SucheScriptoriumBuchversandArchiv IndexSponsor


Unser Kampf in Polen. Die 
Vorgeschichte - Strategische Einführung - Politische und kriegerische
Dokumente


Von der Wehrwirtschaft zur Kriegswirtschaft

von Dr. Josef Winschuh

Der Krieg ist zwar nicht der Vater aller, aber der Umwandler vieler Dinge. Der Weltkrieg hat das Geflecht der Weltwirtschaft verändert, er hat Industrien in jungen Wirtschaftsländern der Übersee erstehen lassen, er hat mit sozialen Umwälzungen das gesellschaftliche Gefüge vieler Länder verwandelt, er hat auch die Idee der wehrhaften Wirtschaft entstehen lassen.

Indirekt enthielt auch schon die Periode der liberalen Wirtschaft wehrhafte Züge. Der Weltkrieg wäre mit seinem Materialaufwand nicht möglich gewesen ohne die großartige industrielle Entwicklung der modernen Wirtschaftsländer, denn die moderne Rüstungswirtschaft fußt auf einer breiten Erzeugung von erstklassigem, in ziviler Anwendung erprobtem Friedensmaterial, auf der Entwicklung der schweren Industrien, der Maschinenindustrie und Elektrotechnik, der Chemie und der Optik. Es ist kein Zufall, daß sich im Weltkriege diejenigen Mächte als die härtesten Kämpfer erwiesen, die zugleich auch den Höchststand der wissenschaftlichen und kulturellen Zivilisation sowie der industriellen Leistungsfähigkeit aufwiesen, nämlich Deutschland und Großbritannien, Frankreich und die Vereinigten Staaten. Insofern waren Wirtschaftsleistung und Wehrkraft bereits eine innige Verbindung eingegangen.

Was allerdings noch fehlte, noch nicht entwickelt war, das war die geistig-sittliche und organisatorische Durchdringung von Wehr- und Wirtschaftskraft. Das liberale neunzehnte Jahrhundert war praktisch keineswegs pazifistisch, es hat vielmehr viele Kriege erlebt. Aber es dachte und organisierte, vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet, in Friedenszuständen. Der Krieg war innerhalb dieser Vorstellungen stets die störende Ausnahme, die nicht in die Systeme der Nationalökonomen, aber auch nicht in die Organisation der Märkte, des Geldwesens und des allgemeinen Wettbewerbs paßte. Die Folge war, daß man als wirtschaftliche "Ordnung" nur die Friedenswirtschaft kannte, daß ein Krieg die Wirtschaft jedesmal überraschte und unvorbereitet vor kriegswirtschaftliche Aufgaben stellte. Die Friedenswirtschaft war durch eine tiefe Kluft von der Kriegswirtschaft getrennt, um so mehr, als die Volkswirtschaften auf den Grundsätzen der wirtschaftlichen Produktivität sowie der privaten Rentabilität aufgebaut waren, während der Krieg eine Vernichtung von Werten bedingt und mit seiner Forderung nach Opfer und Verzicht auch die privatwirtschaftliche Rentabilität trifft. Das Verhältnis zwischen Krieg und Wirtschaft war demzufolge fremd, gegensätzlich, ja feindlich. Es sah fast so aus: Die Soldaten störten die Wirtschaft, vernichteten wirtschaftliche Werte, während die Wirtschaftler sich am Soldaten durch ein rücksichtsloses Ausnutzen der Marktlage, durch Kriegsgewinne rächten. Napoleon haßte die Armeelieferanten und führte gegen sie ständig einen inneren Krieg. Und auch im Weltkrieg, nach einem Jahrhundert Nationalismus in der europäischen Welt, klafften die Grundsätze der Kriegs- und der Wirtschaftsführung noch stark auseinander, gab es noch keine wirtschaftliche Mobilmachung, konnte sich die Wirtschaft noch weitgehend am Kriege bereichern.

Im Weltkrieg entstand aber auch die Idee der Wehrwirtschaft. Sie konnte sich allerdings erst nach der politischen Revolution und wirtschaftlichen Neuordnung, die der Nationalsozialismus vollzogen hatte, kraftvoll entwickeln. Wehrwirtschaft bedeutet dreierlei. Erstens, daß man grundsätzlich keinen krassen Unterschied zwischen der Friedens- und Kriegswirtschaft mehr anerkennt, daß man vielmehr, genau wie politisch und diplomatisch Friede und Krieg nur wechselnde Zustände einer stets auf das gleiche Ziel gerichteten Aktivität der Nation sind, Friedens- und Kriegswirtschaft nicht als Gegensätze begreift und die Kriegswirtschaft nicht für etwas Anormales hält, sondern für eine andere, wenn auch höchst konzentrierte und stark konsumierende Form der Wirtschaft. Wehrwirtschaft bedeutet zweitens, daß auch die Wirtschaft wehrhaft denkt, daß sie schon im Stadium der Friedenswirtschaft die Elemente der Vorsorge, der wachen Bereitschaft für den Ernstfall, der Wehrhaftigkeit in sich einbaut und die Maßnahmen und Mittel, die dafür aufgewendet werden müssen, in ihrem kalkulatorischen Denken für ebenso normal hält wie die Vornahme von Abschreibungen und die Bildung von Reserven. Wehrwirtschaft bedeutet drittens die methodische Vorbereitung der Kriegswirtschaft, beruhend auf den Lehren des letzten Krieges und den Erfahrungen der kriegführenden Umwelt, gestützt auf das Rüstungs- und Wehrpotential der Nation, das dreifach begriffen werden muß, als militärische Kampfkraft, als wirtschaftliche Rüstungs- und Versorgungskraft und als sozialseelische Widerstandskraft des Volkes.

Die Lehren des Weltkrieges waren in wehrwirtschaftlicher Beziehung hart. Wir hatten 1914 keine wirtschaftliche Mobilmachung. Wir haben die Kriegswirtschaft improvisiert. Wir haben im Banne der Vorstellung vom kurzen Kriege mit unseren Vorräten ausgehalten und die Rationierung der Lebensmittel zu spät organisiert, als schon die Hamsterei Verheerungen angerichtet hatte und auf Karten nicht mehr genug zu verteilen war. Daß wir den Weltkrieg verloren haben, lag zum größten Teil daran, daß wir den Wirtschaftskrieg, den Krieg der Zufuhren, der Läger und der Äcker verloren. Wir haben ihn nicht so sehr verloren aus Mangel an Rüstungspotential. Unser industrieller Erzeugungsapparat, ausgedrückt in Laboratorien, Fabriken und Maschinen, war groß, blieb während des ganzen Krieges intakt und leistete unter tüchtigen Unternehmern und nicht minder tüchtigen Arbeitern Hervorragendes, sowohl in der Industrie wie in der Chemie. Auch unser Kriegsfinanzwesen war technisch ausgezeichnet organisiert und leistungsfähig, wenn es auch zu einseitig den Weg der Anleihen ging, der die Last des Krieges auf die kommenden Generationen und die Sparkapitalien bürdete, und zu wenig den Weg der kräftigen Besteuerung, also der Kriegsfinanzierung aus dem Einkommen und dem Minderverbrauch.

Zwischen 1933 und 1939 hat die Wehrwirtschaft in Deutschland große Fortschritte gemacht. Es hat sich eine Wehrwirtschaft entwickelt, die sich um drei Gebiete besonders erfolgreich bemühte, einmal die Grundlegung der wehrwirtschaftlichen Begriffe, zweitens um das Verarbeiten der kriegs- und wehrwirtschaftlichen Erfahrungen der Vergangenheit und Umwelt und drittens um das gegenseitige Verstehen von militärischer Welt und Wirtschaft. Das wehrwirtschaftliche Denken hat zugenommen und ist schon zum selbstverständlichen Bestandteil des normalen wirtschaftlichen Denkens geworden. Und schließlich wurde die Wirtschaft auf kriegswirtschaftliche Möglichkeiten und Notwendigkeiten teils bewußt, teils unbewußt vorbereitet, aber immer in einheitlichem Zug der großen nationalsozialistischen Bemühung, die Nation für ihren Kampf um Gleichberechtigung, Ehre und Größe in Form zu bringen.

Wenn wir von der Schwelle des heutigen Krieges zurückblicken, zeichnen sich die Etappen dieser Entwicklung deutlich ab. Sie begann schon vor 1933, mit der großen Krise. Damals begannen wir, aus der Not eine Tugend zu machen und die Meisterung des deutschen Schicksals mit einer neuen Wirtschaftspolitik zu versuchen. Damals führten wir die Devisenbewirtschaftung ein. Erst eine Notstandsmaßnahme, wurde sie bald zum währungspolitischen Schutzwall unseres nationalen Wiederaufbaues aus eigener Wirtschaftskraft und bald auch unserer Aufrüstung, die wir kaum ohne diesen Wall ungestört hätten durchführen können. Dann setzte als erste nationalsozialistische Etappe die Arbeitsbeschaffung ein. Sie beseitigte die Erwerbslosigkeit, steigerte die Produktion und schuf ein größeres Sozialprodukt mit höherem Steuerertrag. Es folgte die Periode der Aufrüstung, die uns eine neue Wehr schmiedete. Hand in Hand mit ihr begann der Vierjahresplan zu arbeiten mit dem Ziele, die deutsche Versorgung unabhängiger vom Ausland zu machen, sowohl industriell wie ernährungsmäßig mit der landwirtschaftlichen Erzeugungsschlacht. Gleichzeitig begann mit dem neuen Plan die Umschichtung unseres Außenhandels. Wir organisierten Einfuhren ohne Gold, wir führten nur aus Ländern ein, die unsere Waren abzunehmen bereit waren, wir gruppierten unsere Einfuhren nach dem Grade der volkswirtschaftlichen Dringlichkeit und überließen nicht mehr dem Kaufmann und Verbraucher die private Bestimmung über den Umfang der Einfuhren, wir beschritten dabei gleichzeitig in "Richtung Donau" den Weg der Kontinentalpolitik und begannen, uns auf eine Art blockadefest zu machen, die von einer Seemacht nicht mehr gestört werden konnte. In all diesen Etappen staken auch wesentliche wehrwirtschaftliche Züge.

Wichtig war dabei die Neuordnung der deutschen Wirtschaft in Pflichtorganisationen, die der Leitung der staatlichen Wirtschaftspolitik untergestellt wurden. Von Jahr zu Jahr nahm die staatliche Wirtschaftslenkung mehr zu, rückte der Staat mit seinen Eingriffen und Kontrollen näher an die Wirtschaft heran. Von Jahr zu Jahr wurde die deutsche Wirtschaft stärker entliberalisiert und fester in die Hand der politischen Führung genommen. Dieser Umbau der deutschen Wirtschaftspolitik, der teilweise durch die Bekämpfung von Mangelerscheinungen bedingt war, zum anderen Teil aus dem nationalsozialistischen Führerprinzip entsproß, muß als wehrwirtschaftliches Moment ersten Ranges angesprochen werden. Denn diese Entwicklung erreichte bereits in Friedenszeiten ein Höchstmaß organisatorischer Erfassung der privaten Wirtschaft durch den Staat und eine Gewohnheit des Unternehmertums, diszipliniert und ausgerichtet zu marschieren.

Arbeitertum und Soldatentum sind die tragenden Säulen der Kriegsleistung geworden. Schließlich haben wir schon seit geraumer Zeit wehrwichtige Vorratswirtschaft getrieben.

Inzwischen ist die Friedenswirtschaft in die Kriegswirtschaft übergegangen. Es hat sich erwiesen, daß die Wehrwirtschaft hierbei eine wertvolle, tragfähige Brücke war. Es zeigt sich auch, wie notwendig und sinnvoll die wehrwirtschaftliche Vorbereitung war, denn der Feind ist gewillt, den Krieg vor allem wirtschaftlich zu führen, weil er glaubt, hier unsere Achillesferse zu treffen, an der wir verwundbar sind. Das ist die ausgeklügelte britische Rechnung. Sie geht fehl. Wir befinden uns auch wirtschaftlich in einer anderen Lage als 1914. Wir haben zwischen 1933 und 1939 bereits einmal einen "Wirtschaftskrieg" gewonnen, ein Erfolg, den uns kein Wirtschaftspolitiker draußen zugetraut hätte. Wir haben den Willen und auch die Möglichkeit, den Handelskrieg der Blockade zu gewinnen. Abgesehen von unserer überlegenen Waffenrüstung und von unserem England und Frankreich überlegenen, kriegswirtschaftlichen Potential, das soeben noch durch die polnischen Eroberungen bereichert worden ist, ist auch unsere Versorgungslage freier als damals. Wir haben im Osten Rückenfreiheit und wir werden sie kriegswirtschaftlich zu nutzen verstehen. Wir führen auch wirtschaftlich nur einen Einfrontenkrieg und sind nicht mehr in einen würgenden Einkreisungsring gespannt, wie zwischen 1914 und 1918. Auch der Block der neutralen Länder, zahlreicher als damals, bedeutet mit seinem Eigeninteresse, das sich notwendig gegen den britischen Handelskrieg wenden muß, eine Chance des Güteraustausches, die wir zu nutzen wissen werden. Was überdies an wirtschaftlichen Möglichkeiten und Überraschungen noch in der Tüte der Zukunft steckt, bleibt abzuwarten. Jedenfalls hat die Umwelt mit Erstaunen feststellen können, daß das Tempo unserer diplomatischen Aktivität unserem militärischen Tempo nicht nachzustehen scheint.

Im Inlande sind die Vorkehrungen für eine stabile Versorgung getroffen. Bezugsscheinsystem und Lebensmittelkarten verbürgen allen Volksgenossen eine gerechte Verteilung der lebensnotwendigen Versorgung. Hinzu tritt die Preis- und Lohndisziplin als weiterer Eckstein unserer Kriegsbinnenwirtschaft, während eine kräftige Besteuerung sowie eine Einschränkung der Konsumgüterindustrien für die erforderliche Abschöpfung von Kaufkraft, für die Kriegsfinanzierung aus dem Einkommen sowie das Aufsparen wichtiger Rohstoffe für die Rüstungsindustrien sorgen. Nach innen ist unsere Kriegswirtschaft ausreichend abgestützt, kann unsere Versorgung dank sofortiger Zuteilung und Vorratshaltung lange durchhalten, nach außen hat sie sich genügend Luft gemacht, um den Krieg nicht wie in einer belagerten Festung, sondern bewegungsmäßig im freien Raum führen zu können. Unser Heer kann auf eine wehrhafte, ausdauernde und aktive Kriegswirtschaft zählen.


Seite zurückInhaltsübersichtSeite vor

Unser Kampf in Polen
Die Vorgeschichte - Strategische Einführung - Politische und kriegerische Dokumente