Teil III - Politische BestimmungenAbschnitt VIII - Polen
Anlage
§ 1.
Mit Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags und zwar längstens binnen zwei Wochen haben die deutschen Truppen und die deutschen Behörden, die von dem im § 2 genannten Ausschuß bezeichnet werden, die Zone, in der die Volksabstimmung stattfindet, zu räumen. Bis zur völligen Räumung haben sie sich aller Beitreibungen in Geld oder Naturalien und aller Maßnahmen zu enthalten, wodurch die wirtschaftlichen Interessen des Landes beeinträchtigt werden könnten.
Binnen derselben Frist werden die in dieser Zone bestehenden Arbeiter- und Soldatenräte aufgelöst; ihre Mitglieder, die aus einer anderen Gegend stammen und ihr Amt bei Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags noch ausüben oder es nach dem 1. März 1919 niedergelegt haben, fallen gleichfalls unter die Räumungsvorschrift.
Sämtliche militärischen und halbmilitärischen Vereine, die in der genannten Zone von den Einwohnern gebildet worden sind, werden unverzüglich aufgelöst. Die in der genannten Zone nicht wohnhaften Vereinsmitglieder haben die Zone zu räumen.Die Zone der Volksabstimmung wird unverzüglich einem internationalen Ausschuß von vier Mitgliedern unterstellt, die durch die Vereinigten Staaten von Amerika, Frankreich, das Britische Reich und Italien ernannt werden. Sie wird von den Truppen der alliierten und assoziierten Mächte besetzt. Die Deutsche Regierung verpflichtet sich, die Beförderung dieser Truppen nach Oberschlesien zu ermöglichen.
§ 3.Der Ausschuß besitzt außer in gesetzgeberischer oder steuerlicher Hinsicht alle Befugnisse der deutschen oder preußischen Regierung. Außerdem tritt er an Stelle der Regierung der Provinz oder des Regierungsbezirks.
Er ist selbst für die Auslegung der ihm durch die gegenwärtigen Bestimmungen übertragenen Befugnisse zuständig und hat selbst zu bestimmen, inwieweit er diese Befugnisse auszuüben oder den bestehenden Behörden zu belassen gedenkt.
Abänderungen der bestehenden Gesetze und Steuern treten nur mit Zustimmung des Ausschusses in Kraft.
Die Ordnung wird durch den Ausschuß mit der Hilfe der zu seiner Verfügung stehenden Truppen und, soweit er es für nötig hält, von einer aus den Einwohnern [franz. Text: "aus Leuten, die aus dem Lande stammen"] gebildeten Polizei aufrechterhalten.
Der Ausschuß hat unverzüglich für den Ersatz der von der Räumungsvorschrift betroffenen deutschen Behörden zu sorgen und gegebenenfalls selbst insoweit die Räumung anzuordnen und den Ersatz der etwa in Frage kommenden Ortsbehörden in die Wege zu leiten.
Er hat alle Maßnahmen zu treffen, die er zur Sicherung einer freien, unbeeinflußten und geheimen Stimmenabgabe für erforderlich erachtet. Er darf insbesondere die Ausweisung jeder Person verfügen, die irgendwie das Ergebnis der Volksabstimmung durch Bestechungs- oder Einschüchterungsmachenschaften zu fälschen versucht.
Der Ausschuß hat Vollmacht zur Erledigung sämtlicher Fragen, zu denen die Ausführung der gegenwärtigen Bestimmungen Anlaß geben kann. Er hat technische Berater, die er sich selbst unter der örtlichen Bevölkerung auswählt, zur Hilfeleistung heranzuziehen.
Der Ausschuß entscheidet mit Stimmenmehrheit.
§ 4.Die Abstimmung findet nach Ablauf einer von den alliierten und assoziierten Hauptmächten festzusetzenden Frist statt, indes nicht früher als sechs und nicht später als achtzehn Monate nach dem Amtsantritt des obengenannten Ausschusses in der Zone.
Stimmberechtigt ist jede Person ohne Unterschied des Geschlechts, die den nachstehenden Bedingungen genügt:
a) sie muß am 1. Januar des Jahres, in dem die Volksabstimmung stattfindet, das zwanzigste Lebensjahr vollendet haben;
b) sie muß in der Zone, in der die Volksabstimmung stattfindet, geboren sein oder dort seit einem von dem Ausschuß festzusetzenden Zeitpunkt, der aber nicht nach dem 1. Januar 1919 liegen darf, ihren Wohnsitz haben oder von den deutschen Behörden ohne Beibehaltung des Wohnsitzes in der Zone ausgewiesen worden sein.
Den wegen politischer Straftaten Verurteilten muß die Ausübung ihres Stimmrechts ermöglicht werden.
Jeder stimmt in der Gemeinde, in der er seinen Wohnsitz hat oder, wenn er seinen Wohnsitz nicht in dem Gebiete hat, in der Gemeinde, in der er geboren ist.
Das Abstimmungsergebnis wird gemeindeweise, und zwar nach der Stimmenmehrheit in jeder Gemeinde, festgestellt.
§ 5.Nach Beendigung der Abstimmung teilt der Ausschuß den alliierten und assoziierten Hauptmächten die Anzahl der in jeder Gemeinde abgegebenen Stimmen mit und reicht gleichzeitig einen eingehenden Bericht über die Wahlhandlung sowie einen Vorschlag über die Linie ein, die in Oberschlesien unter Berücksichtigung sowohl der Willenskundgebung der Einwohner als auch der geographischen und wirtschaftlichen Lage der Ortschaften als Grenze Deutschlands angenommen werden soll.
§ 6.Sobald die Grenzlinie von den alliierten und assoziierten Hauptmächten festgelegt ist, hat der Ausschuß den deutschen Behörden mitzuteilen, daß sie die Verwaltung des als deutsch anzuerkennenden Gebiets wieder zu übernehmen haben; die bezeichneten Behörden haben dies im Laufe des auf diese Benachrichtigung folgenden Monats in der vom Ausschuß vorgeschriebenen Weise zu tun.
Innerhalb derselben Frist hat die polnische Regierung in der von dem Ausschuß vorgeschriebenen Weise für die Verwaltung des als polnisch anzuerkennenden Gebiets zu sorgen.
Sobald die Verwaltung des Landes in solcher Weise von den deutschen und polnischen Behörden sichergestellt ist, erlöschen die Befugnisse des Ausschusses.
Die Kosten der Besetzungstruppen und die Ausgaben des Ausschusses für seine Geschäftsführung sowie für die Verwaltung der Zone werden aus den örtlichen Einnahmen bestritten.