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[Bd. 7 S. 417]

Schluß.

Die vier Jahre vom Sommer 1929 bis zum Sommer 1933 leben in der deutschen Geschichte fort als eine Epoche schwerster und entscheidender Kämpfe. Dieses Jahrviert ist erfüllt von dem Kampfe um das Dritte Reich. Wir kennen in der deutschen Geschichte des öfteren derart revolutionäre Zeitalter, in denen urwüchsiger Volkswille nach Form und Gestaltung verlangte. Die Jahre 1521–1525 waren entscheidend für die Gestaltung des reformatorischen Werkes von Dr. Martin Luther; die Jahre 1807–1812 umschließen das gewaltige Werk der Reorganisation Preußens; und dann die Jahre vom Sommer 1866 bis zum Frühjahr 1871, in denen Bismarck das deutsche Reich erschuf – das Zweite deutsche Reich. –

Die ganze Wucht eines durch Blut und Not gehetzten Volkes konzentrierte sich 1929–1933 in der großen Bewegung des Nationalsozialismus. Sie war die Zuflucht der Verzweifelnden und der Schild der Hoffenden. Und in diesen Jahren von 1929 bis 1933 erstand ein neuer Glaube an die Zukunft Deutschlands – ein Glaube, der wie allezeit im deutschen Volke auf dem Urboden völkischer Lebenskraft keimte und sich durch das Trümmerfeld stark nach oben entfaltete. Es ist der Glaube, daß ein deutsches Volk nur sein kann im Zusammenfügen der deutschen Menschen unter dem Willen eines Führers.

Zwei mächtige politische Energien rangen um den Besitz des Trümmerfeldes, das der zerfallende Parteienstaat zu hinterlassen sich anschickte: Der Nationalsozialismus und der Kommunismus. Stets aber in der deutschen Geschichte siegte in den Stunden der Entscheidung die schöpferische Kraft, die im Blute des Deutschen ruht, und nicht jene zerstörende Kraft, die ihm von draußen eingeimpft wurde. So konnte auch in dem gewaltigen Streit, in dem zum ersten Male in der deutschen Geschichte nicht die Obrigkeiten, sondern das deutsche Volk zu entscheiden hatte, der chaotische Kommunismus durch die machtvolle, aufbauende und schaffende Kraft des Nationalsozialismus überwunden werden, – durch jene Schöpferkraft, die sich stets und immer in überragenden Führerpersönlichkeiten offenbart.

Deutlich lassen sich die einzelnen Etappen des Kampfes um das Dritte Reich unterscheiden. Genau in dem Augenblick, da [418] der kraftlose und innerlich morsche Parteienstaat von Weimar sich anschickte, durch den Youngplan das Versklavungssystem von Versailles zu vollenden, hob er an. Er mußte in dem demokratischen Staatsgefüge, sofern er auf dem Boden der Legalität ausgefochten wurde – und das entsprach dem deutschen Wesen –, mit der Eroberung der Volksmassen und der Parlamente beginnen. Von unten her mußten die in der Parteienbonzokratie erstarrten Obrigkeiten ihrer Macht enthoben werden. Drei Stöße von zunehmender Wucht erfolgten: Das Volksbegehren und der Volksentscheid gegen den Youngplan 1929, die Reichstagswahl von 1930 und der Stahlhelmvolksentscheid zur Auflösung des Preußischen Landtags 1931.

Die Inhaber der demokratischen Regierungsgewalt suchten dem Drängen des Volkes zu entgehen, indem sie in wachsendem Umfange sich auf die verfassungsmäßige, demokratische Diktatur stützten, die Parlamente ausschalteten. Reichskanzler Brüning hatte die Aufgabe, dem völkischen Ansturm Stand zu halten. Seine Regierung strebte immer mehr einer Diktatur des Zentrums entgegen, aber seine innere Schwäche zwang ihn, sich zu behaupten, indem er zwischen den beiden feindlichen Mächten des Nationalsozialismus und Kommunismus einen Zustand des Gleichgewichts herzustellen versuchte. Und diese demokratische Politik kostete zahlreiche Blutopfer; der Bolschewismus wütete mit Mordterror gegen die Anhänger Hitlers.

Aber auch diese Bluttaten vermochten die völkische Bewegung nicht aufzuhalten. Die mächtig emporstrebende nationale Opposition schuf sich in der Harzburger Front im Herbst 1931, wozu Hitler, Hugenberg und Seldte zusammentraten, eine politische Form, die allerdings an starken inneren Spannungen litt und als solche nicht aktionsfähig war.

Dann kam das Jahr 1932, das Jahr der großen Wahlen. Die Reichspräsidentenwahlen und die Länderwahlen im Frühjahr legten Zeugnis davon ab, daß die sieghafte Eroberung des Volkes durch den Nationalsozialismus gewaltige Fortschritte gemacht hatte. Es war Zeit, daß das System von Weimar beseitigt wurde, es war durch das Volk selbst, legal, überwunden worden. Brüning stürzte und die marxistischen Machthaber Preußens wurden gestürzt, ihr verzweifelter Widerstand brach [419] in sich zusammen. Die Zeit vom Mai bis Juli 1932 war das Ende von Weimar, das nur möglich war durch das Vordringen des Nationalsozialismus.

Die Etappe der Regierungen Papens und Schleichers bildete ein Übergangsstadium. Papen und Schleicher standen zwischen dem überwundenen Weimarer Parteienstaat und dem reaktionären Obrigkeitsstaat der vornovemberlichen Zeit. Die kraftvolle neue Idee, die allein im Nationalsozialismus ruhte, fehlte ihnen. Das Charakteristische dieser Ära sind ihre Versuche einer Verfassungsänderung, die steril bleiben mußten, weil in ihnen das deutsche Volk ausgeschaltet werden sollte. Die Art dieser Regierungen war innerlich kraftlos; sie erschlafften daher im Rückfall in den Parlamentarismus.

Für den Nationalsozialismus wurde diese Periode vom 30. Juli 1932 bis 30. Januar 1933 die gefährlichste. Adolf Hitler widersetzte sich standhaft den Versuchen Papens, Hindenburgs und Schleichers, in das obrigkeitliche wie in das parlamentarische Regierungssystem hineinbezogen und mit dem Todeskeim dieser Systeme belastet zu werden. Seine deutschnationalen Verbündeten in der Harzburger Front standen offen gegen ihn auf, und in der isolierten Opposition außerhalb der Staatsgewalt hatte der Nationalsozialismus eine schwere Belastungsprobe gegenüber den Kräften in seinen eigenen Reihen zu bestehen, die in den Staat hineinstrebten. Die in Regierungsexperimenten erschöpfte Staatsgewalt und der durch innere Auseinandersetzungen gehemmte Nationalsozialismus gaben den Kommunisten neue Kraft, und diese schickten sich an, durch einen allgemeinen Aufstand die Macht in ihre Hand zu bringen.

In letzter Stunde dann trat Adolf Hitler als Kanzler einer Regierung der Harzburger Front an die Spitze des Reiches, am 30. Januar 1933. Damit war der Kampf um das Dritte Reich ein wesentliches Stück vorwärtsgekommen. Die schnelle Arbeit des Nationalsozialismus ermöglichte es, daß bereits bis zum Frühsommer die Staatsmacht und der Staatsapparat vom Nationalsozialismus durchdrungen wurden, und daß anschließend die Durchdringung des deutschen Volkes mit der neuen Staatslehre vor sich gehen konnte. Im Hochsommer 1933 [420] war der nationalsozialistische, der völkische deutsche Führerstaat an die Stelle des parlamentarischen Parteienstaates und des reaktionären Obrigkeitsstaates getreten. Die Parteien waren verschwunden, es gab nur noch die große Weltanschauung des Nationalsozialismus, in der sich das ganze Volk sammeln sollte.

Der Kongreß des Sieges Anfang September 1933 steht am Ende des Kampfes um das Dritte Reich, der vier Jahre gewährt hatte. Die Kraft und die Macht Deutschlands waren nicht mehr ein Raub anmaßender Parteien, sie waren auch nicht mehr eine tote Maschine in den Händen obrigkeitlicher Bürokraten, sie waren zusammengefaßt in dem neu und lebendig organisierten Verhältnis zwischen Führer und Volk. Freiheit und Ehre, Arbeit und Friede waren die obersten Gesetze dieser neuen Volksgenossenschaft, denen jeder einzelne unterworfen war in freiwilligem Bekenntnis, in Pflicht und Gehorsam.



Geschichte unserer Zeit
Dr. Karl Siegmar Baron von Galéra