Die polnischen
Operationen
Nach einem Havasbericht
Paris, 25. September 1939
Nach den Angaben eines polnischen Generalstabsoffiziers war die Verteilung der
polnischen Kräfte Anfang September im wesentlichen die folgende:
Im Norden waren zwei Armeegruppen an der ostpreußischen Grenze
aufmarschiert, im Osten hatte in der Provinz Suwalki die Grodnoer Division
Truppenteile gegen die Umgebung der Masurischen Seen angesetzt. Eine zweite
Armeegruppe sammelte sich nördlich von Warschau in der Gegend von
Mlawa und ihre unmittelbare Aufgabe bestand in der Verteidigung der polnischen
Hauptstadt. In Pommern stand die
sogenannte "Korridor-Armee" unter dem Oberbefehl des Generals Bortnowski.
Wegen der Schwierigkeiten der Verteidigung des kaum 50 Kilometer breiten
Gebietsstreifens zog Bortnowski seine Truppen im südlichen Teile des
Korridors zusammen. In der Mitte marschierten zwei Armeegruppen zur
Verteidigung der Westgrenzen Polens auf, und zwar in der Provinz Posen unter
dem Kommando des Generals Kutrzeba, und im Südwesten in der Gegend
von Tschenstochau zur Verteidigung des schlesischen Industriegebiets. Der linke
Flügel der polnischen Streitkräfte wurde in der Gegend von Krakau
konzentriert. Die polnische Heeresleitung hatte aber schon vorher mit dem
Verlust des Bromberger und des westschlesischen Industriegebiets gerechnet.
Nach Angaben des Generalstabsoffiziers wichen die polnischen Truppen in
Schlesien und Pommern dem Angriff der deutschen Heeresgruppen Kluge und
Küchler sowie Reichenau rasch aus, und während es den Polen
gelang, die Verbindung zwischen den deutschen Angriffskolonnen zu
unterbrechen, vermochten sie auch den Rückzug in den Raum von
Warschau unter heftigen Nachhutkämpfen zwischen Tschenstochau und
Warschau anzustreben.
Schwere Artillerie in Feuerstellung
[Presse-BZ.]
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Die in Pommern und in der Provinz Posen stehenden polnischen Heeresgruppen
zogen sich in geschlossenen Formationen in den Raum südlich von Thorn
zurück und vereitelten den von den Deutschen umfassend angesetzten
Angriff. Jetzt begann die von der deutschen Heeresleitung aus der Richtung
Ostpreußen angesetzte zweite Angriffsoperation. Gleichzeitig trat auch die
Deutsche Artillerie vor Warschau
[Atlantic - Schwahn]
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Heeresgruppe List aus der Slowakei ihren Vormarsch an. Die mit zahlreichen
motorisierten Kräften und schwerer Artillerie ausgestatteten deutschen
Angriffsarmeen unternahmen aus Ostpreußen einen
großzügigen Angriff südwärts in der Richtung auf
Warschau. Gleichzeitig besetzte die Heeresgruppe List am Oberlauf der Weichsel
Krakau und drang in der Richtung Kielce vor. Den polnischen Truppen gelang es
auch diesmal, sich der deutschen Umfassungsoperation zu entziehen und trotz
den von deutschen Luftstreitkräften auf den Verbindungslinien
Artillerie in einem polnischen
Städtchen
[Associated Press]
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durchgeführten großen Zerstörungen in geschlossenen
Verbänden den Rückzug an die Weichsellinie zu
bewerkstelligen.
Anders war die Lage an der Front in Posen und Pommern, wo deutsche
motorisierte Kräfte zwischen Lodz und Kutno dem polnischen
Landstraße bei Pinsk
[Scherl]
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Rückzug die Straßen versperrten. Die deutsche Heeresleitung setzte
nunmehr von neuem zu einer Umfassungsoperation an, während der linke
deutsche Heeresflügel im Norden ostwärts ausgedehnt wurde und im
Süden in der Richtung Ostgalizien hauptsächlich bayerische und
österreichische Gebirgstruppen den Vormarsch antraten.
Im Norden sich auf Brest-Litowsk, im Zentrum auf Warschau und im
Süden auf Lemberg stützend, konnten sich die polnischen
Heerestruppen aber auch jetzt der Einkreisung entziehen und von Warschau her
wurde zum Gegenangriff angesetzt, um die an der Bzura und bei Kutno
eingekesselten pommerischen und Posener Heeresteile zu befreien,
während an den beiden Flügeln die deutsche Angriffsbewegung
aufgehalten werden konnte.
Unser Kampf in Polen
Die Vorgeschichte - Strategische Einführung - Politische und kriegerische
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