deutschland sich in seinen Bemühungen um Verständigung mit England bereit zeigte.

Die Verständigungspolitik Adolf Hitlers galt in erster Linie den vormaligen Kriegsgegnern, andererseits den unmittelbaren Nachbarn Deutschlands. Zu beiden Kategorien von Mächten gehörte England. "Verständigungspolitik" im prägnanten Sinne des Begriffs bedeutet: Verständigung mit einem Gegner.82 Wie sich der Führer um die moralische Abrüstung des Kriegshasses zwischen den vormaligen Weltkriegsgegnern bemühte, vor allem die Ideologien von Erbfeindschaft, Revanche zwischen Deutschland und Frankreich bekämpfte, ist bekannt.

Man kann die Verständigungspolitik des Führers rund um den deutschen Lebensraum geradezu als Politik der guten Nachbarschaft kennzeichnen. Darüber hinaus aber ging die Reihe von Vorschlägen zur Organisation von Frieden, Sicherheit, Zusammenarbeit zwischen den Völkern (oder Staaten), die der Führer an die Weltöffentlichkeit machte - so namentlich das Friedensprogramm der dreizehn Punkte in der Rede vom 21. Mai 1935; der deutsche Friedensplan vom 7. und 31. März 1936; die acht Thesen zur Friedenspolitik vom 30. Januar 1937; und schließlich das Friedensangebot vom 6. Oktober 1939. Diese deutschen Friedenspläne wandten sich in erster Linie an die Völkerwelt Europas. Darüber hinaus bemühte sich Deutschland um Frieden und Freundschaft auch mit den fernen Mächten, den "Neutralen" des Weltkrieges wie den vormaligen Weltkriegsgegnern.

Soweit die Tatsachen im Umriß. Eine systematische Darstellung, Analyse und Würdigung dieser Revisions- und Friedenspolitik Adolf Hitlers, und damit seiner Versuche zur Verständigung mit England, würde ein Eingehen auf das Grundsätzliche dieser Politik verlangen.

Es ist in aller Welt anerkannt: daß die überlegene Staatskunst des Führers eine Reihe kriegsgefährlicher "Fragen" löste, eine Reihe von Revisionen ohne Blutvergießen vollzog, die zuvor nach allgemeiner Annahme nicht ohne Krieg möglich schienen. "Friedliche Revision" also oder "peaceful change" im faktischen Sinne des Blutsparens. Ebenso wichtig aber ist der Gehalt dieser Revisions- und Verständigungspolitik an eigentlich rechtlichen Friedensgrundsätzen, der gerade an der Verknüpfung von Revisions- und Verständigungspolitik in der England-Politik Adolf Hitlers recht deutlich zum Ausdruck kommt.

Es braucht nur erinnert zu werden etwa an die Revisionsgeschichte der Versailler Bestimmungen über die Entwaffnung Deutschlands. Der Führer brachte hier - wie wir sahen - den deutschen Revisionsanspruch vor in der Form von gütlichen Vorschlägen zu einer vergleichsweisen Regelung. Sie wurden abgelehnt, und er beschränkte nun die vollzogene Revision jenes Entwaffnungs-Statutes freiwillig durch den vergleichsartigen Vorschlag der deutsch-englischen Flottenkonvention. Es entspricht dies beides dem rechtlichen Grundsatz: daß der Selbsthilfe ein Güteangebot vorangehen soll.83 Daß dem Vorschlag, den maritimen Lebensraum Englands und den kontinentalen Lebensraum Deutschlands gegeneinander abzugrenzen, der Grundsatz der Nichtintervention zugrunde liegt, der auch sonst ein Grundsatz von Adolf Hitlers Friedenspolitik ist,84 erwähnten wir gleichfalls schon. Daß seine Bemühungen um die Verständigung mit England einen Anwendungsfall des Prinzips der "unmittelbaren Verständigung"85 darstellen - ein Hauptgrundsatz seiner Friedenspolitik - ist öfters erörtert worden. Eingehende rechts- und friedenswissenschaftliche Analyse des Sachverhaltes der deutsch-englischen Verständigungspolitik und Würdigung der Friedenspolitik Adolf Hitlers86 würde über den Rahmen unserer Betrachtungen hinausgehen.

Inzwischen ist nun der Kriegsschuldstreit zum Weltkrieg entbrannt, in dem die Möglichkeiten deutsch-englischer Verständigung und die Friedenspolitik des Führers überhaupt eine zentrale Rolle spielen, und also eine grundsätzliche Würdigung unter dem Gesichtspunkt der rechtlich-moralischen Wertmaßstäbe des Kriegsschuldstreites erforderlich wird. Es ergeben sich hier weitere Aufgaben der Kriegsschuld- und Kriegsursachenforschung oder der Rechts- und "Friedenswissenschaft", die für die künftige Neuordnung der Welt Urteil und Lehren der Geschichte festzustellen unternimmt.


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Anmerkungen

82Vgl. Nationale Friedenspolitik, S. 600ff. ...zurück...

83Insofern die Revision des Entwaffnungsstatutes eine Wiederherstellung des Rechtes der nationalen Selbstverteidigung darstellt, liegt hier auch ein Anwendungsfall des Grundsatzes vor: daß der Ausübung des Notwehrrechtes ein Güteversuch vorangehen soll. ...zurück...

84Vgl. Rogge, a.a.O. (Anm. 80), S. 11f. ...zurück...

85Vgl. Rogge, a.a.O. (Anm. 80), S. 67ff. Hahn, Grundfragen europäischer Ordnung, 1939, S. 155ff. Über das Prinzip der Sicherheitspolitik: Das beste Mittel der Sicherheit gegenüber einem versöhnungsfähigen Gegner ist, sich mit ihm zu vertragen, vgl. Rogge, a.a.O. (Anm. 16). ...zurück...

86Vgl. einstweilen außer vorgenanntem Schrifttum über Hitlers Friedenspolitik noch: Dietze, "Europa als Rechtseinheit," Zeitschrift f. Völkerrecht, 1936, S. 290ff.; v. Freytagh-Loringhoven, a.a.O. (Anm. 13); (O. N.), "Der Kampf des Führers um den Frieden," Die Aktion, 1939, S. 10ff. Auch Rogge, a.a.O. (Anm. 16), S. 168ff., 233ff., 235ff. ...zurück...


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Hitlers Versuche zur Verständigung mit England