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Volksdeutsche Soldaten unter Polens Fahnen. 
Tatsachenberichte von der anderen Front aus 
dem Feldzug der 18 Tage
[85]
Der Totentanz an der Bzura
Soldat Eugen Jeschke, Litzmannstadt

An der Bzura.

15 Nächte Gewaltmarsch hinter uns.

15 Nächte voll grausig-widerlicher Szenen.

Nächte, in denen Menschen zu Bestien, stille Dörfer zu Trümmerhäufen, deutsche Männer, Frauen und Kinder zerhackt, erschossen, geschändet und verbrannt wurden. Ohnmächtig mußte ich zusehen, wie man wehrlose und unschuldige Volksgenossen buchstäblich abschlachtete.

Das sind die ruhmreichen Tage des Regimentes, in dessen Reihen ich die "Ehre" habe, mitzumarschieren.

Täglich aber beim Weiterflüchten zeigt das dumpf grollende Donnern hinter uns an, daß die Rache auf dem Fuße folgt und daß einmal das Ende kommen muß, an dem die Rechnung für alle Greuel und Schandtaten präsentiert werden wird.

Das bitterste: wir Volksdeutschen im polnischen Heere werden sie mit bezahlen müssen.


15. September.

Unsere Kompanie hat in einem Dorfe nördlich der Bzura halt gemacht. Der Kapitän läßt uns antreten und liest einen Befehl vor: "Soldaten, das polnische Heer hat bisher an allen Fronten Erfolge zu verzeichnen. Wir haben über 600 deutsche Soldaten gefangengenommen, 70 Tanks unschädlich gemacht und viele Flugzeuge vernichtet. Vor uns liegt die deutsche Armee, eingeschlossen von unseren vier Divisionen nördlich der Bzura, im Süden von weiteren drei Warschauer Divisionen. Unsere Aufgabe besteht darin, den Feind, sofern er die Bzura überschritten hat, zurückzuschlagen und restlos zu vernichten. Daraufhin vereinigen sich alle sieben Divisionen und marschieren vereint auf Skierniewice, Lodz, Breslau und Berlin!"

Dieser Befehl wirkt elektrisierend auf die Kompanie. Wir [86] sollen also in die erste Linie eingesetzt werden. Das gibt ein aufgeregtes Durcheinander. Jeder unnötige Ballast wird aus den Tornistern geworfen, die letzten Konserven heruntergeschlungen und dabei großartige Redensarten geführt. Zwar fluchen die meisten auf die idiotische Oberführung, die uns von März an Befestigungslinien bauen ließ und jetzt nach diesen Gewaltmärschen zum Sturm führen will. Andere sitzen grün und gelb im Gesicht da, lassen ihre großen Nasen hängen und halten ihr sonst so großes Maul geschlossen. Welche sitzen auch still in einer Ecke und lesen in der kleinen Feldbibel.

Ich stehe abseits hinter einer Scheune und kaue an einem Zwieback. Für mich ist die Sache klar. Endlich werde ich vor deutschen Truppen stehen. Da gibt's für mich nur eins: Vorwärts, entweder durch - oder... Ein Zurückbleiben kommt nicht in Frage.

So fiebern alle dem Abend entgegen. Gerade als deutsche Artilleriegeschosse ins Dorf einschlagen, gehen wir vor in die dunkle Nacht, in das Ungewisse, das der Morgen bringen wird.

Mein Herz schlägt laut. Stumm blicke ich auf das grausige Spiel der Geschützbatterien, die vor und hinter uns aufblitzen und deren Granaten zischend über uns hinwegsausen. Zwei brennende Dörfer vor uns und grelle Raketen beleuchten die stille Landschaft.

Unser Zug löst sich in drei Kolonnen auf. Mein Zug wird hinter einer Scheune versteckt. Dort warten wir auf das Morgengrauen.


16. September.

Beim ersten Dämmern gehen wir noch 500 Meter vor und verschanzen uns in einem kleinen Birkenwäldchen. Vom Feinde nichts zu sehen.

Da werden fünf deutsche Gefangene von unserer Patrouille eingebracht. Sie werden wie Wundertiere umringt und von allen Seiten betrachtet. Freudige Stimmung belebt die aufgeregten Gemüter. Also sind die Deutschen gar nicht so schlimm - sie lassen sich sogar gefangennehmen!... Ich denke: "Arme Jungen, was werden die erst mit euch machen, wenn wir die Schlacht verlieren." Da - ein dumpfes Donnern vor uns, [87] und zischend kommt es herangesaust: "Deckung, Deck..." Krach! Wum! - Krach!

Wie leblos liegt alles am Boden. Zerfetzte Bäume, Dreck und Rauch hüllen uns ein. Ich hebe den Kopf aus dem Sande, möchte was sagen, da kommt schon die zweite Serie Granaten brausend herangezischt, krepiert vor uns. Blitzartig sausen mir die Gedanken durch den Kopf: "Verdammt - wir sind zu weit vorgegangen, die können uns ja treffen. Ein Befehl muß kommen - zurück, nur zurück, vorn ist der Tod!"

Da kommt auch der Befehl - der Kapitän brüllt ihn heraus: "Vorwärts, vorwärts, heraus aus dem Wäldchen, hundert Meter vor, ehe es uns erwischt!"

Ist der Mensch verrückt - oder ist das Krieg? Ich schaue nach vorn, ein kurzes Zaudern, dann jage ich los. Raus aus dem Wäldchen! Da - ein fernes Zischen, grad auf uns zu. Schon liege ich auf der Erde und kralle mich fest. Da saust es über mich hinweg und schlägt hart hinter unserer Linie auf. Die meisten aber sind durch.

Plötzlich ein dumpfes Aufbrüllen hinter uns, und über unsere Köpfe hinweg sausen die Granaten der polnischen Artillerie auf die deutschen Stellungen.

Das ist ein Zeichen für unser Vorgehen. In hastigen Sprüngen, von unserem Kompanieführer aufgepeitscht, geht es los. Zwanzig Meter, dreißig, vierzig, das MG.-Feuer wird immer stärker, der Kugelregen immer dichter. Schon brechen die ersten Opfer zusammen. Hilferufe und Todesschreie gellen durch die Luft, vermischen sich mit wütenden Kommandos zu einem heillosen Wirrwarr. Ich liege als Vorderster der Linie in einem Granattrichter und schöpfe Atem. Zwei Meter links, etwas hinter mir, liegt mein Mannschaftsführer. Eben geht er in die Höhe, brüllt: "Vorwärts!", da sackt er auch schon zusammen. Ein guter Kerl war es, ich rufe ihn an, aber er rührt sich nicht.

Nun halte ich es in diesem Gejammere und Getöse und Vorwärtsgebrülle nicht mehr aus...

Da erhebt der Korporal den Kopf wieder. In seinem blutbeschmierten Gesicht hängt ein blutiger Nasenstumpfen. Er reißt ihn mit einer Handbewegung ab, ergreift den Karabiner, [88] geht hoch und taumelt nach vorn. Da rase auch ich los, gehe an ihm vorbei, falle in ein Loch, gehe wieder hoch - nur raus, raus aus der Feuerlinie! Atemlos falle ich in einen Kartoffelacker, es geht doch nicht mehr. Pfeifend zischt das MG.-Feuer über mich hinweg. Langsam kommen noch einige andere vorgekrochen. Ein leichtes MG. mit seiner Bemannung ist es. Einer ist auch dabei, der auf mich aufpassen sollte. Jetzt schaut er mich mißtrauisch aus verängstigtem Gesichte an. Ich ziehe mein Gesicht in Lachfalten und denke: "Armer Junge, hast wohl jetzt mehr als genug zu tun, um auf deine eigene Person aufzupassen!" Dennoch fühle ich mich etwas sicherer zwischen einigen Lebewesen. So kommt der Abend. Eine schlaflose Nacht. Und blutiger Morgen.


17. September.

Wir sind kaum hundert Meter vor den deutschen Stellungen. Unsere MG.s beginnen zuerst zu bellen. Sinnlos. Krach muß sein, auch wenn der Deutsche nicht zu sehen ist! Da mischt sich wieder ein Pfeifen und Zischen in dieses Gebelle, schwillt an zu einem tosenden Orkan und saust auf uns direkt zu. Instinktiv kralle ich mich in die Erde, ein krachender Stoß, blitzschnell rolle ich wie ein Igel zusammen, spüre nur: ich habe noch beide Arme und Beine am Körper! Gott sei Dank... krach! Die Erde dreht sich, ich fliege in beißendem Qualm und Sand zwischen feurigen Ringen, ohne Atem, ohne Gedanken und... liege wieder auf der Erde festgekrallt. Das ist die zweite Granate, die kaum zwei Meter neben mir einschlug.

Und nun beginnt eine Hölle. Das schlimmste sind die paar Sekunden zwischen Leben und Tod, in denen man auf das Singen der herannahenden Granate horcht. In denen man sich in die Erde krallt, zusammenrollt, jeden Muskel und Nerv bis zum äußersten anspannt und atemlos darauf fiebert - trifft es dich - oder noch nicht...

Ich weiß nicht, wie lange ich so gelegen habe! Das Artilleriefeuer verlegt sich mehr und mehr nach rechts! Langsam hebe ich den Kopf und schaue mich um. Zwischen Granattrichtern liegen die Körper der Soldaten. Ob sie alle nicht mehr leben? Doch, [89] da hebt auch schon der Ukrainer Siurko den Kopf. Wir schauen uns stumm aus rot unterlaufenen, entzündeten Augen an. Was nun, was weiter?...

Fünf Mann im Kartoffelacker sind noch am Leben. Zwei Polen, ein Ukrainer, ein Jude und ich. Was links, rechts oder hinter uns ist, wissen wir nicht. Die vier möchten, daß wir zurückkriechen, raus aus der gefährlichen Zone. Ich muß natürlich vor... Es gelingt mir, die anderen zu überreden: "Kriechen wir nach hinten, dann müssen wir beim zweiten Sturmangriff sowieso wieder vor! Hat es uns bis jetzt nicht getroffen, trifft es uns beim zweiten Angriff, also warten wir ab und versuchen uns einzugraben!"

Gut, daß wir im weichen Kartoffelacker liegen. In fieberhafter Eile kratze ich mit den Händen eine Vertiefung, dann kann ich schon mit der Schaufel weiterarbeiten, und unter dem wieder einsetzenden Gekrache und Getose ist das Loch endlich so tief, daß ich in Hockstellung drin Zuflucht suchen kann.

Vertrauensvoller schaue ich nun in die Zukunft und beschließe, in diesem Loche abzuwarten, was das Schicksal mit mir vorhat.

Ich schaue auf die Uhr, es ist fünf Uhr früh. Zwei Stunden hat der Sturm gedauert. Jetzt müßte nach altem Brauch der deutsche Gegenangriff losgehen. Aber nichts rührt sich. Sooft ich mich aus dem Loche in die Höhe recke, grüßen mich die deutschen Kameraden gleich mit einigen gutgezielten MG.-Schüssen, so daß ich es vorziehe, wieder von der Oberfläche zu verschwinden und grollend in meinem Loch auszuharren.

Ich erinnere mich nun wieder meines Tornisters, der fünf Meter hinter mir im Acker liegt und in dem ich noch zwei schöne goldgelbe Zwiebacke habe. Die könnte ich jetzt gut verzehren! Langsam ziehe ich mich also aus dem Loch zum Tornister und schleife ihn zurück. Es glückt! Die MG.-Kugeln pfeifen über mich hinweg und können mich nicht treffen.

Wieder sitze ich im Loche, knabbere am Zwieback, und ein neuer Lebenswille kommt in meine Knochen. Ich fände es fast schön und romantisch hier - ja wenn da nicht eine Stimme hinter uns losgedonnert hätte: Warum wir nicht [90] schießen!? Schießen sollen wir, zum Donnerwetter, wenn nicht, dann würden sie von hinten auf uns schießen!

Da erinnere ich mich erst, daß auch ich einen Karabiner haben muß. Ich hatte ihn beim Vorkriechen als unnötigen Ballast liegen lassen. Gut, daß der Kapitän mich von seinem Versteck aus nicht sieht, sonst hätte er mir glatt dafür eine Pistolenkugel in den Kopf gepfeffert. Zwei Meter abseits liegt noch ein Gewehr, ich ziehe es schnell ins Loch, und feuere ein paar Schüsse in die Luft.

Inzwischen hat auch der Ukrainer sein leichtes MG. zurechtgemacht und feuert frisch drauf los. Ebenso die anderen drei, jedoch ganz ohne zu zielen.

Das hätten wir nicht tun sollen. Jetzt kommt die Antwort von drüben auf unseren Kartoffelacker herangezischt. Und nun ist wieder die Hölle los!

Gleich die erste Granate zerfetzt unseren Ukrainer am MG. Reißt ihm den Helm samt der Schädeldecke ab.

Eine Serie nach der anderen haut nun zwischen uns in den Kartoffelacker. Auch ein Pole wird mit zerschmettertem Schädel und Schulter aus dem Loche geworfen. Jetzt sind wir nur noch drei: Zwischen jeder Serie schreien wir uns zu: "Lebst du noch?"...

Und wieder ein Krachen. Feurige Ringe tanzen vor meinen Augen, die Brust wie zugeschnürt, mein Erdloch zugedrückt - ich bin im Sande verschüttet! Wie aus weiter Ferne höre ich rufen: "Jeschke, lebst du?" Ich antworte nicht, ich kann nicht, mir ist alles so einerlei: Nichts hören, nichts sehen, schlafen!

Krach! Krach! Krach!

Himmelherrgott! Jetzt hier alle die verfluchten Kriegshetzer in unsere Löcher stecken, dann gäbe es in fünf Minuten Frieden...

Krach! Krach! Krach!

Verdammt beißender Qualm. Was macht der Erwin, der Waldi, der Lehmann? Wo werden die stecken? Werden uns kaum wiedersehen.

Grausiges Schicksal! Deutsche Jungen, den deutschen Granaten ausgeliefert, keine Möglichkeit, sich als Deutscher er- [91] kenntlich zu machen, nur sitzen und warten, warten, bis es dich trifft. Dann hast du Ruhe, dann werden die anderen warten, warten und warten - auf dich...

Krach! Krach! Krach... tak - tak - tak - tak.

Und plötzlich: Hurra!! Hurra!! Hurra!!

Ein Brüllen und Schreien bricht los. Von hinten kommt's.

Ja, sind die denn wahnsinnig?

Unsere zweite Linie, die bisher noch vom rasenden Tode verschont blieb, stürmt vor. Das ist doch heller Irrsinn, sehen denn die Offiziere die Leichenhaufen ihrer Kameraden nicht?

Gott sei Dank, daß sie links von unserem Acker vordringen, nach dort verlegt sich nun auch das deutsche Granatfeuer. Einige Minuten Donnern, Krachen, Tosen, Knattern und Bellen und dann ist Ruhe. Wie ein Spuk ist der Angriff zerstoben. Was nicht erschossen, zerfetzt am Boden liegt, kriecht, rennt zurück, vom rasenden MG.-Feuer eingeholt.

Die nervenzerreißende Spannung läßt nach. Ruhe herrscht, grausige Ruhe. Hilfeschreie, neuerliches Winseln klagt durch die Luft, sucht Rettung, aber niemand kümmert sich darum.

Ich schüttle den Sand ab, denke, jetzt habe ich's doch überstanden. Jetzt müssen sie ja von drüben kommen! Da beginnt es auch schon... Aber nicht die Deutschen kommen, sondern von hinten erhebt sich wieder Hurragebrüll...

Zum drittenmal wird durch die irrsinnige Führung der Rest unserer Truppen zur Schlachtbank vorgetrieben.

Wieder beginnt das widerliche Schauspiel - und wieder ist dann Ruhe. Nur die Hilfeschreie gellen lauter durch die Luft und einige hundert Menschen mehr liegen zerfetzt am Boden.

Diese unfähige, unsinnige militärische Führung!

Ich hebe den schmerzenden Kopf - schaue - ringsum türmen sich die Granattrichter. Auf meinen Ruf antworten zwei Kameraden.

Auch sie leben - aber wie! Aus grauen, verfallenen, mit Dreck bespritzten Masken schauen mich rotentzündete Augen stumpfsinnig an.

Ob ich auch so aussehe?

[92] Ich recke mich etwas in die Höhe - wenn jetzt nicht bald die Deutschen kommen, dann springe ich wahrhaftig auf und renne hinüber, gleich, was da kommen mag...

Aber da sind sie schon, die graublauen Kameraden! Dreißig Meter vor unserem Kartoffelacker ziehen sie eine Telephonleitung, direkt auf uns zu.

Schnell verschwinde ich wieder im Loche und rufe den beiden polnischen Kameraden zu, sie mögen sich ergeben, gefangennehmen lassen.

Eifrig bejahen sie und bitten, ich möchte nur ja schnell die drüben deutsch anrufen.

Da schreie ich hinüber: "Kameraden! Nicht schießen! Herkommen!"

"Donnerwetter! Vorsicht - hier sind noch welche!" ist die Antwort.

"Kameraden! Hört ihr! Nicht schießen, wir kommen heraus!"

"Na kommt schon, dalli, dalli!"

Ich rufe den Polen zu, sie mögen herausklettern, recke mich in die Höh... und falle gleich wieder ins Loch zurück. Ein deutscher Soldat wirft eine Stielhandgranate auf den neben mir herauskletternden Polen, der sich unvorsichtigerweise am Karabiner zu schaffen gemacht hat. Durch dieses Mißverständnis muß er unsere Rettung mit einer schweren Kopfverletzung bezahlen.

Das war aber der letzte Schreck.

Mit einem Satze bin ich jetzt aus dem Loch.

"Kameraden!!... Heil Hitler", schreie ich.

Im Sturmschritt geht's zu den deutschen Stellungen.

"Ich bin ein Deutscher, Kameraden!"

"Hast du Hunger?"

"Und ob! Aber erst eine Zigarette...!"

Während ich in hastigen Zügen rauche, erzählen die Kameraden. Polen ist überrannt... Der Führer war schon in Lodsch...


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