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Die Ruinen von Kopenhagen
Ehe wir uns weiter umsehen und feststellen, daß auch nach englischem Zeugnis
alle Erdteile in Vergangenheit und Gegenwart erfüllt sind von Taten englischer
Untreue und
Brutalität, nur noch ein Bild aus dem europäischen Bereich. Europa wird nie den
mit
Grauen gemischten Ekel vergessen, den ihm vor fast anderthalb Jahrhunderten der englische
Mordbrennerzug gegen Kopenhagen erregte. Nach englischem Cant erfolgte auch dieser
natürlich nur, "um Dänemark zu schützen" und seine Neutralität vor
einer Gefährdung durch Napoleon zu bewahren. Man sieht, "Schutz der kleinen
Neutralen"
war schon damals eine englische Spezialität. Vergegenwärtigt man sich die
damaligen Vorgänge, so ist's als erlebte man englische Politik von heute. Jede eigene
Niedertracht schiebt England den Dänen in die Schuhe: Sie hätten sich mit
Rußland und Frankreich in eine Verschwörung gegen England eingelassen. Der
englische Staatssekretär
Canning - wem fallen dabei nicht die von England in die Welt gelogenen angeblichen
deutschen Mobilmachungen gegen die Tschechei und gegen Polen
ein? - erklärt mit eherner Stirn, die englische Regierung wisse authentisch, daß die
Herzogtümer Schleswig und Holstein, die nie ein französischer Soldat
betrat, "von
französischen Truppen besetzt seien". Dennoch erklärte England in seiner
Güte, es wolle nur die dänische Flotte "in Verwahrung" nehmen, um sie gegen den
Zugriff Napoleons zu schützen. Zur gleichen Stunde, da dem englischen Überfall
auf
Kopenhagen die beruhigendsten Versicherungen des englischen Gesandten in Kopenhagen
über den harmlosen Zweck der englischen Flotte in der Ostsee vorausgingen, trug derselbe
Gesandte schon die Instruktionen seiner Regierung in der Tasche, in denen es hieß: "Sie
werden sorgfältig beherzigen, daß die Besitznahme der dänischen Flotte der
eine und unerläßliche Hauptzweck ist, ohne welchen keine Abmachung als
von irgendeinem Werte betrachtet werden kann."
So wurde die barbarische Beschießung und Zerstörung Kopenhagens eingeleitet,
das
keinen Augenblick lang Miene machte, sich etwa zur Wehr zu setzen; so wurde der nackte Raub
der dänischen Flotte tugendhaft "gerechtfertigt". Beides geschah ohne irgendeine
Kriegserklärung mitten im Frieden und ohne daß Dänemark auch nur die
leiseste england-feindliche Geste gezeigt hätte. "Wir sind aus der Liste der Völker
gestrichen", hieß es in einem zeitgenössischen dänischen Bericht, "aber nicht
von Napoleon, sondern von den Engländern; das also ist die Großmut, die Englands
Söhne üben."
Immerhin gab es Engländer, die sich der Schurkentat schämten und auch in diesem
Fall englisches Licht auf die so betätigte englische "politische Moral" warfen.
Während der parlamentarischen Adreßdebatten, bei denen die Mehrheit
natürlich die Bubentat an Dänemark als ein glorreiches Unternehmen
rühmte,
reichten doch sechs Lords des Oberhauses einen Protest ein, in dem es hieß,
"kein
Beweis feindlicher Absicht von seiten Dänemark sei beigebracht worden, um den Angriff
auf Kopenhagen zu rechtfertigen, und darum gereiche die Maßregel dem Charakter der
Nation zur Unehre und ihren Interessen zum Nachteil." Lord Erskine reichte einen
eigenen
Protest ein, in dem er voller Empörung erklärte: "Großbritannien hat seine
moralische Stellung in der Welt verloren."
Die Zeitschrift Political Review schrieb: "Wenn irgend etwas den Ekel und den
Schauder vermehren kann, die wir bei jeder Erwägung dieses Gegenstandes fühlen,
so ist es die Sprache der Humanität und des Mitleids, die von unserem
Höchstkommandierendem bei dieser Expedition geführt wurde. Diese
kränkende Sprache muß noch mehr als die Feindseligkeit die Gefühle der
Dänen verwunden und reizen."
William Wyndham, Baron Grenville
[National Politics Web Guide]
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William Wyndham, der gewesene Kriegsminister Pitts, erklärte im Unterhaus:
"Die
Ruinen Kopenhagens sind das Denkmal der Schande der Nation." Und in England selbst war es
damals eine sprichwörtliche Redensart: "Ehrlos wie der Zug nach Kopenhagen."
In einer Flugschrift von Manthey aber wurde damals das für englische Politik
und
für die englische politische Moral aller Zeit Typische des Falles hervorgehoben: "Jetzt, wo
der Schleier zerrissen ist, der den Fürsten und Nationen bisher Englands Selbstsucht und
Ehrgeiz verbarg, jetzt erwäge man, ob so manche Krone gesunken und so manches
blühende Land verheert sein würde, wenn nicht Englands Politik, Englands Gold
und
Englands geheime Verbrechen das große Gärungsmittel gewesen wären."
Indische Tragödie
Das kostbarste Kleinod, sozusagen der Kohinoor im Schatz des englischen Empires ist Indien.
James Mill
[Spartacus Educational]
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Aber wie ging und geht England mit diesem Kleinod um. Wie behandelte und behandelt es die
Völker, die ihm Hüter dieses Kleinodes sein sollen. Auch hier von Anfang an bis
heute blutige Schuld des Volkes, "in dessen Blut die Sache des Rechtes das Lebenselement ist".
Hören wir die besten englischen Gewährsleute. Sie gestehen England nicht einmal
die einfache brutale Tat der Eroberung Indiens zu. James Mill, der selbst Beamter der
ostindischen Kompagnie war und die erste Geschichte Indiens schrieb, sagt: "Die beiden
wichtigsten Entdeckungen, auf denen die Eroberung Indiens beruht, waren die Schwäche
John Robert Seeley
[Dr. David Worsley, Sir John Robert Seeley and His Intellectual
Legacy]
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der Eingeborenenheere gegen europäische Disziplin und die Leichtigkeit, diese Disziplin
Eingeborenen in europäischen Diensten beizubringen; diese beiden Entdeckungen haben
die Franzosen gemacht."
Seeley fügte dem bestätigend hinzu, es sei völlig falsch, zu
behaupten,
daß die Engländer Indien erobert hätten. Indien sei bezwungen worden durch
eine Armee, von der nur ein Fünftel aus Engländern bestand, so daß es
richtiger sei, zu sagen, die Indier selbst hätten
Indien - für England - erobert.
Lord Robert Clive
[WebIndia123]
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Aber durch welche Mittel haben die Männer, die England heute als nationale Helden
feiert,
diesen indischen Selbstmord zustande gebracht. Der erste unter diesen Männern, Lord
Clive, machte im grauen Elend nach dem Opiumrausch selbst seinem Leben ein Ende. Das
Haus der Gemeinen stellte in seinem Urteil über ihn mit 155 gegen 95 Stimmen fest,
daß er
"während seiner ersten Verwaltung Bengalens 234.000 Pfund an sich brachte". Trotzdem
stellte das Urteil auch Clives große Verdienste um das Vaterland fest. Dinge, wie der Fall
Omichand, dieser Fall eines landesverräterischen Hindus, den Clive durch eine
Urkundenfälschung betrog, und der infolgedessen in Wahnsinn verfiel, erschienen dem
Urteil der Gemeinen keines Wortes wert; aber Clive wußte, "daß ein großer
Teil
seiner Landsleute einen grausamen und perfiden Tyrannen in ihm sah". Und dieser Mann selbst
mußte in einem Bericht an das Londoner Direktorium der Ostindischen Kompanie
feststellen: "jedes Ressort der Verwaltung ist mit Korruption besudelt. Die Prinzipien der
Raubgier und der Unterdrückung sind überall im Schwang. Jeder Funke
anständiger Gesinnung und jeder Sinn für öffentliches Interesse ist der
schrankenlosen Gier nach unverdientem Reichtum gewichen."
Warren Hastings
[WebIndia123]
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Grauenhaft unverhüllter noch verkörpert Clives Jünger, Warren
Hastings, mit 39 Jahren dessen Nachfolger als Gouverneur von Bengalen und endlich als
Generalgouverneur von Ostindien sein größerer Meister, das englische Verbrechen
an Indien. Über sechs Jahre dauerte der Prozeß, den von 1788 bis 1795 das Haus der
Gemeinen vor dem Hause der Lords gegen ihn führte. Macaulay, der den Mann,
dessen
Verbrechen so profitabel für England wurden, nach Möglichkeit entschuldigt, kann
doch nicht umhin, festzustellen, daß "man sich lächerlich machen würde,
wollte man ihn als einen Mann von fleckenloser Tugend hinstellen". Freilich betont Macaulay
mit Recht, daß die gesamte zweideutige politische Moral Englands mitschuldig an den
Verbrechen von Warren Hastings war, diese Moral mit doppeltem Boden. "...Regieren Sie mit
Milde und schicken Sie mehr Geld! Üben Sie strenge Gerechtigkeit und
Mäßigung gegen benachbarte Mächte, und schicken Sie mehr Geld! Seien Sie
Vater und Verderber des Volkes! Seien Sie gerecht und ungerecht, ein milder
Barbar! - Das ist die Summe aller Instruktionen, welche Hastings aus der Heimat zukamen. Die
Direktoren der Ostindischen Company behandelten Indien, wie die Kirche in der guten alten Zeit
die Ketzer. Die Schlachtopfer wurden dem Henker überliefert, und dieser erhielt die
gemessene Weisung, mit der möglichsten Schonung zu
verfahren." - Über die britischen Heldentaten in Indien urteilt Macaulay: "...Der Zweck
des
Krieges mit den Rohillas bestand darin, eine zahlreiche Bevölkerung, die uns nicht die
geringste Beleidigung zugefügt hatte, einer guten Regierung zu berauben und wider ihren
Willen einer abscheulich schlechten Herrschaft zu unterwerfen;... das herrlichste Volk Indiens
wurde einem gierigen, feigen, grausamen Tyrannen unterworfen..." Auch Macaulay ist
englischer
Engländer genug, um Warren Hastings, "wie man auch über seine Moralität
denken mag", für seine finanziellen Erfolge, also für seine blutigen Erpressungen,
der
"wärmsten Dankbarkeit seines Vaterlandes" wert zu finden, "wenn er
nur" - muß er freilich hinzufügen - "durch redliche Mittel dazu gelangt wäre."
Der brave Macaulay vergißt dabei nur, daß solche Erfolge "durch redliche Mittel"
nicht möglich sind, und daß er, falls er sie dennoch so dankenswert findet, sich auch
damit abfinden muß, daß Warren Hastings "Ämter verkaufte und Geschenke
annahm, um Verbrecher entkommen zu lassen", daß er im Komplott mit einem
bestochenen
Richter Unschuldige zum Tode verurteilte, um eigene Schuld zu verhüllen und Schuldige
für Geld freisprach, und daß er, zum Zweck der Erpressung, z. B. gegen die
Prinzessinnen von Oudh, "ein Verfahren anwandte, von dem wir selbst in dieser Zeit nur mit
Scham und Kummer reden können."
Warren Hastings, schreibt J. R. Green, "nahm das Geld, wo er es kriegen konnte. Er
verkaufte
für eine wüste Summe die Dienste britischer Truppen, um die freien Stämme
der Rohillas zu zermalmen. Er erpreßte eine halbe Million vom Rajah von Benares. Durch
Folter und Hunger entwand er mehr als eine Million aus den Händen der Prinzessinnen
von
Oudh. Durch Maßregeln, die kaum weniger gewissenlos waren, hatte er von Anfang an
seine Macht erlangt".
Als man auch in dem durch den allgemeinen indischen Raub an seiner Seele verwüsteten
England den "großen Verbrechen" der Ostindischen Company unter Hastings'
Führung nicht mehr weiter zusehen konnte, ohne die eigene Mitschuld gar zu sichtbar
werden zu lassen, zog man den Prozeß gegen Hastings, den größten
Staatsprozeß der Geschichte, über sieben Jahre lang hin, um ihn sich totlaufen zu
lassen. Endlich sprach man den überführten Verbrecher von den erwiesenen
Staatsverbrechen frei, verurteilte ihn allerdings zur Tragung der ungeheuren Kosten. Man konnte
die "Freisprechung" nicht besser Lügen strafen. Gegen die interessierte freisprechende
Mehrheit der parlamentarischen Richter erhoben allerdings die besten Männer Englands
ihre anklagenden Stimmen, und diese Stimmen sind es bis heute und heute erst recht, die ein
Edmund Burke
[Web of English History]
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unverlöschliches Zeugnis ablegen gegen England und gegen die völlige
Unvereinbartheit zwischen Moral und Praxis der englischen Politik. Über alle Zeiten und
Verhüllungen weg wird man immer die Stimme des großen Anklägers
Edmund Burke hören: "Ich klage Warren Hastings an großer Verbrechen
und des
gesetzlosen Verhaltens. Ich klage ihn an im Namen des Hauses der Gemeinen, dessen Vertrauen
er verraten hat. Ich klage ihn an im Namen des englischen Volkes, dessen Ehre er befleckt hat.
Ich
klage ihn an im Namen Indiens, dessen Rechte er mit Füßen trat und dessen Land er
in eine Wüste verwandelte. Zuletzt klage ich ihn an im Namen der menschlichen Natur
selbst; im Namen beider Geschlechter, im Namen jedes Alters, im Namen jedes Standes klage
ich den gemeinsamen Feind und Unterdrücker an."
Eine furchtbare Anklage nicht etwa nur gegen den auch von Macaulay mehr entschuldigten als
angeklagten "großen Verbrecher". Es ist der Geist des ganzen englischen Systems, aus
Sir Josiah Child
[Fotoarchiv Scriptorium]
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dem diese Verbrechen mit Notwendigkeit sich ergeben, des Systems der "besonderen
Verwaltungskosten" der Ostindischen Company zu ungenannten, doch wohlbekannten Zwecken
der Bestechung jeder Art und jeden Grades, von niemandem meisterhafter und schamloser
gehandhabt als etwa von dem maßgebenden Mann der Company, Sir Josiah
Child. "Zur
Zeit der Restauration", schreibt Macaulay, "stand er in hohem Ansehen. Seine Spekulationen
waren nicht immer solide... Bald waren viele der wichtigsten Stellen mit seinen Verwandten und
Kreaturen besetzt..." Er bestach die Kleineren und "beschenkte" die Großen. König
Karl II. nahm Geld von ihm und König Jacob II., später König Wilhelm III.
und der Herzog von Leeds. Wer nicht? Jedenfalls "alle, die bei Hofe nützen oder schaden
konnten, Minister, Maitressen,
Priester" - das ist patriotisches englisches
Zeugnis - "wurden durch Geschenke von Shawls und Seidenstoffen, Vogelnestern und
Rosenöl, Diamanten und Säcken mit Guineen bei guter Laune erhalten. Von dem,
was Child gab, forderten seine Amtsgenossen in der Ostindischen Company keine Rechenschaft.
Seine mit kluger Freigebigkeit verteilten Bestechungen trugen reiche Zinsen. Gerade als der Hof
allmächtig im Staate wurde, wurde Child allmächtig am Hofe... Der Unterschleif
und
die Käuflichkeit, wodurch die Beamten jener Zeit sich zu bereichern pflegten, hatten eine
Stimmung in den Gemütern erzeugt, die sich früher oder später mit
Notwendigkeit durch irgendeinen schrecklichen Ausbruch Luft machen mußten."
So Macaulay, bei dem doch immer wieder die echt englische Tendenz fühlbar wird, das
Henry Dundas
[Clan Dundas]
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Geschehene zu entschuldigen um des Erfolges willen. Andere englische Urteiler machen bei
ihrer Feststellung der englischen Schuld an Indien weniger Vorbehalt. Es war ein guter
Engländer, Henry Dundas, damals Schatzmeister der Marine, später als
Viscount Melville Erster Lord der Admiralität, der schon jahrelang vor dem
Prozeß
gegen Warren Hastings im Unterhaus mit den Schöpfern und Beherrschern des englischen
Imperiums in Indien ins Gericht ging, "weil sie die Nation um Eroberungen in Kriege
stürzten, weil sie eingegangene Verträge verachteten und verletzten, weil sie das
Volk von Indien plünderten und unterdrückten, weil sie Verbrechen nur tadelten,
wenn sie keinen Profit brachten".
Richard Price
[Spartacus Educational]
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Es war ein guter Engländer, Richard Price, der schrieb: "Wendet eure Augen
nach
Indien! Dort haben Engländer, bewogen durch Lust am Plündern und den Geist der
Eroberung, ganze Königreiche entvölkert und Millionen unschuldiger Menschen
durch die schändlichste Unterdrückung und Raubsucht ruiniert. Die Gerechtigkeit
der Nation hat geschlafen über diesen Ungeheuerlichkeiten." Die Gerechtigkeit derselben
Nation, von welcher sechs Oxforder Professoren uns schwören, daß "in ihrem Blute
die Sache des Rechts das Lebenselement ist". Die Gerechtigkeit des Volkes, von dessen
Vergangenheit ein Lord Halifax ohne Stocken der Welt versichert, sie habe "nichts gemein mit
der Unterdrückung der Freiheit und Unabhängigkeit der Völker".
William Jennings Bryan
[Prints and Photographs Division, Library of Congress]
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Es war der amerikanische Vetter W. J. Bryan, der in seiner Geschichte der englischen
Herrschaft in Indien schrieb: "Während der Engländer sich gerühmt hat, den
Lebenden den Frieden zu bringen, hat er Millionen zum Frieden des Grabes geführt; er hat
das Land durch legalisierte Plünderung ausgesogen. Wie lange wird es dauern, bis das
Gewissen des englischen Volkes das Flehen verstehen wird, das von dem gefesselten Indien
aufsteht?"
Der von Macaulay bei der Korruption der Tyrannen Indiens als unausweichlich vorausgesagte
"Ausbruch" erfolgte in dem durch den stumpfsinnigen englischen Hochmut
veranlaßten Sepoy-Aufstand von 1857 bis 1859. Wieder belegen englische Zeugnisse die
Art, wie England mit dieser selbstverschuldeten Katastrophe in Indien "fertig wurde". Wieder
die
englische politische Moral in englischem Lichte.
Kaye in seiner Geschichte des Sepoy-Aufstandes schreibt: "Soldaten und Zivilisten
hielten
Blutgerichte ab oder erschlugen die Eingeborenen auch ohne jedes Verfahren und ohne
Rücksichten auf Alter und Geschlecht. Es liegen beim Parlament in Gestalt von Berichten
des Generalgouvernements Darstellungen des Geschehenen vor, wonach die Bejahrten, wonach
Frauen und Kinder ebenso hingemordet wurden wie die des Aufruhrs Schuldigen. Man
hängte sie nicht etwa, man verbrannte sie einfach in den Dörfern. Engländer
rühmten sich ungescheut, daß sie 'niemanden geschont' hätten und daß
das Lospfeffern auf die Farbigen einen sehr angenehmen Zeitvertreib gebildet habe."
Und all das wegen eines Aufstandes, über dessen Entstehung der britische Oberst
Malleson bekennt: "Die Sepoys wurden dafür bestraft, daß sie sich weigerten,
einen Vertrag zu erfüllen, den die Regierung gebrochen hatte... Von dem Versuch, das
stumme Wachstum von Jahrtausenden außer Acht zu lassen und abendländische
Ideen einem morgenländischen Volke aufzuzwingen, dabei Vorurteile außer Acht
zu lassen und Verpflichtungen mit Füßen zu treten, war die Meuterei die allzu
sichere Folge."
Von der Art der "Bestrafung" der aufständischen Sepoys gibt uns eine Schilderung des
Historikers W. H. Fitchett einen Begriff, der erzählt: "An einigen gefangenen
Sepoys ließ dann Oberst Havelock zur Abschreckung eine exemplarische Strafe
vollziehen. Sie wurden vor eine Kanone
gebunden und in die Luft 'geblasen'. Der dazu kommandierte Artillerieleutnant Maude beschreibt
den Vorgang selbst: 'Als wir Halt machten, ließ ich zwei meiner Kanonen auf der
Straße abprotzen. Ein Gefangener, ein junger Sepoy mit gutgeschnittenem Gesicht, bat
mich, ihn nicht an die Kanone anzubinden, doch ich mußte ihm die Bitte abschlagen. Ich
band ihn nur leicht an dem oberen Teil der Räder an, dann richtete ich die
Mündung
der Kanone in die Höhe seiner Brust. Wir luden die Kanone nur mit einer Kartusche. Der
Mann beobachtete alles ohne irgendwelche Zeichen des Schreckens. Ich kommandierte 'Feuer!';
eine dichte Pulverwolke erhob sich; als sie sich verzogen hatte, sahen wir menschliche
Gliedmaßen vor dem Geschütz liegen; nach wenigen Sekunden fiel der Kopf des
Gerichteten, der bei dem Abschuß in die Höhe geschleudert war, völlig
schwarz, aber nicht entstellt, aus der Luft herab.'"
Ein anderer englischer Gewährsmann, Edward Thompson, schreibt über
diese Art Justiz: "Die Hinrichtungen von Eingeborenen geschahen ganz summarisch und
wahllos, 42 Mann wurden längs der Straße aufgehängt. Eine Gruppe von
Männern wurde hingerichtet, weil sie, als man ihnen unterwegs begegnete, das Gesicht
abgewandt hatten."
Sir William Joynson Hicks
[Spartacus Educational]
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All das aus "politischer Moral", wie der englische Cant, die Oxforder Professoren und Lord
Halifax sagen? Oder, wie im Jahre 1925 der englische Innenminister Sir W. Joynson
Hicks im Unterhaus feststellte, aus Krämergier? "Wir haben Indien nicht um der
Indier willen
erobert", sagte Hicks; "ich weiß, daß auf Missionsversammlungen gesagt wird, wir
hätten das Land erobert, um die Kultur der Inder zu heben. Das ist aber eine
unbewußte(?) Heuchelei. Wir haben Indien erobert, um uns Absatz für unsere
Waren zu sichern."
Aber vor Herrn Hicks hatte Gladstone behauptet, daß gerade und nur das, was
dieser Hicks
als Geschwätz für Missionsgesellschaften so lächerlich machte, das einzige
Recht Englands auf Indien ausmache. "Unser Recht, in Indien zu sein", sagte er, "hat zwei
Voraussetzungen; die erste, daß wir dort für die Völker Indiens von Nutzen
sind; die zweite, daß wir diese Völker zu der Einsicht bringen, unsere Herrschaft sei
für sie vorteilhaft."
Man lese die Protokolle über die Prozesse gegen den Mahatma Gandhi oder den Pandit
Nehru, - dann wird man die Antwort auf die Frage haben, wie England diese von einem
Gladstone
aufgestellten sittlichen Forderungen erfüllt hat. Man wird dieselbe Antwort erhalten, wenn
man die Verhandlungen des indischen Nationalkongresses verfolgt, der sich beharrlich weigert,
noch einmal gegen noch so schöne englische Versprechungen Indiens Hilfsquellen an Gut
und Blut für einen Krieg um die englischen Weltherrschaftsziele zur Verfügung zu
stellen.
Es wäre ja nicht zum erstenmal, daß England nur verspricht, um sein Versprechen
zu brechen. Als 1857 die Königin Viktoria und ihre Regierung, um aus der Krisis
des Sepoy-Aufstandes sich herauszuwinden, den Indern klipp und klar das
Selbstbestimmungsrecht versprochen hatten, als die Königin in feierlicher Proklamation
zugesagt hatte, die Eingeborenen sollten frei und unparteiisch zu den Ämtern zugelassen
werden, da erklärte der damalige Vizekönig in Indien, Lord Lytten, in
einem streng vertraulichen, dennoch in die Öffentlichkeit gelangten Bericht ebenso klipp
und klar:
"Wir alle wissen, daß diese Versprechungen, diese Erwartungen und Ansprüche
niemals erfüllt werden können oder sollen; wir hatten zu wählen, ob wir die
Inder offen von den Ämtern ausschließen oder sie betrügen wollten, und wir
haben diesen weniger ehrlichen Weg gewählt."
So 1857. Dennoch haben beim Ausbruch des Weltkrieges die Inder abermals sich durch
dieselben
englischen Versprechungen betrügen lassen. Als der Krieg aus war, der Mohr seine
Schuldigkeit getan hatte, erfolgten statt der versprochenen Gewährung des
Selbstbestimmungsrechtes die Prozesse
gegen "Jung-Indien" und das Blutbad vom Amritsar, bei dem der General Dyer, um die
Stimmen
der Erinnerung an die britischen Versprechungen stumm zu machen, am 11. April 1920 500
Inder erschießen und dreimal so viel niederschießen ließ, wozu der
stellvertretende Gouverneur in Pundschab, Sir Michael O'Dwyer telegraphisch seinen
vollen Beifall aussprach: "Ihr Vorgehen korrekt. Stellvertretender Gouverneur billigt es."
Der schießfreudige General Dyer hatte übrigens die Frage, ob es nicht
möglich gewesen wäre, die Menschen in Amritsar ohne Blutvergießen
auseinander zu bringen, unumwunden bejaht; aber "sie würden wieder
zusammengekommen
sein". - Die Zeitschrift New Statesman schrieb dazu: "Das Blutbad von Amritsar ist nur
eine
Folge der Art, wie England in Indien regiert. Wenn General Dyer nicht dagewesen wäre
und geschossen hätte, hätte es ein anderer getan. Die Wahrheit ist, daß wir
Indien mit dem Schwert niederhalten und durch Furcht beherrschen. Es gibt keinen anderen
Weg,
ein Volk von 350 Millionen Menschen durch eine Handvoll Fremder zu regieren. In Indien
wächst die Gefahr, zur Anwendung des Säbels gezwungen zu werden, mit jedem
Tag, um den der Beginn der Selbstregierung hinausgeschoben wird."
Aus welchem moralischen Milieu diese indische Schießpolitik Englands aufwucherte,
darüber sagt Macaulay, der doch die Schaffung des indischen Imperiums trotz der damit
verbundenen Verbrechen Englands und seiner Vertreter als Großtat englischer Geschichte
pries: "Die Tätigkeit
der Company-Beamten bestand einfach darin, so rasch als möglich ein paar
hunderttausend
Pfund Sterling aus
der Eingeborenen-Bevölkerung herauszupressen, um, in die Heimat zurückgekehrt,
die Tochter eines Edelmanns heiraten und Tanzbelustigungen in
St. James-Square geben zu können."
Der imperialistische Historiker der "Ausdehnung Englands", sozusagen der wissenschaftliche
Vollender der Legende von Empire, Seeley, muß dennoch bekennen: "Unser
indisches
Reich ist von Anfang bis zu Ende aus dem Geiste des Geschäfts emporgewachsen... Im
Eifer unserer Habsucht brauchten wir Gewalt, ließen unsere Heere auf die Eingeborenen
los,
brachen ihre Zollhäuser nieder und überfluteten dagegen ihre Gebiete mit unseren
Waren... In der folgenden Periode... ist es unleugbar, daß wir angestachelt waren durch
nackte Raubsucht."
Englands politische Moral in Selbstzeugnissen
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